Beiträge von Titus Iunius Priscus

    Mit zusammengebissenen Zähnen übte Priscus. Der Schweiß lief wieder in Strömen, doch besser schwitzen als bluten, hätte sein Vater gesagt und wäre stolz, dass sich sein Sohn endlich anstrengte.
    Nach einem Dutzend Stiche begannen seine Arme wieder schwer zu werden, weniger der linke, der sich mit der Zeit an das scutum zu gewöhnen schien, sondern der rechte, dessen Muskeln er bei den ungewohnten Bewegungen spürte. Erst drückten sie dumpf, dann zogen sie und schließlich brannten sie, dass er immer wieder zwischen den Stichen einen kleinen Augenblick Pause machen musste, um die nächsten Angriffe auch noch kraftvoll durchführen zu können.


    Nach gefühlten Stunden kam der erlösende Befehl zum Einstellen der Übung. Auf die Frage des centurio meldete sich nur einer, ein schlacksiger tiro aus Umbria. "Der Gegner soll schnell getötet oder kampfunfähig gemacht werden, um lange ermüdende Kämpfe zu vermeiden, centurio?" meinte er eher fragend als wissend.

    Stirnrunzelnd hörte Priscus die weitere Geschichte von Narcissa und Silanus. Das passte zu ihr, alle Hebel in Bewegung zu setzten, um das unausweichliche doch noch zu verändern. Und scheinbar hatte sie es auch geschafft, die Verlobung zu lesen. Lächelnd dachte er an ihr manchmal wildes und aufbrausendes Temprament, ganz die Mutter.
    "Wo ist Silanus denn?" fragte er neugierig. Wenn er Seneca richtig verstanden hatte, war er der einzige männliche Iunier in der Urbs und alle anderen entweder tot oder irgendwo im Reich verstreut.


    Bei der Erwähnung der Schmierereien merkte Priscus, dass sich irgendwie eine Wand zwischen ihnen aufbaute. Vielleicht sprach man in Roma nicht laut über solche Dinge oder ignorierte sie einfach. Er musste an die recht zurückhaltende Reaktion von Seneca, als er das Thema angesprochen hatte. Vorsichtig fuhr er in seinen Ausführungen fort.
    "Nun, man liest in der Subura an vielen Wänden Schmierereien, auf denen bei fast allen der Vescularier dargestellt wird, wie er den großen Valerianus ermordet. Mit Gift, dem Dolch.... Ich als Iunier habe eine Schwäche für solche Geschichten," meinte er lächelnd in Anlehnung an die Taten seiner berühmten Vorfahren.

    Suchend zuckte Priscus die Schultern. "So hieß er zumindest, dass man hier dergleichen bekommen kann. Er sah sich um und entdeckte neben den vielen Menschen auch einen, der geschäftig hinter der Theke hin und her lief und den Gästen Wein und Speisen servierte. Das übliche Essen, Brot, Fleisch, gekochtes Gemüse oder auch eine Schüssel mit Puls, alles für den kleinen Geldbeutel. Priscus fragte sich, ob sie hier auch richtig waren, als der Wirt zu ihnen an den Tisch trat und ein Lächeln aufsetzte.


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    "Was darf isch eusch bringen, Bürger?" fragte er in langsamem Latein. "Gemüse, Brot mit verschiedenen Tunken, Fleisch?" Er blickte abwechselnd von Priscus zu Seneca. Zögernd antwortete Priscus: "Dardalos von Delphi lässt dich grüßen und meinte, bei dir gäbe es immer etwas gutes zu Essen?" Bei dem Namen hellten sich die Züge des Wirtes noch mehr auf. "Wie geht esch dem alten Zausel denn? Hat er endlisch seinen Frieden gefunden oder zieht er immer nosch dursch die Welt?" fragte er augenzwinkernd.
    Priscus hob die Schultern. "Er ist sesshaft geworden, in Nicopolis, war fast ein Nachbar von mir. Hat immer gesagt, Priscus, wenn du nach Rom kommst, besuch den alten Bashetur beim Circus, dort gibt es die besten gefüllten Fladen. Das hat er gesagt und bei Minervas Brüsten geschworen, dass er nie besser gegessen habe." Schmunzelnd dachte Priscus an den alten Knabenliebhaber, vor dem sie immer auf der Hut sein mussten, als er noch jünger war. Doch das Alter hatte gewisse Triebe erlahmen lassen und Dardalos hatte immer viele Geschichten zu erzählen gewusst.


