Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Zugegebenermaßermaßen hatte ich mir für den Vorabend meiner Abreise sehr viel beruhigendere Szenen in meinem bett vorstellen können, aber das hier wäre mir in den kühnsten Träumen – von denenen ich ja durchaus welche besaß – nicht vorstellen können. Wie kam dieser Nasir auf die Idee, mir meine Sklaven abspenstig machen zu wollen? Aber noch war das ja nicht ganz gesichert und eine Erklärung würde von Grian davon ja noch kommen müssen. Immerhin war ich sehr froh, dass sie nun verstand, dass ich nicht die Absicht hegte, sie an einen Orientalen zu verschachern. Überhaupt, dass ich sie nicht verkaufen wollte. Ich lächelte noch einmal, als ihr Strahlen im Gesicht sah, was der Sklavin besser stand als die verweinten Augen. Auch mir bereitete es mehr Frieden. Und dann erzählte sie, wie sie auf diese abstruse Idee gekommen war, was mich ebenso mit Erleichterung erfüllte.


    Der Nasir hatte sie gar nicht angesprochen, denn ehe er sie überhaupt hätte erblicken können, war sie schon in einem Versteck gewesen. Wie ich Grian kannte und infolgedessen einschätzte, war dies auch ein recht Gutes gewesen. Ihre Verstecke waren mir immer ein Rätsel geblieben, deren Spur ich bisher noch nicht hatte aufnehmen können. Weshalb die Beziehung zu ihr oftmals damit verknüpft war, mich zu fragen wo sie jetzt schon wieder steckte. Aber das alles sollte egal sein. Wichtig war nun, dass sie da war, wieder fröhlicher dreinschaute und ich den Orientalen noch vor der Abreise zur Rede stellen müsste. Das hätte mir wohl morgene inige Bauchschmerzen bereitet.
    Dann aber meinte Grian, dass sie noch eine Frage hatte und ich nickte.


    “Ich höre..,“ gab ich von mir, aber sie redete schon weiter, während ich nun an meinem Weinbescher nippte, von dem ich im Nachgang einen wunderbaren Schlaf versprach. Was meiner Sklaven in ihrem Versteck dazwischen gekommen sein mochte blieb als weiteres Rätsel im Raume stehen, doch war doch hier eher die Frage bedeutsam, ob sie mit nach Piräus kommen können. Ihre Verlegenheit diesbezüglich war recht drollig anzuschauen und ich schmunzelte nun. Es war ein Schmunzeln, welches den Beigeschmack einer leichten Skepsis bekam, als Grian hinzufügte, dass sie mir bestimmt von Nutzen sein würde, meine Toga in Falten legen wolle und obendrein meine Schuhe zu putzen gedachte. “Wirklich?“, fragte ich gleich nach ihren Worten in der Tat erstaunt.


    Nicht, dass sie derartiges nicht tat, aber ihre Miene dabei hatte immer den Rückschluss gefordert, dass sie lieber andere Tätigkeiten verrichtete, die eigentlich immer sehr wenig mit Arbeiten zu tun hatten. Obwohl ich ihr so viel Arbeit gar nicht machte und mein Muckel war ja auch noch da. “Das war bereits von mir so angedacht!“, stellte ich heraus, trank noch einmal und setzte dann den Becher wieder auf das Tischchen neben meinem Bett. Wäsche waschen war gut. Nur meine Toga hatte schon genug Knitterfalten, vor allem, weil es Muckel war, der sie einer der Truhen verstaut hatte. Aber dennoch. “Ich wollte dich sowieso fragen, aber du warst nicht aufzufinden. Wir reisen morgen in aller Frühe ab, weshalb du besser schnell noch einpackst, was du mitnehmen möchtest.“ Vielleicht wäre es wirklich nicht schlecht, eine weibliche Sklavin dabei zu haben. Vielleicht fiel es Grian leichter mit meiner Mutter zurecht zu kommen als mir und Muckel. Sie war ja auch eine Frau. Ich schaute Grian wieder an und nickte ihr zu. “Wir alle nehmen aber nur das Nötigste mit!“ stellte ich noch schnell heraus, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob Grian überhaupt mehr als das Nötigste überhaupt besaß. Sollte dem so sein, so war dies wohl mein Fehler. “In Piräus und Athen gibt es wunderbare Märkte!“, stellte ich in Aussicht, sagte aber dazu nicht mehr.

    Ich ahnte ja so absolut gar nicht, was in meiner Sklavin vor sich ging, weshalb auch mein Gesichtsausdruck diesen Umstand sehr wohl widerspiegeln musste. Dabei fragte ich mich wirklich, was meine Grian denn nun wieder Fürchterliches angestellt hatte, sodass sie eine Strafe erwartete. So kam es mir vor. Etwas entsetzt machten sich meine Gedanken auch gleich auf den kreisrunden Weg, grasten durch die Räume der Casa und aller hier Wohnenden, ob es jemanden geben konnte, dem sie etwas angetan haben könnte. Oder auch gerade nicht das, was dieser jemand wohl von ihr gewollt hätte. Eine Unterlassungschuld sozusagen. Ich rang nach Luft und wollte auch sogleich weiter nachhaken, auf was ich mich denn nun schon wieder gefasst machen musste – zumal ja mein emotionales Kostüm bereits jetzt schon recht löchrig und pflegebedürftig war. Musste ich wieder in irgendein Officium und für die Machenschaften meiner Sklaven eine Kaution oder dergleichen hinterlegen?


    Als Grian sich nicht trösten ließ – der Versuch blieb ja auch weiterhin vorhanden mit meiner Hand auf ihrem Kopf, doch war er wohl deutlich zu unbeholfen, jammerte sie weiter mit tränennassen Augen, die mich flehend ansahen, als erblickten sie gerade ihren Henker. Mater Iuno! Was ging hier bloß vor? Sie wollte nicht verkauft werden, was sicherlich ein recht verständlicher Wunsch war, aber wer bei allen Furien wollte so etwas tun? Ich jedenfalls nicht, aber ich lauschte erst einmal verdattert weiter und hörte von einem schmierigen Kerl, der am Nachmittag hier gewesen war, woraufhin noch zwei Versprechen folgten, die sie einzuhalten gedachte. Weniger Dummheiten und darüber Nachzudenken, was man von sich gab, waren eine sehr lobenswerte Sache, doch leidgeplagt wie ich war, waren mir ihre Dummheiten nur im größten Schadensfall aufgefallen und das Geplappere war ich von früher Jugend an von Muckel gewohnt, weshalb ich diesem Umstand keine große Bedeutung zumaß. Was also dachte sie denn?


    “Was für ein schmieriger Kerl?“, wollte ich aber erst einmal wissen, und sah sie dabei fragend an. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen! “Ach! Der Nasir!“ Ich winkte ab und atmete erleichtert auf. “Er ist Orientale und Händler und...“ Ich plötzlich inne, denn mir fiel nun noch etwas auf. “Oh! Und du glaubst, ich will dich an ihn verkaufen?“, kam ich wohl nun der Sache auf die Schliche. “Aber nein!“ Nun lachte ich erleichtert, sah aber schon im nächsten Moment auch sogleich keinen Grund mehr dafür und meine Stirn runzelte sich wieder. “Wieso? Hat er dich gesehen und angesprochen?“, brach es vorwurfsvoll aus mir heraus. Immerhin hatte er Muckel für lohnenswert empfunden. Von unserem Sabinerinnen-Bildnis mal ganz abgesehen. Vielleicht hatte er imaginär schon allen unseren Sklaven ein Schildchen mit einem Preis angehängt. Das würde ich klären müssen. Übergriffig war das! Absolut übergriffig und keineswegs respektvoll. Das ging so nicht!

    Ganz zerschlagen fühlte ich mich noch einen Moment, doch es war auch schön, Grian nun hier zu wissen, was mir das Gefühl gab, nicht völlig allein zu sein. Allerdings schien die Gute ein wenig Zurückhaltend zu sein und das passte nicht in das Konzept, welches ich bisher von ihr hatte. Einen Moment verfolgte ich noch ihre Bewegungen mit meinen Blicken, ehe ich noch einmal zu meinem geliebten Ovid sah. Etwas stimmte doch hier nicht!? Und das lag nicht etwa an dem, was mich in Bälde erwartete. An meiner Statt schien Grian nun zu zittern, was ich mir so recht gar nicht erklären konnte. Als sie mir den Wein eingoss, bebten sogar ihre Hände und ich kam nicht umhin meine Stirn zu runzeln. Fürchtete sie sich vor mir? Ein wenig Ehrfurcht hatte ich mir schon immer gewünscht, doch in diesen Augenblicken erschien es so, als hätte ich des Öfteren schon versucht ihre diese einzuprügeln, was doch so gar nicht meine Art war. Auch ich war nun ein wenig berwirrt, nahm den Becher, den sie mir nun reichte, an mich und schaute Grian wieder an.


    Meine Blicke trafen die ihren und dann kam ein Flehen aus ihr heraus. Vielleicht hatte ja gar nicht ich vor sie zu schlagen, sondern jemand anderes. Dass Grian sich ob ihrer heiteren Art nicht nur die besten Freunde machte, war mir ja bekannt. Also holte ich schon Luft, um meine wohl berechtigte Frage an sie zu richten, aber der Moment der dabei verstrich reichte schon nicht mehr aus, um auch Worte aus meinem Mund hervor zu bringen. Es brach schier aus meiner Sklavin hervor, die urplötzlich aufheulte und sich vor meine Füße schmiss, was ich mit nunmehr offenem, aber stummen Mund und eben noch dem Becher in der Hand betrachtete. “Bona Dea!“, entkam es mir perplex und sicherlich auch besorgt. Vor allem weil sie nun auch meinte, dass ich etwas nicht tun sollte und sie nun fleißig sein würde und ich mich nie wieder würde beklagen müssen. Ein irritiertes Blinzel konnte ich nicht vermeiden und ich schaute noch einen Augenblick auf Grian hinab. Was hatte sie bloß wieder angestellt? Es hatte schon Tage gegeben, in welchen sie aus dem Carcer hatte abholen müssen und auch andere Dinge waren schon vorgefallen, über die man seinen Unmut bei mir kund getan hatte, weshalb meine Besorgnis nun verständlicherweise ebenso wuchs.


    “Ähhh….,“, begann ich zögerlich. “Bei allen Göttern, Grian. Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“, wollte ich anfangs noch recht verhalten wissen. Danach störte mich der Weinbecher in meiner Hand nun doch und ich setzte ihn zurück auf das Tablett, um mich ächzend zu meiner Sklavin hinunter zu neigen, um einen Versuch zu beginnen, sie irgendwie wieder auf die Füße zu bekommen. Ehrfurcht war ja wunderbar und auch wünschenswert von den eigenen Sklaven, aber das hier ging mir nun doch ein wenig zu weit. “Also… ich empfinde das ja sehr lobenswert, aber… ich meine… ähm… was genau soll ich denn nicht tun?“ Etwas unsicher und vielleicht auch unbeholfen legte ich ihr meine Hand auf den Kopf und tätschelte diesen ein wenig, in der Hoffnung, dass sie vielleicht dadurch spontanen Trost finden würde, doch so wirklich rechnete ich damit nicht.

