Beiträge von Titus Iunius Priscus

    Mit einem solchen Empfang hatte Priscus nicht gerechnet. Die überstürzte Reise, das Bestechungsgeld an den centurio, das er hatte zahlen müssen, damit dieser ein gutes Wort für ihn einlegte, weil der Legatus gerade abgängig war und der Praefectus castrorum in den Wintermonaten doch recht großzügig mit Urlaub in der Italia war, all diese Umstände waren unter einem guten Stern gestanden, denn er hatte ein paar Tage Ausgang erhalten, mit der strikten Auflage, sich sofort nach der Hochzeit wieder in Marsch zu setzen.


    Die Begrüßung war die Aufwendungen allemal wert. Axilla fiel ihm um den Hals und drückte ihn mit herzlicher Freude, wie Priscus es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Er schloss Axilla ebenfalls in die Arme und hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Die Einsamkeit der letzten Monate, die Strapazen und die Trauer über Narcissas Tod, all das verschwand für einen Augenblick und machte einem Gefühl Platz, das er selten erlebt hatte: Er war zu Hause!! Seine Cousine wievielten Grades auch immer zeigte ihm, dass es bei den Iuniern doch noch Zusammenhalt gab, auch wenn sie das Haus nun bald mit ihrem Mann verlassen würde.
    Dass sich Axillas Verhalten für eine Braut nicht schickte, schoss ihm nur kurz durch den Kopf, wurde dann aber wieder verdrängt. Die gens war schon klein genug, etwas Freude durfte gewiss gestattet sein. Er sah, wie Axillas Gesicht an den Stellen ohne Bleiweiß etwas farbiger wurde, als sie ihn losließ. Ein wenig verlegen war er dann doch, als sie ihn wieder förmlicher ansprach. "Vielen Dank für deine Fürsprache, ich musste mich zwar noch um Freigang bemühen, doch ja, ich bin hier. Heute und auch noch morgen, dann muss ich wieder aufbrechen," fing er an zu reden und lächelte das Brautpaar an.

    Langsam kamen die Männer besser zurecht, sie hatten kapiert, dass sie die ganzen Formationen beherrschen mussten, selbst wenn sie gerade nicht auf einen Angriff vorbereitet waren. Das machte die Überlegenheit des römischen Soldaten aus, der nicht nur gut ausgerüstet sondern vor allem diszipliniert und flexibel kämpfen konnte, unter so gut wie allen Bedingungen.


    Und weiter ging es, die zweite Reihe hob ihre Schilde noch etwas an, damit die erste Reihe aufstehen konnte, dann rückten die Seiten in die Mitte und bildeten das Schilddach der Testudo. Diesmal fand sich Priscus eingezwängt in der Mitte wieder, umgeben von Leibern die nach Schweiß, Leder und Wolle rochen.


    Mehrfach wurden die Formationen gewechselt, so schnell, dass die Männer nicht mehr nachdachten sondern nur noch auf die Stimme des centurio hörten und entsprechend reagierten. Nur vereinzelt gab es Ausreißer der Männer.

    Missmutig rückten die Männer noch etwas enger zusammen und bildeten ein fast gleichschenkliges Dreieck ohne Beulen. Doch kaum standen sie einigermaßen in Formation, als der Schrei des centurio über den campus gellte.
    Sofort herrschte wieder leichtes Chaos, keiner wusste recht, von welcher Seite der Angriff kommen sollte. Schließlich drängten die Männer an den Seiten nach vorne und verbreiterten die Formation, richteten die Linien aus und hielten ihre scuta über die vorderste Reihe. "Pilen nach vorne", ging der Ruf nach hinten und das längliche Tier, das sich bildete, hatte mit einem Mal Stacheln, die nach vorne Richtung centurio ragten

    Hinter den Schildrändern der drei einsamen tirones, die außerhalb der Formation standen, konnte man die Gesichter rot anlaufen sehen. Irgendetwas war schief gegangen und der centurio war gerade dabei, wieder richtig loszulegen.
    Mit verbissenen Lippen stellten sich die drei Unglücklichen wieder zurück in die Ausgangsformation, während der Trebellier tobte. Heute schien wieder sein besonderer Tag zu sein.