    Bashetur nickte. Er trat ein bisschen näher. "Isch habe euch eine Schpezialität, Freunde des Dardalos, eine ganz besonders leckere Schpeise. Ein mit Fleisch gefüllter und gerollter Fladen. Sagen wir einen halben denarius für eusch beide, dazu noch Wein. Es ist ein Versuch, also dürft ihr auch erst fragen, was das für Fleisch war, wenn ihr fertig seid. Einverstanden?" Fragend blickte er zu Priscus. Der legte den Kopf schief und sah Seneca an. "Na, Lust auf etwas Neues?"

    Die Männer bekamen große Augen und spitzten die Ohren, die Huren und die Ausbildung waren für einen Moment vergessen. Sie hatten also einen echten Veteran vor sich, wenn er Schreiner war, dann hatte er die Waffen, die er baute, bestimmt auch schon abgeschossen. Scheu und Bewunderung machte sich bei den tirones breit, die außer dem staubigen campus noch nicht viel vom Soldatentum gesehen hatten.


    Nun konnte er ihnen alles erzählen, sie würden ihm glauben. "Unser centurio ist Trebellius Vetulio... Auch ein harter Knochen, aber ich muss sagen, er ist gerecht. Er schlägt nicht grundlos und behandelt uns alle gleich," überlegte Priscus laut. Selbst Macer musste nicken und beschloss, den centurio nicht zu vermöbeln, weil er auch nicht gesteinigt werden wollte. Stirnrunzelnd fragte er :"Kann ich als einfacher Soldat auch etwas bei den fabricae bestellen? Ich bräuchte vielleicht eine Lederbandage für meinen Unterarm, damit ich mir nicht immer alles aufscheuere beim Kampftraining." Auch Priscus hob die Augenbraue, konnte er Zusatzausrüstung doch auch gut gebrauchen, wenn sie nicht zu teuer war.


    Mella hörte den anderen garnicht zu sondern fragte gleich: "Hast du welche von den Parthern erwischt? Mit der ballista oder dem Schwert?", fragte er mit funkelnden Augen.

    Nicht nur Priscus, auch noch ein paar andere tirones hatten aufgekratzte Arme, was aber nicht weiter schlimm war. Es brannte etwas, blutete aber nicht. Trotz des beißenden Spottes konnte Priscus hinter den Worten des centurio so etwas wie Sorge erkennen, als er ihnen den Tip mit dem focale gab. Immerhin musste er seine Truppe ja kampffähig halten und den Männern alles beibringen, was sie zum Kämpfen brauchten.


    Priscus lehnte das scutum an seine Hüfte, während er dem Trebellier zuhörte und nutzte die Zeit, um seine Arme zu lockern. Dann ging es wieder los, diesmal gegen den ersten 'Feind'. Schon vorher waren Priscus die Pfähle mit den zahllosen Dellen und Scharten aufgefallen, an denen sie jetzt üben sollten.
    Die Formation wendete und die Männer liefen los, die Hand an den Schwertgriffen. Nun merkte Priscus erst, wie gut es war, dass sie die gladii nicht links trugen, bei dieser Gangart hätte er sich bestimmt in den Arm geschnitten beim Versuch, die Waffe zu ziehen. Zwischen zwei Schritten zog er sein gladius, hielt den Schild nach vorne und zog den Schwertarm leicht zurück, sodass die Spitze am rechten Schildrand anlag. Er würde den Stoß rechts vorbei versuchen. Noch bevor er zustoßen konnte merkte Priscus, dass er schon zu nahe am Pfahl war, und schon krachte sein scutum dagegen, weil er zu viel Schwung genommen hatte und er kam zum Stehen.


