Beiträge von Caius Duccius Callistus

    Die weiterführende Bildung war tatsächlich keine sonderliche Erlösung für Audaod gewesen. Statt eines Magisters unterrichtete ihn nun ein Grammaticus, der ihm noch geschliffenere Redekünste beibringen sollte. Abgesehen davon ließ Audaods Vater zweimal die Woche auch einen anderen Lehrer kommen, der ihm Grundlagen der Geometrie näher bringen sollte und auch einen kurzen Einblick in die Astronomie gewährte - wofür Audaod allerdings so gar kein Interesse zeigte, wenn nicht gar nur völlige Langeweile dafür übrig hatte.


    http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/03.jpg "Du wirst jedenfalls verstehen, junger Duccius, dass eine gewisse Redegewandtheit und ein selbstbewusstes Auftreten deine Erscheinung weitaus eindrucksvoller und überzeugender wirken lässt, als hängende Schultern, eine leise Stimme und ein unkontrolliertes Geplapper, das keines Menschen Verstandes zugänglich ist, nicht wahr?"
    Der Grammaticus Cinadon, ein Freigelassener, der ursprünglich nach eigener Aussage aus dem hochwohlberühmten Thebae in Achaia kam, pflegte stets seine Lehrsätze in derartige Fragen zu verpacken, die Audaod langsam zu langweilen begannen. Der junge Duccius hatte keine Ahnung, wo Thebae lag. Er konnte aber genau sagen, wo Achaia zu lokalisieren war, denn die Geographie lag ihm sehr und Landkarten begeisterten ihn schon seit er auf den eigenen Füßen stehen konnte.


    "Ja, Grammaticus", sagte er monoton und unterdrückte ein Gähnen. "Sehr gut", sagte der so zufrieden Gestellte und machte weiter im Text. Bla, bla, blablabla - ausgefeilter Sprachgebrauch - laber blabel blub - effektives Durchsetzen in der Politik - lubbel wubbel blabel wabel... Audaod war heute definitiv zu müde, um die Worte seines Grammaticus nicht nur zu hören, sondern auch zu verstehen und sich zu merken. Er blinzelte angestrengt und versuchte sich wieder auf seinen Lehrer zu konzentrieren, was ihm auch für einige Minuten gelang.


    Audaods Vater hielt viel von Cinadon. Und er erwartete auch, dass sein Sohn viel und gut bei dem Grammaticus lernte. Und das war verdammt viel, was er da von seinem Sohn erwartete, denn dieser war mit fortschreitendem Alter bald eher der körperlichen Ertüchtigung, also besonders dem Schwertkampf und dem Ringen, zugetan. Schule fand er lästig und ermüdend, Sport dafür umso erquickender und darum umso sinnvoller. Den logischen Argumenten seines Vaters, dass eine rhetorische Ausbildung noch um einiges wichtiger war, wenn Audaod später einmal erfolgreich sein wollte - egal ob als Politiker, Kaufmann, Gelehrter - konnte der junge Bursche natürlich argumentativ nichts entgegen setzen. Vielmehr war da ein grundlegender Unwille gegenüber dem weiteren Auswendiglernen von Lektionen und Übungen, gegen das wiederholte Wiederholen der Wiederholung, gegen die ständige Schelte, wenn eine Wiederholung mal nicht so klang wie die Wiederholung klingen sollte und gegen alles andere, was dieser lästige Grammaticus noch so verkörperte. Audaod wollte nicht mehr nur lernen. Er wollte endlich etwas tun! Aber Audaod war auch erst dreizehn Jahre alt. Zu jung also, für die Toga Virilis, die ihn zum Erwachsenen machte. Und auch das folgende Jahr ließen ihm keine Ruhe, denn der Grammaticus löste sich nicht wie gehofft in Luft auf und Audaods Unlust verschwand auch nicht. Und immerzu dachte er an den Sport, die Kraftübungen, das Laufen, das Ringen, das Schwitzen und das leiden, wenn die Muskeln schmerzten und schwer wie Blei wurden.


