Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    "Was du sagst, ist korrekt, Tiro, aber meine Frage war auch, weshalb wir nicht das Pilum verwenden", gab der Centurio zu bedenken, "Wenn wir es uns noch einmal durch den Kopf gehen lassen: Das Pilum ist eine Fernkampfwaffe, es dient dazu, feindliche Schilde unbrauchbar zu machen, wird noch vor dem direkten Aufeinandertreffen der Armeen geworfen, ... Und dann denke man über unseren primären Aufgabenbereich nach, die Sicherheit innerhalb der Stadt zu gewährleisten. Wir kämpfen gegen Gruppen von Schlägern, einzelne Unruhestifter, oft auf engstem Raum, wir ermitteln, wir kontrollieren. Eine feste, sich nicht verbiegende Hasta, um sich Feinde gekonnt vom Leib zu halten, ist dabei Gold wert."
    Ganz im Gegensatz zu einem Wurfspeer mit weichem Schaft, der dafür im Kampf auf dem Feld unersetzlich war, dadurch, dass er den Feind bereits ganz zu Beginn gekonnt ausbremste, ihm Schilde und Männer nahm.
    "Selten kam es auch schon vor, dass die Cohortes Urbanae ins Feld gezogen sind, deshalb werdet ihr sicherlich noch Bekanntschaft mit dem Pilum machen, um vorbereitet zu sein. Allerdings erst, wenn ihr eure Grundausbildung abgeschlossen habt."
    Aber genug der Erklärungen, die Tirones sollten ja nicht nur was für's Köpchen tun, sondern auch ihren Körper trainieren. Das würde zwar vorerst wieder auf stumpfsinniges Einstechen in Pfähle hinauslaufen, aber irgendwie mussten sie schließlich üben, bevor sie auf Menschen einstachen.
    "Jeder von euch nimmt sich eine Übungslanze. Anschließend will ich euch wie beim Üben mit dem Gladius an den Pfählen sehen!"

    Avianus hatte sich nie mit dem Gedanken abgegeben, dass irgendwer von den Briefen erfahren könnte, der sich daran stören würde. Lucia war bestimmt nicht so blöd, es offen herumzuerzählen, zumal Gerüchte darüber ihr sehr viel mehr schaden könnten als ihm. Da war es eher Lucia, die sich Sorgen machen musste. Und ihr Mann bräuchte nur einen Blick in die Briefe zu werfen, um zu merken, dass sie vollkommen harmlos waren. Nur wenn die Öffentlichkeit Wind davon bekam und sich dann selbst irgendwelche Geschichten zusammenreimte, könnte es unangenehm werden. Aber doch nicht, weil er sie eben mal am Arm packte, damit sie sich nicht das dünne Genick brach. Was hätte er denn stattdessen machen sollen? Gar nichts zu unternehmen, hätte ja ganz bestimmt besser ausgesehen. Und dass Lucia neben ihm gestanden hatte, war schlicht und ergreifend der tobenden Meute an Zuschauern zu verdanken gewesen, die der Tiberia keinen sicheren Platz gelassen hatte.
    "Ach, gut zu wissen. Wenn es deinem werten Gatten lieber ist, seh' ich nächstes Mal einfach dabei zu, wie dein Gesicht mit den Pflastersteinen Bekanntschaft macht", kommentierte er sarkastisch. Was für einen Eindruck das wohl hinterlassen würde. "Da freut er sich dann ganz sicher darüber. Oder ich schick dich ganz einfach zu den restlichen Zuschauern runter, damit dir die Steine um die Ohren fliegen."

    Zitat

    Original von Decima Seiana
    Seiana ließ ihren Blick in die Ferne schweifen, als Senecas Vetter davon sprach, dass es seine Gens von innen zerreißen könnte. Sie wusste nicht, was sie darauf noch hätte erwidern sollen. Sie wollte nicht, dass es dazu kam, genauso wenig wie sie gewollt hatte, dass es in ihrer eigenen Familie Ärger gab... sie hatte ja nicht ohne Grund gezögert, als Seneca sie gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wollte. Sie hatte nicht ohne Grund gezweifelt, und wenn sie ehrlich war, dann hatte sie bis heute Zweifel. Aber sie wollte mit ihm zusammen sein, und er mit ihr, und wenn das hieß, dass sie manche vor den Kopf stoßen würden damit... dann war es offenbar so. Es gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber Seneca deswegen aufzugeben, wo sich endlich die Chance zu bieten schien ein gemeinsames Leben zu führen... nein.
    „Mach dir keine Gedanken“, versicherte sie ihm letztlich nur, als Avianus sich dann noch entschuldigte, das Thema überhaupt angesprochen zu haben. „Bei allem, was passiert ist, und so eng, wie du und Seneca befreundet seid... da kann ich dir nicht verdenken, dass du Fragen hast, die du mir selbst stellen wolltest.“


    Ihr spontan geäußerter Zweifel, ob er wirklich verstehen konnte, was sie getrieben hatte, schien Avianus nicht so ganz zu gefallen, und Seiana presste flüchtig die Lippen aufeinander. Sie wollte ja, dass er verstand, und sei es nur um Senecas Willen. Aber sie wusste nicht so recht, wie sie es erklären sollte, ohne sich ganz und gar zu öffnen – und das kam nicht in Frage. Selbst jetzt schon fühlte sie sich ein wenig unwohl, zwang sich, an Seneca zu denken, um mit Avianus so zu reden, wie sie es tat. Es half zwar, dass er nicht abweisend reagierte, aber das hieß nicht dass sie sich damit wirklich wohl gefühlt hätte. „Kein wahres richtig oder falsch“, wiederholte sie, ihre Stimme ein wenig bitter. „Ja, das stimmt wohl. Manchmal hat man nur die Wahl, welche Entscheidung einem weniger falsch erscheint. Und dabei passiert es nur allzu leicht, dass man seine Prioritäten falsch setzt.“ Wieder starrte sie in die Ferne, und unruhig bewegten ihre Finger das Stück Papyrus. Für einen winzigen Moment war sie völlig gedankenverloren, dachte zurück, wie sie Seneca kennen gelernt hatte, wie sie zueinander gefunden hatten. „Ich weiß, dass ich mich nicht auf ihn hätte einlassen sollen. Es war nur...“ So schwierig gewesen. So viel Druck. So viel Einsamkeit. Seneca war da gewesen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatte, und das obwohl sie damals noch gar nicht gewusst hatte, dass sie ihn brauchte. Seiana löste ihren Blick schließlich aus der Ferne und sah Avianus wieder an. „Trotz der Schwierigkeiten habe ich es nie bereut“, sagte sie schließlich noch, ohne ihren vorigen Satz zu beenden, und nach kurzem Zögern reichte sie ihm dann den Papyrus mit Senecas Worten, der ersten Nachricht, die er ihr überhaupt geschickt hatte.