    Der Aufprall kugelte ihm fast die Schulter aus, so hatte er sich konzentriert das Schwert zu führen. Dann trat er etwas zurück und stieß gegen den Pfahl. Dem Stoß folgte ein dumper Schmerz im Arm, als Holz auf Holz traf und die Schwingungen sich bis in die Schultern zogen. Dann übte Priscus abwechselnd die Stiche, immer gefolgt von einem dumpfen 'klong'.

    "Moin Kamerad" , "Moin" , "Salve" , grüßten die tirones den Mann, der zu ihnen ins Becken kam, um sich zu entspannen. Der Gruß holte Priscus wieder aus seinen Gedanken heraus, die hierhin und dorthin geschweift waren und zuletzt am Grabmal seiner Schwester verweilt hatten. "Ja, sei gegrüßt", kam er hinterher.


    "Wisst ihr, ich finde, dass alle tirones Freigang haben sollten, um sich den Frust von der Seele zu stoßen," sinnierte Macer gerade. "Nur ein Soldat, bei dem die Säfte im Gleichgewicht sind, kann auch gute Leistungen bringen!!!". Mella nickte bei seinen Ausführungen, aber Strabo schüttelte den Kopf. "Das stimmt nicht, die ganzen lupae machen deine Beine weich und du weißt, was passiert, wenn unser Schreihals merkt, dass einer schwächelt? Dann kannst du sicher sein, dass er uns über den campus hetzt, bis wir keuchen, aber bestimmt nicht vor Lust."
    Priscus und Musa murmelten "Stimmt", während sie sich ausmalten, wie der Trebellier nebenher lief und die Nachzügler, die nicht mehr wollten, mit der vitis motivierte. "Wenn ich den nur mal im Dunkeln erwischen würde", murmelte Macer. Keiner der tirones mochte seinen centurio besonders, auch in Priscus stritten widersprüchliche Gefühle.


    "Mein Vater hat mir immer gesagt, dass die centuriones das Rückgrat der legiones seien, oft hätten sie großen Anteil am Gelingen der Schlachten und Feldzüge gehabt...", gab er zu bedenken. "Das sagst du ja nur, weil dein Vater auch einer ist," maulte Macer. "Aber wir kämpfen und die befehlen..." Priscus zuckte mit den Schultern. Sein Vater hatte nie viel über den Krieg erzählt, schon garnicht, um seine Lieben nicht zu verängstigen. Er hatte immer wieder angedeutet, dass er in der ersten Reihe stand, unter dem Adler und dass nur ein diszipliniertes Heer Aussicht auf Erfolg haben konnte. Die ganzen Schindereien waren ja hoffentlich irgendwann vorbei. Er blickte den Soldaten an, der in der Nähe der Gruppe am Beckenrand hing und weil er seinem Alter nach schon Erfahrung zu haben schien, fragte er ihn: "Kamerad, sag mal, sind die Vorgesetzten immer so hart oder nur am Anfang während des tirocinium? Du scheinst schon einer der Älteren zu sein," meinte er freundlich. Alle Augen richteten sich auf den Iulier

    Befehlsgemäß traten die Tirones einige Schritte vor und zur Seite, um genügend Platz für die Übungen zu haben. Die Gladii fühlten sich schwer und ein wenig unförmig in der Hand an, dazu noch das schwerere scutum, das jeder der Männer in der Linken hielt. Priscus kam sich nach dem ersten Stoß ein wenig schwerfällig vor, alles wog so viel und erforderte große Kraft, um die Stöße schnell zu führen, damit der centurio nichts zu meckern hatte.


    Die tirones stießen auf die Kommandos des centurio recht, oben und unten. Gleich beim ersten Stoß über den Rand des scutum schabte sich Priscus die Haut an seinem Arm auf, weil er den Arm nicht genug hob. Auch rechts am Schildrand vorbei barg die Gefahr, dass er sich selber mehr schädigte, als den Gegner. Nur beim Stoß unten konnte er den Schild etwas heben und bequem auf die imaginären Beine zielen. Noch dazu verschwand fast sein ganzer Körper hinter dem scutum, was ihn etwas für das Gewicht entschädigte. Im Kampf war dies das einzige Stück Holz, dass zwischen ihm und einem rasenden Wilden und dem sicheren Tod stand.


