Beiträge von Quintus Claudianus Anaxander

    Kein Schlüssel unterm Tisch. Kein Schlüssel unterm Hocker. Nur ein Klappern in der Öllampe. Allerdings nur ein kleiner Keramiksplitter. Wahrscheinlich irgendwann von innen abgeplatzt. Kein Schlüssel.


    Das Bett. Der Holzrahmen machte Geräusche, wenn man sich draufsetzte. Eine Matratze aus Stroh. Eingenäht in einen hellgrauen Stoff. Früher vielleicht mal weiß. Piekste manchmal ein bisschen. Wenn mans nicht gewohnt war.

    In ener Ecke der Wohnung stand er. Anaxanders alter Schreibtisch. Direkt neben dem Bett. Nur von einem kleinen Nachttisch getrennt.


    Ein Hocker zum Sitzen stand vor dem Schreibtisch. Ein breites Schubfach über die volle Tischbreite. Davor ein Schloss. Zu. Und kein Schlüssel. Die Tischplatte war vorne sauber. Hinten etwas angestaubt. Eine kleine Öllampe stand auf der rechten Seite. Ansonsten nichts. Alles abgeräumt. Alles leer.

    Die Tür ging auf. Schon beim ersten Klopfen. Hatte die Wohnung ein Türschloss? Falls ja, musste der Prätorianer-Bote vor kurzem das kaputt gemacht haben. So wie der ohne Klopfen direkt in die Wohnung marschiert war. Und Anax hatte es nicht repariert.


    Die Wohnung war leer. Keine Menschenseele da. Keine Spur von Anaxander. Oder seinen persönlichen Sachen. Auf den ersten Blick.

    Zitat

    Original von Quintus Claudianus Anaxander


    Ich hab nix weiter gemacht. Und der Schriftzug ist weg. Also danke an die/den, die/der geholfen hat. 8)


    Ich glaub, ich hab jetzt erst gemerkt, was Menec meinte. Im Tabularium bin ich als Scriba Personalis entlassen. Das passt.
    Aber im Forum iwie noch nicht. Da verfolgt mich der Schriftzug unter der Signatur noch: [Caelimontium] Insula C. Fundanii Vulsonis - Habitatio des Claudianus Anaxander

    Enttäuschung. Das wars in einem Wort, was Anax fühlte. Klar, er war seinem Patron ein schlechter Sekretär gewesen. (Nicht am Anfang. Aber später.) Auch klar, dass sein Patron da sauer war. Und vielleicht selbst enttäuscht. Aber Anaxander glaubte, dass seine eigene Enttäuschung größer war. Weil er den guten Felix echt gemocht hatte. Und der hatte seinen Großvater verehrt. Und also hatte auch Anax den alten Claudius bewundert. Und idealisiert. Wie sich jetzt leider rausstellte.


    Immer ein Vorkämpfer für Recht und Gerechtigkeit. Einer, der die Stärke des Rechts vor das Recht des Stärkeren setzte. Der hinterfragte. Selbst im Krieg. Im Bürgerkrieg. Ein großer Mann. Von dem Anaxander jetzt ein anderes Bild hatte. Leider. Aber so wars. Der Moment, wo der Claudius ihm mit der "Revocatio in Servitutem" (Wiederversklavung) gedroht hatte. Der hatte alles verändert. Revocatio in Servitutem. Eine Strafe für Freigelassene, die ihre Patrone beschimpften, schlugen oder in Armut und Krankheit verließen.* Damit hatte er gedroht. Wenn Anaxander nicht die Klage gegen diesen Flavius fallenließ.


    Sim-Off:

    * Wens interessiert: Historisch eigentlich erst durch Commodus (Kaiser 180-192) als Strafe allgemein so eingeführt. Vorher nur manchmal vom Kaiser gegen einzelne "ingrati liberti" ausgesprochen.
    Juristische Basis: Die kaiserliche Machtvollkommenheit. (Quelle: Vgl. "Römische Alterthümer" von Christian Conrad Ludwig Lange, §43 Das Patronat über die Freigelassenen.)


    Die Unschuld vom Flavius hinterfragt? Oder die Verlobung seiner Enkeltochter mit dem Mann? Nö. Nur Anaxander. Weil patrizische Senatoren wie der Flavier ja nie Fehler machten. Oder, bei Pluto, eine Straftat begingen. Nein. Sowas machte nur das lügende Sklavenpack. Zu dem der Freigelassene schiens auch jetzt noch gezählt wurde. Leider. "Aber so ist das halt. Damit musst du leben, Anaxander." Er konnte sich nur aussuchen, *wo* er damit lebte. Denn was hielt ihn jetzt noch in Rom? Felix tot. Kein Vertrauen *vom* Claudius. Kein Vertrauen mehr *in* den Claudius. Oder in die Justiz hier. Ein bisschen noch in den Kaiser, ja. Aber sonst?


    Viel zu packen hatte er nicht. "Ich hoffe, du findest deinen Retter. Bevor du völlig korrumpiert bist." Sein vorläufiger Abschied von der Stadt. Einer Stadt mit genug Brot für alle. Vielleicht sogar mehr als genug. (Nur so eine Spekulation.) Eine Stadt, wo so Tatsachen aber regelmäßig kaum einen interessierten. Nicht wenn die einem nicht in den Kram passten. Dann wurden "alternative Fakten" gestreut. Von wem auch immer. Senatoren. Deren Frauen. Oder deren Witwen, die sich so die Zeit bis zur nächsten Hochzeit vertrieben. Keine Ahnung. Woher auch? Er. Der vertrauensunwürdige, lügende Freigelassene. Der nicht zur immer gerechten, immer rechtschaffenen, immer ehrlichen Oberschicht gehörte.