    Als Seiana dann erfuhr, dass Avianus von Silana wusste, spürte sie wie so etwas wie Panik in ihr aufzusteigen begann. Es gab dafür keine wirklich rationale Erklärung, dass es sie so heftig erwischte. Das wusste sie selbst. Trotzdem war es so, und mühsam kämpfte sie dagegen an. Seit sie realisiert hatte, dass sie schwanger war, hatte sie sich selbst wieder und wieder eingebleut, dass außer ein paar wenigen Menschen niemand, niemand jemals davon erfahren durfte, was es mit Silana auf sich hatte. Das Kind war der lebende Beweis für ihre Untreue, für ihr Versagen. Gerüchte konnte man von sich abperlen lassen, aber wer von dem Kind wusste, konnte es gegen sie benutzen. Es würde ihr schaden, es würde dem Mädchen schaden, es würde Seneca schaden. Dass das Kind überhaupt hier war, bei ihr, lag sowieso nur an Seneca – wäre es nach Seiana gegangen, sie hätte das Mädchen weggeschickt, in irgendeine weit entfernte Provinz, wo es bei weit entfernten Verwandten hätte aufwachsen können. Aber Seneca hatte das nicht gewollt, und sie hatte es nicht über sich gebracht, das einfach gegen seinen Willen durchzusetzen. Hätte sie es getan, hätte sie Seneca vermutlich verloren, nicht sofort, aber auf Dauer. Sie bezweifelte, dass er ihr das hätte vergeben können... Und sie musste sich eingestehen, dass sie trotz der Unsicherheit, die sie im Umgang mit ihrer Tochter spürte, sich mittlerweile auch nicht mehr vorstellen konnte, sie nicht in ihrer Nähe zu wissen.
    Seiana atmete einmal tief durch. Es gab keinen Grund für Panik. Avianus hatte bereits bewiesen, dass er vertrauenswürdig war, oder nicht? Seneca hatte sich einmal der falschen Person anvertraut, aber die hatte das sofort gezeigt. Avianus wusste nun auch schon länger Bescheid, über mehr Details ihrer komplizierten Beziehungsgeschichte, als ihr eigentlich lieb war, und er hatte bislang nichts getan, was ihr einen Grund zu Misstrauen oder Furcht hätte geben können. Was machte es da, wenn er noch ein weiteres Detail wusste? „Entschuldige bitte. Ich war nur überrascht, das ist alles. Von dem Kind-“ Seiana hielt kurz inne und zwang sich, den Namen ihrer Tochter auszusprechen: „Von Silana – wer sie wirklich ist – weiß kaum jemand. Seneca. Mein Bruder.“ Dazu die Amme, die nicht reden konnte, und ihre drei loyalsten Sklaven. „Und wie du dir wohl vorstellen kannst, ist es sehr relevant, dass das auch so bleibt.“ Womit sie mehr oder weniger bei der ursprünglichen Frage wäre, die Avianus gestellt hatte. „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es viel bringen würde, ihr irgendwann die Wahrheit zu sagen.“ Im besten Fall war es ihr egal – im schlimmsten Fall würde es ihr weh tun, und warum nicht ihr letzteres ersparen, wenn man es konnte? Vielleicht hielt Seneca es für wichtiger, ihr irgendwann reinen Wein einzuschenken, Seiana war das bewusst, aber sie hielt es für keine gute Idee. „Zumindest so lang sie noch klein ist, macht es ohnehin keinen Sinn. Ich... wir haben vor, sie als eine weiter entfernte Verwandte von mir auszugeben, die gestorben sind, und die ich aufgenommen habe. Wenn etwas Zeit vergangen ist, wird Seneca sie adoptieren.“


    Endlich musste Avianus wieder lächeln. Wie recht sie doch hatte, teilweise zumindest. Wie konnte man falsche Prioritäten setzen, wenn in einer bestimmten Situation falsch nicht existierte? Es sei denn natürlich, Seiana glaubte, dass sie sich bei einer Entscheidung geirrt hatte, dass es dieses richtig oder falsch eben doch gab. Wenn sie es allerdings nicht bereute, konnte es dann so falsch wirklich sein? Er reimte sich die Dinge einmal mehr selbst zusammen, anstatt nachzufragen. Das wiederum wäre ihm unangenehm gewesen. Dass er hier saß und mit ihr über derart private Dinge sprach, war eigentlich schon genug. Noch weiter nachzubohren wäre sicherlich zu viel des Guten.
    "Das hoffe ich doch, dass du es nicht bereust, wo du Seneca ja morgen heiraten wirst", meinte er, ohne erneut groß darauf einzugehen. Nein, seine eigenen Geheimnisse würde er heute nicht preisgeben. Obwohl er ihr nicht misstraute, führte erst zum zweiten Mal ein längeres Gespräch mit ihr.
    Stattdessen drehte er den Zettel in der Hand, war nicht ganz sicher ob er ihn denn lesen oder einfach wieder zurückgeben sollte. Er war ihr wichtig, soviel war klar. Schließlich siegte doch seine Neugier und Avianus warf einen Blick auf das, was auf dem Stück Papyrus geschrieben stand. Erst zog er etwas verwundert die Brauen in die Höhe und grinste dann, als er zu Ende gelesen hatte. Es war nicht schwer zu erraten, aus wessen Feder die Nachricht stammte. Ein Liebesgedicht, eine versteckte Botschaft, ein Absender mit den Initialen A.I.S. … und ausgerechnet von seinem Verwandten sollte es kommen. Mochten die Götter wissen, was diese Frau immer wieder mit seinem sachlichen und bedachten Vetter anstellte und wo dieser verliebte Romantiker dann plötzlich herkam.
    "Er liebt dich sehr, dass kann ich dir garantieren", meinte er, "Aber das weißt du vermutlich schon länger als ich. Jedenfalls … ich kannte Seneca nie als jemanden, der einfach so derartige Risiken auf sich genommen hätte. Als mein Centurio wusste er immer genau, was zu tun war … war rational bei der Sache, ließ sich nicht beirren, zumindest nach außen hin. Und bei dir … da wirft er wohl alle Logik über Bord wenn es sein muss. Und fängt an, versteckte Liebesbotschaften zu schreiben." Nachdenklich kratzte er sich das Kinn und bekam das Lächeln immer noch nicht aus seinem Gesicht.
    "Ich weiß nicht direkt, wie viel dir diese Nachricht bedeutet und die genauen Zusammenhänge kenne ich auch nicht, aber würde sie dir nichts bedeuten, hättest du sie als Opfer sicher nicht in Betracht gezogen. Wenn sie dir also so viel bedeutet, dann opfere sie. Andere Bräute schließen ab mit ihrer Kindheit, und du eben mit diesem Versteckspiel, das hinter euch beiden liegt."