    Anfangs sahen die Stiche bei den meisten Männern noch etwas linkisch aus, mussten sie sich doch an die Bewegungsabläufe erst gewöhnen. Doch noch bevor alle die Stiche beherrschten, wurden den ersten schon die Arme schwer, die scuta waren kaum noch zu heben und die die Stiche verloren an Kraft und Schnelligkeit.

    Kaum hatte der decurio die Latrinen verlassen, atmeten die Männer auf. Nichts war schlimmer als ein Offizier mit Magenbeschwerden, höchstens einer mit Magenbeschwerden und Verstopfung und einem Furunkel am Hintern.


    Die Zurückgebliebenen sahen den Optio erwartungsvoll an, der während des kurzen Auftritts des Decimers geschwiegen hatte. "Können wir fortfahren mit Reinigen?" fragte Macer vorsichtig.

    Priscus erhob sich und rückte seinen Gürtel zurecht, prüfte nochmal, ob der Beutel mit dem Geld an seinem Platz war und ging mit Seneca zur Türe.
    "Dann wollen wir mal schauen, ob wir die caupona finden," meinte er grinsend und trat auf die Straße.

    Für Priscus schien die Stadt riesig zu sein, durchzogen von engen Straßen, Plätzen und Gassen. Während er und Seneca durch die Straßen liefen, auf dem Weg zum XI. Bezirk beim Circus Maximus, wunderte sich der Iunier immer wieder über die vielen verschiedenen Menschen, die in der Stadt wohnten und die vielen unterschiedlichen Sprachen, die man hörte. Hellheutige Menschen stritten oder feilschten mit dunkelhäutigen um die besten Preise für Waren oder Dienstleistungen, zwischen Latein und Griechisch konnte der Zuhörer viele andere Sprachen hören.
    Priscus lief neben seinem Verwandten her, ohne etwas zu sagen. Er versuchte, sich den Weg, den sie gingen zu merken, hatte er doch die Erfahrung gemacht, dass nicht alle Bewohner Fremden gegenüber bereitwillig Auskunft für den kürzesten Weg gaben. Doch schließlich erreichten sie den Circus Maximus, in dessen näherer Umgebung viele steinerne und hölzerne Tavernen, Cauponae und Garküchen standen, welche die Menschen, die in der Nähe wohnten als auch die Besucher der Rennen für wenig Geld verköstigten. „Hier irgendwo müsste es sein,“ meinte er zu Seneca und blickte sich um. Langsam ging er an verschiedenen Ständen mit Essen vorbei, blickte sich suchend um und fragte schließlich einen der Wirte. „Wo finde ich die Caupona von Bashetur?“ Der Angesprochene wies mit seinem Daumen nach rechts. „Immer weiter diese Richtung, mein Junge, wenn du das Schild mit dem Schwein siehst, bist du da.“ Priscus dankte dem Mann und ging mit Seneca im Schlepptau weiter.


    Nach einigen Schritten sahen sie schon das Schild an einem etwas heruntergekommenen Brettergebäudes, das sich fast an den Circus anlehnte. Jetzt wusste er auch, was mit dem Schwein gemeint war, als er das Schild sah.
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    Er trat in den Schankraum ein, in dem es nach allen möglichen Speisen roch, sah sich um und entdeckte einen kleinen Tisch und zwei Hocker nahe an der Wand, die noch frei waren. Er setzte sich und wartete, dass auf Seneca Platz nahm.

    Als Serrana von Narcissa erzählte, schien sie tatsächlich fast neben ihnen zu stehen. Priscus sah seine Schwester, wie sie Stoffe befühlte, Anweisungen gab, wie sie zu schneiden waren und selber Hand anlegte, um etwas zu schaffen, das sie 'standesgemäß' oder 'verspielt' oder 'traumhaft' nannte. Wieder wurde ihm weh ums Herz, als er daran dachte, wie sie damals fortging. Bei der Erwähnung der Männer stutzte er. "War sie nicht Iunius Silanus versprochen? Mein Vater hatte diese Ehe schon vor langer Zeit arrangiert, sie sollte ihn sogar in Germania besuchen, als er dort als praefectus alae diente?" fragte er ein wenig verwirrt. Nur zu gut konnte er sich erinnern, wie Narcissa tagelang Nahrung, menschliche Nähe und Tageslicht verweigert hatte, nur um diesen Mann nicht heiraten zu müssen. Doch geholfen hatte es ihr nichts, der Vater hatte ein Machtwort gesprochen und sie war folgsam abgereist... Doch was dann kam hatte Priscus nicht mehr in Erfahrung bringen können.


