Sibel holte ihn ein Stück weit aus seinen Gedanken in die Wirklichkeit zurück. Flüchtig warf er einen Blick über die Schulter und sah sie in der Tunika, die sie sich übergestreift hatte, und mit der Öllampe in der Hand im Türrahmen stehen.
"Hm …? Nein … nichts, ich …", sagte Avianus zunächst mit belegter Stimme und hatte eigentlich so tun wollen, als wäre alles in Ordnung. Doch selbst er bemerkte, wie es ihm nicht so recht gelingen wollte. Er schob die Brauen zusammen und die Tabula, die er vor sich liegen hatte, von sich weg, um sich mit einem Arm auf den Tisch lehnen zu können, während er sich mit den Fingern der anderen Hand die Nasenwurzel rieb, und sah sich danach noch einmal nach Sibel um. Sie verstand es, alles Schlechte aus seinen Gedanken zu verscheuchen, so wie ein nur allzu bekanntes und gleichzeitig viel zu blasses Gesicht und darunter eine blutverschmierte Kehle, aber sie wirkte müde, und dass sie sich in letzter Zeit nicht ganz so blendend fühlte, hatte auch er schon bemerkt. Und wer wusste schon, wie lange sie bereits wach war. Vermutlich hatte der Miles an der Tür sie geweckt oder er selbst. Am besten sie legte sich wieder ins Bett. Früher oder später würde auch ihm am Schreibtisch die Augen vor Müdigkeit zufallen und er würde wieder zu ihr ins Schlafzimmer gehen. Sie mit solchen Problemen zu belasten, oder dass sie am Ende gar mit ihm gemeinsam wach lag, war das Letzte, was er wollte.
"Du solltest dich wieder hinlegen …", sagte er deshalb schlicht.
Beiträge von Aulus Iunius Avianus
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Sein Versuch, Axillas Aufmerksamkeit ein wenig von Seneca auf ihn zu lenken, verfehlte sein Ziel vollkommen. Avianus erhielt lediglich eine Anfuhr und fand sich recht schnell wieder am Rand der Unterhaltung wieder. Zerknirscht blieb er sitzen und erlebte mit, wovor Seneca ihn immer gewarnt hatte.
"Ist das echt euer Ernst?!", platzte es schließlich aus ihm heraus. Bisher hatte er sich bemüht, ruhig zu bleiben, aber was er jetzt aus Senecas Mund hören musste und vor allem dessen Ton, brachte ihn dazu sich von seinem Sessel zu erheben. Das klang ja fast so, als würde sein Vetter tatsächlich einknicken.
"Er ist immer noch ein Iunius, er gehört zu uns. Ohne ihn wäre ich heute vielleicht gar nicht hier, für mich wird das also immer so sein. Und solange er ein Teil dieser Familie bleiben will und ihr durch seine Entscheidungen nicht schadet, sollte das verdammt nochmal auch für euch so bleiben."
Er spürte wie er langsam in Fahrt kam und hatte gar nicht vor zu bremsen, selbst wenn er nicht daran glaubte, dass er hier etwas ändern würde, aber er hatte es satt, mehr oder weniger ignoriert zu werden, während Axilla und Seneca sich darüber stritten, wer wodurch die Familie kaputt machte.
"Ihr könnt euch rausreden wie ihr wollt, anderen oder euch gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, aber dass ihr beide es selbst seid mit eurem Streit, die dieser Familie schaden, sieht sogar ein Blinder. Nicht einer von euch, und Seiana schon gar nicht. Selbst wenn sie es tatsächlich wollte, Seiana könnte dieser Familie nicht mehr Schaden zufügen, als ihr es gerade tut."
Dann wandte er sich direkt an seine Cousine, um ein letztes Mal an ihr Verständnis zu appellieren: "Ich habe keine Ahnung, was zwischen euch vorgefallen ist, Axilla, aber warum sollte sie ausgerechnet Seneca heiraten, wenn sie die Iunii zerstören will? Sie erhält durch diese Ehe keinen Vorteil. Das alles macht doch gar keinen Sinn. Lass ihn diese Frau heiraten, wenn er mit ihr glücklich ist. Mehr brauchst du gar nicht zu tun. Keiner sagt, dass du es gutheißen musst." -
Vollkommen in Gedanken versunken tappte er zurück zu seiner Habitatio, selbst wenn er nicht wusste, was er jetzt noch dort wollte. Schlafen? Ja, sicher. Als könnte er jetzt auch nur ein Auge zu machen. Sibel war dort, aber sie schlief sicher wieder, falls sie überhaupt aufgewacht war, und er würde sie mit dem Tod seines Optios bestimmt nicht mitten in der Nacht belasten. Doch wo sonst sollte er hin. Avianus hatte weder Sagum noch Geldbeutel mitgenommen und mit nichts als Tunika und Gürtel würde er nirgendwo hingehen. Ein anderer Weg stand ihm also gar nicht offen. Und war es im Grunde nicht ohnehin egal, wo genau er gedankenverloren vor sich hin starrte? Es spielte keine Rolle. Er brauchte einfach nur eine Pause, ein wenig Zeit zum Nachdenken.
Möglichst leise schlüpfte er wieder ins Innere der Unterkunft und hielt einen Augenblick lang inne, bedrückt die Lippen zusammengepresst und auf den Boden starrend, bevor er die Klinke losließ und, ohne sich weiter umzusehen, im Arbeitszimmer verschwand. Während er um den Schreibtisch ging, stellte er die Lampe darauf ab, griff nach einer leeren Tabula und setzte sich schließlich. Über die Tabula gebeugt drehte er den Stilus zwischen den Fingern. Wenn er schon hellwach war und unfähig, sich erneut ins Bett zu legen, könnte er zumindest einen Teil der Schreibarbeit schon jetzt erledigen. Aber auch dafür schien er gerade keinen Kopf zu haben. Immer wieder setzte er den Stilus an und schrieb doch kein Wort. Selbst konnte er es noch immer nicht recht fassen, wie sollte er da einen Brief an Antias Familie schicken oder schon jetzt seinen nächsten Optio bestimmen. Schwer schluckend legte er den Stilus ab, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und blickte die gegenüberliegende Wand an.
Daran, was wohl geschehen würde, wenn ihm dasselbe passierte, wollte er eigentlich gar nicht denken, konnte er aber nicht verhindern. Sibel etwa würde ohne ein Testament an Axilla gehen. Seneca würde noch ein Familienmitglied verlieren. Natürlich passte er auf sich und seine Leute auf, aber Antias hatte stets dasselbe getan. -
Auf dem Weg von seiner Habitatio zum Valetudinarium hastete der ohnehin schon merklich abgehetzte Miles hinter Avianus her. Nein, für eine Verschnaufpause war jetzt definitiv keine Zeit. Er wollte wissen, was wirklich los war, es sehen, damit er es nicht mehr als bösen Scherz abtun konnte. Gleichzeitig hörte er aber dem Miles, der hinter ihm versuchte, das Geschehene in Worte zu fassen, kaum zu. Er hatte in seinen Dienstjahren ja schon einiges erlebt, aber auf das hier traf auch ihn unerwartet.