    Die Sonne war just versunken und ein recht warmes Licht durchflackerte von zwei Feuerschalen aus den Raum. Neben meinem Bett befand sich eine rußende Öllampe, welche sich ebenfalls mühte, güldenes Licht über meine Abschrift von Ovid zu zaubern, welche ich – auf dem Rücken liegend unter dem Versuch in den vorzeitigen Schlaf zu finden – in meinen Händen hielt und versuchte zu lesen. Ein Schwärmen wie sonst aber wollte sich nicht einstellen und mit einem Schlag wirkten die Zeilen auf mich öd und hohl, wie eine Zimbel, der man den Klang geraubt hatte. Muckel war nicht in meinem Cubiculum anwesend. Er hatte noch einmal ein paar Dinge in meinen Reisetruhen verstaut, die ebenso auf den Morgen warteten wie ich. Dieser war aber noch eine Weile hin. Eine Weile, die Muckel nun für sich nutzte, um einer der Küchenmägde mit einem Abschiedsgeschenk zu beglücken. Ich hoffte dabei nur, dass ich dieses Geschenk nicht am Ende mit einem Peculium versehen musste, bis es sich dann irgendwann die Freiheit erkaufen konnte. Aber ich gönnte Muckel seine Erfolge ja auch gern, wenn ich schon selbst keine vorzuweisen hatte. Wieder entglitt mir ein Seufzen unter des Ovidius poetischer Metamorphose. Wandlungen gehörten zum Leben einfach dazu und was man subjektiv dabei empfinden mochte war eine reine private Angelegenheit. Meine Gedanken schweiften nun wieder einmal mehr zu meiner Valentina, vor meinem inneren Auge schon mit einer Schar unserer Kinder umringt und mit einem freudigen Lächeln in dem so schönen Gesicht. So wollte ich sie in Erinnung behalten. Mit diesem Lächeln, nur vielleicht dabei ohne die Spösslinge, denn das Licht der Welt würden diese ja nicht erblicken. Ja, ein frühes Ende war ihnen beschieden, aber vielleicht gehörte auch zu den Wandlungen, dass manches erst gar nicht begann, um etwas anderem Platz zu machen. Etwas Unerwartetem vielleicht. Etwas, was auch ein tiefes Glück in sich barg.


    Über diesem Sinnieren, musste ich einen Moment tatsächlich weggenickt sein, denn ich erwachte mit dem Schriftstück auf dem Gesicht und recht ausgestreckt auf meiner Liegestatt, als ich eine Stimme vernahm, die horchen wollte, ob ich wohl anwesend sei. Ich blinzelte, ächzte dann recht leise und dezent und zog mir den Ovid vom Gesicht, um diesen zur Seite gleiten zu lassen. “Was?“, entkam es mir belegt, leise und müde und ich stöhnte noch einmal kurz auf, noch halb Dämmerzustand gefangen. Dann wischte ich mir über die Augen und nickte schließlich. “Ich denke schon!“, gab ich dann noch ebenso belegt und müde von mir, jedoch nun deutlich lauter und vernehmlich. Als ich mich ein wenig auf den Unterarmen aufstützte und nach dem Urheber der Frage suchte, entdeckte ich Grians Antlitz im Spalt der Tür. “Grian!“, sagte ich nun leicht überrascht. Sie hatte ich doch suchen wollen, doch war ich wohl durch mein Elend dann doch zu abgelenkt gewesen. “Schön, dass ich dich nun gefunden habe!“, stellte ich dann – unter leicht verdrehten Tatsachen in den Raum – und lächelte dazu matt. “Ich hätte dich noch suchen lassen...“


    Mit einer leichten Handgeste bedeutete ich ihr einzutreten. Immerhin musste ich sie nun – für sie recht überraschend wohl – fragen, ob sie ihren Dominus auf die Reise begleiten wollte. Auch meinem Vetter hatte ich einen solchen Vorgang ja schon in meinem Schreiben angekündigt. “Ich… muss mit dir reden!“ sagte ich dann winkte meine Sklavin weiter zu mir und setzte dann eine ernste Miene auf. Sofern dies im müden Zustande meiner selbst noch ging.
    “Und … ahm… bring mir mal den Becher dort drüben mit. Also mit… eingeschenkt!“ Ich richtete mich gänzlich in meinen Laken auf und stellte fest, dass ich noch keinerlei Plan hatte, wie ich das Erklären der Umständn nun bewältigen wollte. Piräus war weit weg. Der Weg war lang, die Zeit unbestimmt an sich, wie so ziemlich alles. Alles in allem schaute ich also nachdenklich drein und betrachtete mit müden Augen, welche ich dann und wann ein wenig aufriss, um den Schlaf darinnen los zu werden, das Tun meiner Sklavin, bis sie vor meinem Bett stehen würde.

    Irgendwann, am Ende der Trauben, des Käses und des Fleisches war es dann endlich so weit. Der Nasir verließ die Casa und Muckel und ich geleiteten ihn zur Porta. Nunmehr um viele Geschichten rund um Chios, die sowohl meinem Sklaven als auch mir noch die Haare einem Berg gleich in die Höhe trieben, allerlei Abenteuergeschichten und Erklärungen über den Handel im Allgemeinen und im Speziellen, konnte der gute Ephialtes endlich die Tür hinter ihm zu machen und ich seufzte erleichtert auf. Blieb nur zu wünschen, dass wir auf einen Wagen hoffen konnte, der weit entfernt der vielen, vielen Worte dieses Mannes waren und wir eben ein wenig Ruhe auf der beschwerlichen Reisen hatten.


    Ich war allerdings der Ruhe noch fern, denn nun ging es an, Briefe zu schreiben und diese über Rom verteilen zu lassen. Dazu ging ich in mein Officium und schloss die Türe nun ebenfalls hinter mir, erging mich in Qualen und Leiden und tupfte mein Leid dann mit einem Tüchlein aus den Augen. Dann schritt ich zu Serapios Officium, um dann – letztendlich ein Bad zu nehmen – rein zur Beruhigung und den Tag vorzeitig ausklingen zu lassen, indem die Truhen noch einmal überprüft wurden und erneut ein wenig Faustianer floss. In dieser Qualität würde ich auch diesen wohl eine lange Weile vermissen müssen.

    Lange hatten sich meine Wege nicht mehr mehr jenen meines Vetters gekreuzt und nun rückte das wohl auch weiterhin in die Ferne. Unabsehbar fern, was mir schon wieder einen unliebsamen Stich in die Magengrube schlug. Dennoch wollte ich nicht ohne ein weiteres Wort verschwinden, denn wie es aussah, kam meine Abreise noch überstürzter als eigentlich angenommen. Also nahm ich mir die Zeit nach dem Morgenmahl mit Orientalen, einige Briefe zu verfassen und diese an die Adressaten zu versenden. In diesem Falle war der Weg nicht weit gewesen, wenn auch nicht minder beschwerlich.


    Sorgenumwölkter Stirn hatte ich bei meinem Vetter an die Türe des Officiums geklopft, jedoch keine Antwort erhalten, weshalb ich infamer Weise das Officium einfach so betrat, ohne mich weiter unschicklich umzuschauen. Auf dem Schreibtisch platzierte ich meinen Brief, betrachtete diesen dann noch einmal melancholisch, doch dies verbesserte meine Stimmung schließlich auch nicht.


    Also atmete ich tief, drehte mich herum und verließ den Raum wieder, nur um dann wieder die Tür hinter mir zu verschließen.



    ANTE DIEM IV KAL OCT DCCCLXX A.U.C.

    Ad
    Faustus Decimus Serapio



    Werter und geschätzter Vetter


    Nun währt es schon eine Weile, dass du wieder unter uns weilte, ohne dass die Stunden es zugelassen hätten, dass wir uns ausgiebig sehen konnten. Wir waren wohl zu vielbeschäftigt, was ja auch von einer ambitionierten Gesinnung kündet.


    Meine Tage als Adituus hielten mich im Tempel fest und auch war ich abgelenkt durch allerlei Tätigkeiten, die das Leben so mit sich bringt. So hoffe verzeihst du mir, dass ich meine Wege nicht allzu oft mit den deinen habe kreuzen lassen. Sei dir dennoch meiner aufrichtigen Wertschätzung gewiss, denn ich könnte mir nicht vorstellen einen trefflicheren Vetter als dich zu haben.
    Doch ist dies nicht alles, wofür ich um Vergebung bitten muss, was ich in folgenden Zeilen gerne darlegen würde. Ich verfasse diese im Angesicht meines tiefsten Schuldempfindens.


    Vor Kurzem erreichte mich ein Brief meiner Mutter aus Piräus, in welchem sie mir ihre wahrscheinlich fatalen Leiden schilderte und in denen sie darlegte, dass sie wohl in Bälde von der Welt schreiten wird. Natürlich war mein Entsetzen groß, ebenso wie meine Sorge, weshalb ich beschlossen habe, nahezu unverzüglich in die alte Heimat aufzubbrechen, um ein Ableben ihrerseits durch meine Anwesenheit verhindern zu können, denn die Quacksalber umschwärmen meine liebe Mutter bereits wie die Fliegen, welche sich mit Inbrunst auf die ihr anhaftende Leichgläubigkeit und Großzügigkeit stürzen. Wie lange ich fort sein werde ist ungewiss und wie ich die Leiden meiner Mutter kenne, sind diese von recht hartnäckiger Natur. Meine Reisetruhe ist bereits gepackt und mein Entschluss gefestigt, sodass es wahrscheinlich ist, dass wir uns vor meiner Abreise nicht mehr sehen werden.


    Ich werde mit einer Händlergemeinschaft reisen, welche meine Sicherheit garantiert, Kost und Logis unterwegs und ebenso eine gute Ankunft. Es handelt sich um die Nasirs, welche ihres Zeichens Gewürz- und Sklavenhändler sind und gewohnheitsmäßig die Strecke nach Achaia bereisen, weshalb ich mich in ihrer Gegenwart recht sicher wähne. Sollte mich mein Gespür trügen, so findest du ihr Handelshaus in der Nähe des Forum Romanums in Richtung Dioskuren-Tempel gelegen. Der Name des Händlers lautet Sin Nadir und auch wenn von gutem Leumund zu sein scheint, so könntest du dort nachhaken, sollte ich mich nicht von unterwegs melden oder es versäumen nach meiner Ankunft sogleich einen Brief zu verfassen. Ich werde meinen Sklaven Nepomuk mit mir nehmen und auch Grian, sofern sie dies denn will. Der Aufbruch ist für morgen in aller Frühe geplant und für diesen Entschluss gibt es meinerseits wohl kein Zurück.