    Beim nächsten Versuch ging alles etwas langsamer, während die Männer zusammen rückten, doch diesmal achteten die vorderen Reihen peinlichst genau darauf, Anschluss an Vorder- und Hintermänner zu halten. Der Schweiß brach ihnen aus, denn nun machte sich der centurio daran, die Männer noch weiter anzutreiben und anzubrüllen. Schließlich stand der Keil, noch ein wenig krumm, aber mit dem großen Silanus als vordersten Mann.

    Ein wenig abgehetzt betrat Priscus den Raum, der schon zum Bersten voll war mit Menschen, die er nicht kannte. Die lange Schlange zum Brautpaar schien nicht abzureißen, immer mehr Gratulanten reihten sich ein. Ganz hinten stand Priscus, ein wenig nervös. Erstens kannte er den Bräutigam überhaupt nicht, wusste nur, dass er einen hohen Posten in der Verwaltung inne hatte; zweitens kam er sich in seiner recht einfach Toga angesichts der vielen augenscheinlich wohlhabenden Gäste etwas schäbig vor. Verlegen zupfte er an den Enden der Toga, die zwar sauber aber für diesen Anlass doch sehr schlicht war. Mehr hatte er sich mit dem mickrigen Sold als tiro nicht leisten können und so hoffte er, mit einem Lächeln auf dem Gesicht etwas von sich abzulenken.
    Geduldig wartete er, bis er an die Reihe kam. Schon von Weitem sah er Axilla, gekleidet in Weiß mit einem leuchtend roten Schleier in den Haaren. Sie sah schön aus, blass und sehr vornehm. Neben ihr stand ein recht ansehnlicher Mann, dunkle Haare, wache Augen, der mit den Gästen sprach und die Glückwünsche entgegen nahm.


    Priscus straffte sich, als er an der Reihe war, lächelte Axilla an und trat vor. "Axilla, sei gegrüßt, vielen Dank für die Einladung. Iunos Segen für Eure Verbindung wünsche ich dir," begrüßte er sie lächelnd. Dann wandte er sich an den Ehemann, senkte den Kopf ein wenig zu Begrüßung. "Sei gegrüßt Pompeius Imperiosus, auch dir vielen Dank für die Einladung und Iunos Segen. Es freut mich, dich an diesem besonderen Tag kennen zu lernen."

    Immer und immer wieder bildeten die tirones die Reiterabwehrformation und lösten sie wieder auf. Die vordersten Männer kamen nach hinten, jeder nahm einen anderen Platz ein. Die Laune des Trebelliers war wieder einmal schwer einzuschätzen, also gaben sich die Männer wieder mehr Mühe. Keiner hatte große Lust auf eine weitere Nacht Wachdienst.


    Endlich war auch dieser Übungsteil zu Ende, den centurio gelüstete nach etwas neuem. Er erklärte kurz, wie der Keil gebildet wurde und befahl dann auch schon, die Formation zu bilden. Die Kolonne rückte enger zusammen, die hinteren Männer traten zur Seite, um den hinteren Teil des Keils zu bilden, während plötzlich drei Mann einsam und alleine vor der Formation standen, wo eigentlich die Spitze hätte sein sollen.

    Links herum laufen.... nichts zu sehen. Dann wieder zurück, bis zum anderen Ende des Wachabschnitts, nahe der Unterkünfte der neunten Kohorte. Dann wieder nach links, ein weiterer Blick über die Brustwehr in den Graben ins Dunkel der Nacht, das nun, da es der Beginn der dritten Wache war, schwarz und bleiern über allem lag und keine hundert passi Sicht gewährte. Fröstelnd zog Priscus sein focale enger um den Hals, es war kalt und klamm unter seiner Rüstung. Missmutig schob er schon wieder Wachdienst, das dritte Mal innerhalb von sechs Tagen. Der Schlafmangel und das harte Training am Tage schlauchten ziemlich und Fehler führten zu Schlägen oder zum Wachdienst. Das Gefühl stieg von der Brust nach oben in Richtung Mund, den er weit aufriss, um dann herzhaft zu gähnen. Einen Moment tränten seine Augen, dann sah er wieder---- Nichts. Das gleiche wie schon die Nächte zuvor. Unten auf der Straße hörte er die Abgelösten, die eilig ihren Rückweg zu den Unterkünften antraten.
    Wie sehr sehnte sich Priscus nach seinem Bett. Es war zwar recht hart und die Luft erinnerte an einen Tierkäfig, aber zumindest konnte man schlafen und den Tag hinter sich lassen. Wieder gähnte er laut und setzte sich wieder in Bewegung, um sich warm zu halten. Er musste auf jeden Fall wach bleiben. Auf Wachvergehen konnten empfindlichste Strafen drohen, das wusste er. Seine müden Augen wurden der Männer nicht gewahr, die jeweils in eine Lagerecke eilten und so fuhr Priscus zusammen, als der Alarm ertönte. Unsicher, was nun war, blickte er sich um und entdeckte ganz in der Nähe die Fackel auf der Umwallung, nicht die kleinen, mit denen die Männer sich leuchteten, eine richtig große, helle. Während er wartete, dass die Legio wach wurde, straffte er die Schultern und fasste Schild und Speer etwas fester. Erwartungsvoll blickte er über das Lager, wo eine Vielzahl an Lichtern entzündet wurde und sich die Einheiten im Laufschritt an die ihnen bestimmten Wallabschnitte begaben. Seine Kameraden würden gleich zu ihm stoßen, das wusste Priscus und trat nervös auf der Stelle.