    Nun ... und Silana? Da waren sich die Eltern wohl selbst noch nicht ganz einig und sicher, wie die Zukunft konkret aussehen würde. Eine Adoption klang schonmal nicht schlecht. Wäre auch zu schade wenn eine Iunia nicht bei den Iunii landen würde. Nur dieser eine Satz ... Nur wenige wussten Bescheid und es sollte so bleiben ... hatte für ihn diesen seltsamen Beigeschmack. Er wüsste nicht, dass er jemals den Eindruck gemacht hatte, eine Bedrohung zu sein. Ja klar, sie kannte ihn kaum, aber ein paar Dinge wusste sie über ihn. Dass Seneca ihm vertraute etwa, oder dass Seneca ihm wichtig war. Alleine damit hatte er gute Gründe, dieses Geheimnis nicht zu verbreiten.
    "Ich habe nicht vor, jemandem davon zu erzählen, Seiana. Welchen Nutzen hätte ich auch davon? Seneca wäre ganz bestimmt alles andere als begeistert, und ich will meinen besten Freund sicher nicht vergraulen, und meine Cousine hätte sowohl einen weiteren Grund als auch ein weiteres Mittel ihm und gleichzeitig auch allen anderen Iunii zu schaden, würde sie über irgendeinen Weg davon erfahren." Axilla durfte nichts davon erfahren, das wusste er mit absoluter Sicherheit. Sie mochte noch so gute Absichten haben, vermutlich war genau das das Problem. Sie glaubte, das einzig richtige zu tun, und war deshalb umso weniger davon abzubringen, weiter diesen Krieg zu führen. Ganz ohne Zweifel musste er noch einmal mit ihr Reden und bis es soweit war, würde er ihr sicher keine neue Waffe gegen Seneca und dessen Frau in die Hand drücken. Und selbst danach hatte er nicht darüber zu entscheiden, wer davon wusste. Es war nicht sein Geheimnis, das Mädchen war nicht seine Tochter.
    "Gut ... ihr werdet das bestimmt regeln. Wie ich sehe habt ihr zumindest schon so etwas wie einen Plan. Jedenfalls wünsche ich euch, dass ihr das schafft, dir, Seneca und dem Mädchen." Mit diesen Worten gab er Seiana das Stück Papyrus zurück.

    "Convenite, Tirones!", machte Avianus sich lautstark bemerkbar, als es Zeit war, die Übungen zu beenden. Die Tirones machten langsam allesamt einen geschafften Eindruck, was den Centurio allerdings nicht davon abhielt, anschließend noch die obligatorischen paar Runden um den Platz aufzutragen, bevor die Rekruten in ihre wohlverdiente Mittagspause entlassen wurden. Allerdings nicht für besonders lange. Denn einerseits erwartete sie am Nachmittag, wie immer, ein neuerlicher Antritt auf dem Exerzierplatz und selbstverständlich auch am nächsten Morgen. So lange, bis sie alles verinnerlicht hatten, was zu lernen war.


    ~~~


    An einem anderen Tag stand der Centurio ein weiteres Mal vor seinen Rekruten, hielt dieses Mal eine Übungshasta in der Hand und blickte erst die hölzerne Waffe, dann seine Leute prüfend an.
    "Tirones! Was das hier ist, brauche ich euch bestimmt nicht zu erklären!", rief er den jungen Männern, die in einer Reihe vor im angetreten waren, zu. Jeder Tiro hatte seine Hasta sicherlich schon mehrmals in der Hand gehabt, mehr oder weniger die Hauptwaffe der Cohortes Urbanae. Nicht ohne Grund, wusste der Centurio natürlich. Feinde ließen sich damit recht praktisch auf Abstand halten, lästige Unruhestifter konnte man ebensogut mit dem stumpfen Ende durch Prügel in die Schranken weisen, wie man gefährlichen Individuen damit ein blutiges Ende bereiten konnte. Eine Waffe, die selten Nachteile und oft genug Vorteile brachte. Ob seine Rekruten sie richtig zu benutzen wussten war eine andere Frage, die sich heute noch früh genug klären würde. Dann war da aber noch etwas, das Avianus interessierte.
    "Was ich allerdings von euch wissen will ... warum benutzen wir die Hasta und nicht das Pilum, wie die Legionen?! Tiro Octavius, kennst du die Antwort?"