    Es wäre vortrefflich, wenn du oder ein anderer Decimer in dieser Zeit ein Auge auf meine Tonstrina haben könntest. Zwar sind meine beiden Sklaven Ulcus und Quix hervorragend und sehr verlässlich, doch wäre es mir lieb, wenn sie wüssten, dass es noch jemanden gibt, der nach ihnen Ausschau hält. Nicht, weil ich ihnen nicht vertrauen, sondern gerade deshalb! Einen großen Beutel mit Sesterzen für ihr Peculium habe ich meinem Officium hinterlegt. Dort ist er in der kleinen Truhe unter dem Regal meiner Figurensammlung befindlich. Da der Schlüssel dafür bisher noch unauffindbar für mich ist, wäre ich damit einverstanden, dass du dir auch mit Gewalt Zugang zu dieser Truhe verschaffst.


    Mit diesen Worten aber ist meine Schuld noch nicht vollends besiegelt, denn die Schwere folgt zuletzt und auf dem Grund des Kummers. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer das Herz mir ist, wenn ich nun kund tue, dass ich – feige wie ein Hund – meine Verbindung mit Valentina gelöst habe. Dazu habe ich ihr einen Brief zukommen lassen und bin nun vollends darüber bewusst, welche Schande ich mir damit aufgeladen habe. Mein Herz blutet und meine Augen sind tränennass, wenn ich daran denke, was ich meinem Augenstern damit nun antun muss. Ich verfluche das Schicksal und ich bin geneigt dies ebenso mit meiner Mutter zu tun, doch kann ich mich diesen abscheulichen Gefühlen nicht hingeben und die Qualen meiner Mutter ignorieren oder gar Valentina dazu nötigen, mir bis ihr Krankenzimmer zu folgen. Insofern mag es sogar ein weiser Entschluss sein, dem die Zeit vielleicht – so die Götter wollen – ihren Stachel nimmt, so denn die Geliebte meines Herzen Sicherheit und Wohlstand finden möge. Auch wenn es mir elendige Schmerzen zufügt, so auch in den Armen eines anderen. Ich selbst bin dieser Tage nicht in der Lage, einer Ehe gerecht zu werden und ich muss nach Piräus, da ich es mir nie verzeihen würde, meine Mutter nicht noch ein letztes Mal gesehen zu haben oder ihr – so wünsche ich mir – bei ihrer Genesung Unterstützung zuteil geworden zu lassen haben.


    Ich hoffe nun auf dein Verständnis. Mehr vermag ich nicht zu tun.


    So oder so ist mein Leben gerade ein Fluch, den es zu durchleben gilt. Also kann ich nur mit meinem Wunsch verbleiben, dass du dich – so du dich einverstanden erklärst – um meine geliebte Valentina kümmerst und um meine Sklaven in der Tonstrina.


    Ich wünschte, das Leben würde weniger Bürden in sich tragen, doch was ist schon ein Mensch, dass er gegen die Vorsehung angehen kann? Ich hoffe, dass mir von Valentina, dir und den Göttern vergeben wird. Mögen diese über dir und allen meinen Lieben sein.


    So verbleibt nun – höchst selbst bis auf den Grund erschüttert – dein Vetter,







    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/t8zr8llp.jpg] | Acestas


    Acestas war vom Domus Iulia weiter geeilt und einen weiteren Brief abzugeben. Dieser war der letzte auf seinem Wege, ganz so, wie Dominus Casca es gewünscht hatte. Er hatte gemeint, er, Acestas, würde nun eine Schicksalstat für ihn vollbringen, indem er dieses Schreiben dem Postkasten der Casca Quintilia überantwortete und er solle so tun, als wäre dies des Dominus eigene Hand, die den Einwurf tätigte. Nur wie das gehen sollte, hatte der Decimer ihm nicht gesagt und nachgefragt hatte der Cursor auch nicht. Zum einen, weil dies besser war, denn der Dominus war in einer unbestimmbaren und sehr betrübten Verfassung gewesen und zum anderen, weil der Dominus des Öfteren seltsame Dinge sagte, die man besten durch beide Ohren im Durchzug dem Wind überantwortete. Aber das hier schien wirklich recht ernst zu sein.


    Also atmete Acestas tief durch, trat an den Postkasten und ließ den Brief langsam hinein sinken. Einen Moment starrte er noch auf den Kasten und nickte dann dazu, was schon fast eine andächtige Geste war und dem Willen des Decimus Casca wohl entsprechen würde. Ehe es aber auch in dem Cursor zu einer Art Grabesstimmung kommen konnte, riss er sich von dem Anblick los und machte sich auf den Weg zurück zur Casa Decima Mercator. Es war schon fast Essenszeit und wenn er ehrlich war, drückte ihn auch nun auch schon ein wenig der Hunger.




    ANTE DIEM IV KAL OCT DCCCLXX A.U.C.

    Ad
    Quintilia Valentina
    Casa Quintilia
    Urbs Aeterna



    Geliebtes Herz


    So lange haben nun unsere Herzen im Einklang geschlagen. So hingebungsvoll, dass dies mit jedem Buchstaben dieser Zeilen und mit jedem weiterem Schlage zu einer schier unüberwindbaren Qual wird. Mein Herz, es blutet, während ich dir hier nun schreibe und mich in der infamsten Weise, welche die Welt hervorbringen kann, nun martert. Ich wünschte sehr, ich könnte den Mut aufbringen, dir noch einmal leibhaftig und mit allen Sinnen gegenüber zu treten, doch das Schicksal macht mich nun zu einem Verräter an meinen Gefühlen und an dir.


    Alles in mir ist schwer, doch ich will mich erklären. Besser als es meine ausgesprochenen Worte wohl könnten. Vor Kurzem erreichte mich ein Schreiben aus meiner Heimat Piräus. Eine Heimat, die nun nicht mehr die meine ist, doch die mich zu sich ruft. Meine Mutter liegt erkrankt danieder und ich würde es mir nie verzeihen, sie nicht ein letztes Mal zu sehen und ihr liebe Worte entgegen zu bringen, ehe sie die Welt vielleicht verlässt. Wenn die Götter gnädig gestimmt sind, so könnte es möglich sein, dass sich ihre Leiden bessern, doch ist dies – so wie es klang – wohl ungewiss.


    So habe ich mich dazu durchgerungen, sehr bald aufzubrechen, um zu ihr zu reisen, ohne die feste Gewissheit, was die Zeit für mich bereit hält und wann ich wieder nach Rom zurückkehren werde. Ich kann nicht von dir verlangen, mir nach Piräus zu folgen. Auch kann ich nicht verlangen, dass du viele Wochen, vielleicht Monate – Jahre? - auf meine Rückkehr wartest und dein Lebensglück verpasst. An meiner Seite in Piräus würden nur melancholische Stunden auf dich warten und mein Herz ist zu sehr an deinem Wohl gelegen, um dir einen derartigen Käfig anzutun.


    Mit tiefer Freude und einem Lächeln denke ich an unsere Zeit und unsere Verlobung am Strand. Die vielen schönen Stunden werde ich mir für immer bewahren und es ist meine Hoffnung, dass sie auch dir nicht entgleiten. Mit Tränen sehe ich mich nun also gezwungen, meiner neuen Heimat Rom, meiner lieben Famila und auch dir Lebewohl zu sagen auf unbestimmte Frist.


    Ich wünschte, ich könnte verhindern, dass du mich nun als einen Feigling betrachtest, doch das vermag ich wohl nicht. Jeder Fluch und jedes böses Wort, welches du mir nun in Gedanken oder Worten entgegen bringst, habe ich wohl verdient und werde es tragen, als wäre ich ein Feigling nicht. Bitte verstehe, dass ich persönliche Gespräch nicht suchen kann, da ich ansonsten versucht sein würde, mein Vorhaben nicht umzusetzen und meine Mutter sich selbst zu überlassen. Ich schulde ihr so viel, dass ich es nicht in Worte zu fassen vermag und ich kann nur – wenn auch nur auf ein entferntes – Verständnis deinerseits hoffen.


    Sei dir gewiss, dass ich dich immer lieben werde und unsere gemeinsame Zeit in Gedanken und im nunmehr geschundenen Herzen mit mir nehme und sie hüten werde wie einen goldenen Schatz. Dem Glück deiner Zukunft allerdings mag ich dabei nicht im Wege stehen und ich bete zu den Göttern, dass du einen wertvollen und geliebten Gemahl in Bälde finden wirst. Meine Hände zittern, während ich diese Zeilen verfasse, doch steht hinter diesen Worten der volle Ernst meiner Liebe zu dir!


    Mögen die Götter deine Wege behüten, deine Entschlüsse mit ihrem Segen bedenken und dein Glück vollumfänglich unterstützen, so wie ich es immer tun werde.


    Lebe wohl, meine Geliebte und mein großer Schatz, meine Liebste und mein Augenstern.


    Eines Tages werden wir uns wiedersehen und so es das Leben will, als beste Freunde unter dem Himmel dieser Welt.


    Dein dich liebender







    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/t8zr8llp.jpg] | Acestas


    Er hatte sich schon sehr beeilt, sogar noch mehr als sonst. Immerhin hatte Dominus Casca es schon seit dem Morgen sehr eilig gehabt und wie ein Verrückt- Gewordener noch einige Schreiben verfasst. Eines dieser Schreiben erreichte nun von einem leicht verschwitzten Ascestas getragen den Briefkasten des Domus Iulia.



    ANTE DIEM IV KAL OCT DCCCLXX A.U.C.

    Ad
    Familia Iulia
    Domus Iulia
    Urbs Aeterna



    Familia Iulia


    So ich, Cnaeus Decimus Casca, für die meisten der Iulier hier wohl recht unbekannter Weise schreibe, möchte ich doch mein tiefstes Mitgefühl für den Verlust von Gaius Iulius Caesonius ausdrücken.


    Auch wenn meinen Zeilen verspätet erscheinen mögen, so mangelt es ihnen doch nicht an Aufrichtigkeit.


    Mit Caesonius verlässt mich ein treuer Kollege der Societas Claudiana et Iuliana, ein werter Freund und ambitionierer Pionier, der mich so manches über die Weinkunst lehrte. An dieser Stelle möchte ich auch noch einen Gruß an den guten Alexander aussprechen, der als Kellerer über ein treffliches Wissen verfügt und meine verbliebene Nacht in diesen Belangen sehr erhellte. Mit Freude denke ich zurück an heitere Stunden und über die ein oder andere Fachsimpelei.


