Beiträge von Petronia Octavena

    Zitat

    Original von Susina Alpina
    ...


    "Nein", erklärte Octavena und schüttelte den Kopf, "Ich werde sie selbst stillen."
    Sie suchte nach einer etwas bequemeren Position und ließ sich von Alpina zweigen, wie sie ihre Tochter am besten hielt, während sie trank, und beobachtete lächelnd diese erste Nahrungsaufnahme des Babys. Die Müdigkeit und Erschöpfung mochten ihr schwer in den Knochen liegen, aber in diesem Augenblick wurde Octavena nur noch von echtem, ehrlichen Stolz erfasst.


    "Alpina?", fragte sie, als irgendwann ihre Tochter versorgt war, "Tust du mir einen Gefallen und gibst meinem Mann Bescheid?"
    Langsam tauchten wieder erste andere Gedanken als die Kleine in ihren Armen in Octavenas Geist auf, die sie daran erinnerten, dass es auch noch eine Welt außerhalb dieses Zimmers gab. Und dass zu dieser Welt auch Witjon gehörte, der wahrscheinlich seit sie ihn am Morgen unsanft geweckt hatte zumindest während ihres Geschreis auf glühenden Kohlen gesessen hatte.
    Wenn er davon wieder runter geholt war, würde sie Gunda auch bitten können, die Laken zu wechseln und etwas Schlaf finden. Denn spätestens, wenn das Hochgefühl, das sie im Moment noch erfüllte, abzuklingen begann, würde auch die Erschöpfung sie endgültig einholen und dann wollte Octavena einfach zur Ruhe kommen und den Schlaf nachholen, der ihr durch ihr Wandeln durch die Casa in den frühen Morgenstunden entgangen war.

    Ein Mädchen. Ihre Tochter. Ihr Kind.
    Einen Moment starrte Octavena nur erstaunt auf das kleine, rosa Bündel, das Alpina ihr in die Arme gelegt hatte, noch unfähig, alles richtig zu begreifen.
    Ihre Tochter. Die beiden Worte wiederholten sich in einer scheinbar endlosen Schleife bis endlich auch ihr Verstand hinterher kam und ein breites, glückliches Lächeln auf Octavenas Zügen erschien. Sie hatte es nicht nur geschafft, sie hatte eine gesunde, wunderschöne Tochter.
    "Hallo, meine Kleine", flüsterte sie leise, fast tonlos nach dem Geschrei der letzten Stunden und gab ein kleines, heiseres Lachen von sich.


    Auf Alpinas Frage wandte sie nur verwirrt den Kopf. "Was? Äh... Das Skalpell ist gut."
    Ihre Umgebung erschien irgendwie so unendlich weit weg, so unwichtig und unbedeutend, als gäbe es nichts, das sie noch berühren konnte, während ihr Blick wieder zu dem Baby in ihren Armen wanderte und sie nicht damit aufhören konnte es anzusehen.

    Octavena nickte und machte sich daran, die Anweisung zu befolgen. Weiterpressen. Nur noch weiterpressen. Gleich war es geschafft, das hatte Alpina gesagt. Durchhalten und weiterpressen.
    Also legte sie alle Kraft, die sie aufbringen konnte, in ihren nächsten Schrei und das damit verbundene Pressen. Krallte sich wieder in die Bettlaken unter ihr und lehnte sich gegen Gundas stützende Hände, die nun selbst einiges an Energie aufbringen musste, um genügend Widerstand gegen Octavenas Rücken auszuüben.
    Längst kümmerte es Octavena auch nicht mehr, ob man ihr Geschrei im ganzen Haus oder gar noch weiter hören konnte. Es war egal, jetzt würde sie ihr Kind zur Welt bringen.


    Aber wie alles war auch das irgendwann geschafft und es kam der Moment in dem Octavena sich einen Moment erschöpft zurück sinken ließ, wo Gunda noch immer sie stützend kniete, während kurz ein schwarzes Flimmern vor ihren Augen erschien.
    Sie keuchte, ihre Lungen versuchten verzweifelt sich wieder gleichmäßig mit Sauerstoff zu füllen und ihr Körper fühlte sich noch immer wie ein einziges schmerzhaft pochendes Etwas an, doch sie hatte es geschafft.
    Das verkündete auch das zuerst leise beginnende, aber dann klar und deutlich anschwellende Geschrei, nein eigentlich eher Gequengel, das sich nun im Raum ausbreitete.
    Langsam reckte Octavena den Kopf, der sich wie alles mit einem Mal unglaublich schwer anfühlte, und blinzelte müde. "Ist das Kind gesund?"