    Auf seine zugegebenermaßen nicht gerade freundliche Bemerkung erhielt er erwartungsgemäß eine ebenso unfreundliche Antwort. Und immer noch machte sich die Tiberia keine Mühe, zu ihrer gewohnten Contenance zurückzufinden. Dazu brauchte er ihr Gesicht nicht einmal richtig zu sehen, wie sie mit ihm sprach, reichte bereits aus.
    Avianus hatte keine Ahnung, was er von diesem Gespräch erwartete. Eine realistische Erklärung oder ein Danke vielleicht, dafür, dass er ihr hübsches Köpchen vor den dreckigen Pflastersteinen gerettet hatte. Aber nein, nicht einmal dazu war sie imstande. Er hatte also das Gefühl genauso gut wieder verschwinden zu können, um sich über die Probleme den Kopf zu zerbrechen, die es wirklich wert waren. Einzig und allein Lucias absurde Erklärung hielt ihn bei ihr fest. Da war sie ja wieder mal ganz witzig drauf. Aha, der Herr Consular wollte seine liebste Tiberia ertränken. Ja klar. So wie sie es sagte, musste es wohl mit den Briefen zusammenhängen. Selbst dann machte es aber wenig Sinn. Seine Frau brauchte nur ein paar Briefe, gefüllt mit praktisch nichts als blöden Witzen, mit einem kleinen Centurio zu wechseln und der Consular drohte bereits damit, sie zu ermorden? Das wäre ja fast schon komisch. Aber nur fast.
    "Wovon redest du da bitte?", fragte er sie stirnrunzelnd nach Einzelheiten, "Warum bitte sollte der Consular dich ertränken wollen? Hast du mich als deinen Liebhaber verkauft oder was?"

    Ab morgen bis zum 18.09. kann es zu längeren Wartezeiten kommen. Ich schau, dass ich mit schreiben hinterherkomme, wenn's mal nicht klappt, seid ihr vorgewarnt. Und sollte etwas dringend sein oder jemand das Gefühl haben, dass er/sie vergessen wurde, dann bitte ich um eine PN. ;)

    "Nein, nicht Aviana ... aber Silana? Warum nicht? Ist doch ein hübscher Name mit iunischer Tradition." Lächelnd stieß Avianus Seneca leicht in die Seite. "Oder auch Luculla, nach meinem Vater." Oder Cara. Dann hätte er eine zweite Carissima. "Wer weiß, velleicht wird's ja doch ein Junge, dann brauchst du dir gar nicht erst Sorgen zu machen." Daran, dass gar nichts daraus werden könnte, sondern während der Schwangerschaft oder der Geburt etwas schief lief, wollte er heute nicht zu viele Gedanken verschwenden. Sie passten ja auf, versuchten, alles richtig zu machen. Mehr konnten sie nicht tun. Und sich von Dingen, die nicht zu ändern oder zu verhindern waren, verrückt machen zu lassen, half niemandem.
    "Also nein, Axilla und Silanus wissen über beides noch nichts", meinte er dann noch, "Du wirst bestimmt erfahren wie dann alles ausgegangen ist, sobald ich mit allen gesprochen habe. Solltest du dann nach Germania gehen, schreib mir einfach, sobald du gut dort angekommen bist. Und wenn ich Glück habe, ist dann hier in Rom auch schon alles geklärt."

    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/2qx22i8.jpg]
    Manius Triarius Seianus
    MILES · COHORTES URBANAE


    "Das steht vermutlich in der Tabula", antwortete Barba dem Germanicus. Seianus stand unterdessen etwas irritiert da. Wie das passieren konnte? Auf hundert verschiedene Arten. Wie immer, wenn man Soldat war. Am besten las der Mann den Bericht des Centurios.
    "Centurio Iunius Avianus, Cohors XII Centuria III. Steht vermutlich ebenfalls in der Tabula", ließ auch Seianus den aufgebrachten Germanicus wissen und war heilfroh, als sie endlich vom Türsklaven erfuhren, was sie nun mit dem Toten machen sollten.
    "Ja wie jetzt? Bewegt euch endlich, Tirones!", blaffte er die jungen Urbaner an, die immer noch faul herumstanden, anstatt den Karren heranzuschaffen. Und reintragen sollten sie ihn auch? Die waren schon witzig, die Germanicer. Hoffentlich sprangen da wenigstens ein paar Asse Trinkgeld bei raus. Der Karren wurde also zur Tür geschoben, der Leichnam heraus gehoben und ins Haus getragen.

    Avianus lachte. Schon immer liebte er solche Unterhaltungen, ob mit Seneca, Lucia oder sonstwem. Und diese kleinen Scherze und Sticheleien mit Seneca würde er bestimmt ganz besonders vermissen, wenn sein Vetter und dessen Frau in den Norden zogen. Auch Briefe kamen da nicht ran, wusste er schon aus Erfahrung.
    "Das war schon immer mein Plan … alles so zu machen wie du, mit dem einzigen Unterschied, dabei noch verdammt gut auszusehen", gab er breit grinsend zurück. Seneca wollte ihn aufziehen, aber das konnte er natürlich auch. "Hmhmhm", lachte er dann noch einmal leise, "Drück mir am besten noch die Daumen, damit es ein Mädchen wird." Das würde dem ganzen noch die Kirsche oben draufsetzen.
    Was Silanus und Axilla betraf war Avianus sich nicht ganz sicher, worauf Seneca genau hinauswollte.
    "Worüber? Über das Kind? Noch nicht. Axilla wird es vermutlich erfahren, sobald wir wieder in Rom sind. Immerhin soll Sibel ja demnächst in die Casa Iunia umziehen. Oder meinst du wegen dem heiraten?" Aber ganz egal, was gemeint war, über beides wussten sie nichts. Von Sibels Schwangerschaft hatte er selbst erst kurz vor Senecas Hochzeit erfahren und seine Sklavin zu heiraten, da druckste er zwar schon ewig herum, aber war sich nie sicher genug gewesen, um darüber ausführliche Gespräche mit jemand anderem als Seneca zu führen.