    Serranas Entsetzen über das kurze Leben der iunischen Soldaten versuchte er mit einem Lachen zu überspielen. "Wie dein Mann gerade sagte, in letzter Zeit ist es wirklich ruhig," meinte er und wandte sich wieder an den Senator. "Niederlage? In Nicopolis hat man erzählt, die Legionen hätten nur kehrt gemacht, weil es nichts mehr zu erobern gab, was von Wert gewesen wäre und man den Imperator nicht unbestatten lassen wollte?" Er runzelte die Stirn. Seit er in Rom war, waren die merkwürdigsten Dinge an sein Ohr gedrungen. Er hatte gemerkt, dass hier andere Zustände herrschten als im Rest des Imperiums, hier war das Zentrum der Welt und nicht alle Dinge, die nach außen drangen, entsprachen der Wahrheit.
    Er grübelte einen Augenblick und musste an die bekritzelten Wände denken, die er in der Subura gesehen hatte. "Krieg von Außen scheint es nicht zu geben, aber was ist mit Innen? Ich habe beunruhigende Dinge über den Imperator und seinen Stellvertreter gelesen," merkte er an, nicht schlüssig, ob Politik hier das richtige Thema war, bei dem er sich als Laie nicht auskannte und Sedulus bestens bewandert war.

    Der vom centurio fixierte Mann blickte unverwandt geradeaus, begann jedoch zu schwitzen. Niemand fühlte sich besonders wohl, wenn der centurio so starrte, wusste man doch nie, ob vielleicht etwas sein Missfallen erweckte. An sich herunter zu gucken, ob seine Ausrüstung saß, traute sich der tiro auch nicht.


    Bei der Erwähnung, welche Strafe für Schlagen mit dem gladius erfolgen sollte, rissen sich die Männer noch ein wenig mehr zusammen. Zur Bestätigung, dass sie verstanden hatten, riefen alle zugleich: "Jawohl centurio"

    Hatte man sich an den Tagesablauf erst einmal gewöhnt, fiel es nicht mehr so schwer, früh auf dem campus zu stehen. Doch während ihrer tirocinium kamen die tirones garnicht dazu, sich über zu viel freie Zeit zu beschweren. Wenn sie morgens geweckt wurden, hatten sie nur wenige Stunden unruhigen Schlafes hinter sich, unterbrochen vom Schnarchen der Kameraden. Dazu kamen noch die körperlichen Anstrengungen, das Schmerzen der Muskeln, das nicht einmal die Thermen völlig lindern konnten.


    So war es nicht verwunderlich, dass die Stimmung an diesem Morgen zwar gut, aber nicht euphorisch war, als der centurio verkündete, dass sie nun mit den gladii üben durften. Als alle ihre Übungswaffen aufgenommen hatte, begann der centurio auch schon mit Fragen.
    "Das Gladius wird rechts am cingulum getragen, centurio," antwortete einer der tirones, den der Ausbilder angesprochen hatte.

    Müde, schmutzig und stinkend erreichten die fünf Männer des Strafdienstes die Lagerthermen. Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt, gerade einmal der erste Tag der Bestrafung war vorbei, weitere würden folgen.
    "Was meinst du wohl, was der Alte macht, wenn wir wirklich etwas anstellen?" überlegte Mella laut. "Ich habe noch nie so viel Dreck auf einmal weggemacht, die halbe legio scheint sich total überfressen zu haben, solche Eier, wie die gelegt haben...." Die Anderen mumelten beifällig. Wenn einfaches zu spät kommen schon solche Auswirkungen hatte, was würde erst passieren, wenn einer von ihnen sonstige Pflichten vernachlässigte? Daran mochte man garnicht denken.