    Und eines Tages war es so weit, als Audaod endlich vierzehn Sommer alt war, dass sein Vater ihn aus der (meist ja nur verbalen) Gewalt des Grammaticus entließ ... und ihn zu einem Rhetor schickte! Vom Regen in die Traufe, dachte Audaod sich missgelaunt und machte sich daran den Mann aufzusuchen, der nach Aussage seines Vaters noch ein weiteres Jahr lang Audaods Redekünste auf ein (momentan zumindest zu erreichendes) Maximum bringen sollte: Den Rhetor Eumenius.

    http://www.kulueke.net/pics/ir…z-spezielle/milacorix.pngSeit er sechs war, lernte Audaod bei Milacorix all das, was ein Junge aus gutem Hause wissen und können musste. Als wichtigste Voraussetzungen waren da zunächst die lateinische Sprache in ihrer schriftlichen Ausführung, gefolgt von einfacher Mathematik. Aber nicht nur dieses Wissen sollte Audaod über die Jahre hinweg sich aneignen. Nein, vielmehr lehrte Milacorix ihn auch jene Werte, die schon Cicero als wichtige Erziehungsinhalte hervorgehoben hatte: Gravitas, auf dass Audaod würdevoll durchs Leben gehe. Constantia für die notwendige Standhaftigkeit gegenüber den Widrigkeiten und Wendungen des Schicksals. Magnitudo animi, die Geistesgröße, sollte aus ihm zudem einen intelligenten Mann machen, der andere zu lenken imstande ist und in die karrieretechnischen Fußstapfen seines Vaters treten konnte. Probitas wurde ihm zudem beigebracht, damit er rechtschaffen Urteile fällen könne. Zudem bläute Milacorix Audaod auch fides und virtus ein, die Zuverlässigkeit und Vortrefflichkeit, wobei es zumindest im Rahmen der Pünktlichkeit gelegentlich noch an Zuverlässigkeit mangelte.


    "Repetitio est mater studiorum", sagte Milacorix immer wieder und erntete dafür von seinem Schüler meist nur ein genervtes Stöhnen, wofür dieser wiederum ein verärgertes Schnaufen hörte. "Denk daran, Audaod. Sei fleißig und wissbegierig. Ehre die Götter, die Res Publica und deine Eltern und Ahnen. Dann steht dir der Weg offen in ein Leben, das von Ruhm und Reichtum gezeichnet sein wird." Milacorix schwang gern solche pathetischen Reden, um seinen jungen Schüler auf das Leben vorzubereiten, das ihm bevorstand.


    Mit von der Partie war auch immer Landulf, der nur wenig jüngere Vetter. Sie saßen häufig zusammen bei Milacorix und büffelten auch vor oder nach den täglichen Lehrstunden für die Aufgaben, die der Magister ihnen stellte. Die Lehrstunden begannen immer schon kurz nach dem Frühstück, das wiederum selbst schon kurz nach Sonnenaufgang stattfand. Dann übten sie sich in Lesen und Schreiben und Rechnen und mussten auch lernen, sich vernünftig auszudrücken, Haltung zu bewahren und sich nicht albern oder unvernünftig zu verhalten. Und derlei Lektionen sind für kleine Jungen üblicherweise nur schwerstens zu bewältigen.


    Nachdem in den ersten zwei Jahren der Grundstein in Schrift und Zahl gelegt worden war, wurden diese präzisiert und praxisbezogen auf zukünftige Notwendigkeiten zugeschnitten. Aus Mathemaik wurde Buchführung, aus Latein in Wort und Schrift wurden erste Schritte zur selbstbewussten Rede, geschwungenen Formulierungen und dem Diktat formgerechter Briefe. Ganz zu schweigen vom Kennenlernen und Verinnerlichen römischer-griechischer Geschichte, die von Milacorix nicht selten auch um diverse Schwankerl aus der keltisch-germanischen Überlieferung ergänzt wurde, besonders aus den Tagen des ersten größeren Zusammentreffen von Gaius Iulius Caesars Legionen mit Kelten und Germanen in dessen kriegsbestimmten Jahren in Gallia. Stichwort Caesar: Literatur wie 'De bello gallico' zählte zu den Standardwerken in Milacorix' Repertoire, das auswendig gelernt, rezitiert, analysiert und verstanden werden musste. Milacorix nannte das Grammatik. Audaod nannte es ätzend. Aber mit den Jahren weckten die Berichte und Erzählungen über die römische Historie, über die Anfänge der Republik und ihre inneren Konflikte und schließlich über den Aufstieg des Prinzipats das flammende Interesse des Burschen, der sich immer besser in die Geschehnisse hineinlesen und sich von ihnen einfangen lassen konnte. Schillernde Geschichten von Senatoren, Feldherren, Verrätern und Todfeinden konnten eben jeden Jungen in ihren Bann schlagen.