    Und wie recht er gehabt hatte! Da war sie, einmal mehr, und hatte nun auch ihn erkannt, verhielt sich aber ganz anders als sonst.
    Da zog Avianus im Dunkeln die Brauen hoch, als sie ganz ohne ihre sonstige Zurückhaltung konterte. Blödsinn? Er redete ganz bestimmt keinen Blödsinn. Er wollte seine Ruhe, das war alles. Er hatte sich doch ziemlich unmissverständlich ausgedrückt, erst recht für Frauenverhältnisse.
    "Wer zwingt dich denn herzuschauen?", gab er ganz ungeniert zurück und stand noch immer dort, wo er zuvor stehen geblieben war. Ihr neckender Tonfall kam bei ihm nicht so recht an. Was wollte sie überhaupt? Eine nette Unterhaltung?
    Aber wenn er es noch einmal überdachte, vielleicht war es gar nicht so übel, ihr hier über den Weg zu laufen. Die Tiberia hatte ihn immerhin ganz schön hängen gelassen. Und das wollte er so nicht auf sich sitzen lassen. Während der Hochzeit hatte er geschwiegen, aber hier waren sie allein. Kein Konsul, kein Brautpaar, keine Sibel. Nicht, dass ihm ihre Aufmerksamkeit wahnsinnig viel bedeutete, nein, es ging ums Prinzip. Aber sowas von. Gezwungenermaßen, weil sich eine solche Gelegenheit nicht mehr so schnell bieten würde – denn wann traf er Lucia sonst jemals unter vier Augen? –, und entschlossen zugleich, stapfte er durchs Dunkel auf weiter sie zu und blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an.
    "Schreib mir doch einen Brief, wenn du was zu sagen hast", sagte er bissig, "Oder hast du das verlernt, liebreizende Tiberia?"

    Ganz verrückt war er also doch nicht. Da kam tatsächlich eine Antwort, es sei denn, die bildete er sich auch ein. Und noch dazu kannte er die Stimme. Oder er glaubte zumindest, sie zu kennen. Die Tiberia? Hier? Das wäre erst recht Schwachsinn. Nur hatte sich in seinem Leben diverser Schwachsinn allzu oft als die pure Realität herausgestellt.
    "Lucia?", fragte er deshalb kurzerhand zurück und ließ ihre Frage unbeantwortet. Er trat etwas näher an die Bank, um die Gestalt so etwas besser erkennen zu können. Ein Unterfangen, das in dem dämmrigen Licht, das die Sterne und die Mondsichel nach unten in den Garten warfen, nur mit mäßigem Erfolg gekrönt war. Trotzdem war er sich sicher. Ja klar war sie das. Die Götter hatten sich mit ihnen beiden ja schon öfters derartige Scherze erlaubt, noch einer mehr verwunderte ihn da eigentlich gar nicht. Nicht einmal hier war er vor ihr sicher. Irgendwo in einem Garten in den Albaner Bergen, mitten in der Nacht. Stellte sich nur die Frage, was zum Tartarus sie hier machte. Eigentlich. Avianus war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, als dass ihn das übermäßig interessiert hätte. Dabei hätte ihn ihre Gegenwart nicht einmal direkt gestört, wäre er nicht in erster Linie in den Garten gekommen, um seine Ruhe zu haben.
    "Ich kann mir auch gerne eine andere Ecke suchen, wenn das hier deine ist."

    Es war spät, am Abend war einiges los gewesen, und trotzdem konnte er kein Auge zumachen. Lange genug hatte Avianus neben seiner bereits schlafenden Sibel gelegen, während ihm unzählige Gedanken durch den Kopf schwirrten. Er war nicht unruhig gewesen oder mehr in Sorge als sonst, einfach nur nachdenklich. Senecas Hochzeit hatte ihn ins Grübeln gebracht. Hätte er Sibel geweckt und ihr davon erzählt, bestimmt hätte das geholfen. Aber unmöglich konnte er ausgerechnet seine schwangere Geliebte wecken, nur damit sie ihm beim Einschlafen half. Und er war ja ein erwachsener Mann, ein Centurio, und kein kleines Kind mehr. Vielleicht würden ein paar Schritte an der frischen Luft Abhilfe schaffen, sodass er durch das Haus nach draußen gewandert war.
    Noch war davon jedenfalls nichts zu spüren. Da waren sie immer noch, diese Gedanken, die sich an seinen Verstand geheftet hatten und ihn einfach nicht losließen. Er könnte Sibel auch ganz einfach heiraten, dann wäre auch das Kind kein Problem mehr, und alles, bis auf Sibels Vergangenheit, und die ließ sich ja nicht ändern, wäre alles in Butter. Wovor hatte er solche Angst? Davor, den Rest seines Lebens als Centurio zu verbringen? Er machte seine Arbeit doch gerne. Nein, keine Angst, es war dieses Gefühl, sich eingestehen zu müssen, dass er die Grenzen des Möglichen erreicht hatte, das ihm nicht gefiel, dass es von hier an nicht weiter ging und er an einem Punkt angelangt war, an dem er einfach das Beste daraus machen musste, und so würde es dann eben sein. Von jetzt an passierten keine Wunder mehr, es gab weder zusätzliche Verwandte, die er noch um Hilfe bitten konnte, noch gab es etwas, dass sie für ihn und Sibel tun könnten, da waren keine Zimmer in Tabernen mehr zu mieten, keine Lupanarbesitzer mehr, mit denen er gefühlte Ewigkeiten verhandeln musste. Da war nur noch er, der sich endlich entscheiden musste. Und dafür war er scheinbar zu blöd.
    Mit zerknirschtem Ausdruck im Gesicht wanderte er durch die Gärten, blickte zum Himmel hoch, in der Hoffnung, der Anblick der Sterne würde ihn ein wenig ablenken, und wieder hinab. Was machte er hier eigentlich? Er glaubte doch nicht wirklich, dass das hier irgendeinen Sinn machte? "Schwachsinn", flüsterte er sich gerade selbst zu, als ihm eine Gestalt auffiel, die unweit von ihm auf einer Bank Platz genommen hatte.
    "Ähm ... salve?", grüßte er mit fragendem Ton und mehr der Höflichkeit halber. Vielleicht sah er auch schon Gespenster und da war gar niemand. Denn wer sonst außer ihm kam noch auf die Idee, sich irgendwann nachts allein in die Gärten zu schleichen.