"Es war dunkel Centurio ... so verdammt dunkel ... und dann waren da diese Schläger ... und einer kam von hinten ... direkt am Hals hat der den Pugio angesetzt, durch den Focale ... und als wir es gemerkt haben ... da war es viel zu spät", japste der junge Miles, "Ich bin gleich zur Castra ... um den Karren zu holen, und dann wieder hierher ... und gleich zu dir, Centurio, ... um Meldung zu machen ... Calavius ... der hat auch was abgekriegt, wird aber schon versorgt ..."
Das Valetudinarium kam in Sicht, den Karren davor und den Rest der Patrouille konnte er schon jetzt im Schein einer weiteren Lampe sehen. Ein Anblick, der ihn seine Schritte noch beschleunigen ließ, bis er endlich vor dem Karren stand und einen Blick hineinwerfen konnte. Als er sich über den Rand des Karrens beugte, war auch der Miles endlich still. Ein Toter lag darin, soviel konnte er schon einmal feststellen, notdürftig zugedeckt mit einem Sagum, vermutlich seinem eigenen. Sie hatten sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, in hineinzutragen.
Wie ein heftiger Tritt in die Magengrube, so fühlte es sich an, als er sich dazu durchrang, den Stoff zurückzuschlagen, und in das blasse, leblose Gesicht seines Optios blickte. Blut hatte sich unterhalb seines Halses ins Holz gesogen. Ein gezielter Stich zwischen Wangen- und Nackenschutz des Helms ... mehr war nicht nötig, um einen der besten Männer der Einheit zu verlieren. Erst hatte er es für einen schlechten Scherz gehalten, als der Miles ihm keuchend die Nachricht überbracht hatte. Aber da lag er, der Germanicus, der letzte, von dem er erwartet hätte, ihn am Ende dieses Tages tot zu sehen, und machte keine Regung mehr. Er spürte schon jetzt den Kloß im Hals. Währenddessen ruhten die betretenen Blicke seiner Soldaten auf ihm und warteten auf Befehle ... oder zumindest eine Reaktion.
"Ruht euch aus, Milites. Ich will, dass ihr keinen großen Wind darum macht, verstanden? Der Rest der Einheit wird morgen beim Appell informiert. Ich brauche meine Leute ausgeschlafen ... Dienst vorerst wie gehabt. Abite ...", brachte er doch noch Anweisungen zusammen, um seine Soldaten nicht weiter verloren herumstehen zu lassen. Mit unverändert betroffenen Mienen zogen die Soldaten ab, während er selbst noch beim Karren stehen blieb und abwartete, bis er mit dem toten Optio allein zurückblieb.
"Ich wusste ja, ich würde dich bald gehen lassen müssen … aber doch nicht so", begann Avianus und merkte, wie ihm die Worte fehlten. "Scheiße ..."
Er lehnte sich mit den Ellbogen an den Rand des Karrens, verschränkte die Finger seiner Hände und blickte hinab auf den toten Kameraden. Dass die eigene Einheit praktisch zur Familie gehörte, war allgemein bekannt, bei Antias war es noch etwas anders gewesen. Der, der da lag, ... er hatte dessen Grundausbildung miterlebt, Empfehlungen geschrieben, ihn zum Optio gemacht. Er hatte so wahnsinnig viel Potential in diesem Mann gesehen, dafür sorgen wollen, dass es voll ausgeschöpft wurde. Und ganz plötzlich war es vorbei, ohne Vorwarnung, wie praktisch immer eben, wenn man einen guten Soldaten verlor. Leichter wurde es aber nie.
"Ich dachte, es wäre noch der eine oder andere Becher Wein drin, ein paar Späße, … eine Erklärung, was es mit dem Mädchen auf sich hat." So viele unausgesprochene Dinge ... und alle wollten sie noch gesagt sein. Doch keiner hörte mehr zu. "Im Elysium dann vielleicht?", stellte er ihm eine Frage und musste dabei unweigerlich schmunzeln, wenn auch bitter, "Lass mich bloß nicht hängen, klar? Ich hab mir den Arsch aufgerissen wegen dir … wenn das alles umsonst war, und du nicht dort landest, dann …" Ja was dann? Und warum sollte er nicht dort landen? Ein Römer, der stets pflichtbewusst seinen Dienst für Reich und Kaiser gedient und dabei schlussendlich auch sein Leben gelassen hatte. Was konnte ehrenvoller sein. "… dann finde ich mich vermutlich auch nicht dort wieder."
Der Iunius sah wieder vom Karren auf, versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen, die Umrisse der Lagerbauten oder den Himmel, doch durch die helle Laterne schien alles um ihn nur noch um ein Vielfaches finsterer, sodass seine Augen nur ins Schwarze blickten. Fahrig fuhr er sich durchs kurze Haar.
"Weißt du, ich hab's dir nie direkt gesagt, aber Optio … Antias … du warst ein Freund. Ein verdammt guter Kerl und ein ebenso guter Soldat. Ich dachte echt, aus dir könnte was werden. Und einen besseren Optio hätte ich mir nicht wünschen können ... und die Garde sich auch nicht." Er hatte gar nicht mehr die Möglichkeit bekommen, es dem Germanicus zu sagen. Gardist. Ein verfluchter Gardist hätte er sein können. Schwarz hätte er tragen können, die größte Ehre, die einem römischen Soldaten zuteilwerden konnte, und bekam nun nie die Gelegenheit dazu.
"Jedenfalls … grüß ein paar Leute von mir. Meine Eltern, meinem Bruder, einen Kerl namens Terentius Tacitus ... unsere eigenen Männer, die schon auf der anderen Seite sind. Man sieht sich, hoffe ich ... irgendwann. Ich halte hier solange die Stellung ..." Nun versagte ihm doch noch die Stimme, und er stieß sich wieder vom Karren ab. Avianus spürte, wie schwer es ihm fiel, sich vollends abzuwenden. Doch hier bleiben konnte er auch nicht. Was war zu tun, in einer solchen Situation? Er musste es doch wissen, schließlich war er Offizier. Und natürlich wusste er es. Einem der Leute im Valetudinarium den Befehl geben, den Leichnam über Nacht zu verwahren und gehen, ... tat er nun auch, ... sich hinlegen bis morgen, den Papierkram erledigen, den Toten der Familie überbringen ... doch, selbstverständlich wusste er, was zu tun war. -
Sibel und ihr seltsames Verhalten drängte er wieder beiseite. Was auch immer ihr durch den Kopf ging, was könnte schon so schlimm sein, dass er es hier und jetzt mit ihr klären musste. Das war einer der Vorteile, seit sie bei ihm lebte. Er wusste, sie hatte im Grunde alles was sie brauchte, sie war sicher und sie war nicht allein. Alles war in Ordnung. Also widmete er sich wieder voll und ganz den Büchern.
