Beiträge von Gaius Artorius Regulus

    Auf den Wällen angekommen, starrten die Legionäre in ein pures Nichts, naja, vielleicht nicht ganz nichts, da waren ja immerhin Steine, Bäume und eine bergige Landschaft, die man betrachten konnte, aber nichts wofür ein Legionär normalerweise auf die Wälle geschickt wurde. Ob er dieses Pamphlet besser nicht hätte lesen sollen? Am liebsten hätte Regulus mit jemandem darüber gesprochen, aber dann auch irgendwie wieder nicht. Die Legionäre schienen allgemein etwas genervt, weil so plötzlich Alarm geschlagen und sie jetzt tatenlos herumstehen mussten. Was war mit Philogenes? Ob der überhaupt verstanden hatte, was auf dem Ding draufstand?


    Waren denn wirklich die Männer für die er hier kämpfte die eigentlichen Kaisermörder? Kämpfte er hier nur für ein paar bessergestellte Patrizier, die ihrer Privilegien nicht verlustig werden wollten? Was ist das denn für eine Sache, für die er kämpfte und weshalb er gegen andere Römer in den Krieg ziehen sollte? Waren wir am Ende die Bösen, saßen in Rom die Guten? Es wollten einem die Ohren bluten, bei so vielen Fragen und der kleine Legionär war nun wahrlich niemand, der all diese Zusammenhänge verstehen konnte. Er sah nur, dass man sich von der anderen Seite offenbar sehr bemühte, ihn von etwas zu überzeugen.


    Fernab von diesen Dingen interessiert Regulus aber als allererstes, ob er vielleicht noch Ärger bekommen würde. Hatte ihn ein höherer Dienstgraf gesehen, wie er diesen Zettel las? Aber nur, weil man etwas gelesen hat, konnte man doch nicht bestraft werden, dachte sich der Artorier. Und woher sollten sie überhaupt wissen, dass er überhaupt lesen konnte? Achja, fiel es ihm dann plötzlich wieder ein, bei der Musterung wurde er tatsächlich so etwas gefragt. Wahrscheinlich hatten sie Listen. Das musst aber noch lange nicht bedeuten, dass es irgendwelche Folgen hatte.


    Wie dem auch sei. Da ja da draußen vor den Wällen nichts los war, hatte der Artorier tatsächlich Zeit über diesen ganzen Mist nachzudenken. Anders konnte er sich wohl die Zeit hier nicht recht vertreiben. Hoffentlich war das alles bald wieder vorbei...

    Ein kurzer Moment der Ruhe trat ein, als die Soldaten die Umgebung begutachteten und Ausschau hielten. Als sich der Optio umdrehte und die Frage stellte, dachte der Artorier kurz nach. Er war beim Marsch zwar schon etwas weiter vorne, aber so viel Landschaft, wie er in letzter Zeit gesehen hatte, da konnte er kaum das eine vom anderen unterscheiden, ganz zu schweigen davon, dass man während des Marschierens ohnehin eine Art Tunnelblick entwickelt und an allen möglichen Kram zur Ablenkung dachte. Wie er aber so darüber nachdachte, formte sich so langsam ein Bild in Regulus Kopf, auf dem zwei gerodete Stellen im Wald zu sehen waren. So ganz ohne Zweifel war sich Regulus nicht, aber er sagte einfach, was er gerade dachte: "Es waren zwei Lichtungen, da bin ich mir ziemlich sicher. Was meint ihr?", fragend ging der Blick zu Sönke und Philogenes.

