Beiträge von Petronia Octavena

    "Ah, bei zwei Brüdern wirst du aber hoffentlich früher oder später auch noch genug mit Neffen und Nichten zu tun haben", erwiderte Octavena schmunzelnd. "Oder eigene Kinder, auch wenn man die normalerweise schon zwangsweise nicht so verhätscheln kann, wie die Kinder anderer Verwandten." Sie ging langsam ein paar Schritte neben der Aemilia her und sah ein Stück weiter vorne Ilda mit Ildrun und Farold um eine bog. Als ihre neue Bekanntschaft dann ihre Einladung aussprach, wandte Octavena allerdings wieder den Kopf, um sie mit einem Lächeln direkt anzusehen. "Sehr gerne. Ich freue mich immer darüber, neue Freundschaften schließen zu können", meinte sie freundlich und auch, wenn das nicht einmal gelogen war, war Octavena zugleich nicht naiv genug, um sich nicht bewusst zu sein, dass das eine sehr strategische Freundschaft werden könnte. Lentidia war recht neu in der Stadt, während Octavena hier schon seit bald 20 Jahren lebte und vielleicht nicht ganz Tod und Teufel kannte, aber wahrscheinlich ihre Schwestern oder Ehefrauen. Wären ihre Rollen vertauscht gewesen, hätte Octavena wahrscheinlich genauso das Schöne mit dem Nützlichen verbunden. "Ich könnte ja in ein paar Tagen mal bei dir vorbeisehen. Dann kannst du mir in Ruhe von deiner Familie und deinen Plänen erzählen und wir können uns ein wenig austauschen."

    "Das klingt nicht besonders enthusiastisch", erwiderte Octavena und hob fragend die Brauen. "Stimmt wirklich alles?" Sie hatte noch nie vorgetäuscht, zu verstehen, warum Naha es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihre Tage wahlweise hinter einer Töpferscheibe oder auf einem Markt zu verbringen. Für eine junge Frau aus einer guten Familie wie sie wäre es vermutlich einfacher gewesen, zu heiraten und so mit etwas Glück, ein bequemes Leben zu führen. So, wie Octavena es selbst getan hatte, jedenfalls bis zum Tod ihres Mannes. Und selbst in diesem Moment war es ein etwas grausamer Streich der Götter gewesen, dass plötzlich sie diejenige gewesen war, die auch geschäftlich gesehen Verantwortung für Witjons Betriebe hatte übernehmen müssen, weil Farold zu jung und Audaod schon vor seinem Vater gestorben war. Doch Octavena hatte auch schon vor langer Zeit begriffen, dass die Frauen der Duccier anders waren als die Frauen ihrer eigenen Familie und dass Wege wie der von Naha nicht besser und nicht schlechter als ihr eigener war.


    Abgesehen davon hatte Octavena sich ja inzwischen ohnehin selbst in ihre neue Rolle eingefunden und festgestellt, dass ihr zumindest manches an der Arbeit, die Witjons Erbe ihr bereitete, ihr sogar besser gefiel als sie gedacht hätte. Nur ursprünglich waren nun einmal Gespräche wie das hier viel mehr ihr Metier. Sie hatte es immer gemocht, die großen und kleinen Probleme innerhalb der Familie im Blick zu behalten und gelegentlich das Gespräch mit Familienmitgliedern zu suchen, von denen sie dachte, dass sie ein offenes Ohr oder etwas mal mehr, mal weniger sanften Druck vertragen konnten. Dass Naha jetzt diejenige war, die offensichtlich meinte, Octavena so ein offenes Ohr anbieten zu müssen, entlockte ihr auch deshalb ein etwas schiefes Lächeln. "Mir geht es gut, keine Sorge." Ihr Tonfall war gelassen, auch wenn sie sich innerlich etwas fragte, ob sie wohl einsam wirkte, wenn Naha so ein Angebot aussprach. Dabei kam sie sich nicht einsam vor, jedenfalls nicht wirklich. Und selbst, wenn dem so gewesen wäre, wäre das nicht wichtig gewesen, solange es ihren Kindern gutging. "Ich weiß, ich habe nicht mehr so viel Zeit für solche Gespräche wie früher, aber es interessiert mich wirklich, wie es allen in diesem Haus geht. Das gilt für dich genauso wie für alle anderen und erst recht, falls jemand meine Hilfe gebrauchen könnte." Die Formulierung war bewusst vorsichtig gewählt, denn noch wollte Octavena sich nicht aufdrängen, aber sie wollte den Gedanken zumindest einmal angedeutet haben.

    Octavena nickte zustimmend auf Nahas Bemerkung über den langen hin, sagte aber nichts weiter. Die Tage waren immer lang, ganz besonders seit Witjon gestorben war, was Octavena ohnehin mehr den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, als sie meistens zugab. Sie hatte sich seitdem wieder gefangen, aber sie hätte gelogen, wenn sie behauptet hätte, dass ihr Leben nicht einfacher gewesen wäre, als ihr Mann noch gelebt hatte.