Fabeln und Gedichte wären für den Anfang genau das richtige, fand Avianus. Knappe Texte und keine komplizierten Handlungsstränge. Noch dazu schien sie an dem Text, den er ihr gerade vorgelesen hatte, Gefallen zu finden.
"Man sagt, hinter Cynthia verbirgt sich eine gewisse Hostia, eine Hetäre und Geliebte des Aurelius Propertius. Zu Beginn mochte er sie nicht, dennoch hat er sich später so sehr in sie verliebt, dass er ihr diese Gedichte widmete. Es gibt sogar noch mehr Bücher davon", erklärte er, als der Alte sich zurückgezogen hatte und sie wieder mehr oder weniger unter sich waren, und musste unweigerlich lächeln wegen der Parallelen zu ihrer Beziehung. Er rollte das Buch wieder zusammen, legte es jedoch nicht zurück ins Regal, sondern behielt es in der Hand. Wenn es Sibel gefiel, sollte es ihr gehören. Zwei Bücher. Damit ließe sich schonmal was anfangen. Vermutlich würde er noch ein Dutzend Bücher mehr finden, wenn er sich lange genug umsah, dachte er amüsiert. Aber eines interessierte ihn dann doch noch:
"Was hattest du da vorhin in der Hand?", fragte Avianus neugierig und machte den Schritt hinüber zu dem Regal, in welchem die Schriftrolle lag, die sie eben erst zurückgelegt hatte. In seinen Zügen zeichnete sich ein breites Lächeln ab, nachdem er das Etikett gelesen hatte.
"Ein Buch von Valerius Flaccus' Argonautica", stellte er fest, "Diese Version kenne ich noch nicht, aber Apollonius' Argonautika mussten Regulus und ich als Kinder für den Unterricht lesen. Vielleicht hast du schon einmal von der Geschichte von Iason und den Argonauten gehört, die sich auf den Weg machten, das Goldene Vlies zu finden …" Ein spannendes, abenteuerliches Epos, wenn auch etwas lang, aber wer wusste schon wie groß Sibels Fortschritte wären, wenn sie erst einmal die Fabeln und Propertius' Elegien gelesen hätte. Und vielleicht sollte auch er selbst wieder etwas mehr lesen, eine Tätigkeit die er vollkommen vernachlässigte, seit er in Rom war, dachte er außerdem, sowie er an seinen früheren Unterricht zurückdachte. Da wäre die Argonautica vielleicht genau das richtige. Die komplette Argonautica und dazu die zwei anderen Bücher - zusammen ein gutes Dutzend Schriftrollen - nach Hause zu schleppen, war heute allerdings nicht drin, sodass auch er die Schriftrolle zurücklegte. Eventuell könnte er ja einen Sklaven vorbeischicken, um die Bücher zu kaufen, so auch Sibel Interesse daran zeigte. -
Zumindest ein wenig gelang ihm, was er mit seinen Scherzen hatte erreichen wollen. Ein wenig nervös war Seneca noch immer, aber wirklich beruhigt würde er vermutlich erst sein, wenn Seiana und er sich getroffen hätten und alles glatt lief. Avianus folgte ihm weiter durch die Gärten auf die Laube zu und hielt sich erst zurück. Ein kurzer interessierter Blick ging zu dem Buch, welches sie eben noch gelesen hatte, denn zurzeit war er stets auf der Suche nach gutem Lesestoff, wenn auch nicht für sich selbst, und musterte schließlich die Frau vor ihm genauer, dieses mal aus der Nähe. Endlich bekam der Name Decima Seiana auch ein Gesicht, denn gesehen hatte er die Frau bisher noch nie, soweit er sich erinnerte, selbst er von ihr gehört hatte. Als Seneca ihm ein wenig Platz machte trat er vor und schenkte der Decima, die ihn etwas zurückhaltend begrüßte, ein freundliches Lächeln. Das sprichwörtliche Eis brach eben nicht von alleine.
"Salve. Mich freut es genauso, Decima Seiana", grüßte er ebenfalls knapp und blickte kurz zu Seneca. Der hatte ihm bisher kaum etwas über Seiana erzählt, musste er gerade feststellen, und wusste folglich nicht recht, was er noch sagen sollte. Ein kleines bisschen nervös wurde er nun außerdem doch, da er sich in Erinnerung rief, wen er eigentlich vor sich hatte. Auf keinen Fall aber würde er auf irgendeinen politischen Firlefanz oder die Fehde zwischen ihren Familien, wenn man es so nennen konnte, eingehen, wenn es nicht unvermeidlich war. Dafür wäre ihm die Zeit ansonsten schlicht zu schade und von den Themen hatte er inzwischen bei weitem genug.
"Leider hat Seneca bisher seine Zeit lieber damit verbracht, verliebt dreinzuschauen, als mir viel mehr als das offensichtliche oder allgemein bekannte über dich zu erzählen …", nahm er die Situation am Ende einfach so, wie sie war, und schenkte seinen Vetter ein leichtes Grinsen. "Zugegebenermaßen … als er sagte, dass der Name dieser Frau, von der er hin und wieder gesprochen hat, Decima Seiana lautet, war meine erste Reaktion auch nicht direkt 'Toll, wie ist sie denn so?' …" Verständlicherweise, dachte er. Wie unkonventionell die Beziehung der beiden war, war ja absolut jedem klar. Wie hätte er zu Beginn mit so etwas rechnen sollen. "Wie auch immer, ich sollte wohl zur Verlobung gratulieren." -
Je mehr sie sich gegen seinen Griff wehrte, desto mehr drückte er sie auf den Tisch hinab und ignorierte natürlich ihr Gejammer. Unfassbar. Die Frau hatte tatsächlich Mitleid mit einem Mann, der vollkommen grundlos das Leben eines Soldaten Roms bedroht hatte, und würde man ihm in diesem Augenblick eine Waffe reichen, würde er vermutlich dasselbe wieder tun. Damit war sie doch im Grunde nicht viel weniger wahnsinnig als ihre "Geschwister". Wer in dieser Sekte kein Messerstecher oder bewaffneter Verrückter war, war wohl oder übel jemand, der die ersteren schützte oder neue Mitglieder anlockte, so befand er.
Davon, dass der Christianer sie erneut aufforderte, nichts zu verraten, war Avianus wenig begeistert. Da half nur, ihm das Maul mit etwas anderem zu stopfen oder mehr Schläge, bis er keinen Atem mehr zum Sprechen fand.