    Nicht nur, dass die Schriftstücke überall vor den Zelten lagen, sie wurden auch in ausreichender Menge an pila muralia und sonstwo angepinnt. Regulus kam gerade aus seinem Zelt als auch schon der Legionär Philogenes vor ihm stand, mit dem sich der Artorier inzwischen gut angefreundet hatte. "Worauf starrst du denn so?", fragte Regulus, der sich immer noch den Schlaf aus den Augen rieb. "Schau doch mal da drüben, die haben da irgendein Stück Zettel aufgelesen und jetzt gackern sie wie die Hühner."
    "Meinst du so eines wie das da?" und Regulus entdeckte beim ersten umsehen ein weiteres Schriftstück, und da noch eines und wieder eines. Beide Legionäre mussten feststellen, dass wohl überall so etwas herumlag. Philogenes machte sich gleich daran auch eins davon in die Hand zu bekommen. Die Tatsache, dass die anderen schon so mit dem Ding hantierten, hatte sie natürlich gleich neugierig gemacht.
    "Hmm.. Schau mal."
    "Das kann doch wohl nicht..." Regulus konnte lesen und wohl auch Philogenes. Es war recht still, als sie beide ihre Augen auf die Zeilen warfen. Der Artorier kam gerade bis 'grenzenloser Gier' als der Centurio die andere Gruppe aufsuchte. Das 'STATE!' galt wohl nur ihnen, da Regulus und Philogenes noch etwas weiter weg standen. Schnell richteten sie ihre Augen wieder vom Centurio auf den Zettel. Regulus kam gerade noch bis 'Frevel ist es, gegen Rom zu ziehen!' als der Centurio scheinbar in heller Aufregung durch das halbe Lager nach Cornicen und Optio rief. Während das den Artorier etwas aufschreckte, rührte sich Philogenes kein bisschen. "Merkwürdig", murmelte er stattdessen immer noch mit Blick auf den Zettel vor sich hin.
    "Ich glaub wir sollten das Ding besser wegwerfen.", gab Regulus in bedenklichem Ton zu seinem Kameraden und blickte auf andere Soldaten, die das Schriftstück nun entdeckten. Wenig später erklang dann auch schon das Signal des Cornicen und selbst Philogenes wurde daraufhin aus seiner Trance herausgerissen und ließ das Blatt umgehend fallen.
    "Wie jetzt? Auf die Wälle?", fragte der Artorier völlig überrascht, während Philogenes loslief, um seine Ausrüstung aufzusammeln und rief nur noch. "Ja, komm schon, trödel nicht rum!"


    "So ein Streß schon am frühen Morgen", dachte sich Regulus nur, setzte sich in Bewegung und trug seinen Teil zur chaotischen Situation bei.

    Durch den Wald laufen? Und das auch noch so geräuschlos wie möglich? Regulus konnte sich nicht erinnern dergleichen in seiner Grundausbildung gelernt zu haben, aber das gehörte wohl auch nicht wirklich zum Programm. Als alter Stadtbewohner hatte er darüber hinaus mit dem Wald so gut wie nichts zu tun, wenn man mal von sehr verschwommenen alten Kindheitserfahrungen absah. Aber er tat einfach das, was alle anderen in der Gruppe machten und bemühte sich seinen Kopf am besten ganz auszuschalten. Zufrieden stellte der junge Artorier immerhin fest, dass seine Rüstung sich durch den Mooseinsatz tatsächlich auch recht leise war. Hoffentlich würde das Zeug auch da bleiben, wo er es angebracht hatte.


    Am Rande des Waldes angekommen, hockte sich der Optio hin und Regulus stützte sich ebenfalls auf seinen Knien ab. Er beobachtete die Richtungen, in die seine Kameraden blickten, während Regulus selbst hin und wieder seitlich durch das Gesträuch des Waldes sah und damit die Flanken ein wenig überwachte. Nicht, dass alle nur geradeaus in Richtung Siedlung sehen, während womöglich eine Gefahr noch im Wald selbst lauerte.

    Gute Frage, die der Optio da stellte. Regulus selbst kam bisher noch nicht auf die Idee, Sönke nach seiner Ausrüstung zu fragen, aber offensichtlich steckte dahinter eine edle Geschichte. Regulus war auch blauäugig genug sie zu glauben. Dem Beispiel mit dem Moos folgte er ebenso und versuchte sämtliche Klappergeräusche zu unterbinden. Er hüpfte immer mal wieder ein wenig auf der Stelle und lief ein paar Schritte vor und zurück, um auszutesten wie laut er noch klang bis ihm Sönke auf die Schulter klofte. Etwas peinlich berührt und wahrscheinlich ernster als dies Sönke womöglich erwartet hätte, antwortete er: "Ja, ich hab das Essen wohl in letzter Zeit etwas vernachlässigt... und selbst in unseren Pausen hatte ich manchmal noch viel zu tun..." Der Artorier wollte kaum zugeben, dass er hin und wieder noch etwas länger brauchte, um seine Ausrüstung nachzubereiten, worin er manchmal einfach noch nicht ganz so routiniert war wie alle anderen. "Aber ich neige auch von Natur aus dazu nicht wirklich viel zuzunehmen." Gleichsam wandte er seinen Blick auf den Optio, damit möglichst keine Zweifel in ihm aufkamen, was aber schon relativ schwierig war. "Ich kann jedenfalls versichern, dass ich für den Einsatz fit genug bin und mich gesund fühle"