    Sim-Off:

    Zweiter Anlauf, nachdem der erste gelöscht wurde.


    Eine einfache, unschuldige Frage. Aber sein Patron reagierte sehr gereizt. Getroffene Hunde bellten? Das wollte Anax eigentlich nicht glauben. Er blieb ruhig. Er ließ den Claudius ausreden. Starke Drohungen, die der da aussprach. So als wäre Anax hier der Böse. Dabei war Anax ja *nicht* der, der im starken Verdacht der Rechtsbeugung stand, oder? "Ich würde niemals gegen dich oder deine Familie intrigieren." Das war ja selbstverständlich. Aber bei der Reaktion des Patriziers erwähnte Anaxander das trotzdem lieber nochmal. (Dass er den Flavier nicht als Teil der Claudier sah, erwähnte er lieber nicht. Denn es war ja auch glasklar: Ein Claudier konnte kein Flavier sein, ein Flavier nicht gleichzeitig Claudier. Da waren die Grenzen ja eigentlich eindeutig. Messerscharf. Nicht einfach so umdefinierbar.)


    Und dann verwies sein Patron den Freigelassenen der Tür. Sagte, dass er Anax beobachten lassen würde. Drohte nochmal, ihn wieder zum Sklaven zu machen. - Weil er offensichtlich kein Vertrauen zu ihm hatte. Kein Vertrauen zu einem ehemaligen Mitglied des Claudier-Haushalts. Weniger Vertrauen zu ihm als zu einem Straftat-Verdächtigen einer anderen, fremden Familie. Anax war irritiert davon. Aber er fügte sich und ging. Denn er konnte nicht bestimmen, wem sein Patron vertrauen sollte und wem lieber nicht....

    Anax konnte sich gerade noch zurückhalten, eine Augenbraue zu heben. Er war verdutzt. Musste man jetzt schon extra Zeit haben, um sich mal 10 M..omente lang auf dem Forum die Beine zu vertreten und dabei die neusten Nachrichten vom Orator zu hören? Und hätte er auch nichts essen oder einkaufen gehen dürfen, solange nicht alle anderen Arbeiten komplett erledigt waren? Anaxander dachte eigentlich, dass er seit dem frühen Tod vom guten Felix ein Freigelassener und kein Sklave mehr war.


    Er sagte also einfach erstmal nichts weiter dazu. Lieber hörte er weiter zu.. und war.. WOW. Nachdem die Flavier schon mindestens zwei Claudierinnen "verbraucht" hatten, ließ sein Patron jetzt ausgerechnet den Flavius Scato auch noch die nächste nehmen? "Das heißt, du erwartest jetzt von mir, dass ich diese Straftat" Hier gings ja um den Codex Iuridicialis. Das waren Strafsachen! "ignoriere?" Und schlimmer noch: "Und du als Stadt-Prätor willst genauso die Straftat einfach unter dem Teppich kehren?" Und sich damit ja fast schon selbst strafbar machen. (Auch wenn ein Klient ja nicht so einfach mal gegen seinen Patron klagen konnte. Denn: Klagen eines Freigelassenen gegen seinen Patron oder agnatische Verwandte seines Patrons waren grundsätzlich juristisch unzulässig. Nicht dass Anax je mit so einem abwegigen Gedanken gespielt hätte.)


    Aber der Flavius war ja kein Agnat. Und wenn Anaxanders Patron nach diesen neuen Erkenntnissen die Verlobung seiner Enkeltochter mit dem Flavier wieder löste, dann gabs nicht mal einen Schaden für die Claudier. "Ich selbst kann jetzt natürlich auch *nicht* klagen." Wenn der Prätor seine persönlichen Beziehungen vor die neutrale Aufklärung dieser Strafsache stellen wollte. "Aber ich habe ja gesagt, dass ich nur wegen meiner spontanen Rede auf dem Forum irgendwie zum Kopf des Protests gegen dieses Unrecht geworden bin." Er verzog die Schnute. "Wenn ich nicht klage, dann wirds einen neuen Kopf geben. Und dann wird der klagen." (Ganz neutral gesprochen. Nicht als Drohung.) Die Immunität vom Flavius war ja aufgehoben. Diese Hürde war also genommen. Was sollte die anderen da jetzt also zurückhalten? Ein Freigelassener, dessen patrizischer Patron ihn bat, die Sache fallenzulassen? Ein Freigelassener, dessen Patron damit genau das machen würde, wogegen sich diese Klage hier richtete?


    Die Leute kämpften *für* die Stärke des Rechts. Sie kämpften *gegen* das Recht des Stärkeren. Sie kämpften aus Überzeugung. Die waren nicht so leicht mal eben umzustimmen....

    Die Diskreditierung angesehener Bürger. Mehr im Focus als die eigene Pflichterfüllung. "Wenn ich dazu zwei Sätze sagen darf, Patron: Ich habe mich entschuldigt dafür, dass ich mich so rar gemacht habe - und daraus dann vor allem auch selbstkritisch die einzige mögliche Konsequenz gezogen." Dass er nicht länger als Privatsekretär für seinen Patron arbeiten konnte. Hatte sich der Flavius entschuldigt und die Konsequenz gezogen, sein Amt niederzulegen? "Und auch wenn ich nicht mit dir streiten will, Patron, habe ich mich mit allen meinen Schwächen auch nicht verdächtig gemacht, gegen ein Gesetz verstoßen zu haben." Schlimmer noch: "Gegen ein Strafgesetz." Ganz anders als der Flavier, dessen Immunität der Kaiser gerade aufgehoben hatte. Weil es da eben sehr wohl einen Verdacht gab. Der auch (mit dem Gesetz gesprochen) "hinreichend begründet" war.