"Weitermachen, Miles. Etwas kräftiger, wenn's geht."
Bei seinem nächsten Schlag holte der Miles noch weiter aus als zuvor, sodass die Peitsche die Haut des Christianers aufriss und rot glänzend ein Rinnsal Blut seinen Rücken hinunterlief.
"Wir können den ganzen Tag hier verbringen, Sarah. Von mir aus auch den morgigen", knurrte er Sarah, zu ihr hinuntergebeugt, zu und sah wieder auf. Zweimal hatte er unterdessen wieder das Schnalzen der Peitsche gehört.
"Hol schon mal einen Eimer Wasser, Miles Carnulius, sonst wird er uns noch bewusslos."
Der Carnulius verschwand einen Augenblick, währenddessen ließ sich der Axius bei seiner Arbeit nicht stören, und kehrte mit einem Eimer kalten Wassers zurück. Erst jetzt hielt der Miles mit der Peitsche inne. Einen Teil des Wassers ließ Carnulius dem Christianer direkt ins Gesicht schwappen, um den einen oder anderen Schluck in seinem nach Luft schnappenden Mund landen zu lassen. Den Rest entleerte er über Kopf und Rücken des Gefangenen.
"Weißt du, Sarah, wenn du uns nichts sagst, wird es noch einigen Leuten mehr so ergehen müssen. Du könntest uns einfach sagen, wo eure Sekte sich trifft, dann wir gehen sicher, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht, was zu glauben mir aktuell leider sehr schwer fällt, oder du sagst nichts, und wir holen uns diesen Narseh und seine Leute, mit denen passiert dasselbe, vielleicht finden wir noch ein paar andere, und denen passiert auch dasselbe …", erklärte Avianus unterdessen fast schon beiläufig, "Weitermachen, Axius." -
Die Sonne hatte sich längst gesenkt, und das Lager in mattes, tiefes Schwarz gehüllt, das lediglich von einigen Laternen durchbrochen wurde. Eine davon wanderte durch die Lagerstraßen, begleitet von hastigen Schritten und geräuschvollen Atemzügen. In ihrem Schein zeichnete sich die Gestalt eines abehetzten, jungen Soldaten ab. Das Licht bog ein in eine der Seitenstraßen, bewegte sich zielstrebig auf die Centurionenbaracke am Ende der Unterkünfte zu und hielt dort inne. Die Schritte waren verklungen, das Keuchen nicht. Die freie Hand des Miles hob sich, um an der Tür zu Klopfen.
Dumpfes, aber drängendes Klopfen riss Avianus aus dem Schlaf. "Centurio ... ! Centurio ... Iunius Avianus!", drang ebenso dumpf eine atemlose Stimme von draußen in seine Habitatio, die mit aller Kraft versuchte von der Eingangstür seiner Unterkunft bis zu ihm durchzudringen. Erneut hämmerte jemand gegen dir Tür. Es war noch dunkel ... stockdunkel.
Noch ein wenig verschlafen setzte er sich auf und blickte kurz auf Sibel hinab, deren Umrisse er in der Dunkelheit gerade noch so erkennen konnte. Ob auch sie geweckt worden war? Für den Fall, dass es so war, gab er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wisperte: "Ich bin gleich zurück". Dann schälte er sich aus dem Bett und tappte, nach Tunika und Gürtel greifend, die er auf einem Hocker abgelegt hatte durch das finstere Zimmer. Die späte Uhrzeit und das dringliche Klopfen und Rufen beunruhigten ihn schon jetzt, noch bevor er wusste, worum es ging.
"Centurio ...!", hörte er die Stimme erneut, als er sich die Tunika überstreifte. Erneutes Pochen an der Tür erklang, während er durch den Wohnraum, der noch von den Kohlen der Feuerstelle in dämmriges Licht getaucht wurde, in den Eingangsbereich schritt und unterdessen den Gürtel umlegte. Endlich öffnete er stirnrunzelnd die Tür und blickte im Schein der Laterne in das entsetzte Gesicht des Soldaten.
"Was gibt es, dass du damit nicht zum Optio ...", begann er ein wenig unwirsch wurde dabei aber vom Miles unterbrochen, der noch immer nach Atem rang: "Centurio ... der Optio ... tot ... er ist tot."
Die Falten auf Avianus' Stirn wurden nur noch tiefer, er starrte den Soldaten ungläubig an. So ein Blödsinn. Sein Optio war der einzige, der ganz bestimmt nicht tot war. Er hatte vermutlich etwas falsch verstanden. Konnte passieren, wenn man mitten in der Nacht aus dem Bett gescheucht wurde.
"Was hast du gesagt?", fragte er deshalb noch einmal leicht irritert nach.
"Tot, Centurio ... es gab Ärger bei der Patrouille ... der Germanicus ist tot ... wir haben ihn noch ins Lazarett gebracht, aber ..."
Nach dem zweiten Versuch, die Lage zu erklären, glätteten sich die Züge des Iuniers. Langsam aber sicher wurde aus dem Blödsinn Wirklichkeit. Der Germanicus tot? Antias tot? Ob Blödsinn oder Realität, so recht glauben konnte er es dennoch nicht. Nein, dass würde er sich persönlich ansehen müssen, sonst würde er es nicht glauben. Er wandte sich von der Tür ab, um hastig in seine Stiefel zu schlüpfen, riss dem Miles vor der Tür die Laterne aus der Hand und eilte ins Dunkel. -
Die Tirones hatten heute morgen überraschend die Anweisung bekommen, sich heute ohne Rüstung und Waffen auf dem Platz einzufinden, denn der Centurio hatte mal wieder etwas besonderes mit ihnen vor: Sie würden den Tag mit Ringen verbringen. Der Kampf Mann gegen Mann ohne Waffen schulte Verstand, Muskeln und Reflexe. Perfekt also für junge Tirones, die erst kürzlich mit den Kampfübungen begonnen hatten.
"Tirones, venite! Bestimmt fragt ihr euch, weshalb ihr ohne Ausrüstung hier seid. Ganz einfach: Ihr werdet heute ringen!", begann Avianus eine knappe Ansprache, während er kontrollierte, ob auch tatsächlich alle ihre Ausrüstung in den Unterkünften gelassen hatten. Wenn nicht würde der Tiro eben in Rüstung kämpfen müssen, das, das anschließende Putzen und eventuelle Ausbeulen dieser wären Strafe genug.
"Ich will dass ihr Paare bildet! Und ich will keine Schlägereien sehen, verstanden? Nutzt Schnelligkeit, Stärke und vor allem euren Verstand!"
Er wartete ein wenig ab, bis jeder einen Kameraden gefunden hatte. Einige begannen bereits ihre Kämpfe und wie immer schauten ein paar Rekruten noch ein wenig dumm aus der Wäsche.