    Das musste Alpina der gebärenden Octavena nicht zwei Mal sagen.
    So sehr sie sich bereits die Seele aus dem Leib schrie und das Gefühl hatte, dass die Schmerzen nun kaum noch schlimmer werden konnten: Jetzt, sozusagen auf der Zielgeraden, kratzte sie noch einmal alle Kraft, die sie aufbringen konnte, zusammen. Jetzt galt es, das Kind endgültig zur Welt zu bringen. Das hatten schon genügend andere vor ihr geschafft, da würde ihr das auch noch gelingen.
    Einfach weiter ruhig atmen und - Was hatte Alpina gesagt? - den Schmerz annehmen? Das war leichter gesagt als getan.

    "AAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHH!"

    Die nächste Wehe und damit der nächste Aufschrei kamen, mit dem sie nun endlich auch dem Drang, das Kind endlich ans Licht zu pressen, nachgab. Jetzt war auch kein Platz mehr für Panik oder Angst in ihren Gedanken. Zwischen stummen Gebeten und innerlichen Flüchen während und zwischen der Wehen war es schwer genug, weiterhin halbwegs ruhig zu atmen.
    Tief und langsam ein und aus. Ein und aus. In den Bauch. Gleichmäßig. Ruhig.
    Sie schrie weiter, doch mittlerweile hatte Octavena das Gefühl, dass die Strategie, sich aufs Atmen zu konzentrieren, immer besser funktionierte. Inzwischen versuchte sie mit jeder Wehe und jedem Schrei auszuatmen und dabei gleichzeitig zu pressen, egal, wie sehr es ihr den Schweiß auf die Stirn oder die Tränen in die Augen trieb.
    Es hatte sich ein wenig eine ärgerliche Trotzhaltung bei ihr eingestellt: Sie würde dieses Kind nun endlich nach den Monaten, die sie es in sich herum getragen, und nach den Stunden, in denen sich die Schmerzen aufgebaut hatten, zu Welt bringen. Und Widerstand würde nicht geduldet werden.

    "Das Kind liegt quer?!" So sehr Octavena versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen, konnte sie nun doch nicht verhindern, dass ein panischer Unterton in ihrer Stimme mitschwang, auch wenn sie ob der nächsten Wehe nicht dazu kam, weiter zu fragen.


    Sehr bald bemerkte sie dann auch, dass Alpina Recht behalten sollte. Bereits diese Wehe trieb sie zu einem keuchenden Aufschrei und wenig später war es auch mit dem letzten Rest Gelassenheit, den Octavena sich hatte bewahren können, vorbei. Sie bekam das Gefühl, jedes Mal ein wenig lauter zu schreien, nur damit jedes Mal die Schmerzen noch etwas schlimmer zu werden schienen.
    In ihrem Rücken konnte sie Gundas stützende Hände spüren, während ihre Finger sich in den Laken verkrampften und sie gleichzeitig versuchte Alpinas Anweisung, noch nicht zu pressen, zu befolgen.
    Ruhig atmen. Langsam. In den Bauch. Zum Kind hin.
    Allerdings erwies es sich selbst schon als eine Herausforderung, das Schreien mit dem Atmen und der Unterdrückung des Drangs, mitzupressen, zu koordinieren. Irgendwann gab Octavena es dann auch schließlich auf und konzentrierte sich vor allem darauf, weiter ruhig zu atmen, unter anderem um sich selbst vom Schmerz abzulenken. Auch wenn dieser Plan eher schlecht als recht aufging und sie stattdessen nur feststellte, dass ihre Kehle vom Schreien nach und nach immer trockener wurde.
    Immer ruhig atmen. Ein und aus. Ein und aus.
    Und ein stummes Stoßgebet an die Götter senden, dass es verhältnismäßig schnell vorbei sein würde...

    Zum Kind atmen. Immer zum Kind atmen.
    Octavena nickte, um der Hebamme zu bedeuten, dass sie verstanden hatte. Langsam und tief einatmen. Das war machbar. Und so hatte sie immerhin etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte, einen Gedanken, mit dem sie sich selbst durch die Wehen bringen konnte, die an Häufigkeit und Intensität immer mehr zu nahmen.
    In jedem Fall war Octavena mit jeder Wehe ein wenig dankbarer darüber, Alpina an ihrer Seite zu wissen, die sie stützte und mit einer Engelsgeduld durch die Gegend führte, während rundherum das Haus langsam erwachte.