    Bei der Frage runzelte Anax die Stirn. Was hatte die Verlobte vom Flavius mit dem Fall zu tun? "Eine Clodia, glaub ich. Clodia Satria oder so." Anaxander war nicht der größte Freund der Flavier. Darum hatte er sich nie dafür interessiert oder damit beschäftigt, wie die mit wem verbunden waren. Nur von drei flavischen Ehen wusste er: Flavius Gracchus und Claudia Antonia. Beendet durch ihren Tod. Flavius Furianus und Claudia Catilina. Beendet (wieder) durch ihren Tod. (Absicht, dass er seinem Patron nie vorgeschlagen hatte, Flavius Furianus zu kondolieren. Inzwischen war auch der Witwer gestorben.) Und Flavius Gracchus und Aurelia Prisca. Die Ehe war noch nicht beendet. Denn hier lebte die Frau noch.

    Waren die unsterblichen Götter auf die Geschenke der Menschen angewiesen? Oder der mächtige Kaiser auf die von seinen Untertanen? ...? Und trotzdem nahmen die Götter Opfer an und der Kaiser Statuen oder Gold, das irgendwelche Städte und Gemeinden ihm darreichten. Aber: Wenn sein Patron Anaxanders Geschenk ablehnte, dann lehnte er es ab. Dann erhöhte Anax nicht auch noch die Peinlichkeit (für sich selbst), indem er versuchte auf das Schenken zu bestehen.


    Stattdessen: Themenwechsel. "Es geht darum." Wie anfangen? "Kurz nach den Wahlen war ich auf dem Forum und habe den Orator Publicus reden gehört. Dabei habe ich Petronilla, ihren Mann Gaius und seine beiden Freunde Lucius und Aulus kennengelernt. Irgendwie ging es um die Lex Mercatus, wo ich mich als ehemaliger Anwaltsgehilfe ja ein bisschen auskenne und weitergeholfen hab." Eigentlich ganz harmlos. "Einige Wochen später war ich wieder mal auf dem Forum. Wieder bei einer Rede vom Orator Publicus. Der erzählte gerade von der rauschenden Verlobung des Ädils Flavius Scato. Sogar die Kaiserin war da zu Gast gewesen." Wenn man dem Orator da einfach mal glaubte.


    Ja.. "Und da musste ich danach dann selbst auf die Rednerstelle gehen und ein paar Worte sagen. Weil: Zwei-drei Tage vorher hab ich nämlich Gaius wieder getroffen. Und der hat mir erzählt, dass er den Senator Flavius Scato am letzten Tag im Mai bei den Ädilen angezeigt hat. Denn seit dem 16. Mai hat der Flavius seinen Wahlsieg auch mit Spenden an das Volk gefeiert. Die sind ja von der Lex Mercatus auf 2 Wochen beschränkt, damit kein neuer Iulius Cäsar auf die Idee kommt, mit den Volksmassen in seinem Rücken die Macht an sich zu reißen." Dauerhafte Spenden kamen deswegen ja nur vom Kaiser: in Form von kostenlosem Brot, das die Cura Annonae auf Lebensmittelmarken an die Bedürftigen verteilte.


    "Was genau dann im Stab der Ädilen passiert ist, weiß ich nicht. Nur soviel: An dem Tag, an dem die Anzeige einging, wurde der Flavius plötzlich auch zum Ädil vereidigt.. obwohl angekündigt die Vereidigung eigentlich ja erst für sehr viel später war." Falls sich Anaxanders Patron da also gefragt hatte, warum er selbst auch so früh vereidigt worden war: Anax fand das einen sehr interessanten "Zufall". "Und dann konnte natürlich keiner mehr gegen das Vergehen vom Flavius vorgehen, weil er als amtierender Magistrat des Cursus Honorum ja Amtsimmunität besitzt." Der Freigelassene seufzte. "Und weil der Orator darüber aber kein Sterbenswörtchen verloren hat. Über nix davon. Und weil er stattdessen nur von der Verlobung geschwärmt hat. Das tolle Fest, auf dem sogar die Kaiserin war. Deswegen bin ich dann irgendwie auf dem Rednerplatz gelandet und habe meine Meinung dazu offen und für jeden da hörbar kundgetan."


    Er atmete durch. Aber die lange Vorgeschichte war nun mal nötig, damit der Claudius auch das ganze Bild sah und nicht nur einzelne Bruchstücke davon. "Naja. Und dann verging die Zeit. Der Flavius war als Ädil rechtlich nicht angreifbar. Gespendet hat er seinen Amphoren-Wein, sein Obst und seine Oliven aber trotzdem immer weiter und weiter. Ununterbrochen seit dem 16. Mai, dem Tag nach der Wahl." Ob der patrizische Senator dieses Gefühl von Machtlosigkeit nachvollziehen konnte? "Wegen meiner Rede auf dem Forum und meiner Vergangenheit als Anwaltsgehilfe war ich dann auf einmal sowas wie der Kopf eines wachsenden Protests. Und als dann 1/3 der Amtszeit, ein ganzes Drittel der Amtszeit, rum war, da habe ich dann als dieser Kopf einen Brief an den Kaiser geschrieben. Und ich habe an ihn appelliert, dass dieses Unrecht, das sein Magistrat da verübt, so nicht weitergehen kann. Die Nahrungs- und Weinspenden, die seit dem Tag nach der Wahl vor der Villa Flavia unter dem Slogan "Spenden fürs Volk! Vom Aedil Caius Flavius Scato!" an das Volk verteilt wurden, verstoßen gegen geltendes Recht. Verstoßen gegen die Lex Mercatus."