    Senecas Worte stimmten ihn ein wenig nachdenklich. So hatte er darüber noch gar nicht nachgedacht. Sein Vetter hatte sich genauso entscheiden müssen, was ihm wichtiger war. Es stimmte. Es gab Situationen, da musste man etwas opfern. Entweder das eine oder das andere, und eigentlich wusste er es schon lange, nur zögerte er seine Entscheidung ständig hinaus, so als würde sich sein Dilemma dann von selbst lösen. Tat es aber nicht.
    "Nein, du nicht, Axilla auch nicht, keiner von euch. Nur ich habe es von mir verlangt. Aber damit kann ich leben. Du hast natürlich Recht. Der Ordo Equester läuft mir vorerst nicht davon. Ich werde das mit Sibel klären und sehen, was sie dazu meint", sagte Avianus nickend, "Ich kann sie ja nicht zwingen. Naja, theoretisch schon, aber du weißt, was ich meine …" Da musste er dann wieder unwillkürlich grinsen, bis sein Grinsen zu einem ehrlichen, dankbaren Lächeln wurde, als sein Verwandter zustimmte, auf Sibel und auch das Kind, wenn es dann auf der Welt wäre, aufzupassen, falls es nötig wäre. Damit nahm er ihm eine große Last von den Schultern. Er wusste, Seneca würde sein Wort halten, auf ihn konnte er schon immer zählen.
    "Ach was, du mit deiner Schreibtischarbeit … pass einfach auf, dass du nicht über Teppiche oder Türschwellen stolperst", witzelte er zunächst wie so oft schon, "Und ich … ich tu' was ich kann. Aber im Ernst, das bedeutet mir viel. Ich kann dir dafür gar nicht genug danken."

    "Wenn ich Sibel und das Kind abgesichert wissen will, bleibt mir sowieso nur ein Weg. Ich habe nicht wirklich das Gefühl, eine Wahl zu haben", sagte Avianus und lachte bitter, "Andererseits, ohne Ritterring und einer hübscheren Tunika könnte ich trotzdem ganz gut leben. So wie jetzt eben auch und mir geht's so gut wie lange nicht. Wenn ich aber Sibel und dazu noch dieses Kind aufgeben müsste ... ich glaube nicht, dass ich das könnte. Könntest du's? Seiana und Silana einfach aufgeben?" Es war wohl wirklich eine schlechte Idee gewesen, sie in seine Habitatio einziehen zu lassen. Sie war da, jeden Tag, jede Nacht. Jeden Morgen, wenn er aufwachte, lag sie da, und Abends wenn er sich wieder schlafen legte. Er konnte sich gar nicht mehr recht vorstellen wie es war, nach Hause zu kommen - denn ja, seit sie da war, war seine zuvor noch ziemlich leere Habitatio wirklich sein Zuhause geworden - und alleine dazusitzen und sich eine mehr schlecht als recht zubereitete Mahlzeit in den Rachen zu werfen. So sehr hatte er sich an sie gewöhnt. Und gleichzeitig war sie zu sich zu nehmen das beste, was er je getan hatte.
    "Da wäre dann noch eine Sache. Du weißt, als Soldat kann einem immer etwas zustoßen. In den Mannschaftsrängen erst recht und wenn ich dann noch die nächsten Jahre Centurio bleibe … Ich habe zwar nicht vor in absehbarer Zeit ins Gras zu beißen, aber wenn mir etwas passiert, denkst du, du könntest auf sie achtgeben? Sie hat keine eigene Familie, die dann für sie sorgen könnte und nur wenige Freunde. Und du bist der einzige, den ich wegen sowas fragen würde."

    "Davon wusste ich gar nichts …", kommentierte Avianus knapp und ein wenig betroffen, und wusste nicht, was er dazu noch sagen sollte. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte Seneca mit einer Handvoll Veteranen ihren Rückzug gedeckt und riskiert, in den letzten Minuten der Schlacht noch von einem gegnerischen Gladius durchbohrt zu werden, während irgendwo in Rom seine Geliebte sein Kind austrug. Und Avianus hatte es nicht einmal ahnen können, hatte sich unter den Gefangenen noch aufgeführt, anstatt seinem Verwandten eine Hilfe zu sein, der anscheinend weitaus mehr Sorgen mit sich herumgetragen hatte, als es den Anschein gehabt hatte. Nein, da wollte er lieber gar nicht genauer darüber nachdenken. Außerdem bedeutete das auch, dass Seneca ihm wohl oder übel weit weniger Ratschläge bieten könnte, als er sich erhofft hatte.
    "Dass ich Sibel freilasse, steht schon fest. Ich lasse nicht zu, dass dieses Kind unfrei zur Welt kommt. Aber wenn ich sie dann verheimliche, wohin soll das führen? Welche Chancen hat ein vaterloses Kind, das eine ehemalige Sklavin zur Mutter hat? Je länger ich es verheimliche und weiter die Karriereleiter hochklettere, desto mehr entferne ich mich von der Möglichkeit, irgendwann etwas daran ändern zu können. Egal wie lange wir warten, sie wird nie eine vollwertige Bürgerin sein."
    Er hingegen würde entweder Centurio bleiben oder gar aufsteigen, während Sibel in ihrem Stand als Liberta festsaß. Gut, das Kind könnte er immer adoptieren, und wenn es den Namen seiner Gens trug, wenn auch nur über seine Mutter, würde es Außenstehenden nicht groß auffallen. Nur mehr wäre dann nicht mehr drin. Und am Ende heiratete er irgendeine Frau, die er gar nicht wollte, und die noch dazu blöde Fragen stellte, woher das Kind kam.
    "Im Prinzip weiß ich das alles, ich habe nur immer die Hoffnung, dass ich vielleicht eine Option übersehen habe", erklärte er mit einem schmalen Lächeln, "Und ich komme wohl nicht daran vorbei mit ihr darüber zu reden, aber du hast ja mitbekommen, was beim letzten Mal passiert ist. Vielleicht hat sie ihre Meinung inzwischen geändert. Ich hoffe es."

