Beiträge von Titus Helvetius Ocella

    Ocella hielt die Antwort des Iuliers auf seinen Brief in den Händen und las sie sich langsam durch. Ein Sklave hatte sie ihm unmittelbar ins Tablinum gebracht, als er sie erhielt und das Siegel des Iuliers erkannt hatte. Wie gewöhnlich waren kamen mehrere Anweisungen dazu - Ocella hatte auch nichts anderes erwartet - es passte aber sehr gut, dass er zum Gespräch mit Lavenius dazubestellt wurde. Der Großhändler hatte genug gelt, um einen großangelegten und mehrere mittelgroße Wahlkämpfe zu unterstützen und er würde sich sicherlich erkenntlich zeigen, wenn ihm der Handel in Ostia wieder ermöglicht werden würde. In jedem Fall wäre eine Spende seinerseits ein großer Schritt für jeden Wahlkampf. Und darauf spekulierte Ocella natürlich.


    So besprach er mit seinem Wahlkampfleiter Lutatius Frugi die Planungen. Der Helvetier würde Lavenius in seinem Lager aufsuchen, ihn zum einem Gespräch einladen, wozu dieser mit Sicherheit umgehend erscheinen würde, und gemeinsam mit dann zum Gespräch mit dem Iulier im Officium Duumvirorum erscheinen. Natürlich war hier sein Kontakt zu den Händlern von Vorteil.


    Besonders aufmerksam gingen Ocella und Frugi dann den Teil des Briefs durch, der den Herennier betraf. Der amtierende Aedil solle vollständig ins politische Aus gestellt werden, schrieb der Duumvir, was natürlich nichts anderes hieß, als eine vernichtende Wahlkampfrede. Eigentlich war geplant, ihn mit keinem Wort zu erwähnen, ihn quasi vollkommen aus dem Wahlkampf zu streichen. Es sollte so aussehen, als hätte er nicht das Aedilsamt bekleidet hatte (was er, wenn man es genau betrachtete ohnehin nur nominell tat). Wenn man nichts macht, macht man auch nichts verkehrt, sagte Ocellas Großvater Gracchus immer. Jedoch: Wer nichts macht, hat auch nichts, mit dem er werben könnte. Nun gab es aber klare Anweisungen von Seiten des iulischen Wahlkampfs... Natürlich würde Ocella eine solche Rede gemeinsam mit seinem Maiordomus zusammenzimmern können, die Konsequenzen daraus wären aber unumkehrbar. Es galt also nun, sich auf eine Schlammschlacht einzustellen. Frugi würde in den nächsten Tagen mit den ostianischen Händlern zusammenkommen und alles zusammensuchen, was dem Herennier schaden konnte. Als Aufhänger würde der lächerliche Vorgang um Lavenius dienen, auf den langsam aber stetig hingearbeitet würde. Es galt den Herennier zu demontieren, vollständig und gründlich. Damit würde er sich zwar nicht unbedingt nur Freunde machen, vor allem nicht bei einigen Scribae in der Curia, die mit Herennius politisch verbunden waren, aber der Aedil wäre politisch tot und hätte selbst im Ordo Decurionum nur noch marginalen Einfluss.


    Unter die Planungen kam ein Haken und Frugi verließ das Haus wieder. Ocella hingegen erledigte letzte Arbeiten an den Einladungsbriefen für die Jubiläumsfeier der Villa Iuliana.

    Nein, es geht nur um diese Nachricht. Der junge Bote deutete auf die Tabula und wollte sich schon wieder umdrehen, als der zweite Sklave ihn an der Schulter packte und zu der Sklavin mit dem Wein ausrichtete. Der Bote schwieg, während der große Sklave sagte Wir trinken gerne noch einen Becher. Er nahm den Becher und ließ sich etwas einschütten. Der Jüngere hielt sich zurück, doch der Ältere klopfte ihm zweimal kräftig auf den Rücken, sodass sich der Jüngere leicht krümmte. Irgendwann musst auch du mal anfangen., sagte der Ältere, trank etwa die Hälfte des Weins selbst und reichte dann den Becher an den Jüngeren weiter. Dieser schaute lange in den Becher, spürte dann aber den strengen Blick des Älteren und trank dann den Rest. Vielen Dank. Vale. waren die letzten Worte des Jungen, als die beiden sich wieder auf den Weg machten.