"Na los! Fangt an!" -
Voll und ganz überzeugend hörte Sibels Antwort sich nicht an, außerdem sprach sie so seltsam wenig, sodass Avianus einen Augenblick lang forschend ihren Gesichtsausdruck musterte, es dann aber dabei beließ, nickte und ihr ein Lächeln schenkte. Er konnte sie schließlich zu nichts zwingen und glaubte fest daran, wenn es wirklich ein ernsthaftes Problem gab, würde sie damit zu ihm kommen.
"Gut. Ich möchte einfach nur, dass es dir an nichts fehlt", sprach er weiter und setzte sein Durchstöbern des Buchregals mit Sibel an seiner Seite fort. Wenn sie täglich las, wäre ein Buch mit ein paar Fabeln womöglich etwas wenig. Außerdem könnte er es sich problemlos leisten, noch ein oder zwei mehr mitzunehmen. Was könnte es also schaden sich noch ein paar Bücher mehr anzusehen? "Was würdest du sonst noch lesen wollen? Für den Anfang lieber Gedichte? Oder doch eher Theaterstücke? Epen? Was auch immer du möchtest." Sextus Aurelius Propertius, las er auf einem der Etiketten, ließ Sibels Hand für den Augenblick los und zog die Rolle hervor. Vorsichtig öffnete er sie um ein auf ein paar Sätze einen Blick werfen zu können.
"Cynthia prima suis miserum me cepit ocellis, contactum nullis ante cupidinibus. Tum mihi constantis deiecit lumina fastus, et caput impositis pressit Amor pedibus * …", las er mit einem leichten Stirnrunzeln laut genug vor, damit Sibel neben ihm es hören konnte, und sah seine heute recht wortkarge und etwas verloren zwischen den Regalen stehende Geliebte erneut fragend an. Es ging hier um ihre Bücher, also sollte sie definitiv das letzte Wort haben. Was sie las, musste in erster Linie ihr gefallen.
Der Alte, der offenbar den Laden führte, trat unterdessen zu ihnen, blickte leicht skeptisch auf die Rolle in der Hand des Iuniers - Kunden, die unvorsichtig die Bücher befingerten waren nicht gerne gesehen, aber die Abschrift der Elegien des Propertius schienen noch heil zu sein - und reichte schließlich Sibel die gewünschten Fabeln, nach denen er wohl eine ganze Weile hatte suchen müssen.
"12 Sesterzen wären das", sagte der alte Mann und wartete darauf, dass Avianus ihm die Münzen reichte. Der ließ vorerst ein Ende der Rolle los, kramte das Geld hervor und reichte es dem Alten.
"Wir sehen uns noch etwas um."
"Jaja, schaut nur", meinte der Alte mit einer wegwerfenden Handbewegung und zog sich wieder hinter sein Pult zurück, "Was die jungen Leute heutzutage lesen ... Phaedrus ..."Sim-Off: * Als erste hat Cynthia mich armseligen mit ihren Augen ergriffen, der nie zuvor vom Verlangen berührt worden war. Da senkte Amor mir meine stolzen Blicke und mit auferlegten Füßen drückte er mein Haupt nieder. (Alle Angaben ohne Gewähr
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Was soll ich dazu noch sagen?
Ich danke ebenfalls, für die richtig geile Zeit. Würde ich sagen, dass mich das jetzt nicht treffen würde, wär's gelogen. Du warst einer der aktivsten und besten CUler seit langem, wenn nicht sogar der Beste. So viel Leben hat lange keiner mehr in die Einheit gebracht. Davor zieh ich an dieser Stelle mal den Hut.
Ich wünschte auch, ich könnte sagen, dass ich von deiner Entscheidung wirklich überrascht bin, aber auch das wäre gelogen. Aber um das ganze warum und weshalb will ich hier keine großen Worte verlieren, sondern vielmehr sagen: Das Schreiben mit dir hat verdammt viel Spaß gemacht, sowohl simon als auch simoff, ganz ohne Frage, und mein Iunius wird sich an deinen Germanicus sicher noch verdammt lange erinnern.Mir bleibt nur zu hoffen, dass man sich doch nochmal liest, irgendwann.
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Ihr Blick blieb an den verschiedensten Waren hängen, während sie an den Ständen entlangspazierten und Avianus beobachtete dabei vor allem Sibel. Die Waren interessierten ihn ja nur peripher. Doch obwohl sie schaute, wollte sie doch nichts, jedenfalls sagte sie nichts dergleichen, und seinen Vorschlag, sich noch anderweitig umzusehen schlug sie vorerst aus. Er nahm sich vor, sich dadurch nicht beirren zu lassen, schenkte ihr ein leichtes Lächeln und drückte ihre Hand.
"Dann nehme ich dich beim Wort … also nachher", sagte er. In gemächlichem Tempo führte er sie weiter und in einen Laden hinein, wo sich in Regalen, Schränken und Körben Schriftrollen türmten. Der Lärm der Straße drang gedämpft nach innen, ebenso das Sonnenlicht, das durch die kleinen Fenster ins Innere des Ladens filterte. Der Duft von Papyrus und Staub lag in der Luft. Wann war er eigentlich das letzte Mal in einem Buchladen gewesen? Damals mit Torquata, erinnerte er sich, vor einer halben Ewigkeit auf dem Forum. Lange hatte er nichts mehr von dem Mädchen gehört. Was aus ihr wohl inzwischen geworden war …
"Sucht ihr etwas Bestimmtes?", fragte ein älterer Mann, der im hinteren Teil des Ladens offenbar gerade selbst mit einer Abschrift beschäftigt war.
"Nun ..." Fragend blickte er kurz Sibel an. " ... Phaedrus' Fabeln … du hast nicht zufällig eine Abschrift hier?"
Der Mann legte seine Arbeit beiseite und sah auf. "Einen Augenblick …" Während der ältere Mann zielstrebig auf eines der Regale zuging, und die Rollen durchsuchte, schritt Avianus langsam die Regale entlang und besah sich hier und da die Etiketten an den Papyrusrollen, um zu sehen, was sonst noch angeboten wurde.
"Weißt du, lesen lässt einen über Probleme des Alltags hinwegblicken, habe ich mal gehört", erzählte er ein wenig gedankenverloren, was Torquata ihm damals erklärt hatte. Vielleicht waren ein paar Bücher ja genau das, was Sibel jetzt gut tun würde. Vielleicht brauchte sie nur ein wenig Ablenkung, wovon auch immer.
