Beiträge von APPIUS CORNELIUS PALMA

    Seit er zum Kaiser ernannt worden war, war Cornelius Palma nicht mehr Herr seines Terminkalenders. An vielen Tagen war das kein Problem, an manchen Tage aber auch ein Fluch. So wie am heutigen Tag. Keine schweren Termine, aber viele. Und dazu kamen noch einige unerwartete Termine, wegen denen andere Termine wiederum verschoben werden mussten. Und dazu kamen dann noch Ortswechsel innerhalb des Palastes, was Cornelius Palma immerhin für schnelle Absprachen auch dem Flur nutzen konnte.


    "Das Consilium Ulpianum beginnt bereits ohne mich? Gut. Ich stoße später dazu. Die Senatoren, die mich kurzfristig sprechen wollten, sind schon da? Gut. Ich komme gleich."


    Das Abendessen vom Vortag lag ihm noch schwer im Magen, also machte er auf dem Weg zum nächsten Gespräch einen Abstecher in seine Privaträume. Als Kaiser musste man sich ja auch mal eine Pause gönnen können, wenn einem danach war. Aber auch dort warteten schon Anliegen, doch Cornelius Palma schickte die Diener weg.


    "Nein, nicht jetzt. Ich brauche eine kurze Pause. Bring einen Becher Wasser und etwas Brot."


    Als der Diener das gewünschte brachte, saß Cornelius Palma auf einer Kline und starrte an die Decke. Er nickte kurz und entließ den Diener wieder. Als dieser später wieder kam, war der Becher leer und Cornelius Palma war eingenickt. Die Pause dauerte wohl doch etwas länger und der Diener zog sich dezent zurück, um über den Sekretär wiederum eine weitere Verschiebung der Termine zu veranlassen.


    Aber Cornelius Palma wachte nie wieder auf.

    Wieder blieben manche Fragen unbeantwortet, aber der Ton erfreulich versöhnlich, trotz aller noch immer bestehenden Ausflüchte und Forderungen. Aber für eine endgültige Einigung sah Cornelius Palma weiter keine Basis.


    "Du nennst deine Forderung ein Angebot und verrätst damit deinen Charakter. Du gibst dich loyal für Rom und deinen Kaiser, aber letztlich kämpfst du nur für deine eigenen Agenda. Mal gibst du dich belehrend und fordernd, wohl wissend, dass ich nicht hier mit dir sitzen und vertraulich sprechen und zur selben Zeit ein öffentliches Sühneopfer abhalten kann. Mal gibst du dich philosophisch und theatralisch, obwohl du dich nicht für die Bühne oder einen Lehrstuhl, sondern ein Kommando bewirbst. Ich bezichtige dich nicht der Lüge, nicht des Verrats, nicht der Ehrlosigkeit. Ich glaube, dass du Ziele hast, zu denen du ehrlich stehst. Aber du bist schlicht nicht der Mensch, dem ich das Kommando über die Wache über nichts geringeres als mein Leib und Leben anvertrauen kann. Du bist einfach nicht der Typ Mensch und der Charakter, den ich mir für meinen Prätorianerpräfekten vorstelle. Männer vor mir haben dies offenbar anders gesehen und sie werden gute Gründe dafür gehabt haben. Männer nach mir mögen es wieder tun, wenn sie dich anders sehen als ich es tue. Aber ich vertraue dir nicht mein Leben an."


    Er sah in kurz fest an, blickte zu Flavius Gracchus und dann wieder zurück.


    "Andere haben unliebsame amtierende oder ehemalige Prätorianerpräfekten töten lassen. Ich tue das nicht. Es bringt mir nichts. In meinen Augen bist du frei, rehabilitiert und ein Mitglied des Ordo Equester wie jedes andere auch. Flavius Gracchus sei mein Zeuge, dass ich keinen Groll gegen dich hege und dir nichts schlechtes wünsche. Auf welchen Posten auch immer man dich bei mir empfiehlt, ich werde es wohlwollend prüfen. Doch nun lass uns dieses Gespräch beenden. Ich habe Opfer vorzubereiten."

    "Gibt es irgendwelche Gründe, die gegen eine Ernennung sprechen?"


    Cornelius Palma fragte nicht ohne Hintergedanken, denn von seinem Klienten Aurelius Lupus hatte er eher negative Andeutungen über dessen Klienten Tiberius Lepidus gehört. Anstatt diese nun selber ins Feld zu führen, wollte er aber erst hören, ob es noch andere Meinungen gab, odert ob es sich um eine Einzelmeinung handelte.