    Möge Caesoninus nun den Weg der Götter gegangen sein, so besteht vor allem die Hoffnung bis zuletzt, dass sich die Geschicke aller zum besten fügen. So möge es auch für die Iulia sein.


    Mögen die Götter ihre Hand über uns alle und alles halten.


    Mit einem Gruß,



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    Vor dem Einwurf hatte Acestas auch noch einmal überprüft, ob es sich auch um den richtigen Brief handelte. Was auch immer Dominus Casca damit gemeint haben konnte. Dieser Brief hier, war eindeutig adressiert und ansonsten machte er nicht den Eindruck, dass an ihm irgendetwas nicht wirklich stimmte. Aber wer war der Custos schon, um das zu beurteilen. Nachdem er seine Aufgabe erfüllt hatte, machte er sich weiter auf den Weg, denn seine Mission war noch nicht zur Gänze beendet.

    - > Atrium



    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/sin-nasir5ujdk.gif] | Sin Nasir [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/nepomukavatarr9jvs.gif] | Muckel


    Da saßen wir nun also. Das hieß, Muckel saß ein wenig verklemmt auf einer der Clinen und blickte zweifelnd von einem zum anderen und Sin Nasir und ich lagen auf jeweils einer Cline, uns gegenüber.
    Philodemos, der Küchengehilfe war so frei, ein paar Kostbarkeiten zu bringen. Sowas wie kleine, gefüllte Eier, etwas Käse, Weintrauben und ein paar noch saftige Fleischscheiben vom Vortag. Dazu gab es reichlich Brot, gutes Olivenöl und für meinen Teil einen recht orbitanten Schuss Garum obendrauf. Ein Essen ohne dieses kam für mich noch immer nicht infrage, obwohl man bereits mehrere Versuche unternommen hatte, mir diese vermeindliche Unart abzugewöhnen. Selbst die gute alte Candace, unsere Coqua, meinte schon, dass es nur wenig Freude bereiten würde für mich zu kochen, da ich eh alles im Garum versenken würde. Ein Schande, was mich aber nicht weiter störte. Eher schrie der Tag förmlich nach einer Extra-Portion Garum, die ich mir auch reichlich über das Brot mit der Fleischscheibe goss, zum Munde führte und herzhaft hinein biss.


    Dabei wurde ich selbstredend sehr aufmerksam von Sin Nasir, meinem Gegenüber mit den Falkenäuglein, beobachtet und ich konnte deutlich sehen, wie der Orientale leicht angewidert das Gesicht verzog, dann aber entschuldigend lächelte und an einer Rebe Weintrauben herumzupfte, die er sich zum Käse gönnte. Jedem eben das Seine. Ich lächelte nun auch und lauschte weiter seinen Aussführungen darüber, was für ein zuverlässiger Mensch er war, welche Routen er schon durch das Imperium unfallfrei durchschritten hatte und überhaupt woher er und seine Familie kamen. Natürlich waren die Nasirs so gut wie bettelarm, was ja so ziemlich jeder Händler war, wenn man ihn nach seinem Vermögen fragte. Doch das tat alles nichts zu Sache. Mir war eine gute, sichere Reise wichtig und alles andere war eher eine beiläufige Randerscheinung.


    Während Sin Nasir noch redete wie ein Wasserfall, konnte ich nicht umhin auf dessen Oberlippenbart zu starren, der unter den Regungen des Mundes mal hier und mal dort munter auf und ab wippte. Beeindruckend wie ich fand, doch mir selbst hatte ein Bart noch nie so recht zu Gesicht gestanden, doch dieses Exemplar an dem Orientalen hatte schon eine gewisse extravagente Note. Ob ich vielleicht doch noch einmal den Versuch…


    Ohne es selbst zu merken strich ich mir über das Kinn und kam zu dem Schluss, es doch besser zu unterlassen. Valentina hatte ja gemeint… nein. Das war ja nun nicht mehr wichtig. Aber Grian meinte das ja auch. Und von daher…


    “… und so lernt man im ägyptischen Fajum sehr schnell, mit einem guten Schwert oder einem Dolch umzugehen. Wir haben viele gute Männer und von daher wird die Reise eine sehr sichere werden. Den Nasirs ist ja auch sehr daran gelegen, Chios dann ohne Zwischenfälle zu erreichen. Für dich gibt es also eine Garantie für ein gutes Ankommen, sofern denn der Preis dich nicht abschreckt,“ schien der dauerredende Orientale nun endlich seinen Wörterschwall beenden zu wollen.


    Ich nickte großmütig und verzog dann leicht den Mund.
    “Nun ja. Daran sollte es nicht scheitern!“, gab ich bekannt und erntete weiteres Wohlwollen auf der anderen Seite des Tisches.
    Im Anschluss biss ich noch einmal in mein Brot und sah zu Muckel hinüber, der ein wenig eingesunken wirkte. In etwa wie ein Sack Mehl, den man im Regen vergessen hatte. Ihn aber nun zu fragen, was in ihm vorging wollte ich auch nicht unbedingt.


    “Sehr gut, sehr gut!“, meinte der Nasir, ehe wieder etwas in seinen Augen schillerte, was entfernt wie ein kleiner Schalk ausschaute. “Und du, Decimus? Bist du im Kampf geschult?“ Es folgte ein weiteres Zupfen an einer der Trauben.
    “Oh...ich...“


    Ich konnte mir nicht helfen, aber ob dieser nun doch überraschenden Frage erspürte ich in mir nun doch ein recht unangenehmes Bauchgefühl. Wie eine ferne Warnung. Also rückte ich mich ein wenig zurecht und sah noch einmal zu meinem Sklaven, der mich nun ebenso alarmiert anschaute.


    Dann blickte ich zurück auf den Orientalen, der so aussah, als sei dies doch nur eine kleine Plauderrei. Also gab ich mir einen guten Ruck. “Ja, aber natürlich!“, log ich nun, obwohl ich ja eigentlich schon einmal recht annehmbar mit einem Gladius hantieren konnte. Vor etwa zehn Jahren… oder fünfzehn. Die Zeit machte ja nicht Halt und auch ich war ja nun nicht mehr so jung wie vor etwa… zehn oder fünfzehn Jahren. “Ich wurde damals noch von meinem Vater unterrichtet, dann von einem ehemaligen Legionär. Und ich muss sagen, ich war...bin… sehr gut mit einem Gladius. Auch Dolche… sind eine Sache, der ich mich gut und gerne gewidmet habe!“


    Meine Stimme klang recht fest und ich mühte mich sehr, auch recht tapfer und erprobt dreinzuschauen. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich Muckel, der mich fragend anblickte und mit den Lippen ein – zum Glück – stummes “Wann denn das?“ formte. Auch waren seinen Augen nun vor Erstaunen ein wenig geweitet, was hoffentlich dem Gast aber nicht so auffiel.


    Schnell lächelte ich diesem also entgegen und führte das Ganze noch ein wenig fort.


    “Mein Gang zur Legion war schon so gut wie sicher. Aber mein lieber Bruder hat dies ja schon getan und auch mein Vetter ist sehr erfolgreich dort. Also eher hier, bei den Prätorianern! Er ist der Präfekt!“, stellte ich noch umgehend klar. Nicht, dass der Nasir noch dachte, ich wäre am Ende ein leichtes Opfer oder dergleichen. “Also meine gesamte Familia ist sehr versiert in der Kampfeskunst!“ trug ich dann noch ein wenig dicker auf.
    Sin Nasir schürzte anerkennend die Lippen und kaute dann auf seiner Traube herum, während seine Blicke nachdenklich schlillernd tanzten.
    “Dann kannst du also sehr stolz sein!“, stellte er schließlich nach dem Schlucken fest und ich nickte dazu.
    “Ganz genau!“


    Dann seufzten wir nahezu zeitgleich. Wie schön es doch wäre, doch tatsächlich beschränkte sich meine Erfahrung in der Kampfeskunst dann doch auf die Kämpfe des Lebens im Allgemeinen und ab und im Besonderen, doch mit der Waffe hatte ich diese bisher ja auch nie austragen müssen.


    Ich biss noch einmal in mein Brot und genoss den herzhaften Garum-Geschmack, als Sin-Nasir diese kleine Pause dazu nutzte, die eigentlichen Verhandlungen zu starten.


    “Tausend Sesterze!“, fiel als Aussage und ich verschluckte mich fast, konnte den Bissen aber noch im letzten Moment bremsen.
    “Taufffend?“, hakte ich mit nunmehr noch vollem Munde nach und ernetete ein bedeutungsschwangeres Nicken.
    “Für den ersten Wegabschnitt bis Brundisium.“
    “Oh!“
    “Ich hoffe, das ist nicht zu viel für dich, aber wir haben natürlich einige Kosten die gedeckt werden wollen. Für den Wagen und die Männer zur Sicherheit der Reise. Die Übernachtungskosten kämen dann jeweils noch oben drauf und natürlich die für die Verpflegung und dergleichen.“
    Ich schluckte nun doch. Recht schwergängig, aber immerhin.
    “Ja… das klingt fair,“ wagte ich es zaghaft zu sagen und gönnte Muckel einen Seitenblick.
    Dieser aber sagte nichts, sondern schaute nur ein wenig unentschlossen zurück.
    Sin Nasir war dieser Blickwechsel nicht entgangen.
    “Keine Sorge! Ein Pfand verlangen wir nicht!“, erklärte er unverdrossen grinsend und langte nach dem mit Limone gefärbten Wasser in seinem Becher, stürzte dieses hinunter und hielt mir dann in einer überraschend flotten Geste seine Hand quer über den Tisch, wozu er sich auch ein wenig aufgerichtet hatte.
    “Öh…,“ entkam es mir und im nächsten Moment ärgerte ich mich schon gleich ein wenig, denn wie aus einem ununterdrückbaren Relfex heraus, hatte ich vor lauter Schreck nun ebenfalls meine Hand ausgestreckt, jene des Nasirs ergriffen und somit auch schon in den Handel eingeschlagen. Wie es aussah. Und sich anfühlte. Und wohl auch nunmehr definitiv so war.


    “Wunderbar!“, entkam es dem Orientalen zufrieden und er ließ nach dreimaligem kräftigen Rütteln an meiner Hand diese auch schon wieder los. Dann ließ er sich zurück auf die Cline sinken und atmete tief und erleichtert durch. “Ein wunderbarer Tag,“ stellte er fest. “Der letzte für eine kleine Weile in Rom. Morgen früh geht es los. Wir erwarten dich dann pünktlich an unserem Handelshaus!“
    “Natürlich!“, entkam es mir und nun war ich an der Reihe, nach dem Kimonenwasser zu greifen und einen guten Schluck davon zu trinken. “Selbstredend!“
    Muckel unterdessen entließ ein angestrengtes und wenig beglücktes “Pffuuhh...“ aus seinem Mund, blieb aber ansonsten ruhig, auch wenn er seine wohl feuchten Händflächen über den Stoff seiner Tunika über den Knien rieb.