    Allerdings saß sie auch nicht hier, um über Witjon zu sprechen oder darüber, dass sie sich trotz allem immer noch der Lücke bewusst war, die er hinterlassen hatte. Stattdessen bot sie Naha einfach lächelnd einen Platz neben sich an, denn eigentlich war das ja der Grund, warum sie sich ausgerechnet hier und nicht im Garten oder sonstwo in die Sonne gesetzt hatte. Offensichtlich war sie damit auch schonmal subtiler gewesen, denn strategisches Genießen der Sonne hin oder her, Naha witterte offenbar trotzdem sofort, dass Octavena nicht komplett zufällig hier saß. "Ich lasse wohl nach." Ihr Tonfall war entspannt, denn es war ja wirklich nicht so als ob sie vorgehabt hätte, Naha anzulügen. Sie war schließlich kein Kind mehr und Octavena hatte ihrerseits ja auch nicht erst gestern bei den Ducciern eingeheiratet und wusste, dass die meisten Familienmitglieder sich von ihr wohl nicht mehr so einfach etwas vormachen ließen. "Aber nein, nicht nur. Auch wenn ich wirklich froh bin, dass das Wetter langsam wieder besser wird." Octavena lächelte leicht und atmete dann noch einmal tief ein und aus, ehe sie sich wieder Naha zuwandte. "Ich wollte aber außerdem so oder so mal wieder mit dir reden", gab sie also einfach zu und entschied sich damit spontan dazu, das Gespräch direkt anzugehen. "Wie geht es dir? Wie läuft dein Geschäft?"

    Octavena strich nachdenklich eine Falte in ihrer Tunika glatt, ehe ihre Hand dann zu ihrem Finger glitt und den Ring, den sie seit ihrer Hochzeit dort trug, hin und her drehte. Der Tag war bis hierher eigentlich schon lang gewesen und sie hatte wieder einmal das Gefühl gehabt, sich zwischen ihren Kindern, dem Leben in der Villa und den Geschäften ihres verstorbenen Mannes vierteilen zu müssen, aber eine Sache hatte sie trotzdem noch auf ihrer mentalen Liste: Mit Naha sprechen. Eigentlich auch keine große Sache, eigentlich auch nichts Besonderes und eigentlich nicht einmal etwas, das Octavena allzu viel angegangen wäre, aber in solchen Dingen konnte sie schlecht aus ihrer Haut. Sie war vielleicht nur noch die Witwe eines ehemaligen Familienoberhauptes, aber sie hatte die Angewohnheit nie abgelegt, ein Auge auf die Familienmitglieder um sich herum zu haben. Ihre Tochter hätte es wohl so beschrieben, dass Octavena es nicht lassen konnte, ihre Nase in die Angelegenheiten anderer zu stecken, Octavena selbst hätte es wohl mehr als eine Art ... nun, freundliches aufpassen beschrieben.


    Aber es stimmte, sie hatte das Gefühl, dass es nicht schaden konnte, mal wieder ein wenig mit Naha zu reden, und nach ein wenig Überlegen hatte sie beschlossen, die ganze Sache nicht zu aufdringlich anzugehen. Stattdessen hatte sie jetzt das Schöne mit dem Nützlichen verbunden und saß allein auf einer Bank draußen vor der Casa, um dort die letzten Sonnenstrahlen der Nachmittagssonne zu genießen. Dass Octavena außerdem genau wusste, dass Naha hier wahrscheinlich eher früher als später ebenfalls vorbeikommen würde, musste sie ja nicht ansprechen - und würde es auch nicht, wenn sie nicht musste. Seufzend lehnte sie mit halb geschlossenen Augen noch einmal die Kopf zurück - zum Glück war endlich dieser verdammte germanische Winter vorbei - richtete sich dann aber wieder auf, als sie Schritte hörte. "Ah, salve, Naha", grüßte sie die junge Frau. "Schön, dich zu sehen. Hattest du einen guten Tag?" Octavena lächelte und deutete auf den Platz neben sich. "Hast du Lust, dich zu mir zu setzen? Das gute Wetter will doch genutzt sein."

    Mit einem kleinen, fast müden Lächeln hob Octavena leicht die Schultern bei der Frage nach Farolds handwerklicher Begabung. "So in der Art", erwiderte sie. "Er hat auf jeden Fall eine lebhafte Fantasie." Das war im Grunde nur eine höfliche Umschreibung dafür, dass Farold eine schier endlose Energie und Neugier hatte, die er entweder darin äußerte, dass er jedem Erwachsenen in der Villa Duccia Löcher in den Bauch fragte oder indem er irgendetwas bauen oder basteln wollte. Dabei veranstaltete er nebenbei regelmäßig eine ausgewachsene Sauerei, aber sowohl Octavena als auch die meisten der Angestellten hatten sich damit inzwischen arrangiert und Farold hatte inzwischen gelernt, womit er noch durchkam und wann er die Geduld seiner Mutter überspannte, obwohl die sich leichter von ihrem Sohn erweichen ließ, als sie je zugegeben hätte.


    Sie beobachtete, wie Lentidia die Süßigkeiten kaufte und ihr Leibwächter entgegennahm, was seine Herrin gerade erst erstanden hatte. "Nein, ganz und gar nicht, das ist sogar sehr freundlich von dir", gab sie dann amüsiert zurück. "Hast du jüngere Geschwister? Oder Neffen und Nichten, die du normalerweise verwöhnst?"