    Was folgte war zudem das Erlernen des Griechischen. Für Kinder vornehmer Familien - und dazu zählten die Duccii seit einigen Jahren nun schon selbstredend - war es überlebensnotwendig auch das Griechische zu beherrschen, wurde es doch als Modesprache besonders in vornehmen Kreisen gesprochen (und im Osten des Reiches auch häufig eher als zweite Amtssprache denn als reine Modesprache) und so zum unvermeidbaren Überlebenswerkzeug in der Elite des Reiches.


    Mit zwölf Sommern war Audaod schließlich so weit, dass er fließend Latein, noch ein bisschen holprig Griechisch und als Vatersprache den ubischen Dialekt beherrschte sowie in der grundlegenden Mathematik halbwegs als wissend zu bezeichnen war. Nun war er bereit für höhere Weihen, für Rhetorik und für die Ausformung seiner noch eher geringen Mathematikkenntnisse. Die von Milacorix so genannte Dialektik war Audaod dazu ebenfalls in groben Ansätzen eingetrichtert worden, war allerdings noch in großem Umfang ausbaufähig. Darauf jedenfalls, so meinte Milacorix zu Audaods Vater, konnte ein Rhetor aufbauen.


    Mit den Worten "Junger Herr Audaod, dir kann ich ab heute nichts mehr beibringen. Du wirst jetzt einem gelehrteren Magister entgegen treten, der dich über die wirklich schwierigen Hürden deiner Bildung führen wird. Mach mich stolz" entließ Milacorix seinen Schüler aus der letzten Lehrstunde. Er lächelte bei diesen Worten, doch Audaod meinte auch eine Spur von Wehmut in des Magisters Zügen erkennen zu können. Wie dem auch war, Audaod war zu dem Zeitpunkt sehr froh gewesen, endlich die "Schule" hinter sich zu lassen und sich den "Studien" zu widmen. Was auch immer das genau heißen mochte, er würde es jedenfalls sehr bald erfahren.

    Audaod folgte seinem Vater und bedankte sich höflich für das Angebot sich zu setzen und für Mulsum und Wein und begrüßte auch artig die Anwesenden. Lucius' Prusten quittierte er dann im Gegensatz zu dessen Verwandten nicht mit einem bösen Blick. Vielmehr versteckte er ein halb verkniffenes Grinsen schnell hinter seinem Becher und versuchte etwas zu trinken ohne sich zu verschlucken. Als er daraufhin Geschenke verteilen durfte, fühlte Audaod sich ein bisschen wie der noch nicht bekannte Nikolaus. Das Verteilen lohnte sich allerdings, denn Octavena sah mit ihrer neuen Kette prächtig aus. Würde es hier heute schon zu einer Einigung über eine Heirat kommen, müsste Audaod seinen Vater wahrlich beneiden. Octavena war äußerst schön und Audaod wünschte sich prompt auch eine solche Ehefrau. Mit Friggs Willen würde es irgendwann dazu kommen. Ein Stoßgebet an die Nornen unterstrich diesen Wunsch, bevor Audaod seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch richten musste, das sein Vater mit dem petronischen Hausherrn zu führen begann. Dabei konnte er es jedoch nicht unterlassen, Octavena gelegentlich verstohlen anzuschauen.

    Audaod war froh, dass seines Vaters Brautschau heute endlich auf ein abgestecktes Ziel, wenn man Octavena denn so bezeichnen konnte, hinauslief. Es wurde Zeit, dass Witjon eine neue Frau zu sich nahm und weitere Kinder zeugte, denn so viel wusste sogar Audaod: Ein einziger Erbe reichte gewöhnlich nicht aus, um das Bestehen einer Sippe sicherzustellen. Audaod freute sich also, gerade auch weil Octavena nicht nur jung und freundlich war, sondern dazu auch noch ziemlich gut aussah!

