Ilda hielt ihr Versprechen. Das war zwar keine Überraschung, denn obwohl Octavena selten ein wirklich autoritäres Auftreten an den Tag legte, war sie immer noch die Hausherrin der Villa, die mit diesem Gespräch einer ihrer Angestellten einen Auftrag erteilt hatte, aber selbst dann hätte Ilda sich viel mehr Zeit lassen können, um mit ihrer Schwester zu reden, als sie es tat. Ein paar Tage später erschien die Frau, die sich als Svea vorstellte, auch schon in der Villa und wurde ins Kaminzimmer geführt, wo sich kurz darauf auch schon Octavena zu ihr gesellte, um sie zu empfangen.
Wenn Octavena ehrlich war, dann war sie ein wenig überrascht, als sie Svea nun vor sich stehen sah. Sie hatte sich vorher ein wenig über die andere Frau erkundigt, woher sie wusste, dass sie einen guten Ruf als Hebamme genoss, und nach diesem Ruf hätte sie definitiv eine ältere Frau erwartet als die, die da im Kaminzimmer auf sie wartete. Tatsächlich konnten zwischen Svea und Ilda nur ein paar Jahre Altersunterschied liegen, was aber zumindest in Octavenas Augen im Zweifelsfall eher für Svea als gegen sie sprach. Wäre das hier ein normaler Hausbesuch gewesen, für den Octavena Svea einfach rufen ließ, um nach ein paar kranken Angestellten zu sehen, dann hätte sie jetzt vermutlich die junge Frau einfach direkt zu Dagwin geschickt, doch über die letzten paar Tage war ihr eine Idee gekommen, die sie zumindest austesten wollte.
"Deine Schwester sagt, du verdienst dein Geld meistens als Hebamme, bist aber eigentlich mehr eine Kräuterfrau, ist das richtig?", fragte sie deshalb, nachdem sie einander offiziell begrüßt hatten, und legte neugierig ein wenig den Kopf schief.
Svea nickte und hob sichtlich neugierig die Brauen. "Das ist richtig", erwiderte sie. "Ilda hat mir erzählt, dass ihr einige kranke Angestellte im Haus habt, die Hilfe brauchen. Ich kann natürlich nichts versprechen, aber wenn du willst, kann ich gerne nach ihnen sehen. Dieses Sumpffieber ist tückisch."
Ihr Tonfall war vorsichtig, fast schon lauernd, gerade so als ob sie fürchtete, dass Octavena sie dafür hätte verantwortlich machen können, wenn ihre Bemühungen zu nichts führten. Octavena schüttelte leicht den Kopf. "Ich erwarte keine Wunder von dir", stellte sie klar. Sie wusste schließlich leider viel besser als ihr das lieb gewesen wäre, dass manchmal Krankheit Menschen einfach holte, selbst wenn ein Medicus oder eine Kräuterfrau oder wer auch immer noch so sehr ihr Bestes gaben. "Ich möchte nur, dass du versuchst, was du kannst. Und ich habe vielleicht ein Angebot für dich, um deine Erfolgschancen zu erhöhen. Woher beziehst du im Moment deine Kräuter und Materialien?"
Die Frage schien Svea zu überraschen, denn sie runzelte die Stirn. "Was ich sammeln kann, sammle ich hier im Umland. Den Rest kaufe ich in der Stadt ein. Warum?"
"Wir haben einen Kräutergarten hier in der Villa. Solange du dich um unsere Kranken kümmerst, kannst du dich gerne daran bedienen. Falls deine Arbeit für uns länger dauern und sich das lohnen sollte, können wir auch darüber sprechen, neue Kräuter anzupflanzen", erklärte Octavena und beobachtete genau, wie Sveas Augen neugierig aufblitzten. "Und natürlich kann ich dir hier einen Platz zum Schlafen anbieten, falls du ihn brauchst."
Die junge Frau sah Octavena einen Moment lang schweigend an, so als ob sie abwägen wollte, ob an dem Angebot irgendein offensichtlicher Haken war, doch schließlich nickte sie. "Das klingt nach einem verlockenden Angebot", sagte sie langsam und ein kleines Lächeln zuckte um Octavenas Mundwinkel. Ja, das war ein gutes Angebot, vor allem, weil sie vorhatte, Svea trotzdem ganz normal zu bezahlen, aber manchmal waren nicht alle Vorteile aus so einem Angebot direkt in Geld aufzuwiegen. Octavena wollte, dass die Angestellten der Villa loyal waren, aber das funktionierte nur, wenn sie sich um sie auch dann kümmerte, wenn sie krank wurden und ausfielen. Und falls Svea sich tatsächlich als so gut erwies, wie ihr Ruf das nahelegte, dann würde sich auch diese Investition lohnen. Es lohnte sich schließlich immer, eine gute Kräuterfrau zur Hand zu haben.
"Das soll es auch sein. Ich möchte, dass du einen vernünftigen Anreiz hast, dich gut um unsere Leute zu kümmern", erwiderte sie schlicht und hob die Brauen. "Also: Wie klingt mein Angebot für dich?"
Svea schnaubte hörbar. "Wie eines, das ich ganz sicher nicht ablehnen werde."
Nun huschte doch ein Lächeln über Octavenas Züge. Na also. Ging doch.