"Dir geht es doch gut oder? Ich meine … wenn es irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann, oder wenn du etwas brauchst oder gerne hättest, lass es mich wissen, in Ordnung?", sagte er, versuchte dabei, nicht allzu besorgt zu klingen und behielt dabei sein Lächeln im Gesicht. -
"Keine Sorge, mit Frauen hatte ich noch nie Schwierigkeiten", sagte Avianus und zuckte gespielt anzüglich mit den Brauen, "Aber ich werde mich bemühen, sie dir nicht wegzuschnappen."
Anschließend verkniff er sich deutlich sichtbar ein Lachen und folgte mit seinem Blick Senecas Geste, als er sich wieder gefangen hatte. Einige Leibwächter erblickte er und dazwischen sitzend die Frau, die ausgerechnet Seneca den Kopf verdreht hatte. Natürlich war er neugierig sie kennenzulernen, denn zweifellos musste sie etwas Besonderes sein.
Hübsch ist sie schon mal, wollte er erst sagen, aber er wusste ja, hinter Seiana steckte mehr als einfach nur irgendein hübsches Mädchen, ganz besonders für Seneca.
"Irgendwann musst du mir erklären, wie du das gemacht hast. Geld und Einfluss können es ja nicht gewesen sein … Charm? Aussehen? Ganz spezielle Tricks?", scherzte er weiter, um die Situation noch etwas aufzulockern, während sie auf die Laube zugingen, "Also gut … willst du uns einander vorstellen, oder soll ich das selbst übernehmen?" -
Kaum hatte er den Befehl gegeben, setzte sich die Truppe in Bewegung, wenn auch etwas gemächlich für seinen Geschmack. Da ging doch sicher mehr.
"Das geht doch sicher noch ein wenig zügiger?!", trieb Avianus die Tirones an und stieß einen von ihnen mit der Vitis an, als die Truppe nach der ersten Runde wieder an ihm vorbeilief. "Das hier soll ja kein Spaziergang werden! Celerior, Tirones!" Natürlich übertrieb er ein wenig, aber man wollte den jungen Rekruten ja ein wenig Feuer unterm Hintern machen und ihm würde langweilig werden, den Tirones einfach nur beim Laufen zuzusehen.
Zufrieden sah er dabei zu wie alle Rekruten mehr oder weniger schnell ihre Runden hinter sich brachten. Lange ließ er ihnen aber nicht Zeit, sich zu erholen, sondern erteilte gleich die nächste Aufgabe: "Venite, Tirones!", rief er sie wieder zu sich, "XXX Liegestütze! Und wer absetzt, macht jedes Mal V mehr!"
Mit aufmerksamem Blick schritt er zwischen den Rekruten über den Platz und stieß schließlich einen der sich abmühenden Tirones mit dem Fuß leicht an. "Du! Kriegst du noch genügend Luft, um mir die Ränge bei den Cohortes Urbanae zu erklären?!"Sim-Off: Du darfst dich gerne angesprochen fühlen
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Mit einem verstohlenen Lächeln hatte Avianus Sibels Hand ergriffen, sobald sie außer Sichtweite der Castra gewesen waren, und wie so oft, wenn sie sich hübsch gemacht hatte, wollte er auch jetzt kaum den Blick von ihr abwenden. Was aber noch viel wichtiger war: Sie schien glücklich, und was gab es schöneres, als dem Menschen, den man am meisten liebte, eine Freude zu machen? Vor allem, da auch ihm nicht ganz entgangen war, dass sie sich in den letzten Wochen manchmal ein wenig anders verhielt. Erst hatte er es als diese bestimmte Zeit abgetan, die Frauen jeden Monat durchmachten, von der er aber, wenig überraschend, im Grunde weniger als keine Ahnung hatte, sodass er sie nicht darauf angesprochen hatte. Inzwischen war aber mehr als ein paar Tage vergangen. Sibel redete allerdings nicht viel darüber, klagte auch nicht direkt und er wollte sie nicht bedrängen. Also bemühte er sich schlicht und ergreifend da zu sein – ebenfalls mit mäßigem Erfolg, da ja sein Dienst oft von morgens bis abends den ganzen Tag beanspruchte. Doch heute konnte er sich endlich einmal wieder die Zeit nehmen, ihr eine richtige Freude zu machen, und das würde er ausnutzen.
Mit ihr an seiner Seite bummelte er durch die Marktstände und betrachtete all die Waren, denen er ansonsten kaum Achtung schenkte, wenn er sich eine neue Tunika, ein paar Lederriemen oder sonstigen Kleinkram besorgte, obwohl er auch heute nichts brauchte. Nicht direkt jedenfalls. Fein gearbeiteter Schmuck funkelte ihm entgegen, der Duft von Ölen und Gewürzen wehte ihm um die Nase, bunte Stoffe, Tücher, Essen, … Bücher.
"Willst du dich gleich nach Büchern umsehen, dulcissima? Oder gibt es noch andere Dinge, die dir gefallen könnten?", fragte er sie lächelnd. "Sieh dich doch ein wenig um." Um zu wissen, dass die meisten Frauen gerne einkauften, musste man kein Genie sein, und er war ziemlich sicher, dass Sibel sein Geld nicht leichtfertig ausgab, wenn sie alleine unterwegs war. Er hatte eher die Sorge, dass sie zu sehr sparte und sich Dinge, die sie eigentlich gerne hätte, seinetwegen nicht gönnte, um ihm nicht zur Last zu fallen. Das würde nämlich, so fand er, sehr viel eher zu Sibel passen. -
Noch immer mit verschränkten Armen hörte er Axillas Schimpftiraden zu und runzelte dabei mehrmals die Stirn, erst recht, als er feststellen musste, dass Seneca ihm noch immer nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. Dass Seiana noch verheiratet gewesen war, enttäuschte ihn nicht so sehr wie die Tatsache, dass Seneca es ihm verschwiegen hatte. Verdammt heikel war die Sache schon vorher gewesen, aber er war zumindest davon ausgegangen, ausreichend Bescheid zu wissen. Und ausreichend war in diesem Falle gleichbedeutend mit alles.
Und noch dazu überraschte ihn die Geschichte von Seneca und seiner Geliebten immer mehr. Sein stets so kontrolliert und bedacht wirkender Vetter hatte, zu einer Zeit als er sich noch durch die Mannschaftsränge gearbeitet hatte, mit der Ehefrau des damaligen Praefectus Praetorio geschlafen. Seneca hatte ihm einmal erzählt, er hätte alles für sein Weib riskiert und damit eindeutig nicht untertrieben. Avianus schenkte Seneca einen wenig begeisterten Blick. Mit ihm würde er hier allerdings ganz bestimmt nicht diskutieren. Er konnte seinem Cousin schlecht völlig unerwartet in den Rücken fallen. Nein, das war eine Sache zwischen ihnen beiden. Jetzt ging es um mehr.