    So war es also jetzt real. Ich würde abreisen und das noch schneller als eigentlich gedacht. Meine Gedanken jagten von dem hiesigen Orte, an welchem ich mir noch überlegte, ob ich da wirklich einen guten Handel gemacht hatte, hin zu all den Dingen, die noch dringlich erledigt werden wollten, dann noch einmal zu Valentina und meinem verpatzten Lebensglück, dann zu meiner Mutter und dem Bild von ihr in meinem Kopf, in welchem sie blass und bleich im Bette siechte, mit meinem unsäglichen Brief in der ersterbend klammen Hand und dann landeten sie bei Grian. Grian! Ihr lieben Götter! Ich wusste einmal mehr nicht wo sie steckte und ich hoffte, sie würde sich aufspüren lassen, ehe die morgigen Morgenstunden erreicht waren! Am besten ich suchte mir diesbezüglich Hilfe und dachte schon an Muckel, weil er mir als Sklave in diesem Moment am nächsten war. Schnell wischte ich aber den Gedanken noch einmal beiseite, denn noch war ja der Orientale da, der offenbar noch nicht wirklich zu Ende gefrühstückt hatte. Vertreiben wollte ich ihn nun gerade nicht, denn ich fürchtete, ein solches Verhalten würde die Reisestimmung am Ende noch mehr trüben, als sie es eh schon war.


    Und ich würde mich verabschieden müssen. Und noch einige Schreiben aufsetzen. Eines davon an die Iulier, denn wie ich vernahm war mein teuerer Freund und Kollege Caesoninus nicht mehr auf dieser Welt, sondern in der nächsten, was eine sehr, sehr traurige Angelegenheit war. Ich war erschüttert, davon zu vernehmen. So jung und so ambitioniert. So unendlich rege und kaum älter als ich selbst, wenn überhaupt. Irgendwann erwischte es jeden. In jedem Alter. Immer. Überall.


    Ich atmete tief unter diesem schweren Gedanken. Ja. Das Leben konnte ein Trauerspiel sein. In mehrere Akte gegossen schritten wir alle voran, dem bereits seit der Geburt festgelegten Untergange entgegen. Und am Ende überlebte wahrscheinlich nur meine Mutter. Ich rollte meine Blicke gen Raumdecke und schob mir dann den letzten Bissen Garum-Fleisch-Brot in den Mund.



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    Inzwischen war ein wenig Zeit verstrichen, doch was bedeutete schon Zeit? Sie war nur eine weitere Komponente im Spiel des Lebens und oftmals war ich ja ganz froh, dass sie verging. Nicht in den schönen Momenten, aber in den scheußlichen war es doch eine Gnade.


    Inzwischen hatte ich noch mehrmals geseufzt, während Muckel und ich uns recht lahm aber in eigentlich aufmunternder Absicht auf die Oberschenkel geklopft hatten. Eine eher männliche Geste, wie ich wähnte, denn Traurigkeit und letzten Endes Melancholie war doch eher etwas für Frauen, die gerne darüber ‚redeten‘. Hier im öffentlichen Raum aber war das wohl wenig angebracht. Wie ein Wunder erschien es, dass gerade hier im Atrium nun doch einiges an Betrieb war, der die gute Olivia vorbei getrieben hatte, die uns mit mitfühlenden Blicken bedacht und sich nach meinem Befinden erkundigt hatte.


    Da hatte ich dann doch nach Glück schmachtend geseufzt, woraufhin sie meinte, ein guter Kuchen würde über vielerlei Kummer hinweg helfen. Daraufhin hatte sie sich aufgemacht, um mir und Muckel ein schönes Stück zu bringen. Als sie zurückkam, nahmen wir das Kleinod dankbar entgegen und nagten in eiserner Schweigsamkeit daran herum, bis auch dieser Friede letztendlich gestört wurde.


    “Dominus Casca?“, hallte eine recht tiefe Stimme durch das Atrium.


    Sie stammte von einem Nubier, der gerne dem Ianator zur Hand ging und geradezu klettengleich an diesem Manne hing. Fragend und recht erstaunt hob ich den Kopf in die Richtung, aus welcher die Stimme kam und hielt überrascht auch in meinem Kauen inne.
    Tatsächlich war es der Nubier, der von einem viel kleineren, weniger muskulös bestücketen und etwas untersetzen Mann verfolgt wurde, der eine recht urige Erscheinung darstellte. Auch Muckel hatte den Kopf gehoben und beschaute sich den Ankömmling mit tief gerunzelter Stirn.


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    “Das ist Sin-Nasir!“, sagte der Nubier erklärend, deutete auf den Orientalen und wirkte dabei selbst mehr als nur skeptisch.
    “Ach was!“, gab ich mit vollem Munde von mir, kaute dann aber noch einmal und schluckte den – sehr wohl an sich köstlichen – Bissen hinunter, während ich den Mann musterte.
    Sein Erscheinen war wie zum Erstaunen gemacht und noch hatte ich keine Ahnung, warum ausgerechnet ich…
    “Ah! Ach so!“, fiel es mir dann aber wie Schuppen von den Augen. “Der Händler!“
    Der Orientale nickte erfreut und etwas blitzte fröhlich in den großen, dunklen Augen. Irgendwie vorwitzig erschien das.
    “Ja! Sin Nasir mein Name, Decimus!“, tönte es dann auch schon heiter in diesem unnachahmlichen Orientalen-Akzent. “Du hattest dich nach eine Mitreisegelegenheit erkundigt und da unsere Karawane… ich meine Händlergemeinschaft schon sehr bald aufbricht….“
    “Natürlich, natürlich!“, sagte ich schnell, drückte hastig Muckel meinen Restkuchen in die Hand und erhob mich, um mir dann auch noch fix die Krümel von der schönen Tunika zu klopfen. “Sehr erfreut. Ja. Ich würde mich gerne anschließen, um einer sicheren Reise willen.“


    Warum sollte ich die Leibwächter der Casa mit mir herumreisen lassen, wenn es auch anders ging. Für einen Obulus bekam man ja schließlich den Schutz für unterwegs ebenso und zur Last fallen wollte ich ja niemandem und wer wusste schon, wie lange meine Mutter….


    Hinter mir hatte sich nun auch Muckel erhoben. Noch immer recht skeptisch wie es schien.
    “Casca?“, sprach er mahnend meinen Namen aus, doch ich winkte schnell ab, drehte mich leicht zu ihm und erklärte das eben schnell.
    “Die Nasirs sind Gewürz- und Sklavenhändler. Sie wollen in Richtung Piräus, so wie wir!“
    Alles in Allem eine recht praktische Angelegenheit.


    “Oh ja. Das ist richtig!“, gab der Nasir nun in einem leicht öligen Unterton von sich, verneigte sich dann leicht und ich kam nicht umhin zu bemerken, dass sein funkelndes Kenner- Augenmerk nun über meinen Muckel graste. Von oben nach unten und wieder zurück, was Muckel natürlich nicht entging, weshalb er wohl ein verhaltendes Räuspern von sich gab und unruhig von einem Bein auf das andere trat.
    “Ein schöner Mann!“, entkam es dem Nasir dann lobend und ein wohilges Lächeln begann damit, dessen Lippen zu umspielen.


    Nun war es an mir mich zu räuspern.


    “Oh ja… äh… ja… vielen Dank!“, brachte ich heraus, grinste nun meinerseits – vielleicht etwas verdattert – und schob Muckel leicht hinter mich. Dass Nepomuk etwas Attraktives an sich hatte, so er denn wollte, war mir irgendwie schon bewusst. Immerhin gelang es ihm ja die ein oder andere Sklavin zu beeindrucken, aber dieses Lob hier ging mir nun doch zu sehr in die Tiefe. “Ich meine… Ich bin… auch sehr stolz auzf ihn!“, sprach ich dann schnell weiter, was Muckel überrascht nach Atem schnappen ließ.
    “Wirklich?“, wollte er dann gewispert wissen, aber ich schüttelte sehr leicht und entnervt den Kopf.
    “Er würde einen guten Preis auf Chios machen. Wirklich nett… sehr nett,“ philosophierte der Nasir weiter, während ich einmal tief durchatmete.
    “Ja...äh… er ist aber nicht...also… Ich würde ihn nie… außerdem ist er ja schon so alt… ahm...alteingessen hier und….war ein Geschenk meiner Mutter!“
    “… Casca!?“, kam es nun von Muckel und man konnte das neuerliche Stirnrunzeln quasi schon seiner Tonlage entnehmen.
    Der Nasir lachte nun. Etwas zu glockenhell für meinen Geschmack, aber immerhin winkte er nun seinerseits ab.
    “Keine Sorge. Sin Nasir will ihn nicht kaufen!“
    “Das ist gut!“, quittierte ich sogleich die Aussage und atmete noch einmal tief durch. “Dann können wir ja die Formalitäten besprechen… für die Reise. Vielleicht im… ahm… Tablinum?“, bot ich freundlich an und deutete leicht in die Richtung, in welcher der Raum zu finden war.
    “Sehr gern!“, gab der Nasir strahelnd wie die Morgensonne von sich, bevor er Luft holte, als wolle ich sich derartig damit vollsaugen, um wie eine Wolke eben dort hinüber schweben zu können.


    “Also gut. Danke Natterkamisi…du kannst dann zur Tür zurück!“
    Der Nubier war ja immerhin auch noch anwesend.
    “Natakamani!“, entkam es ihm noch pikiert und ich nickte zügig.
    “Sagte ich doch!“, schnappte ich und schwenkte schon einmal um, um ins Tablinum hinüber zu humpeln.


    Muckel tat es mir gleich, hielt sich aber neben mir nun recht auffällig in Deckung. Dann fiel mir doch noch etwas ein. “Oh! Nakatam… Natta… äh… könntest du bitte in der Culina Bescheid geben, dass wir ein kleines Mahl… nichts Großes… aber… du weiß schon!“
    Der Nubier verzog den Mund, was von einer leichten Genervtheit kündete, nickte dann aber und trollte sich zügig, während ich einladend eine großrahmige Armgeste machte, um den Nasir tiefer in die decimischen Gefilde zu führen, welche er mit den Rücken gelegten Händen, im Schlenderschritt und wohlgefällig grinsend betrachtete. Wieder von oben bis unten und zurück.
    “Meinst du das ist eine gute Idee… das…?“ Muckel wisperte mir diese Worte zischend ins Ohr und deutete dabei mit einem Kopfrucken auf den Nasir, der noch ganz fasziniert von einer der Wandmalereien war.
    “Hast du eine bessere?“, zischte ich zurück. “Wir haben es eilig und sooo wählerisch können wir nicht sein.“ Ich drehte mich vor dem Eintritt ins Tabliunum noch einmal zu dem Nasir herum.
    “Das Bild zeigt der Raub der Sabinerinnen!“, erklärte ich verhalten, weil der Mann nun davor stand und ein wenig Abstand zwischen uns gebracht hatte.
    “Sabinerinnen…. Schöne Frauen… wüden viel Geld einbringen…“ Der Nasir lächelte wieder breit und zuckte dann mit den Schultern. “Nur Spaß!“
    Ich rang tief nach Atem. Das konnte ja heiter werden.