    Sim-Off:

    In der Tat, die WiSim habe ich in lezter Zeit etwas vernachlässigt, finde es aber sehr gut, wenn dies öfter ins Rollenspiel einbezogen wird.

    "Deine Mutter hat dir bestimmt nicht solche Geschichten erzählt. Du hättest dir als kleiner Junge doch sicher sofort in die Hosen gepisst!", versuchte der Artorier zu kontern. "Und tut mal nicht so als wär ich in euren Augen keine gute Frau. Alles, was euch bisher an die Schenkel gelassen hat, sah sicher nicht besser aus als ich und war mindestens genauso behaart." Regulus fing schäbig an zu lachen. So langsam war er immer mehr mit dem rauen Umgangston der Legionäre vertraut, obwohl ihm eigentlich gar nicht unbedingt für Scherze zumute hätte sein können. Ins Dorf hineinschleichen? Wie bitte? "Na das kann ja heiter werden. Am Ende kommen wir genauso wenig zurück wie die Eques. Ich hoffe wir schicken dann immer mehr vereinzelte Leute hinein. So können wir dann langsam unsere ganze Centurie verschleißen, am besten gleich die ganze Legion...." Ganz überzeugt von dem ganzen Vorhaben war er irgendwie nicht, aber er hatte ja ohnehin keine Ahnung. Er war ja nur einfacher Legionär.

    "Ha, lieber seinem Gegner ein Gladius in den Bauch rahmen, anstatt ihn mit Wachstafeln zu bewerfen, sag ich immer.", gab er in Richtung Philogenes zurück und fing an zu lachen. Stellt sich nur die Frage, was davon wirklich effektiver war. Der letztere Weg war wohl zweifellos qualvoller...


    Zufrieden nahm Regulus das Hinzustoßen von Sönke auf, dessen Stimmung dem Artorier wieder etwas unterkühlt vorkam. Tacitus sah er nun ebenfalls langsam auf die Gruppe zukommen, weshalb er seiner Frage von vorhin im Anschluss an Sönkes lockeren Ausspruch noch einmal Nachdruck verleihen wollte: "Nun spann uns nicht länger auf die Folter, Optio. Wie du siehst sind wir hochmotiviert..." Ein breites ironisches Lächeln glitt über das Gesicht des Regulus. "...was dürfen wir schönes erledigen?"

    Ein großer Teil des Weges war wohl schon abgeschritten als der Centurio endlich eine Pause veranlasste. Endlich war etwas Zeit für die Männer sich den Schweiß von der Stirn zu wischen und etwas Proviant aufzunehmen. Fast hätte es sich Regulus in Gedanken schon allzu bequem gemacht als er vom Optio angetippt wurde. Nur leichte Ausrüstung? Nicht, dass sie noch irgendetwas schleppen mussten, vermutete der Artorier argwöhnisch. Er ließ das Marschgepäck wie befohlen zurück und die ausgewählten Männer begannen sich zu sammeln. Regulus war der erste, der abseits beim Optio stand und während noch die anderen Männer hinzukamen fragte er recht unverblümt: "Was ist denn los? Ich hatte noch gar keine Zeit mich vom Marschieren zu erholen..." Neidvoll dachte der Artorier an die anderen Legionäre, die weniger zu tun hatten.