    Priscus musste lachen, als die Türe sich öffnete und der Ianitor Araros hinaussschaute, ihn erst auf den zweiten Blick erkannte und dann herein bat.
    "Salve Araros, schön dich wieder zu sehen, es ist ja schon eine Weile her," meinte er und die Müdigkeit verflog langsam. "Ich werde nur für zwei Nächte bleiben, danach muss ich wieder zurück. Ich hoffe ich komme nicht zu spät zu den Feierlichkeiten?" fragte er grinsend.
    Dann sah er an sich herunter. "Bitte melde mich noch nicht bei Axilla, ich will mich erst ein wenig frisch machen und mir den Reisestaub abwaschen," sagte er nachdenklich. Er wollte nicht als abgerissener Soldat ankommen und hatte noch etwas anderes zum Anziehen dabei.

    Die Männer stöhnten innerlich auf, als der centurio wieder einmal alles zu langsam fand. Zu langsam bedeutete zu schwach auf der Brust für schnelle Manöver und zu schwach auf der Brust bedeutete laufen und pumpen, zur Ehre des Augustus. Anscheinend machte die Formation wenig Eindruck auf den Trebellier, er musste immer wieder korrigierend eingreifen und die Waffen ausrichten.


    Langsam kam sich Priscus wie der letzte Mensch auf der Erdscheibe vor, doch er ließ sich nichts von seiner Missstimmung anmerken, machte ein ausdrucksloses Gesicht, wie er es sich über die Wochen angeeignet hatte. Dieser Ausdruck war der Einzige, der nicht eine Sonderbehandlung des centurio provozierte, zu grinsen traute man sich nur hinter vorgehaltenem Schild.
    Beim erneuten Befehl rückten die Männer wieder zusammen und bildeten ihre Schildmauer, staken die Schäfte der Pila in die Erde und hielten sie mit den genagelten Sandalen an Ort und Stelle. Etwas verwundert blickten sie den centurio an, als sie standen.

    Sim-Off:

    Bin eine unscheinbare Erscheinung :D


    Immer und immer wieder wurde die testudo geübt und die tirones waren noch lange nicht perfekt, als die nächste Ausbildungseinheit anstand. Sollten sich die zukünftigen centuriae damit abmühen, ihren neuen Soldaten den letzten Schliff zu geben.


    Die neuen Anweisungen ließen nicht lange auf sich warten. Priscus hatte im Formationstraining schon festgestellt, wie eng die Männer standen und welch großer Druck auf die Körper der ersten Reihen ausgeübt wurde, wenn der Kampf begann. Wie mochte es sein, wenn erst Ross und Reiter auf die Formation prallten? Noch während er überlegte, ertönte der Ausführungsbefehl.
    In der zweiten Reihe stehend, nahm er sein scutum hoch, um den Vordermann zu decken und packte mit der anderen Hand den Schaft eines Pilums, das sein Hintermann nach vorne reichte. Es entstand eine Mannshohe Mauer, aus der die Pilen ragten wie bei einem Igel. Dicht gedrängt standen die Männer und rückten noch etwas enger zusammen, um die Lücken zu schließen.