    Und schlimmer noch: "Mehr noch, hat der Flavius als Ädil ja die gesetzliche Pflicht, die Einhaltung der Marktordnung zu kontrollieren. Aber anstatt das so zu tun wie seine Vorgänger und die Lex Mercatus nicht nur auf andere sondern auch auf sich selbst anzuwenden, hat er offensichtlich für sich selbst ganz eigene Regeln aufgestellt." Um nicht zu sagen: Gar keine. "Er hat also die Lex Mercatus zu seinem eigenen Vorteil gebeugt, was nach Codex Iuridiciales §112 Rechtsbeugung verboten ist." Was einen "kleinen Gesetzesverstoß" jetzt zu einer fetten Strafsache machte. "Kurz gesagt habe ich den Kaiser angesucht, auch nach diesem §112 zu verfahren: Den Ädil zu entheben, ihn damit von seiner Immunität zu befreien und dann den Senat in einem Iudicium Extraordinarium ein Urteil über den Flavius fällen zu lassen."


    Anaxander holte den Brief vom Rechts-Prokurator der Kanzlei vor und zeigte ihn seinem Patron, dem Prätor. "Das bekam ich dann gestern als Antwort." Zusammengefasst: "Der Ädil bleibt erstmal im Amt. Seine Immunität ist aber aufgehoben. Ich soll beim Stadt-Prätor Klage gegen den Ädil einreichen." Stand so nicht da. Wenn wenn Anax erst das Unrecht anklagte und dann im entscheidenen Moment kniff.... nein, soeiner wollte er nicht sein. "Und das will ich jetzt also tun. Ich möchte den Bürger Caius Flavius Scato anklagen, weil ich der Meinung bin, dass er als Ädil die Lex Mercatus, und also gültiges Recht, zu seinem eigenen Vorteil gebeugt hat."

    Als er vorgelassen wurde, trat er vor seinen Patron. "Ich grüße dich, Patron." Anax senkte seinen Kopf ehrerbietend. "Und ich muss mich entschuldigen dafür, dass ich mich so rar gemacht habe. Erst die Eröffnung meiner Töpferei hier in Rom. Dann ein Grubenunglück in meiner Tongrube in Arretium, wo leider auch der Aufseher, neben 13 anderen Arbeitern, verschüttet wurde." Jede Menge zu tun. (Und der Freigelassene hatte ja auch noch zwei andere Betriebe: eine Jägerei in Ägypten und eine Farbmischerei in Mantua!)


    Anaxander holte tief Luft. "Drum tut es mir Leid, dass ich dich auch bitten muss, mich als deinen Privatsekretär zu entlassen. Du hast jemand verdient, der auch genug Zeit für diese große Aufgabe hat und nicht in seinen eigenen Geschäften gefangen ist." Ein vorsichtiges Lächeln. "Glücklich gefangen." Woran ja auch sein Patron einen Anteil hatte. Denn ohne den Claudier wäre Anax nie bei der Sergia gewesen. Und ohne die hätte er nie das Kapital für seine Betriebe zusammenbekommen. Mit den Tilgungsraten des Kredits und der Miete für seine Wohnung und den Unterhaltskosten für seine Betriebe war der Freigelassene zwar immernoch klammarm. Aber er hatte eine Beschäftigung, ein Einkommen, ein Ziel.


    "Außerdem will ich dir natürlich auch noch zu deiner erfolgreichen Wahl gratulieren!" Das hatte er ja auch noch nicht gemacht. Und das war ein absolutes Must-Do. Darum packte er das auch gleich noch mit in die Begrüßung. Damit *er* seinen Patron darauf ansprechen konnte; nicht sein Patron *ihn* erst darauf ansprechen musste. "Ich habe dir auch ein Geschenk besorgt." Quasi halb zur Wahl, halb zum Abschied als Sekretär. "Du wolltest mal, dass ich dir einen Nachschub an Papyrus organisiere. Und ich habe es leider nicht geschafft." Verdammt schwer, daran zu kommen. Immernoch. Auch heute. "Jetzt bin ich mit etwas Glück an 15 Ladungen gekommen. Die ich dir alle schenken will." Anax hatte sie jetzt natürlich nicht hier mit dabei. Aber die brachte er dann natürlich später in der Villa Claudia vorbei.*


    Sim-Off:

    *WiSim.


    Ja, und das war dann erstmal die lange Begrüßung. Anaxander biss sich auf die Unterlippe. "Aber dein Gerichtsdiener hats dir bestimmt schon gesagt. Ich komme nicht nur deswegen hier an deinem Amtssitz vorbei...." Sondern auch, weil er mit einem Prätor sprechen musste.