    Der junge Sklave hielt dem Ianitor die versiegelte Tabula entgegen. Ich bringe Nachricht vom Scriba Helvetius Ocella aus der Curia Ostiensis. Er bat mich, zu versichern, dass es eine dringende Nachricht ist, die dein Herr mit Sicherheit weit oben auf dem Briefstapel liegen haben möchte. Das neutrale Siegel aus dem Officium Scribarum der Curia Ostiensis bestätigte dies. Und Dienstpost hatte hoffentlich hohe Priorität.

    Ocella erhob sich und nahm seine Unterlagen unter den Arm Von meiner Seite gibt es keine Themen mehr. Ich werde ich Vorkehrungen treffen und dir alle Unterlagen zukommen lassen. Über das Angebot zu regelmäßigen Treffen dachte Ocella nicht unbedingt gut. Es würde nicht jeden Tag etwas zu besprechen geben und nur, um sich zu treffen, lohnte sich ein solcher Termin nicht (zumal der Schreibtisch immer überquoll, wenn er mal einige Stunden nicht im Officium war). Vielleicht einigen wir uns darauf, dass wir uns regelmäßig austauschen und dan Termine vereinbaren, wenn es notwendig ist. Außerdem sehen wir uns ja bei den Außenterminen bei den Produzenten und Lieferanten. ansonsten danke ich für deine Zeit, Procurator. Vale. Er drehte sich um und wollte losgehen, als er merkte, dass der Germanicer ihn nach draußen begleitete. Dieser Mann war dem Helvetier wirklich noch ein Rätsel. Wahrscheinlich würde er ihn aber in der nächsten Zeit noch besser kennenlernen.

    Ocella war den ganzen Nachmittag durch das Haus gelaufen. Er hatte seine Akten schnell durchgearbeitet, und war dann früh nach Hause gegangen, um erste Vorbereitungen für seinen Wahlkampf zu treffen. Bis jetzt hatte er sich den Kopf zerbrochen, wer ihn als Wahlkampfleiter unterstützen sollte. Ihm lagen mehrere implizite und explizite Angebote vor, da einige Bekannte ihre Schlüsse gezogen hatten, warum der Helvetier endlich einen Hauptwohnsitz gewählt hat; mehr als ein freundliches, aber unverbindliches Lächeln hatte bislang niemand bekommen. Vor zwei Stunden hatte er dann mit dem Rat des Maiordomus Promacho die Entscheidung getroffen. Er schickte den Boten des Hauses, den jungen Griechen Philinos in den Süden der Stadt und ließ einen Händler in sein Haus laden, der zumindest auf dem Markt bekannt, wie ein bunter Hund war. Der Händler Marcus Lutatius Frugi. Sein Name sprach bereits Bände. Er war in der fünften Generation Geschäftsmann und Händler und man sagte ihm nach, dass er sogar in der Lage wäre, einem Mauretanier Sand zu verkaufen. Ocella kannte ihn schon lange und, was noch wichtiger war, vertraute ihm blind. Sie hatten regelmäßig Gefälligkeiten ausgetauscht und das meiste, was der Helvetier über den Markt und die ungeschriebenen Händlercodizes wusste, hatte er von dem Lutatier gelernt. Außerdem hatte er hervorragende Kontakte zu einflussreichen und vor allem zahlungskräftigen Persönlichkeiten in ganz Ostia. Als dann vor einigen Tag während eines Besuchs auf dem Markt von Frugi ein implizites Angebot zu Leitung des Wahlkampfes einging, war er eigentlich schon vorgemerkt.


    Nun, nach dem Gespräch mit dem Iulier bezüglich der Kandidaturerklärung war es notwendig geworden, schnell ein Gruppe zusammenzustellen, um den Wahlkampf effizient vorzubereiten und durchzuführen. Wieder lief Ocella durch das Haus, sammelte, gemeinsam mit dem Maiordomus alle wichtigen Dokumente im Tablinum zusammen und brachten sie in Triclinum. Als es dann laut vernehmlich an der Haustür klopfte, setzte sich der Helvetier auf eine der Liegen, der Maiordomus setzte sich auf die zweite und die beiden harrten der Dinge. Der Ianitor war instruiert worden, was er zu tun hatte, wenn der Lutatier ankäme. So brachte er den gut genährten, aber muskulösen Händler ins Triclinum wo man bereits auf ihn wartete. Ocella erhob sich reichte dem Lutatier die Hand, die dieser fest drückte und schüttelte.