    "Es ist schön, wenn die Familie einem Halt geben kann", bestätigte Octavena lächelnd und auch wenn das vermutlich ein wenig wie eine Phrase klang, meinte sie das vollkommen ernst. In jüngeren Jahren hatte sie das vielleicht nicht zu schätzen gewusst, aber spätestens der Tod ihres Mannes hatte ihr mehr als deutlich vor Augen geführt, wie wertvoll es war, wenn man Verwandte hatte, auf die man sich verlassen konnte. "Dein Bruder klingt wie ein ehrgeiziger Mann." Vielleicht auch größenwahnsinnig, wenn er in Germania war und es von hier aus bis ins Umfeld des Kaisers bringen wollte, aber das war dann wohl seine Sache.

    Die Bemerkung über ihre Kinder brachte Octavena dagegen dann doch ein wenig zum Grinsen. "Folgsam" waren die beiden auch nur, wenn sie es wollten, und damit würden sie sie eines Tages noch in den Wahnsinn treiben und sie hätte sie trotzdem um nichts in der Welt ändern oder eintauschen wollen. "Sie sind mein ganzer Stolz", bestätigte sie und eben jenen Stolz konnte man auch mal wieder deutlich in ihrer Stimme hören, während ihr Blick noch einmal zu den beiden Kindern glitt, ehe sie sich wieder der Aemilia zuwandte. "Oh, auf diesem Weg wirst du dich sicher direkt in ihre Herzen kaufen können", schmunzelte sie. "Ich danke dir. Aber dann musst du erlauben, dass ich mich dafür bei Gelegenheit revanchiere. Kennst du schon viele Leute hier in der Stadt? Ansonsten treffe ich mich ab und zu mit ein paar Freundinnen und du wärst uns sicher willkommen, wenn du Anschluss suchen solltest."


    Sie hielt überrascht inne, als ein Fremder die beiden Frauen mit einem Mal etwas ruppig ansprach. Normalerweise hätte Octavena den Mann vermutlich einfach ignoriert und so abgewimmelt, doch da hatte schon Lentidias Leibwächter eingegriffen und schob sich vor den Fremden, um so die Frauen von ihm abzuschirmen. Für Octavena war damit die Störung auch eigentlich schon wieder erledigt, denn so, wie sich Titus aufbaute, wäre der Fremde wahrscheinlich ziemlich dumm gewesen, wenn er sich nur für ein paar Blumen, die die Frauen offensichtlich nicht wollten, mit dem hünenhaften Leibwächter anlegte. "Komm, lass uns in die Richtung gehen", sagte sie also einfach zur Aemilia und deutete in die Richtung, wo Ilda mit Octavenas Kindern nun stehen geblieben war und die Szene beobachtete. Ildrun war gerade damit beschäftigt, die Auslagen eines anderen Standes zu begutachten, doch Farolds Aufmerksamkeit wanderte nun zurück zu seiner Mutter und er lief ihr nun gut gelaunt entgegen. "Maaamaaa, Ilda hat gesagt, dass ich dich fragen soll, ob wir nochmal neuen Leim kaufen können!", plapperte er einfach drauf los, was ihm einen strengen Blick von Octavena einbrachte. "Nur wenn du dich ab jetzt besser benimmst. Man überfällt Leute nicht einfach ohne Begrüßung und außerdem musst du schon selbst fragen, wenn du etwas willst, und nicht Ilda vorschieben", sagte sie ruhig und nickte in Richtung der Aemilia. "Das ist meine neue Freundin Aemilia Lentidia." Sie hob den Blick und hob eine Hand, die ihr Sohn inzwischen ergriffen hatte, leicht an. "Aemilia, das ist mein Sohn Quintus." Farold blickte zu der Fremden auf und grinste dann fröhlich auf eine Weise, von der Octavena wusste, dass er damit normalerweise versuchte, Erwachsene davon zu überzeugen, dass er der charmanteste Junge war, den sie sich vorstellen konnten. "Salve!" Mit der Begrüßung flaute aber auch schon sein Interesse für seine Mutter und die Fremde wieder merklich ab. Er blieb noch einen Moment an Octavenas Seite stehen, sah dann aber neugierig zu ihr und Octavena ahnte, dass er immer noch eine Antwort auf seine Frage haben wollte, aber begriffen hatte, dass sie ihn rügen würde, unhöflich zu sein, wenn er das einfach hinausposaunte. Sie seufzte leise und wandte sich in einem passenden Moment kurz wieder ihrem Sohn zu. "Geh und sag Ilda, dass ich das mit dem Leim erlaube. Sie soll sich weiter um die Einkäufe kümmern, ich komme dann zu euch."

    Ein kleines amüsiertes Lächeln zuckte um Octavenas Mundwinkel. Die Aemilia war vielleicht ein wenig direkt, aber so etwas war Octavena ihrerseits schließlich nicht zwingend fremd. "Nun, ob Dummkopf oder nicht, du hast mein Beileid", sagte sie trotzdem höflich. "Und keine Sorge, ich kann verstehen, dass es manchmal guttut, seinen Gedanken einfach Luft zu machen." Genau genommen hätte Octavena das heutzutage selbst gerne öfter getan, aber wenn man ständig zwei Kinder um sich rennen hatte, wurde das manchmal schwierig. Ganz davon zu schweigen, dass sie so daran gewöhnt war, sich vernünftig zu benehmen, dass es für sie nur noch wenige Menschen gab, denen gegenüber sie so unverblümt gewesen wäre.