    Überall Holz und Gesträuch und dazwischen ein kleiner Weg, der zum Ziel führen sollte. Regulus blickte sich immer wieder misstrauisch um. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gefühl im Magen. Allein und getrennt vom Rest der Cohorte fühlte er sich doch recht schutzlos, obwohl er immer noch seine Centurie vor, neben und hinter sich hatte. Aber wer sollte sie denn ernsthaft angreifen? Immerhin waren sie nicht mehr im tiefsten Germanien. So versuchte sich der Artorier zumindest Mut zuzusprechen. Am Ende würde es womöglich eine ganze normale "Seht-mal-nach-dem-Rechten-Aufgabe" sein, aber das konnte man so wenig erkennen wie das Ende des Tals durch die dichten Bäume.


    Der Marsch an sich schien eigentlich recht ruhig zu sein. Immer wieder hörte man mal einen Ast oder ein Stück gesträuch unter den Füßen der Legionäre zerbrechen. Hoffentlich würden sie ihr Ziel bald erreichen und am meisten hoffte Regulus nicht allzu schnell durch irgendwelche Ereignisse überfordert zu sein.

    Etwas verdutzt standen die Legionäre da, die mit ansehen mussten, wie der Rest der Cohorte seinen Weg ging und sie nur dastehen und rätseln konnten. Doch die Aufklärung folgte auf dem Fuß: Eine Spezialaufgabe für die Centurie. Regulus wusste noch nicht, ob er sich freuen oder enttäuscht sein sollte. Da das ganze aber zusätzliche Kraft auf einem ohnehin schon sehr anstrengenden Marsch kosten würde, beschloss er es furchtbar zu finden. Warum gerade seine Centurie? Sollten das doch die anderen machen, die sowieso nur faul herumliegen. So dachte es sich zumindest Regulus, der sich die Welt dann doch gerne so hinbog wie er wollte.


    Ein skeptischer Blick in das von Corvinus angezeigte Seitental ließ seine Bedenken nur weiter wachsen. Widerstande? Wieso Widerstand? Wer und wieso? Wie groß ist die Gefahr und sind wir einer solchen überhaupt gewachsen? Gern hätte er eine Frage gestellt, doch es war nur zu verständlich, dass der Centurio überhaupt keine zuließ.


    Regulus nahm das Marschgepäck auf und reihte sich mit den anderen ein um abzumarschieren. Neben ihm war der Legionär Ligarius Philogenes eingereiht. Er und Regulus tauschten Blicke aus und es schien als würde Philogenes mit den Schultern zucken, doch seine Rüstung bewegte sich nur unmerklich.

    Mit Ehrfurcht musste wohl jeder Legionär auf die bergige Landschaft starren, die es nun im Marsch zu bezwingen galt. Wer hätte gedacht, dass man bereits in so kurzer Zeit bei der Legion eine solche Erfahrung machen würde - Regulus jedenfalls nicht. Wie einst Hannibal mit seinem Heer, so schritten nun auch sie über die Alpen, wenn auch mit deutlich edleren Motiven.


    Tief in Gedanken versunken marschierte das Heer über den ersten Abschnitt, der sich noch durch befestigte Straßen kennzeichnete. Noch schien der Schwierigkeitsgrad akzeptabel, doch dass sich dies bald ändern würde war allen klar. Besonders die Zerstückelung des Heeres war eine Herausforderung, wie der Artorier fand. Der Nachrichtenübermittlung zum Zweck der Marschkoordinierung war in jenem Augenblick wohl eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Es blieb nur zu hoffen, dass das Heer heil über den Pass kommen würde, ohne dass sich große Zwischenfälle ereigneten. Die Legionäre hofften besonders, dass die Versorgung aufrecht erhalten werden konnte. Es gab doch nichts Schlimmeres als einen leeren Magen, während man eine solche Tortur durchleben musste.


    Die Centurien der II Cohorte hatte ein gemeinsames Lager aufgeschlagen. Im Zelte auf- und abbauen war der Artorier inzwischen auch schon ganz gut geübt. Als der Helvetier die Reihen abging, ahnte er nichts Böses. Doch er stand nicht weit von Madarus entfernt, so dass er sehen konnte wie dieser den Vitis des Centurios zu spüren bekam. Warum er dies tat, blieb Regulus verborgen, aber ihm schien so langsam immer klarer zu werden, wovon die Legionäre beim gemeinsamen Würfelspiel sprachen. Zwar war es prinzipiell nichts außergewöhnliches, dass ein Centurio mal einen Klapps verpasste, aber vielleicht war Corvinus doch nicht derjenige, für den ihn der Artorier ursprünglich einmal gehalten hatte. In jedem Fall hatte er sich vorgenommen bloß nicht negativ auffällig zu werden. Möglicherweise neigte der Centurio sehr schnell zu Disziplinarmaßnahmen, was Regulus derzeit überhaupt nicht gebrauchen konnte.