    "Sie werden stär-" Octavena brach ab und gab stattdessen ein geknurrtes "Argh!" von sich, wobei sie ein weiteres Mal die Finger um Alpinas Arm krallte. Wahrscheinlich würde die da bis das Kind endlich auf der Welt war noch blaue Flecken bekommen.
    Tief und langsam einatmen. Immer in den Bauch. Zum Kind hin atmen. Ruhig atmen.
    Die Konzentration auf die simple Tätigkeit des Atmens half und und als der Schmerz abgeklungen war, vollendete sie ihre Antwort.
    "Sie werden stärker", erklärte Octavena und senkte erstaunt den Blick, als sie bemerkte, dass eine warme, klare Flüssigkeit ihre Schenkel herabrann und schließlich auf den Boden tropfte.
    Endlich war auch die Furchtblase geplatzt.

    Octavena nahm die Erklärungen und Untersuchungen der Hebamme erst einmal nur mit einem stummen Nicken hin. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie hatte sich in Alpinas professionelle Hände begeben und bisher hatte sie keine Zweifel daran, dass das eine gute Entscheidung gewesen war. Jetzt war einfach Vertrauen angesagt.


    Also erhob sie sich auch brav, als Alpina ihr aufhalf, auch wenn noch im selben Moment die nächste Wehe kam. Einen Moment umklammerte sie erschrocken den Arm der Obstetrix und zwang sich selbst ruhig zu atmen, dann war es auch schon wieder vorbei.
    "Tut mir leid." Mit einem entschuldigenden Lächeln lockerte Octavena den Griff um Alpinas Arm wieder, um sich dann zum Tisch hinüber führen zu lassen, wo der Tee inzwischen wartete. Sie nahm sich einen Moment zeit, um an der warmen Flüssigkeit zu riechen, doch dann begann die werdende Mutter auch damit, den leicht bitter schmeckenden Tee zu trinken, wenn auch nicht ohne kurz eine Grimasse zu schneiden.
    "Ruf am besten einfach nach Gunda", antwortete Octavena Alpina dann zwischen zwei Schlucken und machte sich dabei nicht die Mühe, klarzustellen, dass Gunda ja genau genommen die Haushälterin ihres Onkels war. Schließlich änderte das ja auch wieder nichts daran, dass sie ihre Hilfe benötigen würden. "Es würde mich ohnehin nicht wundern, wenn sie in Rufweite geblieben ist. Sie kann dann auch die Binden mitbringen."
    Sie konnte gerade noch den Tee, von dem ohnehin nur noch ein Rest übrig war, wieder abstellen, als sich mit der nächsten Wehe ihre Muskeln wieder schmerzhaft verkrampften.
    "Die haben wir..." Ruhig atmen! "...längst vorbereitet."

    "Ein wenig", erwiderte Octavena. Erleichtert, Witjon aus dem Weg zu haben. Der würde nur früher oder später Energie zu einer Nervosität haben, die sie selbst ab einem gewissen Punkt bezweifelte, noch aufbringen zu können. Wahrscheinlich würde er in so einem Fall nur das eine oder andere genervte und später böse Wort an den Kopf bekommen, das ihr später wieder leid tun würde.
    "Stimmt auch bisher alles?", schob sie dann im Bezug auf Alpinas Untersuchungen hinterher, "Nichts, das nicht so sein soll wie es ist?"

    Zufrieden sah Octavena Witjon nach, wie er zunächst aus dem Raum und dann aus dem Haus eilte. Gut, die Hebamme war also so gut wie auf dem Weg. Fast beruhigte sie sich dank dieses Gedankens wieder ein wenig, allerdings auch nur fast.
    Nun, da sie allein war, jedenfalls für den Augenblick, meldete sich ihre Nervosität zurück. Gemeinsam mit der nächsten Wehe, deren Intensität Octavena erst einmal so sehr überraschte, dass sie sich unwillkürlich am Bett abstützte. Vielleicht hatte sie ja doch zu lange damit gewartet, ihren Mann loszuschicken, um Alpina zu holen? Egal, jetzt war es sowieso zu spät, noch etwas zu ändern.
    Kurz überlegte sie, Gunda zu wecken, ließ es aber dann sein, um nicht noch weiter durchs Haus zu wandeln, und ließ sich stattdessen zunächst auf der Bettkante nieder ehe sie sich vollends hinlegte.


    Es kam ihr zwar vor wie eine Ewigkeit, die sie so da lag und den dumpfen Schmerz ihrer sich immer wieder verkrampfenden Muskeln hinnahm, aber schließlich ging die Tür wieder auf und Octavena seufzte erleichtert auf, als Alpina herein marschierte.
    "Guten Morgen, Alpina." Sie lächelte, während die Hebamme sich zu ihr setzte und ihr den Puls fühlte.
    "Ich bin mir nicht ganz sicher", erwiderte sie dann wahrheitsgemäß auf Alpinas Frage, "Seit zwei oder drei Stunden?" Sie verzog das Gesicht und setzte sich ein wenig weiter auf. "Ich konnte schon früh nicht mehr schlafen und habe ein wenig das Zeitgefühl verloren."