    Das musste aber alles ihre Gesprächspartnerin nicht kümmern, die scheinbar nicht nur direkt, sondern auch neugierig war, auch wenn Octavena auch das nicht groß kümmerte. "Ich bin mit meinen Kindern und einer unserer Angestellten für Besorgungen hier", erklärte sie stattdessen mit einem warmen Lächeln und deutete ein Stück nach vorne, wo Ilda mit den beiden an einem anderen Stand stehen geblieben waren. "Das da vorne sind sie. Das Mädchen ist meine Tochter, Duccia Camelia, und der kleine Junge daneben ist mein Sohn, Quintus Duccius Firmus. Wir leben in der Villa der Familie meines verstorbenen Mannes ein wenig außerhalb der Stadt, deshalb nutzen die beiden gerne die Gelegenheit für etwas Abwechslung kommen öfter mal mit, wenn jemand aufs Forum geht." Sie legte den Kopf leicht schief. "Wer ist dein Bruder?", fragte sie dann höflich, was natürlich auch nur eine halbwegs subtile Variante war, um mehr über Lentidia im Allgemeinen zu erfahren. "Ihr steht euch vermutlich nahe, wenn du nach so einem Verlust zu ihm gehst und zu keinem anderen Verwandten?"

    Octavenas Blick glitt flüchtig zu dem Aufpasser der Fremden, der seine Arbeit sehr ernst zu nehmen schien, und dann zurück zu der jungen Frau vor sich, die sich nun vorstellte. Nur für einen ganz kurzen Moment blinzelte Octavena überrascht, als ihr bewusst wurde, dass hier eine Tochter aus gutem Hause vor ihr stand. Das allein war noch nicht vollkommen überraschend, schließlich gab es die auch in der Provinz aus diesen oder jenen Gründen, aber bisher hatte Octavena noch nichts von einer Aemilia in der Stadt gehört, obwohl sie sich in dem Fall wahrscheinlich in halbwegs ähnlichen Kreisen bewegen sollten. Zumindest in einer Stadt wie Mogontiacum.

    "Petronia Octavena", erwiderte sie unabhängig davon allerdings einfach die Vorstellung mit ihrem eignen Namen und nickte zuerst der Aemilia und dann ihrem Leibwächter höflich zu. "Schön, dich kennenzulernen." Sie lächelte auf eine routiniert freundlich-höfliche Weise, die allerdings trotz allem keine Lüge war. "Bist du neu in der Stadt? Ich bilde mir ein, mir Gesichter ganz gut merken zu können, aber ich glaube, wir sind uns bisher noch nicht begegnet."

    Octavena hatte sich an diesem Tag ebenfalls auf den Weg zum Forum gemacht. Einerseits, weil es tatsächlich Besorgungen gab, die sie zu erledigen hatte, und andererseits, weil sie gerne auf den Markt ging. Besonders, solange das germanische Wetter noch halbwegs erträglich war. Der Winter würde schließlich früh genug kommen. Also schlenderte sie gemeinsam mit Ilda und ihren Kindern zwischen den Ständen entlang, ihren Blick immer mal wieder prüfend auf Farold und Ildrun gerichtet, um sicher zu gehen, dass keiner von beiden sich zu weit entfernte. Beide schienen aber heute einen Tag zu haben, an denen sie ihrer Mutter nicht nur verfrühte graue Haare bescheren wollten, von daher schien ihre Sorge heute selbst Octavena ein wenig übertrieben. Ildrun lief zwar ein Stück vor den anderen voraus und gab sich redlich Mühe, gelangweilt und genervt zu gucken, aber ihre Launen konnte Octavena ihrer Tochter wohl schlecht verbieten. Farold war währenddessen damit beschäftigt, Ilda ein Ohr mit irgendetwas abzukauen, das ihn gerade beschäftigte, doch die junge Angestellte ertrug seine Fragereien und Geplapper so stoisch, dass Octavena nicht das Gefühl hatte, eingreifen zu müssen.


    Beruhigt, weil sie wusste, dass Ilda die Lage was ihre Kinder anging sicher im Griff hatte und weiter im Griff behalten würde, ließ Octavena also sogar selbst ein wenig ihren Blick über die Stände um sich herum gleiten, auch wenn zunächst nichts länger ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Das war auch eigentlich ganz gut so, denn schließlich war sie eigentlich zu ihrem reinen Vergnügen hier, doch Octavena hatte den Markt hier schon immer gemocht und für gewöhnlich bekam Ilda es auch so hin, die Dinge zu besorgen, die sie brauchten, ohne dass Octavena sie zusätzlich kontrollierte. Sie wollte dennoch schon weitergehen und die Distanz zwischen sich und Ilda und den Kindern wieder schließen, als ihr Blick dann doch an den Waren eines Stoffhändlers hängen blieb, der ein paar besonders schöne Tücher in der Auslage präsentierte. Octavena blieb stehen und betrachtete die Stoffe einen Moment, wobei sie an einer anderen Frau vorbeilinsen musste, ehe sie schließlich einen Schritt auf den Stand zumachte. "Entschuldigung", sagte sie zu der jungen Frau, während sie sich vorsichtig an ihr vorbeischob, um eine Hand nach einem der Tücher auszustrecken und den Stoff zu begutachten. Ihre Finger glitten kurz über das Material, während sie mit einem freundlichen Lächeln der anderen Frau einen Blick von der Seite zuwarf. "Das sind einfach sehr schöne Muster, nicht wahr?"