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    Vale, Vale, Roma!?


    Das morgendliche Treiben gab mir recht. Allein war ich nicht. Sonderlich beachtet wurde ich allerdings auch nicht, was aber nicht ganz so tragisch war. Mein Blick schwenkte müde hin zum Impluvium und ich seufzte einmal mehr. Vielleicht war nun die Zeit gekommen, mich zu beruhigen, wieder tiefer zu atmen und die Sache nicht ganz so tragisch zu nehmen. Es galt sich nur auf die innere Ruhe zu konzentrieren, wofür ich mich auch redlich bemühte.


    Sonderlich weit kam ich nicht, denn ich hörte Schritte und ich wurde angesprochen.
    “Casca!“, ertönte die fröhliche Stimme meines Leibsklaven und ich fuhr herum. “Ich habe schon einiges erledigt und ich war beim Cursus Publicus und dann...“
    Einen Moment schaute ich Muckel einfach nur an, während er beglückt durch seine morgendlichen Taten einfach weiter plapperte. Dann – irgendwann – brach es einfach aus mir heraus.
    “BIST DU IRRE?“
    Muckel zuckte zusammen und schaute drein wie ein junges Rind, das man soeben aus heiterem Himmel mit einem sehr großen Hammer konfrontierte.
    “Wieso????“, entkam es dann meinem Sklaven etwas schwachbrüstig und geradezu brüskiert.
    “Wieso? WIIIESO? Das war der falsche Brief!“, stellte ich vehement in den Raum, fuhr mit beidhändig durch mein Haar an den Schläfen und stellte dabei fest, dass ich schon wieder aus der Ruhe gekommen war. Unter dieser Feststellung ging ich wieder ein paar Schritte, wobei ich weitere Erkenntnisse in Gedanken wiederkäute. Muckel folgte mir, jedoch lediglich mit seinen Blicken und einem schief gelegten, fragenden Haupt.


    “Wenn meine Mutter diesen Brief liest, dann...“, sprach ich nun zu meiner Überraschung deutlich ruhiger aus… “Dieser Brief wird sie umbringen!“ Vielleicht nicht körperlich. Aber seelisch. Ich schaute mit fatalistischem Augenaufschlag meinem Sklaven entgegen.
    “Äh...“ Auch Muckel war nun sprachlos.
    Ich schwenkte um, humpelte zu einer kleinen Bank und ließ mich darauf nieder, wobei ich mein Augenmerk auf den Boden vor mir heftete.
    “Wie meinst du das… der falsche Brief? Hast du etwa!?“
    Ich nickte schwer, während ein langer Moment der Schweigens sich über uns beide legte. Dann regte sich Muckel wieder, kam auf mich zu und setzte sich neben mich, wobei er mich prüfend beschaute.
    “Also… der Brief ist nun schon weg… aber… ich meine… vielleicht… also…,“ Kurz geriet mein Leibsklave ins Nachdenken. “Wenn du meinst, der Brief bringt sie um… dann…. Müssen wir vielleicht gar nicht nach Piräus reisen!“


    Irgendwie klang Muckel in diesem Moment sehr weise und konnte nicht umhin zu bemerken, dass seine Worte in mir einen gewissen Anklang fanden. Das hieß, wären die Hintergründe nicht so infam. Also seufzte ich wieder bleiern und wünschte mich wie so oft in den letzten Tagen in die Arme meiner Verlobten, die schon gar nicht mehr meine Verlobte war, denn die Reise bedeutete ja immerhin den Bruch unserer Beziehung und den Untergang unserer Hochzeitspläne. Muckel stattdessen zu umarmen erschien einen kleinen Moment lang recht verheißungsvoll, doch verzichtete ich darauf.


    “Naja… wir müssen zumindest aufbrechen!“, sagte ich dann für die Umstände doch recht diplomatisch.
    “Ja…. Ich meine… ja…. Domina Mena ist ja auch recht zäh….“, stellte nun Muckel seine Gedanken in den Raum.
    Das war sie wohl, da hatte er recht. Es blieb nur die Frage, wie zäh ich selbst denn war. Wenn meine schriftlichen Worte sie nicht zu Fall brachten, dann sicherlich mich, sobald ich den Fuß auf decimischen Boden in Piräus setzte.


    - wird fortgesetzt

    - Fortsetzung
    Vale, Vale, Roma!?



    “Salve, Dominus Casca!“, schlug es mir von Ephialtes entgegen, während ich keuchend den Arm an die Wand legte, verschnaufend mein Knie hielt und dem Ianator entgegen blickte. Dieser erhob sich auch nun von seinem Schemel hinter der Tür.


    “Muckel…,“ hauchte ich außer Atem hervor und deutete etwas wage vielleicht auf die Tür, zu der Ephialtes nun fragend sah.
    “Ach so… ja… der ist vor etwa einer Hora...“
    Ich stöhnte auf. Das war ein Vorsprung, den ich nicht wieder wett machen konnte. Unter dieser Erkenntnis sackte ich ein wenig zusammen und barg meinen Kopf auf dem noch ausgestreckten Arm an der Wand.
    “Götter!“
    “Ist dir nicht wohl?“ Besorgnis schwang nun in Ephialtes Stimme mit, doch ich winkte ab.
    “Nein, nein… alles wunderbar!“, log ich schnell dahin und humpelte weiter zur Tür, riss diese auf und schaute hinaus.
    Kein Muckel war zu erblicken, also setzte ich meine Schritte vor die Tür und noch ein wenig weiter, bis ich auf der Straße stand und diese sehnsuchtsvoll hinunter schaute.
    “Erwartest du jemanden?“, wollte der Ianator wissen, der hinter mir her gekommen war.
    “Nun…,“ kam es unbestimmt aus mir hervor.
    Eigentlich erwartete ich nun die Katastrophe, welche in Piräus meiner harrte. Ein Grund eigentlich, genau dort gerade nicht hinzureisen.
    “Hattest du schon einmal das Gefühl, dass dein Leben vorbei ist?“, fragte ich lethargisch ob dieser Erkenntnis und drehte mich zu Ephialtes um.
    “Dominus Casca?“ Mehrere Fragezeichen schlugen mir aus dem Gesicht des Sklaven entgegen, der nun mit den Schultern zuckte und dann doch in der Tat nachdenklich die Lippen schürzte. “So direkt… nein, eigentlich schon lange nicht mehr...“
    “Ach!?“, stieß ich aus, seufzte schwer und schlurfte zurück zur Porta.


    Dann gab es also noch Hoffnung, welche ich nun, nachdem ich den Eingang wieder durchschritten hatte, zunächst im Atrium suchte. Dort erhoffte ich mir das Gefühl, nicht völlig allein zu sein.



    -> Atrium

    - Fortsetzung


    Wenn ich Muckel erwischte, dann konnte er was erleben! Wie hatte er nur das falsche Schreiben von dannen tragen können!? Konnte er etwa nicht lesen?


    Wie auch immer diese Sache gelagert war, mein Blut wallte so heftig, dass ich schon beinahe Schnappatmung bekam. Was hieß „beinahe“? Ich hatte sie ja schon längst! Mit der Hand fächelte ich mir Luft zu und meine Blicke wanderten zu den Sesseln. Dann zum Bett. Doch meine Ruhebeürfnis war nun dahin, weshalb ich vor der verschlossen Tür auf und ab ging, die Fäuste ballte und mir schließlich – im Elend über das Gesicht meiner Mutter, wenn sie diesen Brief erhielt – sogar flüchtig in einer meiner Fäuste hinein biss. Das ging so nicht! Ich musste hinter meinem Sklaven her!


    Also riss ich die Türe wieder auf, stellte fest, dass der junge Sklave sich getrollt hatte, und eilte daraufhin gleich selbst drauf los, hin zur Porta, um von dort aus zu sehen, was ich noch ausrichten konnte. Wahrscheinlich nichts, doch das war etwas, worüber ich besser nicht nachdachte, wenn ich ein kleines Stück Seelenfrieden in mir bewahren wollte.



    -> Porta

    - Fortsetzung



    In meinen Träumen wähnte ich mich in schöneren Sphären als diese dieser Tage in der Realität der Casa der Fall war. Allerdings waren diese Träume auch ein wenig schwergängig, was wohl aber noch an dem Faustianer lag, den ich ja überreichlich noch vor dem Schlaf genossen hatte. Doch auch dieser löste sich allmählich von mir. Genauso wie der Schlaf. Als ich meine Augen aufschlug, mit einem etwas angesteiften Nacken, dank meiner nun doch recht ungeeigneten Schlafgelegenheit, musste ich feststellen, dass die Sonne sich schon angeschickt hatte sich zu erheben. Vögelein sangen schon fleißig ihre Liedchen, vom Hortus her wehten einige Stimmen, die wohl von den Sklaven stammten und ich blinzelte träge dazu, ehe ich dann herzhaft zu gähnen begann. Der Sessel meinem Schreibtisch gegenüber war leer. Muckel war wohl schon aufgestanden und mit meinem flauen Magen hoffte ich bereits auf ein kleines Morgenmahl. Nur eine Kleinigkeit. Wasser vor allem, denn mein Kopf war noch schwer. Immerhin nicht mehr so unglaublich schwer wie noch einige Stunden wohl zuvor.


    Dann kam ein Bild in mir zum Vorschein, das von einem Brief kündete, den ich weinschwanger an meine Mutter adressiert hatte. Wie gut, dass ich nun nüchtern war und das Schreiben der Vernichtung anheimfallen lassen konnte.


    Noch vom Schlaf halbwegs gebeutelt wischte ich mir mit den Fingerkuppen über die Augen, ächzte unter meinem Gewicht als ich mich aufrichtete und suchte mit den Blicken nach dem Brief auf meinem Schreibtisch. Die Blicke glitten von links nach rechts und wieder zurück. Meine Stirn runzelte sich fragend und ich seufzte, ehe meine Blicke auch unter einer kleinen körperlichen Verrenkung auch unter dem Tisch nach der Nachricht suchen konnten. Auch hier: Nichts!