    [Blockierte Grafik: http://www.abload.de/img/matteidnuqt.jpg]| Marcus Lutatius Frugi


    Salve, Helvetius. Du hast nach mir rufen lassen. Der Lutatier grinste breit, konnte er sich ja denken, worum es sich handelte.


    Ocella deutete auf die dritte Liege und ließ von einer Sklavin verdünnten Wein und kleinere Speisen ins Triclinum bringen. Dann legten sich alle auf die Liegen und der Helvetier begann zu sprechen. Du kannst dir sicher denken, weshalb ich dich gerufen habe. Als du mir vor einigen Tagen das Angebot zur Unterstützung gemacht hast, lag bereits nahe, dieses Angebot anzunehmen, Nun ist es soweit. Ich hoffe du bist weiterhin bereit dazu. Er trank einen Schluck Wein und nahm dann eine Weintraube von einem Tablett.


    Frugi nahm einen tiefen Schluck und bediente sich ebenfalls an den Weintrauben. Er schaute den Helvetier lange an und nickte dann. Mein Angebot steht und ich werde dich gerne unterstützen. Es weiterhin um das Amt des Aedilis Mercatuum? Wieder schaute er ihn mit dem duchdringenden Blick an, der schon manchen Kunden zum Kaufen gebracht hatte.


    So ist es. bestätigte Ocella dann und schaute nickend zum Maiordomus der sich Notizen machte.


    In den folgenden Stunden unterhielten sie sich lange über mögliche Strategien, Unterstützer und Finanzierungsquellen. Frugi staunte nicht schlecht, als der Helvetier von der Unterstützung des Duumvir Iulius und der Möglichkeit zur Kandidaturerklärung sprach. Dieser Termin wurde als Fixtermin in die Planungen aufgenommen. Eine weitere Rede sollte auf dem Markt gehalte werden. Die Händler kennen dich und werden dir sicherlich einen freundlichen Empfang machen. Schließlich wissen sie auch, wer die Alternative ist. Der amtierende Aedil Herennius war nicht sonderlich beliebt unter den Händlern, die letzte Aedilswahl war allerdings eine Wahl zwischen Pest und Cholera, da die anderen Kandidaten entweder stadtbekannte Schuldner oder Säufer waren, die wohl mehr kaputtgemacht hätten, als der Herennier, der nicht viel tat und damit auch nicht viel kaputtmachen konnte.


    Die Gespräche dauerten bis in die späte Nacht.

    Böse? Nein. Erleichtert? Ja. Der Procurator war dem Aedil gegenüber weisungsbefugt und hätte daher auch dem einfachen Scriba Helvetius Anweisungen geben können. Ocella hätte vermutlich zähneknirschend versucht, den Termin zu bekommen, sah aber schon wieder seinen vollen Arbeitsplatz, auf dem sich noch jede Menge Akten stapelten. Allerdings, und da wollte er den Germanicer noch drauf hinweisen, könnte es Probleme geben. Die Classis wird vermutlich nicht begeistert davon sein, Schiffe und Personal abzustellen, jetzt wo vermutlich alle Kräfte verplant sind. Vielleicht kann der Praefectus aber überzeugt werden, wenn ihm klar gemacht wird, dass seine Truppen nichts mehr auf den Teller bekommen, wenn die Getreidelieferung aus Aegyptus nicht sichergestellt wird. Und das würde sich natürlich auch auf die Kampfmoral auswirken. Aber darüber hast du bestimmt auch schon nachgedacht. Ocella trank seinen Becher leer und machte sich letzte Notizen. Die anderen Sachen organisiere ich natürlich. Sobald ich damit fertig bin, werde ich dir darüber Bericht erstatten. Er nahm sich dann auf das direkte Angebot des Germanicers noch einen Apfel.

    Nun war die Verwirrung des Helvetiers vollkommen. Er arbeitete für die Curia Ostiensis in der Abteilung des Aedilis Mercatuus und wurde von diesem als Kontaktmann zum Procurator Annonae bestimmt worden. Damit hatte er zwar die Getreideproduktion und den Getreidetransport aus der Umgebung Ostia zu organisieren, aber eben nicht weitergehende Aufgaben, insbesondere in Bezug auf die Classis oder gar die Provinz Aegyptus. Der Procurator hatte bestimmt genug Bedienstete und Sklaven, die als Boten würden fungieren können. Er trank einen Schluck aus seinem Becher. Seine Gesichtszüge hielt er so gut es ging unter Kontrolle, aber das war nun fast schon unverschämt. Vielleicht hatte er einfach etwas falsch verstanden und deswegen fragte er einfach nach. Procurator, du bittest mich darum, einen Termin mit dem Praefectus Classis auszumachen? Wie er reagieren würden, wenn diese Frage bejaht wurde, wusste er noch nicht. Allerdings zerbrach er sich jetzt schon den Kopf darüber.