    Es waren ein paar anstrengende Monate in der Villa Duccia gewesen. Erneut. Nicht so hart, wie das Jahr, in dem unter anderem Octavenas Mann gestorben war, aber doch anstrengend genug, damit sich Octavena wieder einmal fragte, ob die Götter inzwischen für sie einfach vorgesehen hatten, konstant Probleme in ihrem Leben zu lösen, während sie zugleich versuchte, besonders auf ihre Familie achtzugeben. Letztere hatte gerade erst wieder einen Rückschlag erlitten, als das Fieber, das zunächst Dagwin erwischt hatte, durch das Haus gezogen war. Svea hatte sich als genauso wertvoll erwiesen, wie Octavena gehofft hatte, und in den letzten Monaten gute Arbeit geleistet, aber manchmal war nun einmal auch das nicht genug.


    Und leider hatte sich Octavenas Cousin Varus, der eigentlich ja gerade erst in der Stadt angekommen war, als so ein Fall erwiesen. Gerade als der Rest des Hauses wieder auf dem Weg der Besserung oder schon wieder gesund gewesen war, war stattdessen der junge Römer krank geworden und anders als Dagwin, für den es auch knapp gewesen war, hatte er sich nicht mehr erholt. Octavena und Varus hatten sich nie besonders nahe gestanden, aber sie hatte sich für ihn verantwortlich gefühlt. Ihre Familie hatte ihn ihr schließlich anvertraut, auch wenn sie den Verdacht gehabt hatte, dass ihre Verwandtschaft in Tarraco nur keine Lust gehabt hatte, ihn unter ihre Fittiche zu nehmen und sich dann an Octavena im fernen Germanien erinnert hatte. Varus hatte trotzdem Pläne gehabt und es war in Octavenas Augen eine Schande, dass so ein junges Leben ein verfrühtes Ende gefunden hatte.


    Wahrscheinlich hätte Octavena das zu Denken geben sollen, aber nach den Wochen und Monaten, in denen sie um mehrere Leute in der Villa gebangt hatten, bedauerte sie zwar den Tod ihres Cousins, aber nachdem sie ihn begraben und sie ihre Verwandten in Hispania über seinen Tod informiert hatte, wandte sie sich auch wieder einfach ihrem Alltag zu. Die Villa Duccia schien die Seuche, die in ihren Mauern gewütet hatte, fürs Erste überstanden zu haben und Varus' Tod hin oder her, Octavena war aufmerksam genug, um sich sehr genau bewusst zu sein, dass manche der Überlebenden es nur geschafft hatten, weil Svea hier gewesen war. Die Kräuterfrau hatte ihren Wert mehr als bewiesen und Octavena wollte diesen Wert weiter fördern - und damit begann eine Idee in ihrem Geist Gestalt anzunehmen.

    Ich poste es mal ganz allgemein hier rein: Ich habe ja gestern schon Octavena aus dem Exil ziehen lassen und muss mich jetzt selbst wieder ein wenig sortieren, aber falls jemand Zeit und Lust hat, irgendetwas auszuspielen, meldet euch gern. (Am liebsten natürlich für Octavena in Mogontiacum, aber mir ist auch klar, dass die ID, so sehr ich an ihr hänge, ohne mehrere aktive IDs in ihrem Familienumfeld nur bedingt Spielraum hat. Ich habe nur gerade nach meiner Abwesenheit wieder mehr Lust aufs IR, von daher wäre ich auch für viele andere Ideen oder sogar mal eine neue ID zu haben, wenn da jemand gerade etwas im Hinterkopf haben sollte, wofür es eine Spielerin brauchen kann. Einzige Bedingung ist, dass ich am liebsten Frauen und ziviles Leben spiele ;) Gilt alles natürlich ähnlich für Octavenas Tochter, auch wenn ich die im Moment im Exil belasse, bis es für sie im Spiel wieder etwas zu tun gibt.)

    Bei mir ist leider im Moment unerwartet viel zu viel auf einmal los und ich komme ungewöhnlich schlecht dazu, hier regelmäßig reinzuschauen, deshalb bitte einmal Exil für Octavena und Duccia Camelia. Bevor mir die beiden am Ende aus Versehen noch wegrutschen, ist mir das aktuell wenigstens erstmal so sicherer. :)

    Ilda hielt ihr Versprechen. Das war zwar keine Überraschung, denn obwohl Octavena selten ein wirklich autoritäres Auftreten an den Tag legte, war sie immer noch die Hausherrin der Villa, die mit diesem Gespräch einer ihrer Angestellten einen Auftrag erteilt hatte, aber selbst dann hätte Ilda sich viel mehr Zeit lassen können, um mit ihrer Schwester zu reden, als sie es tat. Ein paar Tage später erschien die Frau, die sich als Svea vorstellte, auch schon in der Villa und wurde ins Kaminzimmer geführt, wo sich kurz darauf auch schon Octavena zu ihr gesellte, um sie zu empfangen.