    Audaod trug einen Korb mit geschnitten Brot herein und tischte ihn neben dem Hähnchen auf, das sein Vater soeben servierte. Die Stimmung war bereits vor dem Essen ausgelassen und man sah den Versammelten bereits an, dass ihnen im Angesicht der dampfenden Speisen nun das Wasser im Munde zusammenlief. Audaod half die Becher zu füllen und tat so ebenso gerne seinen Dienst an denjenigen Bediensteten, die das ganze Jahr über die Casa am Laufen hielten und für ein reibungsloses Funktionieren des Haushalts und der Hros sorgten.


    "Io Saturnalia", wünschte schließlich auch Audaod, als er selbst einen Becher Bier in der Hand hielt und sein Vater mit allen anstoßen wollte. "Auf all jene in der Fremde", brachte er dann einen Prosit vor. "Alrik, Hadamar, Dagmar, Sönke..." Er überlegte kurz, wusste jedoch keinen weiteren zu nennen und trank nun einfach einen zönftigen Schlock.

    "Die Kinnlade würd' mir auf den Boden runterklappen, das sag ich dir", stellte Audaod klar. Wenn es wirklich so wäre, dass Hadamar mit Reichtümern beladen heimkehrte, würde Audaod tatsächlich nicht schlecht staunen. "Ich wüsste jedenfalls eine Menge damit anzufangen, dass kann ich dir sagen", ließ er Eldrid daraufhin wissen. Met, Mädchen, Mulinello...Audaod hätte da schon ein paar Ideen.


    "Ich will alles von ihm wissen!", sagte Audaod schließlich und schlug dabei mit der Faust etwas kräftiger als beabsichtigt auf den Tisch, was ärgerliche Blicke nach sich zog. "Tschuldigung. Äh...ja, Hadamar muss mir alles über Rom erzählen. Mit dem Willen der Götter werde ich die Urbs Aeterna auch einmal mit eigenen Augen sehen, das verspreche ich dir." Wieder leuchteten seine Augen bei einem träumerischen Blick. Vielleicht könnte er die Gesandtschaft begleiten, die wegen der Lex Municipalis nach Rom ziehen wollte.

    "Ein Kriegsheld", wiederholte Audaod schwärmerisch. Er stellte sich bildlich vor, wie der siegreiche Heerwurm nach Süden zog und die Mauern Roms erstürmte. "Sie marschieren nach Rom", sagte er dann wieder zu Eldrid, als diese von Witjon eine Antwort erhalten hatte. "Vielleicht plündern sie den Palast des falschen Kaisers und bringen Beute mit nach Hause. Säcke voll Gold und marmorne Statuen und Sklaven und Edelsteine. Stell dir vor wie blöd die Leute hier gucken würden." Ein Leuchten trat in seine Augen. "Ich würde auch gerne einmal Rom sehen..."

    Audaod saß neben seinem Vater und verfolgte ebenfalls die Verhandlung. Nicht so aufmerksam und gewiss nicht so begeisterungsfähig wie dieser, aber dennoch hörte er zu. Vor allem studierte er Mimik und Gestik der Redner und deren Auftreten insgesamt. Wo Lucius an manchen Stellen noch gelegentlich einen etwas unsicheren Eindruck machte, wirkte der Gorgonier wie die Souveränität in Person. Audaod faszinierte das. Die Lehren seines Magisters und später die des Grammaticus und in jüngster Zeit auch die des Rhetors schienen also doch Sinn zu ergeben. Er sollte den Lektionen seiner Lehrer wohl tatsächlich mehr Aufmerksamkeit schenken, wenn er nicht in naher Zukunft wie Lucius herumstammeln wollte, wie Audaod es von seinem Vater aus der ein oder anderen Sitzung des Ordo Decurionum gehört hatte.

    Auf Audaods Gesicht stand ein Grinsen so breit wie der Rhenus bei Schneeschmelze. Alle hatten überlebt! Teiwaz Lob und Dank für diese frohe Kunde! "Auf unsere Kriegshelden!", fiel er in Witjons Worte ein, als sie die Becher auf den Kriegsgott erhoben. Die Erwachsenen sah dabei über seine jugendliche Unbedarftheit hinweg, die jüngeren grinsten nur genau so breit wie er. War es doch bei weitem nicht sicher, dass alle drei Männer auch den Rückweg nach Mogontiacum überlebten, geschweige denn die wohl anstehende Erstürmung oder Belagerung oder Plünderung Roms!