Auch Axilla hatte ihn überrascht mit der Wut, die in ihren Augen aufblitzte, und den mehr als nur scharfen Worten, und das obwohl in Seneca einst gewarnt hatte. Ihre Drohungen ließen ihn leicht angesäuert den Kopf schütteln.
"Du wirst gar nichts öffentlich machen", fiel er Axilla fast ins Wort, "Oder willst du unsere Familie etwa auseinander reißen? Ist es wirklich das was du willst? Denn dann bin auch ich kein Teil dieser Familie mehr, da hast du mein Wort." Der letzte Satz war ihm nicht leicht über die Lippen gekommen und er machte eine kleine Pause. Immerhin war es doch zu einem großen Teil seine Familie, für die er nach Rom gekommen war, für die er Soldat geworden war, für die er schon die Frau, die er liebte, hintan gestellt hatte.
"Wenn dir die Iunii auch nur das Geringste bedeuten, wirst du dich zurückhalten. Was glaubst du, hilft es uns, wenn du die beiden verrätst? Worum geht es hier eigentlich? Um Rache? Oder denkst du ernsthaft, du machst damit irgendetwas besser? Denkst du, auf die restlichen Iunii wirft es kein schlechtes Licht, nur weil du dich von Seneca lossagst?" Das würde sie nämlich allein tun müssen. Er jedenfalls stünde nicht an ihrer Seite, wenn sie den Menschen verriet, der für ihn von allen Iunii am meisten zu seiner Familie gehörte. Und alte Fehden mit anderen Familien interessierten ihn ohnehin seit jeher einen feuchten Dreck.
"Wenn du ihn dafür verurteilst, die falsche Frau gefickt zu haben, kannst du mich gleich mit vor die Tür werfen", warf er schlussendlich noch ein und blickte verbissen auf die Tischplatte hinab. -
Erbarmen sollte er haben … dabei war dieser Evander doch genau die Sorte Leute, die sie an ihn verraten hatte. Vermutlich hatte sie nie vollkommen auf ihrer Seite gestanden. Natürlich nicht, kam es ihm. Wieso sollte sie sich auch voll und ganz auf die Seite derer stellen, die von ihrer gesamten restlichen Gemeinschaft als Feinde gesehen wurden? Und genau deshalb war sie auch hier, weil er es geahnt hatte. Dennoch war sie es, die noch andere diesem Schicksal zuführen würde, selbst wenn sie es nicht wollte, denn selbst wenn sie entgegen aller Erwartungen nichts mehr sagen würde, die Gruppe um den Perser würden sie sich auf alle Fälle holen.
"Keine Sorge, er wird nicht sterben", meinte Avianus nur und überließ es Sarah, seinen Kommentar zu deuten. Sein Dienst damals bei den Prätorianern war hier durchaus von Vorteil. Da lernte man, wie man bei Verhören und Folter vorgehen musste, ohne den zu töten, der einem eine Antwort schuldig war. An Evander stellte er keine Fragen, dem würde er nämlich kein Wort abkaufen und der wäre schon einmal bereit gewesen für seine Sekte bis zum Äußersten zu gehen. Heute war es also zwar etwas anders, denn seine Fragen richtete er an Sarah, aber er hatte sehr wohl sein Interesse daran, dass Evander länger als nur ein paar Minuten lebte. Er war eben ein Mittel zum Zweck, um sie einzuschüchtern, ihren Willen zu brechen, ihren Glauben aufzugeben …
Oh, sie würde reden, und wenn er sie tagelang bearbeiten musste. Wenn es jedoch schneller ging, wäre er dem allerdings ebenfalls nicht abgeneigt. Er ging um den Tisch, trat hinter Sarah, während der Soldat ihm Platz machte, packte sie hinten am Kragen der Tunika und drückte sie hinunter, sodass ihre Wange auf die Tischplatte lag und sie den Blick nicht mehr abwenden könnte, es sei denn natürlich sie schloss die Augen.
"Miles Carnulius, die Tunika!", ging ein knapper Befehl an den zweiten Soldaten, der seinen Pugio zückte, den Rücken des Christianers auch vom letzten Rest zerschlissenen Stoffs befreite und wieder zurücktrat. "Miles Axius ... Bis ich halt sage."
"Verstanden, Centurio." Mit zusammengepressten Lippen holte der dritte Soldat zum Schlag mit der Peitsche aus, die klatschend auf den nackten Rücken traf. Avianus schwieg, also holte der Miles erneut aus und ein weiterer Schlag hinterließ sein Mal auf dem Rücken des Christianers. Avianus blickte von Evander hinab zu Sarah und wieder zu dem gefesselten Mann. Vollkommen wohl war ihm nicht … war ihm im Carcer nie, seit dem Erlebnis mit der Asche … aber er hatte schon weitaus schlimmeres mitansehen müssen als die Auspeitschung eines Gefangenen.
"Was meinst du, sollen wir ihm eine Pause gönnen?", richtete er sich an Sarah, ohne seine Augen erneut von Evander zu lösen, und sah dabei zu, wie die Peitsche ein drittes Mal auf die Haut des Christianers traf und der Axius wieder zum Schlag ausholte. -
"Wirklich, Sibel … du machst das gut", antwortete er vollkommen ehrlich und strahlte sie an, "Wir sind zwar noch lange nicht fertig, aber wenn du so weitermachst, lernst du das alles schneller als du denkst." Sie schien noch nicht ganz überzeugt von ihrer Leistung, da ließ er es sich natürlich nicht nehmen, sie weiter zu ermutigen. Immerhin, wenn sie einmal das System dahinter verstanden hatte war alles weitere lediglich Übungssache, und Zeit zu üben hatte sie seit sie bei ihm lebte mehr als genug. Dass sie lesen und schreiben lernte, war zudem nicht nur ihr Wunsch sondern auch seiner, sodass er sich umso mehr darüber freute, wie schnell sie lernte.
Natürlich machte er sich Gedanken, weil er sie durch die Übungen so plötzlich in ihre Vergangenheit zurückkatapultiert und es mit der Erwähnung der Fabeln erneut getan hatte. Aber vielleicht war es genau das, was sie brauchte. Bisher hatte sie wohl kaum die Zeit und die Möglichkeit dazu gehabt zu verarbeiten, was ihr in ihrer Vergangenheit geschehen war, weil ständig neues Unheil sie heimgesucht hatte. Erinnerungen, die schwer auf einem lasteten, verschwanden nicht einfach indem man sie ignorierte, es wurde also höchste Zeit, dass sie damit abschloss. Und er würde ihr dabei helfen so gut er eben konnte, selbst wenn er nicht recht wusste wie. Ein gemeinsamer Ausflug würde für den Anfang jedenfalls nicht schaden. Nein, so glücklich, wie sie jetzt schon wirkte, nachdem er ihr seinen letzten Vorschlag gemacht hatte, wäre konnte es ihr nur gut tun.