    Abrufbereit wartete der Artorier mit den anderen Legionären. Sie versuchten etwas zu entspannen, aber vielleicht würden schon bald noch zusätzliche Aufgaben auf sie warten.

    Es war ein kurzer Aufenthalt, doch der Krieg wartete nicht. Regulus baute wie die vielen anderen Legionäre die Zelte ab und staute das meiste von dem Zeug auf die vielen Lasttiere. Mit Wehmut blickte er nicht zurück in die Provinz aus der er mit seiner Legion kam. Immerhin ging es jetzt nach Italia, seiner eigentlichen Heimat, die er in den vergangenen Tumulten verlassen musste.


    Die meisten Legionäre schienen recht ausgeruht, auch Regulus hatte ausreichend geschlafen. Diese letzte Erholungszeit war vielleicht noch einmal wichtig, wenn es den Tagen entgegenging, in denen man nie genau wissen konnte, was einen erwartete. Noch immer hatte der Artorier in Gedanken mit dem Würfelspiel-Abend zu kämpfen. Was auch immer dort geredet wurde, er beschloss es nicht zu beachten. Vieles davon war seiner Motivation abträglich, aber die Erkenntnis blieb, dass Legionäre sehr grausam sein konnten - nicht nur gegenüber ihren Feinden.

    Regulus war etwas neben sich. Mit so viel Gegenwind gegen den Centurio hatte er nicht gerechnet. Gerade Sönke schien nicht gu auf ihn zu sprechen. Offensichtlich wussten die Männer alle mehr, als er selbst wusste. "Wer am Ende die Nase im Dreck hat, wissen allein die Götter. Selbst dem erfahrensten Legionär wächst nicht plötzlich Eisen auf seiner Haut! Das Schwert kann jeden von euch treffen!" Es war wohl kaum anzunehmen, dass der Artorier damit seine Rolle als Frischling in der Runde relativiert hätte.


    "Ich gehe jede Wette, dass ich diesen scheiß Krieg überlebe und du beim ersten Feindkontakt zusammenzuckst und vor Schreck ins Gras beißt. Da brauch ich nicht mal Eisen auf der Haut, HAHA."


    Eines war dem Artorier langsam klar: Nur durch Worte konnte man sich hier nicht beweisen. Im Prinzip war das meiste egal, was man sagte. Hier konnte man sich nicht auf eine Stufe mit den langjährigen Soldaten stellen, nur die Zeit konnte das tun und vielleicht die Anzahl der Schlachten. Die Worte von Sönke gefielen Regulus. Freundschaft war wichtig, ebenso Kameradschaft. Das sollte man jedenfalls annehmen. Doch hier spürte er nur wenig davon.


    "Ich hab keine Ahnung, was der Helvetier getan hat oder wem er welches Körperteil hingehalten hat."" Regulus zeigte jedenfalls seine ganze Ahnungslosigkeit in diesem Fall. "Aber wir müssen wohl oder übel mit ihm Leben..." "...oder Sterben!", so kam auch gleich die Quittung für Regulus ausschweifende Sprache. "Jedenfalls werden wir wohl sobald keinen neuen Centurio bekommen."


    Der Artorier blickte ich um. Er betrachtete die Legionäre und zum Schluss auch Sönke. Unsicher, ob er jetzt aufstehen und gehen oder ob er hier noch verweilen sollte, saß er da und überlegte, was wohl das klügste wäre. Wahrscheinlich sollte er sich so früh wie möglich hinlegen, schließlich würde der Marsch wohl bald seinen Fortgang nehmen und gerade er musste so ausgeruht wie möglich sein...

    "Mir fallen sicher bessere Dinge ein, als mir mit euch ein Massengrab zu teilen.", witzelte der Artorier über das in Kriegszeiten allgemein vorherrschende Gesprächsthema Tod.