    [Blockierte Grafik: http://www.abload.de/img/politofiu3i.jpgPhilinos - Bote


    Der junge Sklave war mit seiner Tasche und einem älteren Sklaven, vermutlich einem ehemaligen Kämpfer, durch die halbe Stadt gelaufen, bevor er an der Villa Iuliana Ostiensis ankam. In seiner Tasche befand sich eine versiegelte Tabula und er drückte diese Tasche eng an seinen Körper. Nun klopfte er an die Tür der Villa und wartete darauf, dass ihm geöffnet würde.


    Tock, Tock


    Der ältere Sklave wartete auf der anderen Straßenseite an einer Häuserwand.



    Ad manus Marco Iulio Divi
    Villa Iuliana, Ostia


    Salve Duumvir,


    anbei sende ich dir Auschnitte aus einem Brief, der mir heute in die Hände gefallen ist. Es handelt sich um einen Brief des Großhändlers Titus Lavenius, der meines Wissens nach über ein Vermögen verfügt, das groß genug ist, um sich ein stattliches Haus in Ostia zu leisten und unregelmäßig mittelgroße Feste zu veranstalten. Er wird für jede Hilfe, die ihm gegeben wird, dankbar sein und auch die Civitas kann von seinem Handel nur profitieren.


      Salve Aedilis Herennius,


      seit deinem Amtsantritt nun ist es mir nicht mehr möglich, meine Waren in Ostia zu verkaufen. [...] Ich habe meinen Lebensmittelpunkt in Ostia und würde auch gerne dort meine Geschäfte weiterführen. [...] Weil du eines Tages zu meinem Verkaufsstand kamst und ich dir nicht sofort mehrere der teuren Perlenketten aus Syria zu einem Spottpreis überantworten wollte, blockierst du meinen Handel. [...] In der Hoffnung, dass ich meine Geschäfte in Ostia bald wieder aufnehmen kann.


      T. Lavenius


    Nach dem Aktenstudium besteht kein nachvollziehbarer Grund, dem Großhändler seine Geschäfte in Ostia zu versagen. Falls du weiteres Interesse an der Akte hast, findest du sie unter der Kennung AM/T.L. III im Archiv.


    Vale,
    H.O.

    Die Nacht näherte sich und ein Großteil der Scribae hatte bereits das Officium verlassen. Der Aegypter verließ grade seinen Arbeitstisch, grüßte Ocella freundlich und war dann verschwunden. Nur noch Herennianus saß vor ihm, würde aber aufgrund seiner schlechten Augen wohl auch bald seine Arbeit beenden. Als Ocella aufstand, um sich eine neue Öllampe zu holen stand auch Herennianus auf und begleitere den Helvetier zum Tisch mit den Öllampen. Beide nahmen dabei ihre leeren Lampen mit und stellten sie beiseite, sodass sie neu aufgefüllt werden konnten. Herennianus verabschiedete sich jedoch ebenfalls und so war Ocella nun alleine. Als neue Scriba war es nicht ungewöhnlich, dass er länger arbeitete, da er jedoch gut arbeitete, hätten aufmerksame Scribae bereits ihre Schlüsse ziehen können. Ocella nahm die Öllampe, sucht nach der Akte des Großhändlers vom Vormittag und nahm sie mit zu seinem Tisch. Dort schlug er die notierte Stelle auf nahm das Dokument heraus und schrieb die entscheidenen Stellen in eine Tabula.


    Ad manus Marco Iulio Divi
    Villa Iuliana, Ostia


    Salve Duumvir,


    anbei sende ich dir Auschnitte aus einem Brief, der mir heute in die Hände gefallen ist. Es handelt sich um einen Brief des Großhändlers Titus Lavenius, der meines Wissens nach über ein Vermögen verfügt, das groß genug ist, um sich ein stattliches Haus in Ostia zu leisten und unregelmäßig mittelgroße Feste zu veranstalten. Er wird für jede Hilfe, die ihm gegeben wird, dankbar sein und auch die Civitas kann von seinem Handel nur profitieren.