    Es war schon ein bisschen her, dass Anax das letzte Mal zur Salutatio bei seinem Patron gewesen war. Ein Grubenunglück in Arretium: Viel Regen, eine eingestürzte Tongrube, 14 Arbeiter verschüttet, darunter der Vorarbeiter. Das bedeutete: Bergungsarbeiten, Reparaturarbeiten, Vertrösten von Kunden, Organisation eines Ersatz-Zulieferers für die eigene Töpferei, und natürlich zwei Dutzend Neueinstellungen. Dazu jetzt diese juristische Sache, in die er hier reingestolpert war. Zweimal am Tag meldete sich irgendwer und wollte von den neusten Entwicklungen wissen. Oder was sie als nächstes tun sollten. Oder wen man um Unterstützung bitten könnte. Oder oder. (Hätte er bloß nicht auf dem Forum geredet, dann wäre jetzt ein anderer der Kopf des Ganzen.)


    Aber jetzt war der Freigelassene hier. Nur einen Tag nach dem Prätorianer-Besuch. Er meldete sich zu den offiziellen Sprechzeiten an: "Quintus Claudianus Anaxander. Klient vom Prätor Claudius." Nicht weil er sich deswegen besonders wichtig fühlte. Aber weil er den Senator nicht überraschen wollte. Oder: Nicht mehr als er es bestimmt gleich sowieso schon tat. "Ich hab einen Brief vom Rechts-Prokurator aus der kaiserlichen Kanzlei bekommen. Und jetzt muss ich eine Klage beim Prätor einreichen." Soviel erstmal zum Anliegen. Den Rest beredete Anax am besten mit dem Senator selbst....

    Ohne anzuklopfen platzte ein Prätorianer in die Wohnung. Schien so, als wäre Anaxanders Brief angekommen. Und schien so, als nahm man ihn jetzt dafür in Gewahrsam. Damit er nicht nochmal öffentlich darüber redete. Und damit er nicht nochmal versuchte, den Kaiser damit zu belästigen. "Moment, ich muss...." Hastig hatte Anax nach einer leeren Wachstafel gegriffen und scannte seine Umgebung nach einem Stilus. Denn er wollte nicht gehen, ohne nicht wenigstens eine kurze Nachricht für wen-auch-immer zurückzulassen.


    Dann realisierte er erst, was der Prätorianer sagte. "Äh.. achso. Ja, klar." Post vom Palatin. Das war nicht schlecht. Das war gut. Sehr gut. "Vielen Dank!" Die gerufenen Worte hallten bis ins Treppenhaus, in das der Prätorianer schon wieder verschwunden war. Kurz hielt der Freigelassene noch inne. Dann ließ er die Wachstafel einfach aus der Hand fallen. Er hastete zur Tür und machte sie wieder zu. Dann drehte er sich um und starrte auf die Briefrolle, die der Prätorianer da auf den Boden geworfen hatte.


    Er nahm den Brief und setzte sich auf sein Bett. Seine rechte Hand zitterte leicht vor Nervosität. Dreimal tief durchgeatmet. Dann rollte er die Rolle auf. Und er las: Immunität aufgehoben. Das ging? Stand nicht im Gesetz (Anax hatte ja vorher extra danach geguckt, was er fordern konnte) sowas wie "die gerichtliche Immunität endet immer erst mit der Amtsniederlegung des Magistrats"? Er kratzte sich am Kopf. "Naja. Wenn der Kaiser das sagt, dann wirds wohl gehen." Auf welcher Grundlage auch immer. Das wussten die Fachleute in der Kanzlei sicher besser als ein ehemaliger Anwaltsgehilfe.


    Weiter im Text. Klage vor dem Stadtprätor klang sinnvoll. Nur: Bestrafung durch den Prätor? "Mal abgesehen davon, dass die Verteidigung meinen Patron wahrscheinlich immer als befangen einstufen wird, wenn der meinen Argumenten folgt." Das war natürlich klar, dass der Palatin nicht wusste, dass der Freigelassene ausgerechnet ein Klient eines amtierenden Prätors war. Viel wichtiger sowieso: "Aber hatte ich da nicht was gelesen von.. Zuständigkeit eines senatlichen Iudicium Extraordinarium oder so?" Seltsam. "Ich sollte den Brief mitnehmen." Schon für den Nachweis der aufgehobenen Immunität. Aber auch wegen dieser Geschichte mit der Zuständigkeit. Vielleicht wusste ja der Claudius da mehr....

    Das Amtsjahr ging voran: Die ersten 4 Monate waren rum. * Offen politisch tat sich nichts. Aber es rumorte. Nach seiner Foren-Rede hatte sich Anax zu einer Art Anführer eines Bürgerprotests entwickelt. Denn er war ja mal ein Anwaltsgehilfe gewesen und wusste darum ein bisschen mehr von Recht und Gesetz als der Bäcker von nebenan oder der Fleischer um die Ecke. Und gleichzeitig gehörte er als Freigelassener - nicht - zu den adligen Patriziern und Senatoren, die zwar bestimmt die gewiefteren Anwälte in ihren Reihen hatten, die in letzter Zeit aber allesamt irgendwie ihre Augen und Ohren vor den Delikten ihrer Standesgenossen verschlossen hatten.


    Sim-Off:

    * Spenden seit 16.5. => Verstoß seit 31.5. = Tag der Vereidigung = 1 RL-Monat her = 1/3 CH-Jahr = 4 IR-Monate.


    Und also wandte sich der freigelassene Wortführer im Kampf um Gerechtigkeit an die einzige verbleibende Adresse: den Kaiser!


    Q. Claudianus Anaxander Augusto Optiomo Maximo s.d.


    Ich wende mich an dich, weil du der letzte, der einzige bist, der diese schreiende Ungerechtigkeit beenden kann.