    "Es sollte dir eine Ehre sein, aber wahrscheinlich wirst ohnehin nur du allein begraben, Frischling.", gab einer der älteren von sich und traf damit den wunden Punkt des Artoriers, der wahrlich noch nicht allzu lange in der Legion diente und noch sehr jung war. "Haha, derzeit profitierst du sicherlich am meisten von der Sterbekasse, hast ja schließlich noch kaum was eingezahlt."


    Regulus verstummte, während er die Würfel an sich nahm.

    1, 6, 4


    "Nichts", gab der Artorier von sich und hatte damit auch diese Runde verloren. Damit stand er zwar nicht allein, ärgerlich war es aber dennoch. "Für mich wars das dann auch."


    "Ach, jetzt haben wohl alle keine Lust mehr. Naja, haben wohl zu viel übers Elysium geschwafelt, nagut, wenn ihr denn wollt." Der Legionär hatte leicht reden, war er doch einer derjenigen, die am heutigen Tag schon einmal gewonnen hatten.
    "Ach, ich mach mir vorerst keine Sorgen, um das Elysium. Immerhin haben wir einen guten Centurio und unser Stab wird sicher wissen, wie wir am besten durchkommen.", sprach der Artorier nun völlig offen und in seiner ganzen Naivität in die Runde. Das brachte den ein oder anderen schon einmal zum Lachen.


    "HAHA, der Centurio ist ja fast ebenso noch ein Frischling wie du.", sprach einer der Legionäre und klopfte sich auf den Schenkel und wandte sich dann scherzhaft zu Sönke. "Vielleicht kannst du ja auf den Gang zum Signifer verzichten. Wenn die großen Feldherrn uns schon durchbringen, ist die Sterbekasse doch völlig überflüssig, HAHA.


    Der Artorier errötete und rang ein wenig nach Luft. So hatte er das doch eigentlich gar nicht gemeint, aber die Legionäre machten sich gern einen Scherz daraus, den Neuling ein wenig zurechtzustutzen.

    Mit Spannung verfolgte Regulus die nächsten Würfe. Immerhin lag er in Führung, wenn auch sehr schwach. Der nächste Würfler löste dann Optimismus aus. "HAHA, du hast auch nichts! Jetzt gewinne ich hier noch mit nur einem Auge, HAHA." Doch schon beim nächsten Wurf kam die Ernüchterung auf dem Fuße. Ganze 11 Punkte hatte der nächste Spieler und strich damit auch den sicheren Sieg ein.


    "Nun gut, neue Runde, neues Glück!" Die Legionäre machte ihren Einsatz und wieder war Sönke an der Reihe, der sich erst einmal kräftig verzählte. Laut stimmte der Artorier mit in das Gelächter ein, wohlwissend dass er sich selbst manchmal verzählte, vor allem, wenn es etwas hektischer um ihn herum war, aber in diesen Augenblicken stimmt man doch eher in die Schadenfreude mit ein. Nur ein wenig bemühte er sich um gute Worte. "Passt schon, Sönke. Wir müssen ja zum Glück alle besser kämpfen als Denken können, nicht wahr? HAHA!" Anschließend nahm Regulus die Würfel und spielte diesmal etwas schneller als beim ersten Mal.


    1, 4, 6


    "Die geraden zählen, oder?", fragte er noch etwas verblüfft. "Alles klar, ich hab glatte 9. Das kann sich doch sehen lassen. Da will ich erst einmal sehen, wie ihr das überbietet." Und so reichte er die Würfel weiter.


    "Wirst schon sehen, wie ich das mache."


    2, 1, 5


    "Dreck, verdammter!"
    "Hui, jetzt wirds spannend, ich hab euch doch gesagt, wenn die Geraden zählen hab ich mehr Glück."
    "Ach, sei leise, du..."


    Der nächste Wurf brachte eine 5, 1, 1 und das strahlende Gesicht des Artoriers heiterte sich immer weiter auf. Nun war der letzte Würfler am Werk und es kam eine... 4, 6, 4... "Bei den Göttern! Was für ein Glückspilz!" Der letzte Würfler hatte sich mit 14 Punkten noch an die Spitze gesetzt und strich die Sesterzen ein. Regulus fuchtelte mit den armen und lachte in seiner Verzweiflung.