      Salve Aedilis Herennius,


      seit eurem Amtsantritt nun ist es mir nicht mehr möglich, meine Waren in Ostia zu verkaufen. [...] Ich habe meinen Lebensmittelpunkt in Ostia und würde auch gerne dort meine Geschäfte weiterführen. [...] Weil du eines Tages zu meinem Verkaufsstand kamst und ich dir nicht sofort mehrere der teuren Perlenketten aus Syria zu einem Spottpreis überantworten wollte, blockierst du meinen Handel. [...] In der Hoffnung, dass ich meine Geschäfte in Ostia bald wieder aufnehmen kann.


      T. Lavenius


    Nach dem Aktenstudium besteht kein nachvollziehbarer Grund, dem Großhändler seine Geschäfte in Ostia zu versagen. Falls du weiteres Interesse an der Akte hast, findest du sie unter der Kennung AM/T.L. III im Archiv.


    Vale,
    H.O.


    Er las sich den Text noch mal durch, korrigierte Fehler und versiegelte die Tabula dann mit einem neutralen Siegel, das jeder Scriba für vertrauliche Briefe auf dem Arbeitstisch liegen hatte. Dann steckte er die Tabula in seine Tasche, löschte die Öllampe und verließ das Officium.

    Natürlich blieb die Frage bestehen, ob die Unterstützung des Duumvir auch die Unterstützung der gesamten Gens bedeutete. Er änderte seine Meinung fast sekündlich. Allerdings konnte sein Wahlkampfhelfer, das er wohl zeitnah zusammenstellen würde, sicherlich einen Vorteil aus daraus ziehen, dass die Kandidatur in der Villa Iuliana stattfinden würde. In jedem Fall hatte er mit der Unterstützung des Iuliers und seinen guten Verbindungen in die Händlerschaft Ostias nun eine gute Ausgangsbasis für die kommenden Wahlen. Nach diesen Überlegungen hörte er wieder dem Iulier zu. Erneut machte er sich Notizen und antwortete dann auf die Worte des Duumvirn: Von meiner Seite gibt es nichts mehr zu besprechen. Du wirst dann in vier Tagen Briefvorlagen und eine Liste der offiziellen Amtsträger Ostias erhalten. Er schloss die Tabula, steckte den Stilus hinter sein Ohr, so wie es bei den Scribae Usus war und erhob sich. Vale, Duumvir Iulius.

    An diesem Tag stand ein normaler Arbeitstag an. Nachdem er einige Worte mit dem freigelassenen Herennianus vor ihm und dem Scriba Pacatus, der etwa in seinem Alter war, gewechselt hatte, machte er sich daran, seinen Tisch von einem Großteil der Akten zu befreien. Wie immer waren es vor allem Beschwerden kleinerer und mittlerer Händler, deren Schiffe im Hafen nicht anlaufen konnten. Unter alle Beschwerden schrieb er die gleichen Worte Die Classis Misensis hat absolute Priorität. setzte sein Kürzel darunter und leitete die entsprechenden Akten dann zur Unterschrift an den Aedil weiter. So arbeitete er schnell die obersten acht Akten durch und hatte bereits ein gutes Drittel hinter sich gebracht, als er eine dritte, bereits sehr dicke Akte zur Hand nahm. Es handelte es sich um die Beschwerde eines Großhändlers, der regelmäßig Waren aus Aegyptus und den östlichen Provinzen erhielt. Anders als die vorherigen Akten bezog er seine Waren direkt über den Hafen von Misenum, der jetzt natürlich wie leergefegt war, sodass er seine Bestellungen ausweiten konnte. Allerdings verweigerte ihm der Aedil seit seinem Amtsantritt seine Verkaufslizenz in Ostia zu erneuern.


    Ocella las sich die Akte genau durch, studierte die angehängte Korrespondenz und in ihm stieg immer stärker die Frage auf, warum dem Händler der Verkauf in Ostia verboten wurde. Nochmal studierte er die Akte und stieß dann auf einen Hinweis in einem Brief an den Aedil. Warum dieser nicht unterschlagen wurde, konnte sich Ocella nicht erklären, da die Worte des Händlers deutlich waren. "Weil du eines Tages zu meinem Verkaufsstand kamst und ich dir nicht sofort mehrere der teuren Perlenketten aus Syria zu einem Spottpreis überantworten wollte, blockierst du meinen Handel" Ocella lächelte. Gekränkte Ehre und Geiz... Er machte sich Notizen, zählte die Dokumente durch und schrieb dann auf eine Tabula: Akte T.L. III, Dokument XXVI, Seite II, Zeile XXXIX." Diese Tabula steckte er in eine Tasche, legte die dicke Akte wieder an ihren Platz und nahm dann die nächste Akte zur Hand.