    Dazu brauchte man eigentlich nicht im Stab zu sein. Sein jetziger Optio hatte seinen Posten erst seit kurzem und ein paar seiner besten Soldaten hatte er an die Prätorianer abgetreten, was dazu führte, dass gerade eine volle Centurie an Kindsköpfen unter dem Kommando eines weiteren Kindskopfs in Rom herumsaß um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Am besten dachte er gar nicht lange darüber nach. Musste er auch gar nicht, denn da war ja dieses andere wichtige Thema. Und Seneca reagierte glücklicherweise genau so, wie Avianus es sich erhofft hatte.
    "Ganz ehrlich? Ich weiß es selbst nicht. Eigentlich freue ich mich ja darüber, aber die Umstände sind eben … etwas ungünstig, gelinde gesagt." Er wusste, den beiden, Sibel und dem Kind, würde es im Grunde an nichts mangeln, dafür würde er sorgen. Sie würden ein Dach über dem Kopf haben und genug zu essen, und sie würden frei sein. Aber war das wirklich alles, worauf sie hoffen konnten? Ja. Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit. Früher hatte ihm das gereicht, damals war Sibel aber auch nicht schwanger gewesen. Sein Kind würde nämlich aufwachsen als das uneheliche Kind einer ehemaligen Sklavin, ein iunisches Kind, das im Grunde froh sein konnte, im Gegensatz zu seiner Mutter überhaupt das volle Bürgerrecht zu haben.
    "Ich habe schon darüber nachgedacht, die Sache mit der Ritterkarriere vorerst auf Eis zu legen und sie einfach zu heiraten, nachdem ich dich und Seiana so gesehen habe, … und darauf zu hoffen, irgendwann einen Patron zu finden, dem egal ist, mit wem ich verheiratet bin. Nur glaube ich nicht, das Sibel das wollen würde. Und ich hasse es, einfach aufgeben zu müssen."
    Sie machte sich so schon ständig Sorgen, ihm ein Klotz am Bein zu sein. Was sie auch war, in gewisser Weise. Aber er hatte es sich so ausgesucht, er wollte es so. Und was er aufgeben wollte oder nicht war eigentlich seine Entscheidung. Es war schon schwer genug gewesen, Sibel für seine Karriere hintanzustellen. Und jetzt noch ein Kind? Es wäre die einfachste Lösung, das war eindeutig klar. Seine Karriere war das einzige, was ihnen im Weg stand und sich ändern ließ, denn was ihren Stand betraf, war ja nichts zu machen. Er müsste lediglich einen letzten Schritt wagen, sich lossagen von diesem kleinen Traum, bis in die höchsten Ränge aufzusteigen. Dafür würde er seine neue, eigene, kleine Familie haben.
    "Wie war das bei euch, als Seiana schwanger war? Hattet ihr damals schon einen Plan?"

    "Also ich hätte gewettet, dass du seit neuestem besonders gut schläfst", entgegnete Avianus lächelnd und sah auf. Wie das wohl war, wenn die Frau, die man liebte, ein für alle Mal zu einem gehörte. Man es nicht mehr zu verstecken oder zu verschweigen brauchte, und sie einen, wo man auch hinging, begleiten konnte.
    "Und ich … normalerweise hätte ich kein Problem damit gehabt, noch etwas liegen zu bleiben. Da sind ja kein Berg Arbeit und mehrere Dutzend Männer, die auf mich warten." Ein paar Sekunden lang schwieg er, ging weiter neben Seneca her und genoss die Aussicht. Keine dreckigen Straßen, engen Gassen und mehrere Stockwerke hohe Hauswände, und auch der Lärm fehlte. Nichts lenkte einen ab, man konnte über alles nachdenken, in Ruhe, ohne Eile. Was Fluch und Segen zugleich sein konnte, je nachdem, was einen beschäftigte. Und genau das war es für ihn. Denn sowie er ständig an das Kind dachte, sorgte er sich mindestens so sehr, wie er sich freute. Aber sich deswegen immerzu allein den Kopf zu zerbrechen, brachte ihn nicht weiter. Blieb nur zu hoffen, dass ein kleines Gespräch mit seinem Vetter half. Also gut, raus damit. Wie er es sich zuvor schon gedacht hatte. Ganz einfach.
    "Es gibt etwas Wichtiges, worüber ich mit dir reden wollte", begann er in ernsterem Ton, "Sibel hat während der Feier nicht grundlos auf Wein verzichtet. Sie ist schwanger, Seneca." Abwartend blickte er seinen Vetter an und konnte nicht verhindern, dass doch noch der Anflug eines Lächelns über seine Züge wanderte, wenn er an Sibel dachte.

    Avianus wusste, er musste Seneca davon erzählen. Es war das einzig richtige, nachdem der ihm alles erzählt hatte, was es über ihn und Seiana zu wissen gab. Und wenn es jemanden gab, dem er davon erzählen konnte dann war es vermutlich sein Vetter. Aber musste? Konnte? Nein, er wollte auch. Es war ihm wichtig, dass Seneca davon wusste, dass Sibel schwanger war. Er hatte nämlich keine Ahnung, was da auf ihn zukam, während Seneca schon länger eine kleine Tochter hatte. Es hatte also genügend Gründe gegeben, einem Sklaven aufzutragen, seinen Verwandten zu ihm nach unten zu schicken. Ein kleines Gespräch unter vier Augen und gleichzeitig ein paar Schritte an der frischen Luft waren sicher keine schlechte Idee. Also stand er da und wartete, und unterdessen fragte er sich, was er wohl sagen sollte. Dabei spielte es nicht einmal eine Rolle, denn er war sich sicher, dass er Seneca in der Hinsicht vertrauen konnte, sodass eine simple Erklärung reichen würde. Kein langes Herumreden oder vorsichtiges Herantasten. Trotzdem war es wahrscheinlich normal, bei solchen Dingen zumindest ein wenig nervös zu sein. Es war eben nichts alltägliches, nichts worauf ihn jemals irgendwer vorbereitet hätte. Es war einfach passiert. Im Prinzip von einer Sekunde auf die andere, als Sibel ihm gestanden hatte, dass sie schwanger war. Da stand er plötzlich da, mit dem Wissen, bald nicht nur für Sibel und sich selbst sorgen zu müssen, sondern auch noch für ein Kind. Wenn denn alles glatt lief. Genauso gut könnte er sie beide auf einen Schlag verlieren. Ja, er war nervös, in jeder Hinsicht, selbst wenn er es vor Sibel zu verstecken versuchte, solange sie nicht gerade an Wein nippte oder sonst etwas tat, das schädlich sein konnte. Und insgeheim hoffte er, Seneca würde ihm irgendetwas sagen können, das dagegen half.