    Der amtierende Ädil Caius Flavius Scato beugt seit * seinem erstaunlich verfrühten Amtsantritt (angekündigt für den 4. Juni, vollzogen schon am 31. Mai, auffällig: direkt nach Einreichung einer Anzeige gegen ihn) geltendes Recht.


    Konkret beugt er die Lex Mercatus, wo in §4 Absatz 1 steht: "Der Verkauf von Waren und Dienstleistungen darf nur durch behördlich genehmigte Betriebe geschehen."
    In §5 Absatz 3 steht: "Der Staat darf einen Betrieb mit einer Strafabgabe belegen, wenn er Waren zu einem Preis unterhalb der Herstellungskosten anbietet, um damit Mitbewerbern den Zutritt zum Markt zu erschweren.
    Die verbilligte oder kostenfreie Abgabe von Waren im Sinne von Schenkungen oder Spenden bleibt unberührt, sofern der niedrige Preis nur für maximal zwei Wochen gilt und die Maßnahme nicht in kurzen Zeitabständen wiederholt wird."


    Trotzdem spendet der Ädil seit seiner Wahl * dauerhaft kostenlos Landwein (Amphoren), Obst und Oliven. Wobei er ein behördlich genehmigtes Weingut scheinbar besitzt, ein behördlich genehmigtes Obst- oder Olivengut dagegen nicht. Damit verstößt er nicht nur gegen die eben genannten Paragraphen der Lex Mercatus. Als derjenige, der qua Amt auf die Einhaltung dieses Gesetzes achten muss, beugt er die Lex Mercatus auch - zu seinen eigenen Gunsten und zum Nachteil aller rechtschaffenen Marktteilnehmer. Denn wo gegen jeden anderen bei solchen Verstößen schon längst öffentlich ein Strafedikt verhängt wäre, handelt der Ädil nicht. Trotz öffentlicher Kritik setzt er sein Unrecht unbeirrt fort.


    Passieren tut dieses Unrecht auf der Straße vor der Villa Flavia. Da sind "zahlreiche Tische platziert von denen aus Nahrungs- und Weinspenden an das Volk ausgegeben" werden. Eindeutig öffentlich und nicht als Teil einer privaten Feier also. Genauso hört man die Verteiler der Spenden auch rufen "Spenden fürs Volk! Vom Aedil Caius Flavius Scato!" Weil es öffentliche Spenden an das gesamte Volk sind, keine Gaben nur an private Gäste.


    Das Problem ist nun: Als Magistrat des Cursus Honorum kann der Ädil nicht rechtlich belangt werden für seine Verfehlungen, die das Vertrauen des Volks (und vor allem der wirtschaftlich tätigen Bevölkerung) in das Amt selbst tief erschüttern. Darum appelliere ich an dich, höchster Augustus. Du bist der oberste Richter des Reiches, der Beschützer und Bewahrer von Recht und Ordnung und römischem Gesetz!
    Der Cod. Iur. §112 gibt dir das Recht, wenn du die Beweislast als hinreichend schlüssig einstufst, einen Magistrat des Cursus Honorum vorzeitig seinem Amt zu entheben.


    Ich appelliere an dich, genau das zu tun. Bitte enthebe Caius Flavius Scato seines Amtes. Bitte lass den Senat sein eigenes Ansehen erneuern, indem er in einem Prozess über die Bestrafung für diesen Mann berät. Bitte stell das Vertrauen der Römerinnen und Römer in Recht und Ordnung wieder her, indem du unser Marktrecht verteidigst gegen die unverholene Rechtsbeugung eines hohen Magistraten des ehrwürdigen Senats.

    Zitat

    Original von Narrator Italiae
    Ansonsten ist in unserem Rom alles friedlich und beschaulich.


    War es das? Wirklich? Oder war das nur die letzte Ruhe vor dem großen Sturm..?


    Anax kletterte selbst auf den Platz des Redners. "Hört, hört, ihr Bürger Roms! Ihr guten Bürger! Ihr gesetzestreuen Bürger!" Der Freigelassene war nicht nur einmal in vorderster Front dabei gewesen, als sein früherer Arbeitgeber, ein Anwalt, Angriffsreden und Verteidigungsplädoyers zum Besten gegeben hatte. "Kommt und hört diese großartigen Neuigkeiten! Ein Senator, ein adliger Flavier, ein Mitglied der elitären Oberschicht hat sich verlobt!" Er lächelte. "Und ein kleiner Mann mit großer Klappe, ein einfacher Soldat, einer wie ihr und ich wurde für sein unwürdiges Verhalten bestraft und gilt jetzt als infame Person!" Ein eifriges Nicken. "Ein Hoch auf Justizia! Ein Hoch auf Rom!" Anaxander klatschte kurz Beifall.


    Dann gings weiter. "Aber halt! Kommen wirklich alle Verbrecher und infamen Personen immer nur aus unseren Reihen?!?" Anax zeigt auf den Redner von eben. "Oder verschweigt uns dieser Mann vielleicht einfach die Hälfte der Wahrheit?!? Die Hälfte der Wahrheit, in der die Oberschicht, die Patrizier und Senatoren, alle diese stolzen Eliten auch mal schlecht dastehen?!" Der Freigelassene, der noch eine offene Rechnung zu begleichen hatte, warf die Hände in die Luft. "Kommt und hört, ihr guten Bürger Roms! Dieser Mann erzählte euch die eine Hälfte der Wahrheit. Ich sorge dafür, dass man euch auch die andere Hälfte nicht vorenthält!" Er winkte die Leute heran.