    Im apodyterium streiften sie die schmutzigen Sachen vom Körper und legten sie in verschiedene Nischen, zusammen mit ihren cingula. Es würde ganz schön dauern, die Flecken aus den Tuniken zu waschen, dachte Priscus bei sich und trottete vor den Kameraden her. "Hey, Graeculus, netter kleiner Hintern," frotzelte Macer. "Und seht mal Leute, der hat da was, das sieht aus wie ein Phallus... nur kleiner," sagte er und begann röhrend zu lachen. Mella rollte nur die Augen, während Musa antwortete: "Ich wusste garnicht, dass du auf Hintern stehst, Macer... Die der Huren scheinen dir nicht haarig genug zu sein, wie?"
    Macer zuckte die Schultern und überlegte, was er antworten könnte.
    Als sie im caldarium in die heißen Becken stiegen, seufzten die Männer wohlig. Die Muskeln, vom täglichen Training längst hart und verspannt, fühlten sich mit einem Mal etwas lockerer an.


    Macer schien den Streit in den Latrinen längst ad acta gelegt zu haben, seine Laune stieg mit jedem braunen Flecken, den er von seinem Körper rieb. "Wisst ihr," sagte er, "ich kann mich garnicht mehr daran erinnern, wie sich eine Frau da unten rum anfühlt. Ich war vor meiner Einschreibung noch zweimal im lupanar, weil ich dachte, wir haben die nächste Zeit keine Gelegenheit mehr dazu. Aber dass wir eine so lange Zeit ohne auskommen müssen.... Mein Speer könnte ein scutum durchbohren, habe ich langsam das Gefühl." Die anderen nickten zustimmend, mit Frauen sah es nicht gut aus. Strabo begann zu überlegten. "Kommt deine Zuneigung zu Priscus' Hintern da her?" fragte er Macer grinsend? "Je voller der Speer desto hübscher der Kamerad?"
    Abwinkend rieb sich Macer den Arm. "Ach was, ich mache nur Spaß. Weißt du Priscus, du bist ganz in Ordnung, hast dich tapfer geschlagen auf dem campus, hätte nicht gedacht, dass du überhaupt was drauf hast, bei deiner Statur." Priscus hatte die Augen geschlossen gehabt, jetzt öffnete er sie und fixierte den Sprecher. Wenn Sarkasmus mit im Spiel war, hatte er ihn nicht gehört. "Und du scheinst ja doch mehr im Kopf zu haben als Stroh," entgegnete er mit einem Zucken des Mundwinkels. "Wo kommst du her?" fragte er seinen Kameraden.


    "Aus Arretium, weiter nördlich von Rom. Mein Vater ist Händler. Sklaven, Wein, Öl, alles was du willst. Aber ich bin einer von fünf Söhnen, du kannst dir vorstellen, was das heißt," meinte er grinsend und rieb sich die Fäuste. "Mich haben Listen, Amphoren und Feilschen nie wirklich interessiert, ich bin eher der praktische Typ."Die Kameraden mussten grinsen, war der drahtige Vibier doch unermüdlich und nie verlegen, wenn es um eine Rauferei ging. Während Macer noch weiter erzählte, schweiften die Gedanken von Priscus ab.

    Auch Priscus leerte seinen Becher, dann stellte er ihn auf das Tablett. "Dann werde ich also kommen, wann immer ich Zeit finde," versprach er.


    Beim Thema Essen fiel ihm der Tipp eines Freundes ein, der ihm von einer Garküche erzählt hatte, die angeblich ganz besondere Speisen führte.
    "Nun, wenn du keinen Dienst mehr hast, würde ich mich freuen, dich auf einen Becher Wein einzuladen.... Ich habe beim circus maximus von einer taberna gehört, die die besten gefüllten Fladen in ganz Rom verkaufen sollen. Und mit einem Prätorianer an meiner Seite kann mir ja nichts passieren," meinte er grinsend

    Priscus nahm die Begrüßung entgegen und neigte leicht seinen Kopf. "Es ist mir eine Ehre dich kennen zu lernen, Senator Quintuns Germanicus Sedulus. Ich danke dir für dein Mitgefühl," meinte er dankbar.