    Ein militärischer Familienzweig also. Die anderen Sachen waren natürlich nicht neu für ihn, es war aber erschreckend, sie nochmal so klar zu hören. Einmal natürlich die Nachricht des Oberhaupts der Gens aber auch das Faktum, dass wir ja immer noch im Bürgerkrieg waren und Helvetier vermutlich auf beiden Seiten gegeneinander kämpfen würden. Er schluckte. Der ganze Bürgerkrieg würde Rom wohl noch lange beschäftigen und erst mit dem letzten großen Knall enden, den der Zusammenstoß der beiden großen Streitmächte markiert. Auf beiden Seiten würde es massive Opfer geben...


    Er verwarf diese Gedanken wieder. Noch früh genug würde man sich damit beschäftigen müssen im Moment hatte er einen Gast. Strebst du denn auch in den Militärdienst, oder hast du andere Pläne, wenn ich so direkt fragen darf? Die Entscheidung, das Thema Bürgerkrieg fallen zu lassen hatte auch den praktischen Grund, nicht über Positionen zu sprechen. Er selbst hatte sich bislang keine Meinung darüber gebildet, welche Seite "Recht" hatte, oder ob überhaupt eine Seite den richtigen Weg gewählt hatte. Nur diesen unsäglichen Bürgerkrieg verabscheute er mit allen seinen Problemen und Konsequenzen.

    Wenn der Procurator wissen wollte, was den Aedil geritten hatte, musste er ihn selbst fragen. Der Aedil hatte es nicht nötig dem einfachen Scriba die Gründe für seine Entscheidung offen zu legen. Jedenfalls war Ocella froh, dass der Procurator endlich eine Frage stellte, die sicher beantworten konnte.


    Ich werde den Getreideproduzenten diese Nachricht zu kommen lassen und werden, wenn es dir recht ist, auch gleichzeitig eine Prüfung ankündigen, wer seinen Lieferverpflichtungen in welchem Maße nachkommt. Das wird ein Anreiz sein, die Anstrengungen zu erhöhen, wenn nicht schon das Höchstmaß erreicht ist oder sich die Produzenten eher dem Hamstern widmen.


    Ocella machte sich Notizen auf einer Tabula bezüglich der hiergemachten Anordnungen.

    Der Duumvir hatte lange gesprochen und Ocella hatte ebenso aufmerksam zugehört. Er hatte sich bereits das Datum auf der Tabula notiert. Als dieser dann die Kandidaturen erwähnte, schluckte der Helvetier kurz. Unter Umständen hatte der Iulier ihm grade angeboten, die Kandidaturerklärung Ocellas in seinem Haus abhalten zu lassen, was einer offiziellen Unterstützung der Gens Iulia gleichkam. Als der Duumvir dann den CRV erwähnte, war klar, dass die Unterstützung folgen würde. Natürlich würde er anwesend sein, er würde sogar seinen Kalender an diesem Tag freischaufeln, wenn irgendein Termin anstünde. Eine solche Möglichkeit ließ man sich unter keinen Umständen entgehen. Die Arbeit an der Gästeliste und die Erstellung der Einladungsschreiben waren dafür nur ein geringer Preis, den der Helvetier zu zahlen hatte. Ich fühle mich geehrt, bei dieser Feierlichkeit anwesend sein zu dürfen und sage natürlich gerne zu.


    Der Helvetier überschlug dann kurz den Arbeitsaufwand, der damit einherging (Gästeliste, mehrere Entwürfe für Rundschreiben), und rechnete dazu die Arbeit, die noch auf seinem Schreibtisch lag und antwortete dann: Die Gästeliste und erste Entwürfe für Einladungsschreiben kann ich in vier Tagen vorlegen. Dabei plante er schon etwas mehr Zeit ein, für den Fall, dass noch eine dicke Akte auf seinem Tisch landete, die gewisse Priorität beanspruchen würde.

    Da ihm hier so offen Unehrlichkeit vorgeworfen wurde, fehlten Ocella erstmal die Worte. Er trank einen Schluck verdünnten Wein und fragte sich selbst, ob er irgendeinen Eindruck hinterlassen hatte, der an seiner Ehrlichkeit Zweifel entstehen ließ. So ging er das bisherige Gespräch noch mal im Kopf durch, fand aber nichts. Er schaute daraufhin noch mal auf die offene Tabula vor ihm, auf der die Getreifeproduzenten aus der Umgebung verzeichnet waren.