    Der centurio schien seine Ohren überall zu haben, dachte Priscus, als er den Ausbilder "anklopfen" hörte.
    Dann ging es wieder weiter, scheinbar war auch dem Trebellier aufgefallen, dass die Testudo eher einer Raupe denn einer Schildkröte glich, wenn die vorderen Männer etwas zu große Schritte machten, wurde es über ihren Köpfen plötzlich wieder hell, weil die hintern nicht nachkamen. Die Motivation kam auch dieses Mal wieder vom centurio, der Halten leiß. Dem Befehl folgend lösten sie die Formation und legten die Schilde auf den Boden. Dann legten sie sich daneben und begannen zu pumpen, laut zählend.


    Als sie schließlich bei 20 angekommen waren, wurden die Arme langsam weich. Den Schild über den Kopf zu heben wurde schwieriger, je länger der heutige Tag dauerte. Doch die Angst vor der vitis ließ die Männer wieder zusammenrücken und das Dach schließen. Der zweite Versuch war schon besser, zumindest der Gleichschritt wurde von immer mehr Männern aufgefasst und mitgemacht. Nur vereinzelt entstanden kleinere Lücken, die rasch wieder geschlossen wurden, während sich das vielbeinige Tier über den campus bewegte.

    Einen Moment lang sah Priscus zu ihr rüber, als sie erwähnte, dass sie öfters hätte herkommen sollen. Es klang ein wenig nach einem Selbstvorwurf. Immer wieder hatte Priscus mit sich gerungen, hatte den Besuch herausgezögert, doch wahrscheinlich war es egal, wie oft die Verwandten das Andenken von Narcissa ehrten, sie wartete nur auf ihn... Das hatte sie jedenfalls in seinen Träumen gesagt. Er musste immer wieder an ihren Abschied denken, als er nach Athen aufgebrochen war, er hatte sie noch gehänselt wegen ihrer Ehelosigkeit und gesagt, sie würde nie einen Mann bekommen, wenn sie weiterhin so stur sei. Als er dann nach über einem Jahr zurückkehrte, war Narcissa bereits auf dem Weg zu ihrem zukünftigen Ehemann, einem Alenpräfekten. Dann, irgendwann, hatten die Träume angefangen, kamen immer öfter, riefen, lockten, verfolgten ihn. Mit seinem Vater hatte er sich immer öfter gestritten, wenn er ihn sah und bis zu seinem Aufbruch war die Stimmung zunehmend kühler geworden. Die Todesnachricht hatte die Träume noch schlimmer gemacht und hatten ihn schließlich hierher geführt.


    Gespannt hörte er seiner Cousine zu, die ihm von ihrem Dienst erzählte. Er hoffte, dass die Geschenke reichen würden, er würde seine Schwester bitten, ihn frei zu geben. Bei der Erwähnung ihres Geburtstages krampfte sich sein Magen etwas zusammen, tief atmete er durch. "Sie wurde am zweiten Tag vor den Iden des Sextilis geboren... Es war ein recht heißer Tag, hat meine Mutter immer erzählt," begann er mit tonloser Stimme, um dann zu verstummen.


    Sie hatten das Grabmal erreicht, ein durchaus würdiges Grab für eine alte und traditionsreiche gens. Als die Feuer brannten, führte Serrana ihn zu der Inschrift und trat zu Seite. Als seine Finger die Innschrift berührten und ihre Zeichen nachfuhren, stiegen ihm die Tränen in die Augen und vernebelten seine Sicht. Der Kloß in seinem Hals wurde würgend groß, als er versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen. "Narcissa...," presste er hervor, unfähig sich gegen die Woge des Schmerzes zu wehren, die über ihm zusammenschlug und ihn zu überwältigen drohte.

    Dumpf drang die Stimme des centurio zu den Männern, die jetzt schon schwitzen, ohne sich groß zu bewegen. Ein verdächtiges Rumoren, gefolgt von einem pfeifenden Geräusch hinter ihm schreckte Priscus aus seinen Gedanken. "Woooh, Crassus du Sau, das ist jetzt nicht dein Ernst," zischte jemand. Fragend schielte Priscus nach rechts, konnte aber nichts erkennen außer den Männern neben ihm. Da drang ein grässlicher Gestank an seine Nase, wie nach toten Tieren, und raubte ihm fast den Atem. Hinter sich hörte er ein Lachen. "Was los Leute, jeder einen kameradschaftlichen Zug, dann ist er weg," dann folgte ein Scheppern und ein Schmerzenslaut, als der centurio auch schon das Kommando zum Vorrücken gab.