    Er fühlte sich ein wenig gehemmt, musste aber schmunzeln, als er die beiden Verliebten sah, wie zärtlich sie miteinander umgingen. War Liebe zwischen Verheirateten nicht etwas seltenes und wertvolles, überlegte er. Oder war es etwas, das man sich erarbeiten musste und das mit der Zeit kam?
    Die Frage des Germaniers riss ihn aus seinen Gedanken. Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich werde nur noch zwei Tage hier sein, dann breche ich nach Mantua auf, um mich bei der Legio zu verpflichten. Alte Familientradition bei den Iuniern.... Viel Ruhm auf dem Schlachtfeld und ein kurzes Leben," fügte er lächelnd hinzu.

    Prisus war froh, als die Übung zu Ende war, das scutum, scheinbar schwerer als das normale, das in seiner Unterkunft stand, wog schwer an seinem linken Arm.
    "Nicht übel für einen Griechen", meinte Macer, ebenfalls wie die anderen verschwitzt und müde. Priscus schaute den Kameraden an und meinte: "Danke, gleichfalls"


    Mit hängenden Schultern trotteten die Männer ihrem centurio hinterher, trotz der Schindereien in Zweierreihen, um nicht noch extra Strafdienst zu bekommen, weil sie herumliefen wie eine Schar aufgeschäuchte Hühner.

    Priscus dachte daran, einen klugen Komentar abzugeben, behielt ihn aber dann doch für sich. So wie der Decurio aussah, schien ihm das donum des legatus nicht recht bekommen zu sein oder er hatte einfach zu viel gegessen.


    Die anderen Kameraden traten einen Schritt beiseite, als der Decimer sein Gedärm entleerte, möglichst weit weg von der Rinne. So wie das spritzte, würden sie gleich nochmal putzen müssen. Priscus schüttelte den Kopf. "Nein decurio, der Kamerad ist hingefallen und dabei geriet der Eimer mit Kalk in Wanken... Ich hole die Schwämme sofort," meinte er und ging hinaus, wo die neuen Schwämme lagen, zusammen mit den kurzen Stöcken, um das Säubern zu erleichtern. Er reichte einen davon dem decurio. "Darf ich dem decurio ein infusum anisum empfehlen?" fragte er und dachte an seine Mutter, die ihm immer das süßlich schmeckende Gebräu verabreicht hatte, wenn er beschwerden mit dem Magen hatte.


    Fast schon fasziniert betrachteten die Männer den decurio und vergaßen dabei fast ihre Arbeit

    Um die Szene noch perfekt zu machen, platzte ausgerechnet auch noch ein Offizier herein, scheinbar in bester Laune. Priscus starrte den Decurio an, blickte auf die unbedeckten Aborte und nahm sich ein eines der neuen Bretter, die als Sitzfläche dienten. Mit einem Wink an Massa packte dieser mit an und zumindest drei Sitze konnten damit nutzbar gemacht werden.


    "Verzeihung Decurio, es gab einen kleinen Zwischenfall. Bitte setz dich, wir sind gerade fertig." sagte er geistesgegenwärtig und deutete auf die soeben geschaffene Sitzgelegenheit. Sein Vater würde jetzt sagen, stell dich nie zwischen ein Wildschwein und sein Junges... Oder nie zwischen einen Mann mit Verdauungsproblemen und seinem Abort.

    Macer musste nicht erst an sich herunterschauen, um zu sehen, dass er von oben bis unten schmutzig war, er ähnelte den Dingen, die täglich durch die Rinne entlangflossen, um in irgend einem Fluss zu landen.
    Mit hochrotem Kopf stand Macer da und suchte nach Worten. "Nein optio, das hat niemand befohlen... Ich meine den Dreck am Körper,... ich meine... ich bin ausgerutscht, optio!!" stammelte er. Das bedeutete wahrscheinlich Latrinendienst bis an ihr Lebensende, dachte er sich. Die Anderen konnten ihr Grinsen kaum noch zurückhalten, rissen sich aber zusammen.