    Zitat

    Original von Beroe
    Für ein wenig Ablenkung sorgte dann ihr Begleiter, als er ihr von seiner Beziehung zu der Tiberia berichtete und wie sie einander kennengelernt hatten. Scheinbar kannte er die Patrizierin fast schon solange, wie er sie kannte. Dabei hatte er in all der Zeit nicht ein einziges Wort über diese Frau verloren, was an sich doch schon seltsam war. Aber wahrscheinlich bedeutete sie ihm nichts oder er betrachtete es einfach als unwichtig. Und im Grunde hatte er nie viel über seine Arbeit erzählt, wenn er zu ihr gekommen war. Vielleicht war es ja gerade das, was ihn am Anfang, und vielleicht auch jetzt noch, zu ihr geführt hatte, weil er in ihren Armen für eine Weile davon Abstand nehmen konnte. Dennoch hatte er ihre Briefe aber erwidert, die sie im aus purer Langeweile geschrieben haben musste. Nein, in Sibel erwachte nicht die Eifersucht. Denn sie wusste, noch mehr als sie, war die Tiberia wohl unerreichbar für ihn. Niemand würde es zur Kenntnis nehmen, wenn er sich mit seiner Sklavin vergnügte. Doch wenn man ihm das Verhältnis zu einer Patrizierin nachsagen konnte, die zudem auch noch verheiratet war, dann konnte das weite Kreise ziehen. Zumal sie inzwischen ja durch ihren Gatten gewissermaßen in der Öffentlichkeit stand. Und Avianus war sicher nicht der Typ Mann, der sich wegen einer solchen Affäre unglücklich machen wollte. Sibel warf noch einmal einen flüchtigen Blick zu der Tiberia hinüber. „Und jetzt schreibt sie dir nicht mehr?“, wollte sie wissen.


    Erwartungsgemäß fragte Sibel weiter. Dass ein kleiner Soldat, wie er es damals noch gewesen war, über längere Zeit mit einer Patrizierin Briefe schrieb, war alles andere als gewöhnlich, dass sie mehr darüber wissen wollte, konnte er also verstehen.
    "Nein, sie hat aufgehört. Das letzte Mal habe ich geantwortet …" Kurz grübelnd tippte er mit dem Zeigefinger an seinen Becher. Ewig her war's, soviel stand fest. "… das war, irgendwann zwischen meinem Besuch damals, als ich dir die Kette und die Tabula mitgebracht habe, und deinem Einzug bei mir. Und sie hat danach nicht mehr zurückgeschrieben."
    Warum hatte er Sibel eigentlich nie von der Tiberia erzählt? Vermutlich weil er die meisten Briefe mit ihr gewechselt hatte, als er seine Geliebte noch für tot gehalten hatte. Und danach war Lucia einfach nicht wichtig genug gewesen. Würde er der Patrizierin das ins Gesicht sagen, sie wäre bestimmt empört, dass eine Hure oder Sklavin – oder beides – wichtiger sein könnte, als die Gattin des Consulars. Aber es war so, für Avianus jedenfalls. Und die letzten Wochen und Monate hatte er praktisch keinen Gedanken an seine Brieffreundin verschwendet, denn es war definitiv genug los gewesen, wenn nicht sogar etwas zu viel. Vielleicht war es Lucia ja ähnlich ergangen? Eine Entschuldigung wäre das aber wohl kaum. Denn er hätte bestimmt zurückgeschrieben, hätte er einen Brief von ihr erhalten.
    "Wer weiß schon, warum … vermutlich ist ihr einfach nicht mehr langweilig. Das gemeinste ist, sie hat mich in ihrem letzten Brief vor ein Rätsel gestellt und bis heute hat sie mir die Lösung nicht verraten", kam es ihm dann noch in den Sinn. Das Rätsel um Ceres, natürlich. Wenn das mal nicht unfair war. Dabei interessierte ihn die Lösung gar nicht mal so sehr wie ihre Reaktion auf seinen bissigen Kommentar, den er damals unter seine Antwort gesetzt hatte. Inzwischen wusste er ja ganz gut, dass Frauen ihre Schwierigkeiten damit hatten einfach zu sagen, was sie dachten oder wollten, aber die Tiberia hatte in der Hinsicht ein ganz besonderes Talent.

    Das Partnerboard steht und doch sind wir noch immer auf der Suche nach Möglichkeiten, den Bekanntheitsgrad unseres Forums innerhalb der Foren-RPG-Gemeinde zu steigern.
    Das IR macht deswegen neuerdings auch im Charakter Search Board auf sich aufmerksam, wo zahlreiche Foren-RPGs für sich werben und nach Spielern für bestimmte Charaktere suchen. Damit davon auch einzelne Spieler des IRs profitieren können, bieten wir jedem unserer Mitspieler an, seine Gesuche im Stellenanzeigen-Thread durch die Werbe-Moderatoren auch im CSB veröffentlichen zu lassen.
    Ob ihr diesen Wunsch über eine kleine Bemerkung in eurem Beitrag im Stellenanzeigen-Thread oder durch eine PN an Aulus Iunius Seneca oder mich bekannt gebt, sei dabei euch überlassen. Diese Gesuche werden dann in uns Werbe-Mods ins CSB übernommen. Das kann helfen, wesentlich schneller einen Spieler für den gewünschen Charakter zu finden, und gleichzeitig, unsere Spielerschaft zu vergrößern, und nutzt damit dem gesamten IR.


    Außerdem bitten wir euch, solltet ihr vorhaben, euer Gesuch ins CSB stellen zu lassen, eure Vorstellungen von dem gesuchten Charakter möglichst genau zu erklären (Aussehen, Charakter, Alter und Vorgeschichte etc.) oder eben auch, wo ihr dem Spieler, der den Charakter eventuell übernehmen möchte, Freiheiten lassen würdet.