    Nachdem aber wieder etwas Ruhe eingekehrt war, sprachen sie gemeinsam das Tischgebet. "...die eure Güte uns beschert", beendete Audaod den Satz und stürzte sich sodann auch gleich auf den Eintopf, denn er hatte Hunger. Nachdem er sich davon genügend in die Holzschüssel geschaufelt und die Kelle an Naha weitergegeben hatte, die ihm gegenüber saß, stupste er Eldrid mit dem Ellbogen gegen die Schulter.


    "Und, Eldrid? Wie ist das so, die Schwester eines Kriegshelden zu sein?", fragte er sie mit mit leuchtenden Augen. Es war unschwer zu erkennen, dass er in diesem Moment daran dachte, wie es wohl wäre an Alriks oder Hadamars Stelle zu sein. Eldrid saß links neben Audaod und hatte somit keine Chance auf Flucht vor einer Unterhaltung, während die anderen bei Tisch sich soeben untereinander in Gespräche vertieften. Bis auf Albin, der still und nachdenklich darauf wartete, dass Marga ihm Eintopf in die Schale löffelte.

    Audaod horchte auf, als Lucius' Vater dessen Nachfrage so unwirsch überging. Der arme Kerl durfte kein Bier trinken? Das konnte Audaod so nicht passieren lassen! Er winkte Lanthilda unauffällig zu sich und während Witjon mit dem Pontifex über dessen Societas sprach, flüsterte Audaod der Dienstmagd ein paar Worte ins Ohr woraufhin er sie in die Küche entließ. Dann verfolgte er zunächst aufmerksam den Wortwechsel zwischen den Erwachsenen und hörte ernsthaft interessiert zu, wie da Angebote unterbreitet wurden.


    In der Zwischenzeit kam Lanthilda wieder und bereitete an einem Tischchen zwei Becher vor. Dabei stand sie im Rücken der beiden Petronier, so dass ihr Tun nicht gleich gesehen werden konnte, ohne dass die beiden sich umständlich hätten umdrehen müssen. Audaod dagegen konnte genau sehen, dass seine Anweisungen ausgeführt wurden.


    Sodann reichte Lanthilda dem Pontifex einen Becher dampfenden Mets und dessen Sohn einen Becher dampfenden ... Bieres! Audaod zwinkerte Lucius unauffällig zu und hob dezent seinen Becher, um dem jungen Petronier mit spitzbübischem Lächeln zuzuprosten.

    Audaod erhob sich ebenfalls, als die Gäste den Raum betraten, wartete jedoch erst einmal die Begrüßung seines Vaters ab. Als dieser die Petronier so freundlich willkommen hieß und auf die Klinen verwies, gab auch Audaod dem Pontifex und sodann auch dessen Sohn die Hand und begrüßte sie mit einem freundlichen "Salve."


    Im Folgenden ließ er die beiden Älteren das Gespräch beginnen und nahm einen Becher Met von Lanthilda entgegen. Den hob er, es seinem Vater gleich tuend, sodann ebenfalls in die Höhe und trank schließlich einen großen Schluck des güldenen Honigweines. Entspannt überließ er daraufhin zunächst weiter seinem Vater die Wortführung und genoss einfach die Wärme, die sich in seinem Bauch ausbreitete.

    Audaod hatte sich ein bisschen zu viel Zeit gelassen mit seiner Vorbereitung und kam dementsprechend nicht so pünktlich runter, wie sein Vater es sich wohl gerne gewünscht hätte. Er präsentierte sich aber ähnlich gemischt römisch-germanisch wie Witjon. Nur, dass Audaod noch keinen beachtenswerten Bartwuchs besaß und auch seine Haare nicht so wallend lang von seinem Schädel hingen. Im Grunde genommen sah er in den Augen eines vorurteilsbehafteten Römers sogar ziemlich zivilisiert aus. So setzte er sich zu seinem Vater dazu, woraufhin sie sich die wenige Zeit bis zur Ankunft der Gäste mit trivialen Plaudereien und diversen aus Langeweile resultierenden Schweigeminuten vertrieben.

    "Der zuständige Miles kümmert sich in diesem Moment darum, Centurio!" beantwortete Audaod die Frage des Petroniers nach der angefragten Ausrüstung.