    Wenn Octavena ehrlich war, dann war sie ein wenig überrascht, als sie Svea nun vor sich stehen sah. Sie hatte sich vorher ein wenig über die andere Frau erkundigt, woher sie wusste, dass sie einen guten Ruf als Hebamme genoss, und nach diesem Ruf hätte sie definitiv eine ältere Frau erwartet als die, die da im Kaminzimmer auf sie wartete. Tatsächlich konnten zwischen Svea und Ilda nur ein paar Jahre Altersunterschied liegen, was aber zumindest in Octavenas Augen im Zweifelsfall eher für Svea als gegen sie sprach. Wäre das hier ein normaler Hausbesuch gewesen, für den Octavena Svea einfach rufen ließ, um nach ein paar kranken Angestellten zu sehen, dann hätte sie jetzt vermutlich die junge Frau einfach direkt zu Dagwin geschickt, doch über die letzten paar Tage war ihr eine Idee gekommen, die sie zumindest austesten wollte.

    "Deine Schwester sagt, du verdienst dein Geld meistens als Hebamme, bist aber eigentlich mehr eine Kräuterfrau, ist das richtig?", fragte sie deshalb, nachdem sie einander offiziell begrüßt hatten, und legte neugierig ein wenig den Kopf schief.

    Svea nickte und hob sichtlich neugierig die Brauen. "Das ist richtig", erwiderte sie. "Ilda hat mir erzählt, dass ihr einige kranke Angestellte im Haus habt, die Hilfe brauchen. Ich kann natürlich nichts versprechen, aber wenn du willst, kann ich gerne nach ihnen sehen. Dieses Sumpffieber ist tückisch."

    Ihr Tonfall war vorsichtig, fast schon lauernd, gerade so als ob sie fürchtete, dass Octavena sie dafür hätte verantwortlich machen können, wenn ihre Bemühungen zu nichts führten. Octavena schüttelte leicht den Kopf. "Ich erwarte keine Wunder von dir", stellte sie klar. Sie wusste schließlich leider viel besser als ihr das lieb gewesen wäre, dass manchmal Krankheit Menschen einfach holte, selbst wenn ein Medicus oder eine Kräuterfrau oder wer auch immer noch so sehr ihr Bestes gaben. "Ich möchte nur, dass du versuchst, was du kannst. Und ich habe vielleicht ein Angebot für dich, um deine Erfolgschancen zu erhöhen. Woher beziehst du im Moment deine Kräuter und Materialien?"

    Die Frage schien Svea zu überraschen, denn sie runzelte die Stirn. "Was ich sammeln kann, sammle ich hier im Umland. Den Rest kaufe ich in der Stadt ein. Warum?"

    "Wir haben einen Kräutergarten hier in der Villa. Solange du dich um unsere Kranken kümmerst, kannst du dich gerne daran bedienen. Falls deine Arbeit für uns länger dauern und sich das lohnen sollte, können wir auch darüber sprechen, neue Kräuter anzupflanzen", erklärte Octavena und beobachtete genau, wie Sveas Augen neugierig aufblitzten. "Und natürlich kann ich dir hier einen Platz zum Schlafen anbieten, falls du ihn brauchst."

    Die junge Frau sah Octavena einen Moment lang schweigend an, so als ob sie abwägen wollte, ob an dem Angebot irgendein offensichtlicher Haken war, doch schließlich nickte sie. "Das klingt nach einem verlockenden Angebot", sagte sie langsam und ein kleines Lächeln zuckte um Octavenas Mundwinkel. Ja, das war ein gutes Angebot, vor allem, weil sie vorhatte, Svea trotzdem ganz normal zu bezahlen, aber manchmal waren nicht alle Vorteile aus so einem Angebot direkt in Geld aufzuwiegen. Octavena wollte, dass die Angestellten der Villa loyal waren, aber das funktionierte nur, wenn sie sich um sie auch dann kümmerte, wenn sie krank wurden und ausfielen. Und falls Svea sich tatsächlich als so gut erwies, wie ihr Ruf das nahelegte, dann würde sich auch diese Investition lohnen. Es lohnte sich schließlich immer, eine gute Kräuterfrau zur Hand zu haben.

    "Das soll es auch sein. Ich möchte, dass du einen vernünftigen Anreiz hast, dich gut um unsere Leute zu kümmern", erwiderte sie schlicht und hob die Brauen. "Also: Wie klingt mein Angebot für dich?"

    Svea schnaubte hörbar. "Wie eines, das ich ganz sicher nicht ablehnen werde."

    Nun huschte doch ein Lächeln über Octavenas Züge. Na also. Ging doch.