"Dann machen wir das so", stimmte er zu und grinste schief. -
Die Hand des Miles, der sie in den Verhörraum gezerrt und auf dem Hocker zum Sitzen gebracht hatte, ruhte noch immer auf Sarahs Schulter, und übte bei jeder Bewegung, die sie machte, Druck aus. Avianus schnaubte kurz verächtlich als sie ihm widersprach und beugte sich, sich auf seine Hände stützend, über den Tisch hinweg zu ihr hinüber.
"Dann hättest du uns verdammt nochmal sagen oder zeigen sollen, wo sie sich treffen! Anstatt verschwinden zu wollen!" Verlogenes Pack, allesamt. Er bezweifelte nicht einmal, dass sie zu Beginn hatte helfen wollen, doch was sollte man von einer jungen, naiven, verunsicherten Christianerin erwarten? Sie hatte es mit der Angst zu tun bekommen, und kurzerhand ihre Meinung geändert … so war es doch. So jemanden konnten sie wohl kaum auf freien Fuß setzen, abgesehen davon, dass Sarah nur ein weiterer Beweis dafür war, weshalb es ohnehin besser wäre, gleich alle Mitglieder ihrer Gemeinschaft loszuwerden.
"Kein Wort mehr also?! Du beweist mir lieber, dass du tatsächlich noch auf unserer Seite stehst, sonst wird es hier ganz schnell ungemütlich!", fuhr er sie an und blickte sie dabei eindringlich an, "Nicht nur für dich!" Er erhob sich, sah hinüber zu dem zweiten Miles, der sich noch im Raum befand und deutete mit einer flüchtigen Geste zur Tür. "Bringt ihn herein!", befahl er.
Der Miles nickte, verschwand aus dem Raum und kehrte wenig später mit jenem Christianer zurück, der in seiner Gemeinde einmal als Evander bekannt gewesen, von dem inzwischen aber nicht mehr als ein Häufchen Elend übrig geblieben war. Wochen und Monate im stickigen Carcer mit knapper Nahrung und ohne wirkliches Licht hatten ihre Spuren hinterlassen. Als Evander von dem Miles und einem weiteren Kameraden, der eine Peitsche mit sich führte, in den Raum geschleift wurde, wurde der Griff an Sarahs Schulter erneut fester. Avianus' Kiefer spannte sich unterdessen an, denn der Anblick ließ auch ihn nicht ganz kalt. So oder ähnlich musste es Sibel ergangen sein, als sie über Wochen hinweg im Carcer eingesperrt gewesen war. Dieser Mann allerdings hatte es verdient, sagte er sich selbst. Einen Urbaner wollte er töten, einen seiner besten Männer und ertrug nun eben die Folgen seines Handelns. Verrückt musste jemand sein, der mit ihm Mitleid hatte.
"Bindet ihn fest."
Der junge Miles verzog kurz das Gesicht, nickte aber erneut. Während der Körper des Christianers durch Fesseln und im Mauerwerk befestigte Eisenringe gestreckt wurde, beobachtete der Iunius Sarahs Reaktion.
"Ich will wissen wo ihr euch versammelt, Sarah." -
Zitat
Original von Iullus Helvetius Curio
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Der Legat Ägyptens ist eigentlich ein Präfekt.
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Dankeschön! Wird ausgebessert. Den Satz mit dem Peregrinus würde ich sonst aber so stehen lassen. Der ist ja nur dazu da, halbwegs zu vermitteln, wer oder was ein Peregrinus sein könnte, und im Grunde nur ein Beispiel. Eine genaue Definition von Peregrini in unsere Werbung aufzunehmen, darauf möchte ich verzichten.ZitatOriginal von Cnaeus Decimus Casca
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Sooo ... ich hoffe ich vergesse nichts.Man muss auch bedenken, dass das IR ursprünglich vor allem Simulation/Micronation war und es zu einem gewissen Teil noch immer ist, von daher kann es gar kein Standart-RPG-Forum sein. Ist eben was ganz besonderes, unser IR.
(Sorry, dass der Teil etwas am Thema des Threads vorbeigeht)
Was könnte man jedenfalls machen, um Leuten den Einstieg zu vereinfachen? Ich hatte da gestern Abend noch an eine Art "Ultimativen Einsteigerguide" (war sowas nicht schonmal geplant?) gedacht, in dem alles steht, wie man hier halbwegs gut durchstarten kann. Etwa wie man sich eine Familie aussucht und welche Charaktere sich für den Einstieg besonders gut eignen, das wären m.M.n. gewöhnliche Bürger, Sklaven (ja, ist halt so) und unter Umständen Peregrini. Oder auch welche Karrieren sich für Neulinge mit wenig Vorwissen am besten eignen, der Cursus Honorum ist z.B. recht kompliziert für jemanden, der sich mit sowas noch nie auseinandergesetzt hat, finde ich. Aber auch kleine Dinge, was für den Anfang eben wichtig ist und was nicht, so etwa die SimOn-Gesetze, die man als Einsteiger sicherlich nicht komplett gelesen haben muss.
Mich hat die Menge an Text, die man schon auf der Homepage - nicht also im Forum - findet, damals vor drei Jahren auch ein wenig überfordert, habe dann aber einfach bei den CU angefangen, weil man dort Anfangs durch Vorgesetzte zusätzliche Ansprechpartner hat und sich zu Beginn zudem nicht zwangsläufig gut auskennen muss, weder was das IR selbst noch das historische betrifft, und würde gerne jedem interessierten Neuling dasselbe raten: Sich gar nicht erst von der Menge an Infos überfordern lassen, sondern mal in die Spielregeln und Werbeseiten schauen, sich mit einer ID anmelden, die schon von Anfang an Unterstützung in irgendeiner Form hat, sei es durch Familie, Besitzer oder Einheit, der man sich anschließt, und dann eben mit der Zeit und durch das Spiel selbst lernen.
(back on topic...)ZitatVielleicht wäre dem Ganzen wirklich schon geholfen, wenn man in der Werbung eindeutig klar machen würde, dass man hier Wissen erwerben kann...
Daran hatte ich tatsächlich auch schon gedacht. Wir müssen eben auch zusehen, dass unsere Werbung nicht zu lang wird und lang ist sie leider jetzt schon. Da müsste man evtl. den ganzen Werbetext nochmal ein wenig umstrukturieren ... aber ich hab ja sonst nichts zu tun.PS: Ich spreche hier sicher nur für mich persönlich, aber das Alter des IR hat mich ganz und gar nicht abgeschreckt, im Gegenteil, bei mir hat es sogar den Ausschlag gegeben. Ich hatte die RPGs die nach ein paar Monaten wieder in der Versenkung verschwinden schlicht satt, noch dazu fand ich natürlich das Setting verdammt interessant