    Ein knappes Programm, aber Cornelius Palma hatte nichts dagegen einzuwenden, dass sich der Duccier im Falle eines Falles dann eben auf sein Vorhaben konzentrieren konnte, anstatt sich in vielen Projekten zu verrennen.


    "In der Tat, das klingt nach einem größeren Projekt. Ich habe von dererlei Wünschen aus den Provinzen bisher zwar wenig vernommen, aber die politischen Kanäle sind ja vielfältig. Welche Wünsche würdest du denn erfüllen wollen?"

    "Ich fürchte, jeder Mann, der Truppen ins Feld führte, wird in der Öffentlichkeit schwerlich als neutral wahrgenommen werden. Auch wenn er erst die Prätorianer ins Feld führte und später im Kerker eben jener Einheit saß."


    Dass Decimus Serapio an der Sitze einer Aufarbeitung stand, war für Cornelius Palma ausgeschlossen, so sehr er auch den Bedarf nach Aufarbeitung und Aussöhnung sah. Aber zum Glück war dieses heutige Treffen ja auch mit viel geringeren Zielen gestartet worden, so dass er keine Bedenken hatte, so weitgehende Entscheidungen nicht jetzt zu treffen.


    "Aber um zurück zu deinen Worten zu kommen, Decimus Serapio: Ja, es waren meine Männer, die von meinen Worten dazu gebracht wurden, nach Rom zu marschieren. Dies leugne ich nicht, habe es nie geleugnet und werde es auch nicht leugnen. Warum auch? Wir sind beide Offiziere, haben beide Truppen ins Feld geführt und auch wenn ich deine Ansprachen nicht kenne, bin ich mir sicher, dass du deinen Männer keine differenzierte philosophische und historische Betrachtung mit auf den Weg gegeben hast, als du sie aus ihrem Lager führtest. Ich weiß auch nicht, bei wie vielen Belagerungen du schon dabei warst und wie oft du plündernde Soldaten erlebt hast und ihnen Einhalt gebieten musstest. Feldherren aller Generationen standen vor diesem Problem, die wenigsten von ihnen haben Exzesse angeordnet, kaum mehr werden sie geduldet haben, wenn es um römische Siedlungen ging, aber nicht wenige haben sie nicht verhindern können. Dies ist keine Ausrede, keine Ausflucht, kein Plädoyer gegen eine Untersuchung. Aber es ist Teil einer notwendigen und realistischen Einschätzung, zu der ein Offizier meines Erachtens fähig sein muss. Dass die eigenen Truppen plündernd über eine Stadt herfallen, die verschont werden sollte, gehört genauso zum Risiko des Krieges, wie die Gefahr, in einem Hinterhalt eine halbe Legion zu verlieren. Beides ist unerwünscht, beides muss verantwortet werden, aber beides kann passieren. Ist dir die Bestrafung für die Plünderung wichtiger als die Belohnung für die Einnahme der Stadt? Würdest du auf diese Stadt verzichten, wenn du nur so eine Plünderung verhindern kannst? Was machst du mit dem Offizier, der eine halbe Legion in einem Hinterhalt verliert? Ihn bestrafen? Oder ihn dafür ehren, dass er eine halbe Legion gerettet hat? Und was ist dieser Mann für die Gegenseite? Ein Ärgernis, weil er Männer vor dem Hinterhalt bewahrt hat? Oder ein willkommener Idiot, der tausende Männer ins Verderben geführt hat?"


    Cornelius Palma blickte Decimus Serapio eine Weile schweigend an.


    "Was bin ich für Rom? Schächter? Befreier? Ein Kaiser unter vielen? Held? Versager? Verräter? Retter? Oder irgendetwas dazwischen? Und was bist du? Was willst du sein? Und welches Risiko bist du bereit, dafür einzugehen?"

    "Achso. Die beiden habe ich dann wohl verwechselt. Ich werde wohl auch nicht jünger."


    Mit einem leicht gequälten Lächeln rieb sich Cornelius Palma demonstrativ die Schläfe, bevor er dann nickte und das Thema abschloss.


    "Dann soll es so sein. Sobald er sich eingearbeitet hat, soll er mir einen Bericht zukommen lassen."

    Cornelius Palma ließ den angehenden Consulatskandidaten nicht lange warten, denn erstens gab es ohnehin nicht viel, was er zwischen zwei Audienzen hätte tun können, was für Wartezeiten sorgte und zweitens ließ er Senatoren grundsätzlich nur selten warten, wenn sie einen Termin hatten. Also konnte er auch jenen Duccier rasch empfangen.


    "Salve, Senator Duccius. Nimm Platz. Was ist dein Anliegen für unser heutiges Wiedersehen nach doch schon ziemlich langer Zeit?"