    “Ahm…,“ Ich schob mich wieder zurück, stöhnte noch einmal unter der leiblichen Unbill der nächtlichen Schlafstätte und der darunter verhärteten Muskulatur und blinzelte dann recht verwirrt. “Ahm… Muuuckel?“, rief ich dann in den Raum hinein, doch erhielt ich keine Antwort. Oh Nein! Die Botschaft war nicht mehr da! Wo konnte sie nur sein? Ich war doch nicht am Abend noch herum gewandelt und auch unter dem Schlaf neigte ich nicht zu derlei Tätigkeiten, auch wenn es unter zunehmendem Mond wohl durchaus zu so etwas kommen konnte. Bei einigen unserer Sklaven, aber doch nicht bei mir. Oh Nein! Ich rückte meinen Sessel zurück. Etwas seitlich hinter meiner Sitzgelegenheit lag ein Schreiben. Ich schnaufte erleichtert durch, griff danach und führte es mir vor die Augen. Oh Nein!


    “MUUUUCKEEEEEEEEEL!“, krakeelte ich nun volumös, stand auf und und begab mich unter “Ohhh...auuuu aaaaahhhhh...“ und der Folter meines demolierten Knies zur Türe, um diese in einem großen Schwung aufzureißen. “MUUUUUCKEEEEL!“, brüllte ich in den Gang. Ich brüllte und lauschte und in der Tat waren da eilige Schritte. Jedoch gehörten sie nicht zu meinem Leibsklaven, sondern zu einem anderen, etwas jüngeren Mann, der mir hastig und entschuldigend entgegen lächelte. “Nepomuk ist schon los. Er wollte deinen Brief zur Post bringen und er hat...“
    “WAS?“, herrschte ich entgegen meiner eigentlichen Art heraus und stierte dem Jungen entgegen.


    Dieser wirkte leicht erschrocken.
    “Er wollte den Brief, den du gestern...“
    “NEIN!“ Ich holte tief Luft, während mein Herz einen Schlag tätigte, den ich bisher nur durch sportliche Übungen von ihm kannte.
    “Doch, er...“
    “Ja… ja, ja! Ich höre es doch!“, herrschte ich weiter drauf los, während es sich so anfühlte, als würde mein Magen im eigenen Saft schmelzen.
    Noch einmal schaute ich auf den Brief, den ich in meiner Hand hielt. An meine liebe Mutter adressiert und in welchem ich ihr in so lieben Worten… nein! Muckel hatte den falschen Brief mitgenommen!
    “Oh, ihr Götter!“, hauchte ich nun zittrig dahin, was den jungen Sklaven noch mehr zu verwirren schien.
    “Er kommt sicherlich gleich wieder!“, brachte er unter einem verklemmten, aber nicht minder freundlich gemeinten Lächeln hervor.
    “Sicher!“, konnte ich noch sagen. Doch eigentlich verspürte ich das arge Bedürfnis, mich wieder setzen zu müssen.
    “Ich könnte ja in der Zeit mal in die Küche gehen und dir….“
    Wie der Satz des Sklaven weiter ging vermochte ich nicht mehr zu sagen, denn in meiner Beklommenheit, dass nun der geharnischte Brief auf den Weg nach Piräus gebracht wurde – hin zu meiner Mutter – war dies völlig irrelevant.
    Die Götter hatten sich gegen mich gewandt. Das war so gut wie gesichert!



    ---


    - wird fortgesetzt

    - Fortsetzung



    Alles in Allem war es eine infame Angelegenheit, wie mir selbst der Boden – nur noch mäßig benetzt - meines Weinbechers mitteilte. Wie ein Hauch des Schicksals, das mir mitteilen wollte, dass sich alles allmählich einem Ende zuneigte. So auch der Wein in dem Krug, den mir Muckel noch gebracht hatte, während ungezählte Tränen über meine Wangen geflossen waren. Wie die Sturzbäche des Styx, über dem sich meine Mutter ja schon wähnte. Was mir nun noch blieb, war noch einmal nach dem Krug zu angeln, wobei ich rotäugig und feuchtwangig meinem Sklaven entgegen blickte. Meine stummen Befehle der Nachschubbeschaffung gingen an diesem natürlich vorbei, da mir gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches im Sessel hing und mit offenem Mund vor sich hin schnarchte. Meinen Brief hielt er dabei noch immer in der Hand. Doch ich hatte Glück im Unglück. Der angenehme Faustianer, der Retter in der Not, reichte noch aus, um meinen Becher noch einmal zu befüllen.


    So langte ich also weit über den Tisch, ergriff den gehaltvollen Traubensaft und schenkte mir – so großzügig es noch möglich war – nach. Der erste Schluck des vorerst letzten Bechers schmeckte ebenso köstlich wie jene zuvor. Also wischte ich mir mit dem Handrücken über den Mund und fasste einen spontanen Entschluss. Wieder erhob ich mich, lehnte mich weit über den Tisch und schnaufte so lange, bis es mir mit ausgestreckten Arm gelang, den Brief aus Muckels Hand zu entwinden. Zunächst hielt er diesen wohl recht unbewusst noch fest, ehe auch er nun aufseufzte, sich zur anderen Seite lehnte und weiter schlief. Den Brief hatte er losgelassen, sodass ich diesen nun im Zurücksinken in meinem Sessel mir noch einmal zu Gemüte führen konnte. Wut erfasste mich. Nein, es war noch unangenehmer. Es war Hass. Auf meine Mutter, was ein ungehöriges Gefühl war. Hass auf ihre Krankheit passte da schon besser!


    Entschlossen griff ich nun nach meinem Schreibgerät, fegte das alte Schriftstück beiseite und schrieb erneut in einem geharnischten Duktus, wobei ich stetig und nebenbei aus meinem Becher trank.



    Ad Mecinia Mena, Casa Decima, Piräus


    Sei mir gegrüßt, Mutter!


    Seit ich von deiner neuerlichen Krankheit erfuhr, kann ich nicht umhin festzustellen, dass es mir mit deinem Willen, mich zu einem Besuch bei dir zu nötigen, so ergeht wie einem Pferd, das gegen den Strich gebürstet, quer durch das Imperium getrieben werden soll. Mit lahmen Bein und gequältem Gemüt.
    Worte genügen wohl kaum, um das nieder zu schreiben, was ich in diesem Moment in meinem Inneren erspüre. Da ich dir dir bereits das Beste an Gedanken und lieben Wünschen gesendet habe – in Opfern und Bitten – bleibt mir selbst an all diesen Dingen nicht mehr viel.
    Ich wünsche dir natürlich die gute Gesundheit zurück, doch wäre es besser, ich tue dies aus der Ferne, da meine Nähe wohl nur in Tiefen führen würde, in welchen ich mich gerade befinde. Dies schreibe ich dir nun schweren Herzens, da die Leichtigkeit sich mir anscheinend nicht mehr zugehörig fühlt.
    Dennoch. So werde ich wohl Verlobte und Lebensglück verlassen, um an der Kante deines Bettes mit dir der Besserung entgegen zu schreiten. Einer Besserung der es von meiner Seite aus gar nicht bedürfte. Ich blicke mit Zorn auf die Reise und auf das Schicksal, das mir nun ebenso übel mitspielt dank dir.


    Dennoch danke ich den Göttern für die Gelegenheit mir auf diesem Papyrus die Luft zu verschaffen, die mir seit deinem letzten Schreiben fehlt.


    Dein Sohn,



    Ich warf eine feurige Unterschrift unter das soeben verfasste Pamphlet, warf das Schreibgerät auf die Tischplatte und atmete sehr tief durch. Nun fühlte ich mich deutlich besser, weshalb ich gleich noch einen sehr großen Schluck Wein meine Kehle hinunter stürzte und in meiner Sitzgelegenheit wieder zurück sackte. Besser. Viel besser. Mit dem Gefühl einer klitzekleinen Erleichterung sank ich ebenso halbwegs beglückt in einen vorübergehenden Schlaf wie mein Sklave Muckel, der einem rhythmischen, wenn auch recht guturalen Schnarchen verfallen war.


    ----


    - wird fortgesetzt

    Vale, Vale Roma!?



    Ad Mecinia Mena, Casa Decima, Piräus


    Geliebte Mutter


    Du kannst dir kaum den Schrecken vorstellen, der mich nach deinem Brief ereilte. Von der Heimtücke des Leidens, welches dich nun neuerlich befallen hat zu lesen war für mich Grund genug, im Tempel für deine Genesung zu opfern. Ich hoffe, du hast bereits aus der Ferne die positiven Auswirkungen dieser Tat gespürt. Wenn nicht, so werde ich ja in Bälde bei dir in Piräus sein.
    Da ich mich nun kurz vor dem Aufbruch befinde, verschwende ich nicht die kostbare Zeit mit allzu vielen Zeilen. Stattdessen werde ich mich eilen, mich nun zügig auf den Weg zu machen, wobei ich auf die Gunst der Götter hoffe, die mir den Weg nicht allzu beschwerlich machen. Auch den guten Nepomuk werde ich mit mir nehmen, um mir die Zeit nicht zu lang und zu unangenehm werden zu lassen. Du weißt ja: Mein Bein ist mir noch immer eine Last.


    Bis wir uns wiedersehen verbleibe ich mit den besten Wünschen für dich. Mögen die Götter deine Tage und Nächte behüten.



    Dein Sohn,




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    “Hmmm….,“ gab ich sorgenumwölkt von mir, ehe ich auch noch ein “Hach…!“ ausstieß, was von der Schwere meines Jochs kündete.
    Dies war nicht Mutterns erste Erkrankung und ich hatte so sehr gehofft, dass sie bestens genesen noch einigen guten Jahren entgegen blicken würde. So alt war sie ja auch noch nicht. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne die Heimtücke gemacht. Auch ohne meine Mutter eigentlich, die ja recht wehleidiger Natur war und nicht zu hoffen wagte, dass sich vielleicht Massa nach Piräus begeben würde, um ihr das klamme Händchen zu streicheln und ihr die Stunden zu versüßen. Nun war ich wieder einmal an der Reihe. Zumindest sollte ich dies sein, was mir ebenso wenig schmeckte, wie altes Brot. Es war nicht nur grausam, diese Gehorsamkeit vom jüngsten Sohn zu verlangen – zumal ihr letzter Brief ein weiteres Mal all die Leiden in einer langen Liste enthielt, welche meiner Mutter meine Geburt bereitet hatte – sondern auch ein fatales Schicksal, denn gehorsam war ich ja immerhin. Dank der Gnade Mecinia Menas mich geboren zu haben und eben, da sie mir Abstriche bei meinem Erbe in Aussicht stellte.


    Unter einem weiteren abgrundtiefen Seufzen warf ich meinen soeben geschriebenen Brief von mir. Direkt meinem Sklaven Muckel vor die Füße, der mich betreten anschaute und irgendwie schon ewig dabei an seinen Fingern herum pulte.