    Der Helvetier wusste sich nicht zu helfen und ergriff nun doch das Wort, da die Pause schon für ihn schon unangenehm lang dauerte. Mein einziger Auftrag ist es, mich dir vorzustellen, damit du weißt, wer in der Curia dein Ansprechpartner ist und anzufragen, ob es bereits erste Fragen oder Anordnungen von deiner Seite gibt, die umzusetzen wären. Wenn ich dich richtig verstanden habe, möchtest du zeitnah die Getreidespeicher Ostias kontrollieren, was kein Problem darstellen dürfte. Weiterhin kann eine Kontrolle der Produzenten und Lieferanten geschehen, ob diese auch ihre Anteile leisten. Auch dafür ist die Organisation ein Leichtes. Damit hatte er jetzt zwar nur die bisherigen Ergebnisse des Gesprächs zusammengefasst, aber irgendwas musste er ja sagen, damit er nicht vollkommen planlos dastand.

    Ocella ließ die Pause wirken und wartete, bis der Procurator wieder das Wort ergriff. Als er dies tat, wurde klar, dass er auf die Idee des Aedils, einen Scriba zur Kontaktperson einzusetzen, eher verwirrt reagierte. Gründe für diese Entscheidung hat ihm der Aedil natürlich auch nicht gennant, sodass er natürlich schauen musste, wie er hier möglichst diplomatisch vorgehen könnte, um den Procurator nicht vor den Kopf zu stoßen.


    Für mich bitte etwas verdünnten Wein, vielen Dank. versuchte sich der Helvetier etwas Zeit herauszuholen, was ihm aber nur wenig brachte. So versuchte er es einfach mit der Wahrheit, wobei er diese natürlich noch nett verpackte. Der Aedil Mercatuus Herennius hat mir diese Aufgabe übertragen. Gründe hat er nicht genannt, wobei er vermutlich davon ausgeht, dass ich als Scriba flexibler einsetzbar bin, als er und dass ich auch kurzfristig Termine wahrnehmen kann, wenn es notwendig wird. Wenn also zum Beispiel Fragen anstehen, kann ich diese schneller klären, als der Aedil. Natürlich hatte dieser einfach keine Lust, persönlich mit dem Procurator zu verhandeln. Denn das bedeutete Arbeit, und die wollte sich dieser - wenn möglich - vom Hals halten.


    Als es dann um das Prozedere ging, also direkt in medias res, nahm sich der Helvetier eine Tabula zu Hand, auf der das übliche Vorgehen festgelegt war. Er überflog den Text kurz und antwortete dann Sollte von Seiten deines Officiums eine Kontolle der Getreidespeicher gewünscht sein, kann dies recht kurzfristig organisiert werden. Andererseits kann ich dir aber auch die üblichen Getreidefarmer in der Umgebung nennen, die die Getreideversorgung für Ostia sicherstellen sollen. Auch hierzu hatte er eine Übersicht auf eine Tabula übertragen.

    Ocella setzte sich, nachdem es ihm bedeutet worden war und wartete die Fragen des Iuliers ab. Natürlich blieb Arbeit dadurch auf seinem Schreibtisch liegen. Das war aber der Normalzustand, bedenkt man, dass sich beim Aedil in kürzester Zeit viele Akten auf den Tischen seiner Scribae sammelten. Jederzeit war es aber möglich eine Nachtschicht einzulegen (oder Arbeit mit nach Hause zu nehmen, was aber eher selten vorkam), um das Tagespensum wieder zu erreichen. Hinzu kam sowieso immer ein gewisser Anteil an Aufgaben, die sofort zu erledigen waren, sodass das Tagesgeschäft - Aktenstudium und -bearbeitung - immer mal wieder aufgehalten würde. So war es auch mal ganz angenehm, etwas Abwechslung zu bekommen, da sich derzeit die meisten Fälle um Probleme im Hafen drehten, da die Classis alle Liegeplätze blockierte und die Händler sich ein Eingreifen der Stadtverwaltung wünschten, um an ihre Waren zu kommen. Das musste natürlich stets abgelehnt werden, hatte die Classis ja absolute Priorität - und die Curia würde sich nie mit dem Militär anlegen, könnte das ja als Aufbegehren gegen den Kaiser gedeutet werden.