    Fast schon tat Octavena ihr Mann leid, wie er so von einem Moment auf den anderen kerzengerade im Bett saß, nur um schon im nächsten vollkommen neben der Spur durchs Zimmer zu taumeln und sich anzuziehen. Allerdings auch nur fast. Spätestens in ein paar Stunden, das wusste sie, würde dieses Mitleid Geschichte sein, wenn die Wehen stärker und in kürzeren Abständen kommen würden.
    "Geh schon!", fauchte sie also trotzdem, wenn auch etwas versöhnlicher ob dieser kleinen, aber liebevollen Geste des Kusses, die sie durchaus zu schätzen wusste. Da brachte sie es sogar fertig, ihm doch noch ein halbherziges Lächeln zu schenken und sich einen Kommentar zu der selten dämlichen Aussage "Halte durch, ich fliege wie ein ... naja, wie ein Vogel halt." zu verkneifen. Denn natürlich musste ihm klar sein, dass sie ihm den Kopf abreißen würde, wenn er sich nicht beeilen sollte, auch wenn die Geburt im Grunde gerade erst begonnenen hatte und es somit noch Stunden würde dauern können bis sie ernsthaft Alpinas Hilfe benötigte. Trotzdem: Lieber zu früh als zu spät und jetzt war nun einmal ihr Mann in der unbequemen Position, so früh am Morgen loszuziehen, um dafür zu sorgen, dass die Hebamme Bescheid bekam.
    "Geh und hol' Alpina. Ich laufe wohl kaum weg."

    Octavena nickte und ein aufgeregtes Kribbeln durchlief sie, als Alpina ihre Hand an die Seite führte, an der sie durch ihre eigene Haut deutlich den Rücken ihres Kindes ertasten konnte. Ein seltsames Gefühl, vor allem, da es ihr noch einmal bewusst machte, wie bald das Baby vermutlich schon das Licht der Welt erblicken würde.
    "Danke", murmelte sie und blinzelte noch immer etwas überrascht, während sie sich breits aufsetzte.
    Alpinas Worte von Vor- oder Senkwehen holten Octavena allerdings sehr schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Nervosität war wieder da, auch wenn sie über die Hilfe, die ihr die Hebamme anbot, froh war. Auf ihre Frage hin, überlegte Octavena kurz, schüttelte dann jedoch den Kopf.
    "Im Moment nicht, danke." Sie lächelte. "Ich komme wieder, wenn mich doch noch etwas quält."

    Octavena nickte. Schließlich war sie gekommen, um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung war. Dass Alpina allerdings so freundlich war, sie zuvor um Erlaubnis zu fragen, ließ sie das Lächeln der anderen spontan erwidern und brachte Alpina wahrscheinlich ohne, dass sie sich dessen bewusst war, Sympathiepunkte ein. "Natürlich."

    Die Wochen und Monate seit der Verkündung ihrer Schwangerschaft vergingen, Octavenas Bauch war gewachsen, und auch wenn ihr der Besuch bei Alpina in gewisser Weise ein wenig Sicherheit gegeben hatte, so wurde Octavena doch mit jedem Tag ein wenig nervöser und gereizter. Zum Leidwesen aller Menschen in ihrer Umgebung, die derzeit mit ihr im Haus ihres Onkels leben mussten solange das neue Heim der Duccier noch gebaut wurde und ihr natürlich auch nicht immer aus dem Weg gehen konnten.
    Doch auch wenn Octavena ihre Ängste auf die eine oder andere Art zu kompensieren suchte, änderte das selbstverständlich nichts daran, dass schließlich auch der Tag der Geburt kam und die Wehen einsetzten.