    "In Ordnung, überprüf die Buchführung morgen noch einmal und wenn die Rechnungen stimmen, werde ich mir überlegen, ob es sich eher lohnt, den Gewinn aus diesem Jahr in einen der bestehenden Betriebe als Investition zu stecken, oder ob wir uns nach einem neuen umsehen sollten, den zu kaufen sich lohnen könnte." Octavena seufzte und machte eine wegwerfende Handbewegung, um ihrem Sekretär zu signalisieren, dass er gehen konnte. Niemand hatte gesagt, dass es leicht sein würde, die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes zu übernehmen, aber obwohl Octavena langsam das Gefühl hatte, den Dreh raus zu haben, fragte sie sich doch regelmäßig, woher um alles in der Welt sie manchmal die Zeit nehmen sollte, sich um alles zu kümmern, das so in ihrem Leben anfiel.


    Dazu kam, dass sie weiterhin im Haus unterbesetzt waren. Es hätte sich falsch angefühlt, Dagwin zu ersetzen, aber die Seuche, die ihn erwischt hatte, hielt ihn weiterhin fest in ihren Klauen. Inzwischen waren auch ein paar der Stallknechte krank geworden und wenn sie nicht bald der Lage Herr wurden, würden wohl spätestens im Winter die ersten dieses verdammte Fieber nicht überleben. Die Tür zum Arbeitszimmer war kaum ins Schloss gefallen, da öffnete sie sich auch schon wieder, als Ilda ihren Kopf in den Raum streckte, gerade so als ob sie Octavenas Gedanken an Dagwin und das Fieber erraten hätte. Die Wahrheit war vermutlich nur, dass sie die Hausherrin über Margas Pläne fürs Abendessen informieren wollte, aber Octavena kam die Anwesenheit der jungen Frau eigentlich ganz gelegen. "Ah, Ilda", begrüßte Octavena die Angestellte und lächelte leicht. "Du kommst wie gerufen. Ich wollte dich ohnehin etwas fragen."

    Ildas Augen weiteten sich und sie runzelte leicht die Stirn. "Mich?", fragte sie überrascht zurück, ehe sie ihre Überraschung zur Seite schob. "Natürlich. Was kann ich für dich tun?"

    "Du meintest vor einer Weile, du hättest eine Schwester in der Stadt, die sich mit Kräutern auskennt." Octavena löste ihre Aufmerksamkeit endgültig von den Unterlagen vor sich und sah Ilda direkt an. "Habe ich das richtig im Kopf?"

    Ilda hob leicht die Schultern. "Meistens verdient sie ihr Geld als Hebamme, aber ja, sie kennt sich gut mit Kräutern aus."

    Erneut runzelte die junge Frau ein wenig die Stirn, sprach aber den Gedanken, der ihr vermutlich durch den Kopf ging, nicht aus. Das musste sie auch nicht, damit Octavena erraten konnte, dass sie sich fragte, warum um alles in der Welt ihre verwitwete Arbeitgeberin eine Hebamme suchte. Octavena schmunzelte leicht, obwohl der eigentliche Grund für ihre Frage eigentlich alles anderes als unterhaltsam war. "Sehr gut", erwiderte sie. "Kannst du sie fragen, ob sie zu uns in die Villa kommen würde, um nach Dagwin zu sehen?" Langsam gingen ihnen ohnehin die Optionen aus und wenn es jemanden gab, der wusste, wie man Fieber senkte und Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um Leben zu retten, dann ja wohl eine Hebamme. "Sie wird natürlich für ihre Mühen entlohnt werden."

    Ilda nickte. "Ich gehe gleich morgen bei ihr vorbei, wenn ich zum Einkaufen in die Stadt gehe."

    "Wunderbar." Octavena nickte und bedeutete Ilda mit einer Hand, dass sie gehen konnte. "Sag Marga, dass ich wie immer mit all ihren Plänen einverstanden bin, und sieh bitte nach, was meine Kinder machen. Ich möchte Farold nicht wieder erst losschicken müssen, damit er sich wäscht, während wir anderen alle schon beim Essen sind." Dann würden sie ja wohl mal sehen, ob sie diesem Fieber in ihrem eigenen Haus noch wieder Herr werden konnten.

    "Sehr gut", erwiderte Octavena schlicht, allerdings noch immer nicht vollständig beruhigt. Die Bemerkung darüber, dass Varus sich ja immer noch in Bezug auf seine Zukunft umentscheiden konnte, kam ihr trotz allem etwas leichtfertig vor - obwohl er damit ja recht hatte. Nur war Octavena diese Haltung im Verhältnis offenbar fremder als ihrem Cousin. Wenn Octavena etwas tat, dann zog sie es auch durch, meistens jedenfalls. Wenn man diese Eigenschaft zu ihren Ungunsten auslegen wollte, dann hätte man sagen können, dass sie fast schon etwas störrisch sein konnte, Octavena selbst sah darin mehr Verlässlichkeit. Die Art Verlässlichkeit, die sie eigentlich am liebsten auch in ihrer Familie gesehen hätte, auch wenn Varus nicht der einzige war, der damit nicht immer Octavenas Erwartungen erfüllte. Dennoch: Octavena hoffte im Stillen, dass er seinen Worten bald Taten folgen lassen und sich aufraffen würde, auch wirklich seine Zukunft in Angriff zu nehmen. Sie hatte schon zwei Kinder, die sie gut beschäftigten, und hielt Varus eigentlich auch für zu alt, um ihn zu überwachen. "Ich bin froh, dass wir uns da einig sind." Sie nickte und ihr Blick glitt zurück zu den Unterlagen auf dem Tisch. "Auf mich wartet noch einiges an Arbeit für heute, aber wir sehen uns beim Abendessen", fuhr sie seufzend fort, hob allerdings doch wieder den Blick. "Oder hast du noch etwas auf dem Herzen?" Die Frage war ehrlich gemeint, schließlich hatte sie ihn gerade genug mit ihren Fragen gelöchert und versucht ihn mit Nachdruck daran zu erinnern, dass er sein Leben in die Hand nehmen musste, da kam es ihr nur gerecht vor, wenn sie ihm die Gelegenheit gab, seinerseits mit Fragen auf sie zuzukommen.