    "Das klingt in der Tat nach einem geeigneten Qualifikationsmerkmal. Und irgendwie bringe ich den Namen sowieso mit dem Amt in Verbindung."


    Grübelnd schaute Cornelius Palma erst seinen Procurator an und dann in die Leere des Raumes. Dann schien er sich zu erinnern.


    "Hatte er dieses Amt schon einmal inne? Oder war das sein Verwandter, der andere Senator Germanicus?"


    Mehr als der Name war aber definitiv nicht hängen geblieben. Durch große Taten hatte sich zumindest niemand in diesem Amt in das Gedächtnis des Cornelius Palma eingebrannt, der ja immerhin lange Zeit vorher Senator gewesen war und die Kollegen kannte.

    "Gut. Die Kanzlei wird das zu den Akten nehmen, so dass es uns vorliegt und berücksichtigt wird, wenn es zu einer Erhebung kommt. Gibt es sonst noch etwas?"


    Für Cornelius Palma war dieses Thema mit einer minimalen Notiz erledigt. Auf den Rest konnte er einen Kanzleibeamten ansetzen, der in solchen Fällen an seiner Stelle den Überblick behielt.

    "Gut. Das reicht mir. Dann soll die Ernennung durchgeführt werden. Sorge dafür, dass ihm seine neuen Aufgaben umfassend erläutert werden."


    Immerhin hatte der Mann mit der Erhebung eine wesentlich direktere Verantwortung dem Kaiser gegenüber, so dass Cornelius Palma sich nicht nachsagen lassen wollten, ihm zur Erfüllung dieser Pflichten nicht die nötigen Informationen mit auf den Weg gegeben zu haben.

    Cornelius Palma nickte leicht, als Flavius Gracchus sprach, und atmete einmal mehr durch.


    "Ja, das war nicht das, was wir wollten. Die Männer, die dies taten, handelten nicht auf meinen Befehl und auch nicht mit meiner Billigung. Und wenn sie für ihre Taten noch nicht zur Verantwortung gezogen wurden, dann muss dies noch geschehen. Das habe ich bei meinem Amtsantritt versprochen und dazu stehe ich, vor den Augen Roms und den Augen der Götter."


    Warum weder der Senat noch andere Bürger Roms dieses Kapitel bisher aufgearbeitet hatten, entzog sich dagegen zum Teil auch der Kenntnis von Cornelius Palma. Gemeldet hatte man ihm persönlich diese Vorfälle in dieser konkreten Form bisher nicht. Auch Flavius Gracchus hatte sie bisher nicht beklagt.

    "Beurteilst du das aus weiteren Quellen oder eigenen Erfahrungen mit diesem Mann, oder ist die Empfehlung des Senators unsere einzige Quelle? Wie ist er mit dem Mann verwandt?"


    Grundsätzlich war Cornelius Palma geneigt, dem Ansuchen zuzustimmen, wenn er hinreichende Gründe genannt bekam, dem Mann für diesen Posten zu vertrauen. Aber davon musste er sich eben erst überzeugen.

    "Ich werde mir den Namen merken. Ist er für militärische Zwecke geeignet, oder eher der Verwaltung zugetan?"


    Mehr als den Namen mit ein paar konkreten Stichpunkten im Kopf zu halten, konnte Cornelius Palma ohnehin nicht versprechen. Solche Entscheidungen pflegte er nicht spontan zu treffen und vor allem nicht auf Basis einer einzigen Nennung eines Namens.

    Cornelius Palma studierte den Brief und gab ihn dann zurück. Er war sich nicht ganz sicher, ob er ihm sachlich oder mit stärkeren Gefühlen begegnen sollte.


    "Erinnere den zuständigen Statthalter daran, dass er für den Schutz des Cursus Publicus zu sorgen hat. Er soll dem Cursus Publicus außerdem seine Kosten erstatten. Und leite die Liste an die Quaestoren weiter, damit diese sie für die Chronik verwenden."

    "Ja, war er. Deshalb war es mir sehr Recht, dass er zur Verfügung stand. Ich werde ihn für die nächsten Tag einbestellen, um alles weitere zu besprechen. Und für das Opfer werden wir sicher einen Platz in meinem Kalender finden. Die Rückkehr meiner Gattin muss schließlich einen angemessenen Raum einnehmen."


    Cornelius Palma nickte zur Bekräftigung dieser Aussage und seine Frau gab ihm gleich noch eine Vorlage, um seine Entscheidung weiter zu bekräftigen.


    "Und ich beginne gerne direkt gleich im Bad damit, der Ankunft meiner Gattin meine Zeit zu widmen."