    War die Beantwortung dieser Frage noch ein Klacks gewesen wie zuvor auch die Aufwärmübungen mit jahrelangem vorangegangenem Training keine Überanstrengung für Audaod dargestellt hatten, so überrumpelte der nun folgende Befehl des Centurios den jungen Duccius völlig. Er sollte sich einen Schaukampf mit einem der Tiros von der anderen Centurie liefern?


    "Oh Teiwaz, steh' mir bei", flehte er den Gott des Krieges an, als ihm das Holzschwert in die Hand gedrückt wurde. Asius und er nahmen nun Aufstellung gegenüber von einander ein und musterten sich zunächst vorsichtig.


    Was folgte waren Sekunden des nervenzerrenden Wartens und Umkreisens. Audaod würde den Pluto tun und als erster zuschlagen. Denn das hatte er gelernt: Im Duell gewann nicht zwangsläufig der vorschnelle, übereifrige Streiter. Vielmehr obsiegte häufig genug der Abwartende, der irgendwann den richtigen Stich landete. Aber man würde sehen, wie dieser Kampf nun ausging.


    Audaod jedenfalls machte nur ein, zwei zögerliche Schritte auf Asius zu und erwartete dessen erste Aktion.

    Schieben, Schnee auf die Schaufel frachten, Schnee zur Seite hiefen, wieder schieben. So ging das nun schon seit Audaod aufgestanden war. Die Sonne ginge gerade erst auf und er war schon auf den Beinen und rackerte sich mit einer Schaufel ab. Erst hatte er einen Weg zwischen der Casa und dem Hof der Hros quer durch den Garten freigeschaufelt (Mordsarbeit!) und jetzt versuchte er sich darin, den Hof zwischen den Stallungen vom gut halbmeterhohen Schnee zu befreien (Sklavenarbeit!).


    Das machte jedenfalls den Kopf frei von jeglichen Gedanken und Sorgen. Alles, was man sich ärgerlicherweise am Abend in den Schädel pflanzen konnte, war weggeblasen von Anstrengunge, Schweiß, eiskalter Luft, Frost auf den Fingern und gefrorenen Zehen. Während Audaod so vor sich hin schaufelte, latschte ein gähnender Leif an ihm vorbei, grüßte beiläufig und machte sich alsbald im Stall der Jungtiere zu schaffen. Nach dem Aufseher der Hros erschien wenig später Thorgall, Sönkes und Lanthildas Bruder, der ebenfalls müde grüßte und dann Leif zur Hand ging. Offenbar störte sich niemand daran, dass Audaod sich hier totschuftete!


    Nein, im Grunde genommen war es Audaod recht so. Er konnte in Ruhe seiner (verdammtnocheinslästigen) Arbeit nachgehen und die anderen konnten ganz ungestört ihren täglichen Stalldienst verrichten. Es war ja auch keine Seltenheit, dass ein Duccius auch körperliche Arbeit tat. Jeder Mann aus der Sippe, die Wolfriks Blut entstammt, lernte harte Arbeit kennen. Wie schon Irminar und Lando zuvor und erst recht der alte Albin hatte auch Witjon heutzutage noch die Befürchtung, dass die Duccier Mogontiacums ihre Wurzeln vergessen könnten. Zwar war Witjon bereits in einem römischen Vicus, Bonna, geboren worden. Jedoch hatte auch sein Vater noch härtere Zeiten erlebt und die vielen jungen oder auch nicht mehr so jungen Männer und Frauen, die in der jüngeren Vergangenheit nach Mogontiacum gekommen waren, hatten auch allesamt noch das bäuerliche Dasein der Germanen jenseits des Limes gelebt.


    Und deshalb schippte Audaod jetzt unter Schnaufen und gelegentlichem Fluchen Schnee zu ordentlichen Haufen auf. Er verfluchte die Nornen, er verfluchte seinen Vater, er verfluchte die elenden Stallburschen, er verfluchte den Schnee und er verfluchte seine Schaufel. All das half jedoch nichts, denn am Ende fehlte ihm selbst dazu der Atem. Als er endlich fertig war, schmiss Audaod schließlich die Schaufel in den Schuppen, aus dem er sie geholt hatte und stapfte über den frisch freigeschaufelten Weg zurück in die Casa, um ein heißes Bad zu nehmen.