    "Es ist gerade so schön, da spielen wir natürlich noch eine Runde", sprach einer der Legionäre. "Hier Sönke, Würfel nochmal, dann kannst du dabei auch immer schön zählen üben. Muhaha."

    "Ja Ja, natürlich. Würfeln kann ich... keine sorge.", gab der Artorier trocken zurück und nahm den angebotenen Sitzplatz gerne an. Der Legionär neben ihm schien einen etwas üblen Geruch von sich zu geben. Mehr als er vom gewöhnlichen Männerschweiß gewohnt war. Ein kurzes Nase rümpfen folgte, während er Mühe hatte in die wilden Gespräche mit einzusteigen. "Ja, ich spiel eigentlich lieber mit ungeraden abgezogenen, damit hab ich immer mehr Glück, HAHA!" Das Lachen wirkte natürlich etwas aufgesetzt, aber naja, irgendwie musste man sich ja einfügen.


    Regulus wurde auch gleich zurecht gewiesen. "Ich glaub du wirst heut ganz schön bluten. Pass auf, dass du nicht deinen ganzen Sold verspielst."
    "Ach, passt schon, bei einem Sesterzen Einsatz dauert das seine Weile."
    "Ha, das geht ganz schnell, glaub mir."


    Regulus beobachtete den Wurf von Sönke. Der war erstmal wirklich nicht gut, aber das galt es auch erst einmal besser zu machen. Naiv wie er war, machte er aus seinem ersten Wurf eine große Sache. Schüttelte etliche Male hin und her und flüsterte den Würfeln irgendetwas zu. Die anderen Legionäte waren schon etwas genervt. Dann kam endlich der entscheidende Wurf und es deckten sich die Zahlen auf:


    5, 2, 2


    "Hmm... ja, das ist jetzt einer oder?" Naja, das hätte auch besser laufen können und er sah schon den Sesterzen vorüberziehen. Und er reichte die Würfel weiter an den übel riechenden Typen neben ihm.

    Der Bauch hatte bekommen, was er gefordert hatte. Als die Nahrung aufgenommen war, gab es kaum noch etwas wichtiges zu erledigten. Die Legionäre hatten tatsächlich etwas Freizeit und mussten sie nun irgendwie totschlagen. Der Artorier sprach mit ein paar Leuten, doch waren es eher langweilige und mühsame Gespräche. Als er sich dann im Lager umsah und bemerkte, wie die ersten mit dem Würfelspiel begannen, hielt er dies für die unterhaltsamste Beschäftigung, der man derzeit nachgehen konnte.


    Regulus bemerkte, dass ihm einer der Spieler bekannt vorkam. Es war dieser Sönke, der einst mit dem Artorier im Castellum gesprochen hatte, als dieser noch ein frischer Tiro war. Vorsichtig fragte er nach, ob er nicht mitspielen dürfte. "Salve Kameraden, hat bei euch vielleicht noch ein weiterer Spieler Platz?"

    Die erste Etappe war gemeistert und Regulus fühlte wie der Schweiß ihm die Stirn hinablief. Die letzten Meter hatten ihn dann doch noch etwas zu schaffen gemacht, weshalb er froh sein konnte, endlich im Lager eingetroffen zu sein. Hier war zum größten Teil schon alles vorbereitet. Regulus und seine Kameraden machten sich vorerst daran die Zelte aufzurichten und sich um Essen und und die eigene Ausrüstung zu kümmern. Bisher schien alles ganz ruhig und Regulus blieb mit den anderen Legionären auf abruf. Gut möglich, dass sie für die Wache oder andere Dienste eingeteilt würden. Bis dahin blieb Zeit für den einfachen Soldaten darüber zu sprekulieren, was wohl die großen Männer an der Spitze der Armee in diesen Stunden entscheiden würden und wann es zum ersten Feindkontakt kommen würde.

