Es waren einige harte Wochen für Caius gewesen, seit sein Patron Caius Flavius Scato verblichen war. Der junge Duccier war wütend gewesen. Wütend auf die Schicksalsweiber, die diesen Tod zu verantworten hatten. Wütend auf die Götter, die ihn nicht verhindert hatten. Wütend auf sich selbst, dass er mit der neuen Situation, mit der Herausforderung, nicht wirklich klarkam. Auf den Tod seines Patrons folgte eine Zeit der Ziellosigkeit. Eigentlich war Caius gerade im Factiogeschäft auf dem aufsteigenden Ast, aber das gestaltete sich dann schwierig. Ebenso seine kultischen Anliegen, im Konkreten das Engagement für die Kreuzungsschreine. Nichts dergleichen war ihm recht, alles nervte ihn. Und dann noch ständig die Nachfragen seines Vaters aus Mogontiacum, wie es denn voranginge. Das war zu viel. Wodan sei ihm gnädig, aber Caius hatte es nicht mehr ausgehalten.
So kam es, dass der junge Mann Rom nach ausgiebigem Wein- und Bierkonsum fluchtartig verließ und sich auf der Familieninsel zurückzog, um dort zu vergessen. Und er vergaß einiges. Beispielsweise, dass er eine Karriere als Senator angestrebt hatte. Zwischen Wein, weichen Kissen und hübschen Mädchen war es allzu leicht, seine Lebensziele zu vernachlässigen. So kam es, dass er allzu lange der ewigen Stadt fern blieb.
Und doch hat ein jeder Mensch diesen einen guten Freund, der ihn zurück auf den rechten Pfad ruft. So war es in Caius Fall der Sklave Polydorus, der ihn stetig mahnte, von Tag zu Tag eingehender, dass die Pflicht rufe und der Müßiggang bloß schädlich sei. Caius schickte ihn zunächst von dannen. Alsbald jedoch war ihm die unterbewusste Erinnerung an Polydorus' mahnende Worte allzu quälend vorgekommen. So schickte er sich eines Tages an, die Insel wieder zu verlassen, den irdischen Freuden abzuwschwören - jedenfalls kurzzeitig - und den Rückweg gen Rom anzutreten.
So traf es sich, dass Caius auf dem Rückweg gen Rom die Kunde vernahm, dass ein Wettkampf stattfinde. Ein Wagenrennen entlang der Küste. Ein Strandrennen! Caius war begeistert. Sogleich trieb er die Pferde an - ein Reisewagen war ihm von Beginn an zu schwerfällig erschienen - und steuerte gen Ostia, in dessen Nähe das Spektakel vonstatten ging. Polydorus, sein treuer Begleiter, hetzte hinter ihm her und schließlich erreichten Sie die Wettkampfstätte pünktlich zum Start des Finales. Die Vorrunden hatten sie leider verpasst, doch ließ Caius sich zügig informieren.
Seine Blauen von der Veneta waren nicht angetreten, so musste Caius betrübt vernehmen. Ohne seine Anwesenheit schien bei der Factio nicht mehr viel zu laufen. So nahm er sich sogleich vor, diesen Umstand zu ändern. Gleichzeitig registrierte er die zahlreich erschienenen Zuschauer sämtlicher Schichten. Gleichsam angetan war er vom Kampfgeist der Fahrer, deren Renngebaren aus den Vorläufen er sich als Gegenleistung für den einen oder anderen spendierten Wein berichten ließ.
Und nun stand er hier inmitten der jubelnden Menge, die der Finalrunde beiwohnte. Es war eine bunte Mischung aus allen Schichten vom Tagelöhner bis zum Senator. Caius war hellauf begeistert. Und da kamen schon die Gespanne herangeschossen! Über den Sandstrand fegten sie und so manches Gespann streifte die Wellen und ließ Salzwasser in wilden Fontänen emporschießen. Kurz war Caius irritiert, denn die Perspektive der Zuschauer - er hatte sich am Ziel niedergelassen, wie die meisten - ließ keinen klaren Schluss auf die Positionen der Fahrer zu. Schnell jedoch erkannte er den Nutzen der Wagenanzeige und so erkannte er, dass die Russata - mal wieder - in Führung lag. Die Grünen waren dicht auf, und auch die Weißen hatten einen Fahrer in unmittelbarer Nähe zu Amasis und Proteneas. Ob Menekles und Sotion wohl noch einmal aufholen konnten? Wohl kaum, dachte Caius bei sich, und wettete insgeheim auf einen Sieg der Roten. Die Anhänger der Russata trieben ihre Fahrer jedenfalls gehörig in Richtung der Ziellinie.