    In Ermangelung des zweitausend Jahre später allgemeingültigen Füllwortes "Okay" machte Audaod hier und dort ein verstehendes "Hmhm." Er war allerdings froh, als sein Vater nicht sonderlich viel Zeit auf die Betriebsschließungen verschwendete, sondern auf diejenigen Angelegenheiten zu sprechen kam, die Audaod selbst betrafen. Er sollte Albin unter die Arme greifen? Na toll, noch mehr Arbeit. Ein neuer Betrieb und Albins zwei neue Läden extra. Das klang ja überhaupt nicht nach viel Aufwand...


    "Ja, ist gut", antwortete er aber statt sich zu beklagen. Er wollte nicht undankbar klingen und hatte ohnehin das Gefühl, sich noch stärker als bisher für die Sippe einsetzen zu müssen. Alle gingen weg, Landulf, Eila, Phelan. Da musste er hier langsam mal etwas mehr leisten um die Geschicke der Familie nicht völlig in seines Vaters Hand liegen zu lassen. "Also ein Schuster für mich und zusätzlich Albins Glasmacher und Steinmetz. Kriege ich hin", versicherte er abschließend noch einmal.

    "Mach' ich", beeilte Audaod sich zu sagen und erhob sich. Er war echt erleichtert. Sein Vater hatte tatsächlich nur rein geschäftliche Dinge besprechen wollen. Kein Wort über Lupanare. Kein Wort über Moralvorstellungen. Kein Wort über peinliche Momente. Audaod winkte zum Abschied über die Schulter. "Jap, bis später", stimmte er zu, dass man sich beim Abendessen sehen würde. Bis dahin hatte er dann auch noch genug zu tun, um sich von zu vielen Gedanken abzulenken. Sekunden später fiel die Tür hinter ihm zu und Witjon konnte wieder ungestört seinen Gedanken nachhängen und seine Arbeit erledigen.

    Audaod brüllte ein beherzigtes "Jawohl, Centurio!", als er den Befehl erhielt Meldung über die benötigten Gladii und Cassides zu machen. Dann ließ er sein Schreibzeug liegen und machte auf dem Absatz kehrt, um zum Horreum zu gehen, wobei er dies im Laufschritt tat. Er wollte lieber nicht zu viel von der Ausbildung verpassen, um sich gleich einen Ersteindruck von den Männern seiner Centurie machen zu können.


    Als er einige Minuten später wieder zum Campus zurückgelaufen kam, erklärte Centurio Petronius soeben, wie die Männer mit ihren Waffen und ihren Gegnern umzugehen hatten. Audaod reihte sich einfach wieder in seine Centurie ein und hörte weiter zu.


    "Ich, Centurio", rief er dann und hob den Arm, als der Petronius nach Erfahrung mit Schwertern fragte.

    Einen Schuster? Audaod hatte sich auf einen Stuhl gegenüber seinem Vater gefläzt und ließ sich nun neugierig die neuesten Pläne für das Handelskonsortium mitteilen. Da Witjon offenbar schon alles notwendige veranlasst hatte, zuckte Audaod nur die Schultern und sagte: "Keine Einwände"


    Dann wurde er des Stapels Tabulae gewahr. "Noch mehr Urkunden?"

    Audaod nickte. Häufig. Am liebsten hätte er jedes einzelne Wort mit einem separaten Kopfnicken bestätigt. Er saugte die Informationen auf wie ein Fladenbrot Garum in sich aufsog. Nur bei seines Vaters letztem Satz stockte Audaod kurz und runzelte fragend die Stirn. War das ein....ja, das musste ein Scherz gewesen sein! Erleichtert wischte Audaod den kleinen Schreckmoment beiseite und zeigte statt dessen ein schmales Grinsen.


    "Es wird mir eine Freude sein Albin etwas Arbeit abzunehmen", ließ er Witjon mit einer Spur des duccischen Schalks - man erinnere sich an viele tausend Gelgenheiten, zu denen er sich in Landos, Witjons, Phelans oder Ragins Handeln und Reden schon gezeigt hatte - wissen. Die Aufgaben, die sein Vater ihm da beschrieb, klangen allesamt machbar.
    "Ich schätze für die Einzelheiten erkundige ich mich einfach direkt bei Albin", sagte Audaod noch abschließend, was weniger eine Frage als vielmehr eine Feststellung war.