    Die Rekruten standen mit einem Mal wieder still wie eine Maus vor ihrem Optio als dieser einmal das Wort etwas kräftiger erhob. Offensichtlich hatten sie dann doch etwas zu viel geschwafelt. Der aufgeforderte Tiro begab sich sogleich nach vorne und nahm den Schild an sich. Es war schon ein etwas kräftigerer Rekrut, dem jedoch die theoretischen Grundlagen gänzlich fehlten. Er schmunzelte erst noch als er das Pilum hinausziehen sollte und dachte dies wohl mit Leichtigkeit erledigen zu können. Er rüttelte einmal daran, dann nochmal etwas stärker und schließlich mit aller Kraft, doch es gelang ihm nicht. "Scheiß ding.", sagte er noch, was seine verzweifelte Tat unterstich. Das Pilum steckte fest und ließ sich einfach nicht entfernen. Dieses Ding also noch als Waffe zu benutzen war für den Gegner wohl unmöglich, wenn es erst einmal feststeckte, vor allem in einer Schlacht, wo man nicht viel Zeit hatte groß an seinem Schild rumzufuchteln.

    Wie ein einziger großer Körper bewegte sich der riesige Tross aus Soldaten und Anhang durch die Provinz. Gerade jetzt würde sich zeigen, ob das viele Marschtraining, dass Regulus innerhalb von so kurzer Zeit absolvieren musste, tatsächlich etwas wert war oder ob er irgendwann aus dem letzten Loch pfeifen und seiner Einheit Schande bringen würde.


    Das Marschgepäck fühlt sich am Anfang immer sehr schwer und ungewohnt an, aber im Laufe der Zeit scheint es fast mit dem Soldaten zu verwachsen, was ihn jedoch nicht davon abhält die Anstrengung zu spüren, die dieser Transport mit sich bringt. Die Ausrüstung, die jeder Legionär selbst tragen muss, die aus den üblichen Waffen und auch den Nahrungsrationen bestand, betrug gut und gerne über 30 Kg. Seit Marius trugen die Legionäre auch einen Großteil ihres persönlichen Gepäcks selbst und nicht auf Wagen oder Lasttieren, um die Truppe so beweglich wie möglich zu halten. Im Gepäckbündel des Artoriers befand sich wie bei den meisten anderen die textile Kleidung, wie z.B. die Paenula und eine Reserve-Tunika. Daneben brauchte man natürlich dringen die das Kochgeschirr. Regulus bekam nach einiger Zeit bereits mächtigen Hunger. Zu seiner Ration gehörten immerhin etwas Brot und getrocknete Früchte, die sich in einem Netz und nicht einem Beutel transportiert wurden. Auf diese Weise wurden sie besser vor Staunässe geschützt und waren länger haltbar. Hin und wieder griff der Artorier zu seiner Trinkflasche und nippte einige Schlucke daraus. Auf dem Marsch konnte man durch das viele Schwitzen schon sehr viel Flüssigkeit verlieren. Wenn ein Legionär da mal nicht aufpasste, wurde ihm schwarz vor Augen und fiel einfach zu Boden. Diese Blöße wollte sich selbstverständlich niemand gern geben.


    Neben den ganzen kleineren Gegenständen, wie ein Rasiermesser oder Ersatznägel für die Schuhe, trug Regulus auch eine kleine Götterstatue des Mars mit sich. Er wusste, dass er damit sein Gepäck beschwerte, aber ihm war der göttliche Beistand wichtiger als sein Wohlbefinden auf dem Marsch. Wenn man neben der Kampfausrüstung und der persönlichen Ausrüstung dann doch noch bedachte, dass die ganze Ausrüstung der Gruppe, wie Zelte oder Schanzpfähle von den Tragetieren mitgeführt wurden und es darüber hinaus auch noch eine reichliche Menge an Zusatzausrüstung für die größeren Offizierszelte oder das Feldlazarett gab, so musste hier wahrlich eine logistische Meisterleistung vollbracht werden, um dies alles sicher von A nach B zu schaffen.


    Es sprach sich bald herum, dass Vindonissa nicht mehr weit zu sein schien und der Artorier freute sich bereits die erste Etappe gemeistert zu haben. Bisher lief alles recht gut, aber in Zukunft würde sich wohl erst noch herausstellen müssen, ob er einer solchen Belastung auch über Tage und Wochen gewachsen war.