Audaod hasste Abschiede. Erst recht hasste er lange Abschiedsreden. Umso froher war er deshalb, dass sein Vater kein großes Tam Tam um seinen Fortgang machte. Sicherlich, er hatte sich im Vorfeld bereits lange Reden anhören müssen über Sicherheit auf der Reise, über seine Ankunft und ersten Schritte in Rom. Dass er sich genauestens an die Anweisungen seines senatorischen Vetters Alrik zu halten habe, dass er seiner Sippe keine Schande machen solle, dass er auf sich und sie seinen Acht zu geben habe, das gehörte alles zum festen Bestandteil der verbalen Vorbereitung auf Audaods Zukunft. Ebenso erinnerte sein Vater ihn noch einmal eingehend an die Bildung, die Audaod hatte genießen dürfen und an die körperlichen Übungen, die ihn gestählt und auch in gewissem Maße auf militärische Aufgaben, die im Laufe seines erhofften Aufstiegs zu bewältigen waren, vorbereitet hatten. Außerdem hielt Witjon seinem Sohn die gute Erziehung vor Augen, die er ihm hatte angedeihen lassen. Er, Audaod, solle ihm, Witjon, ja keine Schande machen. Die Sippe und die Gesellschaft solle er ehren, Höhergestellte (insbesondere seinen zukünftigen Patron) respektieren und achten, Niedriggestellte dagegen nicht verachten, aber so weit als möglich und nötig (aus- bzw. be-) nutzen und vor allem für einen Klientenstamm sorgen, der ihm alsbald das nötige Prestige und die wichtige Zuarbeit für gesellschaftliche wie politische Aufgaben sicherte.
All das war jedoch unwichtig in dem Moment, in dem Audaod von seinem Vater in die Arme geschlossen wurde. Audaod versuchte möglichst einfach nicht zu denken, sondern genoss diesen sekundenlangen Augenblick, der so schnell wieder endete.
"Danke", krächzte Audaod schließlich und ergänzte ein kleinlautes "Mach ich" als Erwiderung auf die Aufforderung, er möge Grüße an die Verwandtschaft überbringen. Dann wandte er sich Octavena zu, die er ebenfalls nun kurz umarmte, woraufhin er der kleinen Camelia liebevoll über das weiche Babyhaar streichelte. Ein angemessenes Wort des Abschieds blieb ihm im Halse stecken. So trat er einfach wieder einen Schritt zurück und sah etwas ratlos wieder seinen Vater an. Das war's dann jetzt wohl.