    “Nun… ich meine…,“ begann er recht verhalten für seine Verhältnisse. “Wir müssen ja nicht nach Piräus!“
    Innerlich bewegt hob ich nun den Kopf, während ich noch zusammengesunken zu einem Häuflein Asche auf meinem Sessel in meinem Cubiculum am Schreibtisch saß.
    “Was heißt ‚Wir müssen ja nicht...‘ Meinst du etwa, ich fahre allein?“
    Meine Gedanken schweiften zu Valentina, während mein Herz ausblutete. Wie ein Opferstier. Es war so grausam. Dann schweiften sie zu Grian, meinem Vetter und überhaupt nach hier und dort. Durch ganz Rom und ächzte unter der Bürde von meiner Mutter geboren worden zu sein.


    “Nein! Ich meine… also ich meine… wir könnten hier bleiben und ihr sagen… nun ja….“
    Mein Haupt neigte sich nun. Aber eigentlich war ich in den letzten zwei Tagen schon alle Möglichkeiten durchgegangen. Mit dem Ergebnis, dass es eben keine solche gab. Meine Mutter war eben meine Mutter und sie litt. Und sie hatte ja nur noch mich, denn niemand wusste so recht, wo Massa steckte, denn schrieb ja nicht so gerne.
    “Wir schreiben ihr, dass du ernsthaft erkrankt bist und nicht reisen kannst!“
    “Ach…!“
    Ich winkte müde und erschlagen ab. “Dann würde sie mich obendrein verfluchen. Und ihr Brief klang sehr ernst. Vielleicht würde ich das letzte Mal verpassen sie zu sehen. Das würde ich mir nie verzeihen.“
    Und wie ich wusste, würde mir meine Mutter das auch nie verzeihen und mich aus der Unterwelt heimsuchen, was eine Sache war, der ich nicht begegnen wollte. “Außerdem haben wir schon gepackt.“
    Eigentlich war alles bereit für den Aufbruch. Nur ich war es eben nicht. Die Reise war lang, die Krankheit meiner Mütter so tückisch wie sie selbst und wer konnte schon wissen, wann ich wieder nach Rom…


    Nein! Der Gedanke war nicht zu ertragen. Mein Leben war vorbei. Das Leben mit Valentina, sowie unsere schönen Hochzeitsträume. Die Unbeschwertheit war dahin und somit alle meine Freude.


    “Soll ich ihn wirklich losschicken?“, fragte mein Sklave, nachdem er den Brief aufgehoben hatte.
    Ich schaute ihn einfach nur an. Eine ganze Weile. Dann setzte ich meine Blicke auf das Schriftstück in seinen Händen. Im Anschluss zuckte ich nur mit den Schultern, warf meine Arme gebeugt auf den Tisch und bettete meinen Kopf darauf. Es war zum Heulen. So sehr, dass ich das sogar auch tat. Schreckliches Geschick. Aber ein Mann musste halt tun, was ein Mann tun musste. Zumindest so lange seine Mutter noch lebte, wie in meinem Fall.


    ___


    wird fortgesetzt...

    Ich wähnte nun das Erschauern meiner Liebsten unter meinen Händen erspüren zu können, was besondere Reize in mein eigenes lustvolles Empfinden hinein sandte. So sollte es also vielleicht sein. Es wr beileibe nicht so, dass ich mich über die Jahre aufgespart hatte und derartge Freuden mir vollkommen fremd waren – immerhin war auch ich ein Mann, der gerne lebte und die Freuden liebte -, doch neben, bei und leicht unter mir war eben eine Sklavin oder eine andere willige Frau, sondern eben meine Angebetete und das war noch einmal ein völliges anderes Gefühl, welches erfüllender war als alles bisher Geschehene. Ihr Liebreiz, ihre Augen und auch ihr ganzes Wesen hatten mich erfasst und bis in die Tiefe meines Seins berührt und sollte es sein, so sollte der Meeresgott und seine Heerscharen ruhig die Zeugen dessen sein, dass Decimus Casca durchaus ein Mann war, der wusste was im entscheidenden Moment zu tun war!


    Doch wollte ich meine Liebste auch nicht überfallen oder gar handhaben wie eine Dienerin, denn dies war sie keineswegs und das würde sie niemals sein. Ihr Einverständnis und ihr Wohlgefallen waren ebenso wichtig für mich wie Luft, die uns umgab. Niemals würde ich sie überrumpeln oder gar beschämen wollen. Doch dieser Gefahr hatte ich sie und mich nun offenbar auch gar nicht ausgesetzt. Ich lächelte das Lächeln eines überaus Beglückten, als sie nun meinte, dass sie ebenso gerne eine Familie haben wolle wie ich. “Oh… Liebste!“, stieß ich ein wenig geseufzt und nicht minder schmachtend aus. Nicht dass sie dachte, ich wolle dies hier nur tun, um eine Schar von Nachkommen zu ermöglichen. Ich tat es doch auch, weil sie so reizvoll war und überaus verführerisch im Lichte der schwindenen Sonne über dem Meer und dem sanften Pastell der hinter dem Strand liegenden kleinen Hügel. Seufzend küsste ich sie also noch einmal, ehe ich es wagte mich über sie zu bringen, ohne sie jedoch mit meinem Gewicht erdrücken zu wollen.


    Meine infame Hand tastete noch immer an ihrer Seite entlang und schließlich zu ihrer Mitte, um auch dort fühlend und forschend tätig zu werden und ich konnt nur hoffen, dass meine Geschicklichkeit dabei nichts zu wünschen übrig ließ. Unterdessen kraulten die Finger meiner Geliebten – nein, Verlobten! - durch mein Haar und unsere Blicke trafen sich in einem Feuerwerk aus hoffentlich Begehrlichkeit, die in ihren leuchtete. In meinen tat sie es und so hoffte ich auch, diese nun zunehmend in Valentinas Augen gespiegelt zu sehen. “Ich werde sehr vermessen sein!“, raunte ich nun verwegen und auch schon recht lustverhangen, wenn auch nicht respektlos. Ich lächelte darunter noch immer sehr verliebt und bedachte meine Liebste mit einem weiteren Kuss, der durchaus gedacht hätte sein können, jemanden zu verschlingen. Gieirg und feuerig war er und wie zu Vorbereitung zu dem gemacht, was ich nun folgen lassen wollte.

    Gegen ein schönes, ruhiges Plätzchen in Misenum hätte ich natürlich nichts einzuwenden gehabt, doch wurde meine Anwesenheit eben in Rom verlangt. Eben in dieser Casa und zur Vorbereitung meiner Ehefeierlichkeit. Was danach geschehen würde konnte man immer noch sehen. Ich hatte mir ja bereits meine Gedanken bezüglich einer eigenen Familie gemacht und so viele Kinder wären in Rom wohl fehl am Platze und ein Aufwachsen auf dem Land oder an der Küste sollte der allgemeinen Gesundheit doch zurträglicher sein als eine bisweilen völlig überfüllte und enge Stadt. Ungefährlich war diese ja bisweilen auch nicht. In diese Richtung hatte ich zumindest meine Gedanken gewendet, doch noch waren ja überhaupt keine Kinder da und ich war eben noch nicht einmal verheiratet. Dann lauschte ich allerdings wieder meinem Freund, der nun meinte, mein öffentliches Repertoire ein wenig stärken zu können, denn Caesoninus sei für ein Jahr abwesend und seine Stelle dann vakant. Ich staunte nicht schlecht. So wenig schlecht, dass sich wohl für einen kurzen Moment meine Augen nun doch weiteten.
    “Eine große Ehre, den Legionen und somit Rom zu dienen!“, sagte ich aber doch als erstes, auch wenn mir dies niemals beschieden sein würde. Dazu mein Bein und meine Konstitution zu schwach, auch wenn ich micht in meiner Jugend so oft bereits als Feldherr gesehen hatte, sodass mein Unvermögen bisweilen recht lästig und frustrierend an meiner Seite gewesen waren. Doch grämen wollte ich mich darüber ja nun nicht länger. Das hatte ich mir vor Jahren schon geschworen. “Als dein Stellvertreter?“, hakte ich dann aber noch einmal nach und nickte dann. “Dann muss ich mich bereits jetzt für dein Vertrauen bedanken!“


    Ich grinste ein wenig. “Nun, wenn der Praefectus Urbi dagegen nicht einzuwenden hat, so wäre ich natürlich bereit dich auf diese Weise nach Kräften zu unterstützen!“ Dazu nickte ich und seufzte dann. “Und meine Hochzeitsvorbereitungen? Ja, sie laufen und laufen.“ Ich lächelte sanft, als ich an meine Liebste dachte. Die schöne Verlobung am Strand, die viele Zeit, die wir beide noch teilen würden. “Oh. Der Antrag war ganz im Privaten. Genau so wie unsere Verlobung. Wir sind ein wenig gereist. Nur die Götter und wir!“, stieß ich dan schwärmerisch aus. “Wir wollten die Familie und die Bekanntschaft ein wenig daheim zurück lassen und dafür unsere Hochzeit in großem Kreise begehen!“ So manch‘ einer schien für soetwas kein Verständnis zu haben, doch konnte ich mir nicht vorstellen, dass mein Freund Caesonius auch zu diesen Kreisen zählte.


    Dann schaute ich dem Sklaven Alexander entgegen, welche die Ehre, mit bei uns zu Tisch liegen zu dürfen offenbar ein wenig peinlich zu berühren schien. Ich sah ihm also wie mein Freund Caesoninus dabei zu, wie er sich schleppend langsam und zögerlich auf und zu uns herüber machte und dabei recht misstrauisch wirkte. “Nur zu, Freund Alexander!“, forderte ich dazu noch einmal auf. “Verbunden im Geist des Weines ist es doch eine Freude auch einen Sklaven bei sich zu haben, der diesen auch bewerten kann!“, gab ich wohl auch etwas übermütig von mir. “Also! Also!“ Fast schon ungestüm übermütig deutete ich also noch einmal auf die besagte Kline neben mir und Caesonius und sah dann aus dem Augenwinkel einen Schemen an der Tür. Es war der junge Sklave Nicon, welchem ich nun meine Aufmerksamkeit schenkte. “Nicon!“, rief ich dann. “Los! Lauf in die Küche und mach‘ ihnen ein wenig Beine! Nepomuk soll in den Keller und von unseren besten Weinen holen! Und schnell, Nicon! Ah! Und ein kleines Mahl!“, ließ ich dann noch folgen. Der Junge nickte und rannte davon. Irgendwie hatte er ein Gesicht gemacht, als hätte er zuvor schon wieder etwas ausgefressen. Das geschah manchmal, doch sollte mich jetzt nicht grämen. “Ich hoffe, du hast nichts mehr vor, Caesonius!“, erklärte ich dann ein wenig verschwörerisch. “Meines Empfindens nach sind unsere Weine sehr gut und man kann gar nicht aufhören, von ihnen zu kosten!“