    Jetzt musste er kurz seine Stimme sammeln. (So leicht wie das bisschen Reden bei dem fülligen Redner eben ausgesehen hatte, war es gar nicht. Das ging ganz schön auf die Stimmbänder.) "Erinnert ihr euch noch, wie dieser Redner hier noch vor kurzem vom Erben vom Senator Annaeus Modestus schwärmte?" Anax sah erwartungsvoll in die Zuschauer. "Und welche Nachrichten hat er uns heute über diesen jungen, reichen, supertollen Hecht mitgebracht? Na? Na?" Meldete sich wer freiwillig? Nein? "Richtig: Keine!" Klang das nach einer Anklage? "Scheinbar war es nicht wichtig genug, dass man in der Zwischenzeit diesen Erben des Senators, dieses Mitglied der Oberschicht beim Ädil angezeigt hat." Ein Schulterzucken. "Ist ja immerhin auch keine Strafe erlassen worden gegen den guten Mann aus hohem Hause.... Aber nicht etwa, weil irgendwer die Anzeige entkräftet hätte. Nein. Dafür hätte ja überhaupt erstmal ein Ädil die Anzeige annehmen und bearbeiten müssen." Ein Kopfschütteln. "Aber welcher Ädil will schon der Anzeige gegen einen anderen Mann seiner Oberschicht nachgehen.. nicht wahr?" Kurze Pause, dann musste der Claudianus natürlich noch den Nachsatz loswerden: "Welcher Ädil außer einem Claudius Menecrates, der voller Rechtschaffenheit damals sogar dem Kaiser Valerianus auf die Finger schaute.. und dafür dann natürlich auch gleich von den Acta-Schreibern gut eins auf den Deckel bekam." Zu unrecht. Denn Rom brauchte Bürokraten!


    "Oder warum sonst hat dieser Mann uns nichts von dem Vertrauensbruch dieses Ädils erzählt? Diesem Vertrauensbruch zugunsten des Erben eines anderen Senators?" Anaxander hoch die Hände zu einer Geste. "Vielleicht um die Nachrichten von der Verlobung des guten Flavius Scato nicht zu trüben? Des guten Senators Flavius Scato, bei dem sogar die Kaiserin mal zu Besuch war?" Er schüttelte mit dem Kopf. "Aber selbst über den kriegen wir nur die halbe Wahrheit zu hören.. wenn überhaupt!" Ganz genau. "Oder wann hat uns mein Vorredner etwas gesagt davon...."


    Uno. "..dass dieser Flavius Scato seit über zwei Wochen, und immernoch, dem Volk von Rom vor der Villa Flavia Obst, Oliven, Gebäck und Wein spendet und damit gegen die Lex Mercatus verstößt?!"
    Dos. "..dass auch dieser Flavius Scato trotz Anzeige nicht von einem Ädil für seine Tat zur Verantwortung gezogen wurde?!"
    Tres. "..dass stattdessen lieber in Windeseile, nämlich noch am selben Tag, dieser Flavius Scato noch vor den Juni-Kalenden zum Ädil vereidigt wurde, obwohl das Dekret der Konsule eine Vereidigung erst morgen vorgesehen hätte?!"
    Cuatro. "..dass dieser Flavius Scato jetzt also wahrscheinlich auch um jede Strafe herumkommt, weil er ja als Ädil ne Immunität besitzt.. und ja bestimmt auch nicht gegen sich selbst irgendeine Strafe verhängen wird."
    Cinco. "..dass dieser Flavius Scato sowieso an sein Amt gekommen ist.. naja." Mit dem Vorwurf von Wahlbetrug wollte Anax lieber mal etwas vorsichtiger sein. Aber: "Ich sag mal so: Ich habe Leute sagen gehört, dass zum Beispiel für den Praetor Claudius 30 Prozent * mehr Senatoren frei ihre Stimme abgeben konnten als das beim Ädil Flavius Scato der Fall gewesen sein soll." Und wenn man die "richtigen" 30 Prozent an ihrer Stimmabgabe hinderte, dann konnte man eine Wahl natürlich auch mit etwas in die 70 Prozent der Stimmen gewinnen statt sie mit etwas in die 40 Prozent knapp zu verlieren.... Was natürlich reine Theorie und Spekulation war. Aber wenn die Chance bestand und wenn sie so vereitelt worden war.... tja. Dann warf das (zusammen mit den restlichen vier Punkten) ein verdammt düsteres Bild auf diesen patrizischen Flavier.


    Sim-Off:

    Fix nachgezählt: 23 Wahlberechtigte beim Ädil, 30 beim Prätor. Macht 30/23 = 30,4% mehr Wahlberechtigte beim Prätor als beim Ädil.


    Ein letztes tiefes Luftholen vor dem Ende seiner Ansprache. "Also kommt und hört, ihr guten Bürger Roms! Kommt und hört, dass die Straßen Roms wieder etwas sicherer geworden sind.. jetzt, wo dieser unwürdige, kleine Soldat aus dem Heer geflogen und infam ist!" Das meinte Anaxander auch absolut ernst. Denn wer sich nicht an Gesetze halten konnte oder wollte, für den hatte der ehemalige Angestellte eines Anwalts nur wenig Sympathie. "Und kommt und hört, wie in den hohen Schichten der oberen Elite scheinbar immer mehr ein moralischer Verfall um sich greift, der sogar vor unseren Gesetzen" Gesetzen, die eigentlich für alle Römer gleich gelten sollten. "nicht halt macht!" Er kletterte wieder vom Platz des Redners. "Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Bild dir deine Meinung." Anax hatte sich seine Meinung gebildet. Und er hatte sie auf dem Forum Romanum direkt an seine Mitbürger gerichtet. Denn die offiziellen Stellen verteidigten die Gesetze ja scheinbar nicht mehr, sondern stellten sich lieber schützend vor die Gesetzesbrecher.. wenn die nur genug Einfluss, Macht und Reichtum hatten.