    Die Schilde schabten aneinander, wackelten hier und da, verrutschten ein wenig. Im Innernen der Testudo gab es ein paar Stolperer, die trotz des langsamen Taktes den Kameraden mit zu großen Schritten auf die Füße stiegen. Allgemeines fluchen und rufen war zu hören, wenn die genagelten Sohlen die Füße der Kameraden malträtierten. Langsam schob sich die Formation vorwärts, ein noch nicht wirklich glanzvolles Bild abgebend.

    Der tiro ließ mit hochrotem Kopf den Anschiss über sich ergehen, ging etwas in die Knie, als ihn die vitis mit voller Wucht traf, riss sich dann aber wieder zusammen und stellte sich kerzengerade hin.
    Die übrigen Kameraden blickten betreten auf den Boden. Das konnte bestimmt jedem passieren, vor allem im dichten Gedränge, doch in mitten einer Schlacht war eine Lücke im Schildwall eine Schwachstelle.
    Fast tat der junge Mann Priscus leid und er war froh, nicht an seiner Stelle zu sein.


    Der Delinquent nickte seinen Strafdienst ab und nahm dann seinen Platz in der Formation wieder ein. Die Männer machten sich bereit, auf das Kommado des centurio hoben sich die scuta über die Köpfe der Vordermänner und bildeten ein Dach. Es wurde hier und dort noch korrigiert, Holz schabte an Holz, und leise Flüche drangen dumpf unter der Formation hervor.
    Priscus´Hintermann hatte sein scutum ganz vorsichtig auf den oberen Rand von Priscus´scutum gelegt, diesmal ohne seinen Kameraden zu stoßen. Es war recht dunkel und dröhnend in der testudo, nur durch einen kleinen Spalt konnte Priscus nach vorne sehen. Viel erkennen konnte er freilich nicht und war sich unsicher, ob sie sich überhaupt fortbewegen konnten.

    Priscus hob nur die Augenbraue, als der centurio ihn ansprach und ihm sogar recht gab. Er würde ihm aber nicht sagen, dass sein Vater ihm zum Erbrechen von den Schlachten erzählt hatte, die sie gegen die Daker geschlagen hatten, mit allen Einzelheiten. Immer und immer wieder, bis Priscus, dem eher nach Poesie und Philosophie war, es nicht mehr hören konnte. Doch auch die Augenbraue konnte der centurio nicht sehen, der Helmrand verdeckte sie fast ganz.


    Dann wurde es wieder ernst. Der Trebellier gab Anweisungen, wie die testudo zu bilden war. Priscus hielt sein scutum vor sich, seine Nebenmänner führten die Kanten zusammen, wie bei der Gefechtsformation. Dann wurde es plötzlich hell vor Priscus´Augen und ein weit vernehmbares "klong" erhallte, als das scutum seines Hintermannes ihn voll am Helm erwischte. Priscus ging in die Knie, mehr vor Schreck als vor Schmerz und schon drängten sich die Kameraden noch enger zusammen und es wurde dunkel unter dem Dach aus Schilden. Fluchend nahm der junge tiro seinen Platz wieder ein und wartete.

    Der tiro nickte, als der centurio wenigstens einen Teil seiner Anwort aufgriff und bekam einen roten Kopf. Immerhin nicht alles falsch, dachte er sich und war froh, dass der Ausbilder einen anderen befragte, diesmal den Iunier.


    Priscus dachte an die Zeit in Athen zurück, als er Abhandlungen über das Kriegswesen kurz überflogen hatte. Als römischer Bürger, der unter Griechen gelebt hatte, wusste er recht gut Bescheid über die früheren Kämpfe zwischen Römer und Griechen. Wie würde er bei einer Belagerung vorgehen?
    "Nun, ich würde versuchen, die Befestigungen mit Belagerungsmaschinen zu überwinden, Belagerungstürme bauen oder Rampen aufschütten, damit wir, die Fußtruppen zum Nahkampf kommen. Zur Annäherung wohl die testudo und dann auf den Mauern oder den Straßen versuchen, mit der Masse an Männern durchzubrechen," antwortete er. Im Handgemenge waren die Legionäre klar im Vorteil, wenn sie nahe genug heran kamen.

    Der angesprochene tiro wusste nicht recht, was er antworten sollte, dachte einen Moment nach und antwortete dann: "Bei Engstellen oder überhaupt Gelände, das keine breite Formation zulässt, wie Wälder oder dergleichen. Außerdem beim Sturm auf Befestigungen und Städte, wo einfach nicht genug Platz für die normalen Formationen ist."