    So konnte der Helvetier auch ruhig antworten: Ich habe mich sehr gut einarbeiten können, Duumvir. Und meine Collegae im Officium Scribarum haben mich auch gut aufgenommen. Der Scriba Quaestoris wurde natürlich auf den erhöhten Lohn aufmerksam, ich bezweifele aber, dass er sich da große Gedanken drum macht. Er hat ja ohnehin genug zu tun. Er legte seine Tabulae, von denen er direkt zwei mitgebracht hatte, auf seinen Schoß, darauf dann den Stilus und fuhr dann fort: Zudem ist das Treffen hier eine nette Abwechslung von der Alltagsarbeit, da die Anfragen der Händler derzeit auch recht einseitig sind.

    Als der Vorzimmerbeamte schon fast in das Büro reinsprang, bewahrheitete sich das Klischee, dass solche Beamten sehr neugierig sein sollen. Ocella konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, ließ es aber schnell verschwinden, da Ostianus direkt wieder mit hängenden Armen aus dem Officium kam. Ihm folgte der Hafenverwalter, den Ocella nicht persönlich kannte, jedoch oft von den Händlern erwähnt wurde, wenn es um Probleme mit dem Hafen ging.


    Danach ging er selbst in das Officium und grüßte den Iulier. Salve, Duumvir Iulius. Danach schaute er sich um, ob Cassius auch im Officium war oder grade einen Außentermin hatte.

    Ocella meldete sich mit Tabulae und Stilus beim Vorzimmerbeamten Ostianus an, nachdem er von Duumvir Iulius Dives ins Officium bestellt wurde. Zu Hause und an seinem Arbeitsplatz hatte er noch die Kurzschrift des Tullius Tiro wiederholt, damit er gegebenfalls auch Protokoll führen konnte, wenn es benötigt würde. Die Kurzschrift hatte er von seinem Erziehr gelernt, der ein heimlicher Bewunderer der ciceronischen Reden war und dabei auch mit der Kurzschrift in Verbindung kam. Jedenfalls stand er nun vor dem Vorzimmerbeamten und harrte der Dinge, die da kamen.

    Wie ihm von Asinius Celer gesagt wurde, ging er nach der Gehaltsverhandlung mit dem Duumvir ging Ocella mit der Tabula zu dem Scriba des Quaestors. Dieser hatte einen unaussprechlichen Namen, irgendwas mit -af am Ende, allerdings hatte Ocella nur wenig Lust darüber zu stolpern, weshalb er nur mit einem knappen aber freundlichen Salve grüßte.


    Der Ägypter schaute von seinen Zahlenkolonnen auf, fixierte den Helvetier und und legte dann den Stilus beiseite. Du bist de neuä Sciba vom Aedil ichtig? sagte der Ägypter mit deutlichem ägyptischem Akzent. Es geht bestimmt um deinän Lohn. Sonst machän die Scibae hie ja eine Bogen um mich. Die habän ja nu Angst vo Zahlen. Der Ägypter grinste über seinen Scherz und schaute den Helvetier dann erwartungsvoll an.


    Ocella lächelte leicht und reichte ihm die Tabula mit der Gehaltsfestsetzung.


    Ad manus Quaestoris


    Der Scriba Ostiensis Titus Helvetius Ocella, dessen Großvater Helvetius Gracchus eins bereits das Duumvirat der Civitas Ostia bekleidete, verdient aufgrund dessen - von seinem ersten Arbeitstag als Scriba an - den Satz von CL Prozent des Schreibergrundgehaltes, das heißt XXX Sz. pro Woche.


    Marcus Iulius Dives
    DUUMVIR - OSTIA



    Der Ägypter las sich den Text durch und stieß einen leisen Pfiff aus. Da fängt de junge He ja sofot mit 30 Sestäzen an. Zum Glück hattäst du einen bekanntän Goßvate, Helvetius...


    Ocella fühlte sich etwas unwohl, da er den Äypter nur schwer einzuschätzen wusste. Als der dann aber nickend die Tabula beiseite lag und ihm noch einige nette Worte mit auf den Weg gab bedankte sich der Helvetier und ging dann wieder zu seinem Tisch. Wieder ging ihm durch den Kopf, dass er noch deutlich souveräner werden müsste, wenn er tatsächlich in die Politik gehen wollte. Zum Glück hatte er dafür noch ein bisschen Zeit.