    Zitat

    Ähm in Rom wurde frauen doch nicht verboten sich Wissen anzueigen oder?
    Also warum sollten Frauen nicht an einem derartigen Kurs teilnehmen?


    Ähm.. darum (siehe nächstes Zitat)?


    Zitat

    der gute Kephalos ist da schon sehr traditionell


    Wenn der Lehrer sagt, er unterrichtet nur Männer, dann kann ihm das ja auch keiner verbieten.
    Oder wenn er nur Frauen unterrichtet, dann kann ihm das sicherlich auch keiner so einfach verbieten.
    Oder wenn er nur rothaarige Griechen mit Sommersprossen und Weitsichtigkeit unterrichten will, dann.... naja. Du verstehst meinen Punkt? ;) :D

    Nichts passierte. Niemand wollte die Nachricht des besorgten Bürgers entgegennehmen. Keiner hier interessierte sich dafür.


    Szenario 1: Es galt zwar, "Gleiches Recht für alle." Aber manche (die Reichen und Privilegierten) waren eben doch noch ein bisschen gleicher als alle anderen. Darum hatten sie natürlich auch ein paar mehr Rechte als der Rest. Und eins davon war: Wenn sie eine Regel oder Vorschrift übertraten, dann kniffen alle anderen Privilegierten da eben mal ein Auge zu. Und bei Gesetzen (wie der Lex Mercatus) wurde verdoppelt. Auf zwei zugekniffene Augen.


    Szenario 2: Es war doch alles nicht so schlimm. Denn *ein* Gesetzesverstoß war *kein* Gesetzesverstoß. Oder? Und *ein* Einbruch war *kein* Einbruch. *Ein* Mord war *kein* Mord. Der mit der Logik vertraute Mathematiker würde protestieren, dass Eins ungleich Nichts. Aber der Philosoph im Staatsdienst zuckte wahrscheinlich nur gleichgültig mit den Schultern und würde fragen: "Ist etwas da, nur weil wir es sehen?"


    Szenario 3: Vielleicht arbeiteten hier nur Mathematiker, vielleicht nur Philosophen. Ganz egal. Viel wichtiger: Was war überhaupt ein Gesetz? Eine von lauter alten Greisen beschriebene Wachstafel, die im Senat beschlossen wurde. Und die deshalb auch im Senat galt. Eine Wachstafel, die man außerhalb der Senatsmauern aber auch getrost einfach ignorieren konnte, wenn man wollte. Wenn man subjektiv fand, dass das Recht nicht gerecht war.


    Eins, zwei oder drei? Der besorgte Bürger könnte einen der Beamten hier darauf ansprechen. Oder auch nicht. Denn der reagierte wahrscheinlich eh nur genauso wie eben: Gar nicht. Da könnte er auch einfach nach Hause gehen und die Antwort auswürfeln.... was er mit Sicherheit auch tun würde. Später. "Verstehe." Er zerküllte den Brief in seiner Hand. Dann flog das Ding in hohem Bogen über seine linke Schulter hinter ihn. Wenns eh keinen kratzte? Dann hatte der Annaeer sein "frisch" abgestandenes Zeugs sicher eh längst restlos verscherbelt, bis da mal ein Ädil bei dem aufschlug....


    Er versuchte sich nichts von seiner Frustration anmerken zu lassen. - Der Frustration über die Doppelzüngigkeit der Oberen: Die Barbaren waren alle unzivilisiert und wild, weil sie ja nicht so fortschrittlich und toll "Recht & Gesetz" hatten. Das gleiche "Recht & Gesetz", das die Oberen selbst (man sahs ja gerad wieder) bei jeder besseren Gelegenheit selbst nur ignorierten und mit Füßen traten. - Der Frustration über diese pure Ungerechtigkeit. Warum sollte man sich selbst noch an "Recht & Gesetz" halten, wenn andere sich auch nicht daran hielten. Und vor allem: Damit durch kamen!


    Ein raues Räuspern. "Für so Kleinkram.. den Erben eines großen Senators.. hat man hier keine Zeit." Ein gewitzter Unterton sollte seine Frustration sicher etwas maskieren. "Wie siehts aus, wenns nicht um irgendeinen kleinen Erben geht.. sondern um einen Senator selbst? Ist das wichtig genug?" Kurzes Schweigen. "Kostenlose Nahrungsmittelspenden für das Volk.. Obst, Oliven, Gebäck und Wein.. seit über zwei Wochen.. direkt vor den Türen der Villa Flavia.. durch den Senator Flavius Scato.. in wenigen Tagen selbst ein Ädil.. der mit Bewusstsein für Recht und Unrecht für die Ordnung und Regeln auf den Märkten.. eben für das Marktgesetz eintreten will." Was er hiermit natürlich gerade echt glaubhaft machte.


    Ein kurzes Schumzeln. Dann wurde er wieder ernst. Es hieß, "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". Aber schützten einen Reichtum, Stand und adlige Geburt?