    Ein kleines Lächeln zuckte um Octavenas Mundwinkel. "Nun, Mogontiacum ist neben anderen Dingen eben ein Militärstützpunkt in Germanien. Hier werden wir öfter Männer begegnen, die es am liebsten hätten, wenn sich jeder Neuankömmling entweder der Legio oder der Ala anschließt", meinte sie schmunzelnd, aber nicht abwertend. Ihre eigene Familie war voll mit Soldaten und durch ihren Onkel, der genau so eine Biografie durchlaufen hatte, war auch Octavena überhaupt nach Mogontiacum gekommen. Nur wusste sie auch, dass solche Männer sich gerne mal so benahmen, als hätten sie einen Hammer und sähen in allem einen Nagel, und sie verstand, wenn Varus sich dem nicht anschließen wollte. "Aber ich kann gerne meine Kontakte spielen lassen und dich ein paar Leuten vorstellen, sobald es sich ergibt", fuhr sie fort und überging die nötige kritische Einordnung ihrer eigenen gesellschaftlichen Position. Ein wenig fand sie ja, dass Varus in seiner Einschätzung - oder der Formulierung - zu blumig war, aber das würde ihm vermutlich bei seinen politischen Plänen nur helfen. "Gleichzeitig solltest du aber einen Plan für dein weiteres Vorgehen aufstellen und dir wahrscheinlich einen dazu passenden Patron dazu suchen, der dir einige Türen öffnen kann."

    Ihre Kontakte? Octavena zog die Brauen ein wenig hoch und musterte Varus nur für eine Sekunde skeptisch. Nicht, weil sie ihrem Cousin nicht helfen wollte, sondern weil sie sich langsam nicht mehr ganz sicher war, was er sich eigentlich von ihr wünschte. Octavena war zwar lange eine Politikergattin gewesen und kannte unter anderem deshalb die einiges an einflussreichen Leuten in der Stadt - oder vielmehr ihre Frauen, Töchter und Schwestern - aber sie konnte Varus keine Türen öffnen, nach denen er nicht selbst griff. "Nun, selbstverständlich hast du meine volle Unterstützung bei all deinen Vorhaben", meinte sie dann diplomatisch und legte leicht den Kopf schief. "Wir sind hier im Haus nur natürlich oft ein wenig ab vom Schuss. Hast du zum Beispiel das Julfest hier nutzen können, um dich mit ein paar Leuten bekannt zu machen?" Als sie am Abend der Feier selbst miteinander gesprochen hatten, war das noch nicht der Fall gewesen und Octavena hatte danach nicht mehr nachgehakt, schließlich war der Abend damals noch jung gewesen. "Und die Politik ist ein weites Feld. Hast du dir überlegt, was deine nächsten Schritte sein sollen?" Ihr Tonfall war dabei nach wie vor freundlich und entspannt. Octavena war schließlich nicht dumm und wusste selbst, dass Varus sich garantiert nicht darum riss, am Ende das Gefühl zu haben, von ihr bevormundet zu werden. Da war es sicher besser, sich um eine ausgeglichene Balance in diesem Gespräch zu bemühen, wenn sie ihn schon versuchte, dahin zu drängen, mit der Sprache rauszurücken, was er eigentlich nun genau vorhatte.

    Octavena blickte von den Unterlagen, die sie gerade noch durchgesehen hatte, auf, als Varus eintrat und lächelte leicht in seine Richtung. "Ah, da bist du ja. Komm herein und setz dich", begrüßte sie ihn und legte ihre eigene Arbeit zur Seite. "Ich möchte gerne mit dir reden." Sie wies auf den Stuhl ihr gegenüber und wartete gelassen, bis er der Aufforderung nachgekommen war. Sie wollte nicht von Anfang an Druck aufbauen, sondern sich erst einmal an ihr Anliegen herantasten. "Wie geht es dir? Hast du dich gut einleben können?" Zwei unverfängliche Fragen zu Beginn, zu denen Octavena im Grunde auch die Antwort schon kannte, aber sie musste wirklich nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen. "Ich habe gestern wieder einen Brief aus Tarraco von der Familie bekommen, die alle sehr interessiert daran sind, wie es dir geht." Das stimmte sogar und Octavena hatte ohnehin keinen Grund zur Lüge darüber, aber sie hatte nicht genau verfolgt, wie sehr Varus seinerseits Kontakt nach Hause hielt und ob damit diese Nachfragen von Seiten ihrer Verwandten ihn beunruhigen würden oder sowieso keine Neuigkeit waren. "Und natürlich auch daran, wie deine weiteren Pläne jetzt aussehen, wo du schon einmal hier bist."