    Es begann in den frühen Morgenstunden. Octavena hatte nicht mehr schlafen können und wanderte wie ein müder Geist durch das Haus, hing ihren Gedanken nach und drehte dabei schon die dritte oder vierte Runde, als sie das erste Mal ein Stechen im Unterleib spürte. Noch nicht sehr stark, aber eindeutig stark genug, um sie einen Arm um die Kugel, die sie vor sich her trug, schlingen zu lassen und einen Augenblick stehen zu bleiben. Das Stechen ging weiter, wenn auch noch in recht großen Abständen, mit jedem Mal, mit dem sich ihre Muskeln schmerzhaft verkrampften und Octavena begriff, was das zu bedeuten hatte.
    Das Kind kam. Heute. Jetzt.
    Unwillkürlich kämpfte sie einen Schwall von Panik nieder und bemühte sich darum, ruhig zu bleiben. Es hatten schon Millionen Frauen vor ihr gesunde Kinder zur Welt gebracht. Da würde sie das auch überstehen. Jemand musste nur Alpina holen und sie würde das schon hinkriegen. Alles im Grunde keine große Sache.
    So eilig wie es ihr in ihrem Zustand möglich war machte sie also kehrt und tapste los, um ihren Mann zu wecken. Wäre ja noch schöner, wenn er weiter schliefe, während sie den ganzen Ärger hatte.
    "Witjon." Octavena drückte die Tür auf und trat ins Schlafzimmer, wo das Familienoberhaupt der Duccier noch selig schlief. "Numerius Duccius Marsus!"
    Diesmal etwas lauter und gereizter. Schließlich ließ sich so ein langer, römischer Name wunderbar schimpfen. Sie rüttelte unsanft an seiner Schulter und ließ ihm so eigentlich gar keinen Spielraum, langsam wach zu werden. Mit Einsetzen der Wehen hatte Octavenas Geduld gelitten und so war sie eher mäßig gewillt, Rücksicht auf irgendetwas zu nehmen. Erst recht nicht die nächtliche Ruhe ihres Mannes. "Wach auf und hol Susina Alpina! Das Kind kommt!"

    Zitat

    Original von Susina Alpina
    Sie bat Octavena, sich auf die Liege zu legen und fragte nebenher einige wichtige Fakten ab: ob Octavena schon vorher einmal schwanger gewesen sei, das Kind aber wobmöglich verloren habe, ob sie Blutungen während der Schwangerschaft gehabt hatte, ob sie unter Übelkeit, Schwächegefühl oder Schwindel litte und ob sie die Bewegungen des Kindes wahrnehmen konnte.


    Die Schwangere tat brav wie ihr geheißen, legte sich auf die Liege und beantwortete auch Alpinas Fragen. Nein, das war ihre erste Schwangerschaft und Nein, seit sie bemerkt hatte, dass sie ein Kind erwartete, hatte sie auch nicht mehr geblutet. Ja, gerade mit morgendlicher Übelkeit hatte sie zu kämpfen gehabt und genauso konnte sie spüren wie das Baby sich bewegte.
    Dabei beobachtete sie die andere genau, um ihre Reaktionen zu deuten, während die wiederum gleichzeitig ihr noch den Puls fühlte und ihrem routinierten Blick nach zu urteilen auf die einen oder anderen Anzeichen für irgendetwas achtete.
    "Und?", fragte Octavena schließlich, als sie es nicht mehr aushielt und sah Alpina fragend an, "Alles in Ordnung?"

    Alpinas fröhlich-freundliche Begrüßung färbte sofort auf Octavena ab, die auf die Frage der anderen lächelnd den Kopf schüttelte. Ernsthafte Beschwerden hatte sie ja zum Glück nicht, bisher waren Übelkeit und Stimmungsschwankungen schon das Maximum gewesen, womit sie und ihre Umgebung zu kämpfen gehabt hatten.
    "Eher letzteres", erwiderte sie, "Es wird jetzt wohl nicht mehr lange dauern bis das Kind kommt und ich wollte dich für die Geburt um deinen Beistand bitten."

    Es war ein recht kühler Tag, als Octavena, deren wachsender Bauch inzwischen keinen Zweifel mehr an ihrer Schwangerschaft ließ, sich zu dem eigentlich längst überfälligen Besuch in der Taberna Medica Alpina aufmachte.
    Schließlich war das ihre erste Schwangerschaft und auch wenn sie sich bisher mit allen Fragen an die älteren Frauen aus der Familie gewandt hatte, mit jedem Tag, an dem das Kind in ihr weiter wuchs und somit auch die Geburt näher rückte, wuchs auch ihr Unbehangen und damit Ängste, auf die sie zuvor niemals gekommen wäre. Sie brauchte also etwas, um ihre Nerven ein wenig zu beschwichtigen, selbst wenn sie noch so viele Verwandte um sich scharen konnte. Und das wiederum führte sie zu Alpina.
    Eine Außenstehende, noch dazu eine professionelle Hebamme, die dabei war sich einen guten Ruf zu erarbeiten, ja, das war ein Gedanke, der wenigstens einen Teil der - manchmal auch etwas irrationalen - Ängste zurück drängte.
    So trat Octavena mit einem etwas erzwungenen Lächeln über die Schwelle und sah sich nach der Inhaberin des Ladens um. "Salve, Susina Alpina!"