Beiträge von Marcus Decimus Aquila

    Aquila wartete geduldig, während der Consular den Brief entgegen nahm und las, und hoffte selbstredend darauf, dass ihm das natürlich schon mal eine Tür öffnete. Was dann passierte, damit hätte er allerdings nicht gerechnet. Der Vinicius wollte mit ihm allein reden? Aquila zog den rechten äußeren Teil seiner Unterlippe kurz zwischen die Zähne und fragte sich, was jetzt wohl kommen würde... folgte aber freilich widerspruchslos. „Gerne, Consular Vinicius.“ Er begleitete den Vinicius, im allerersten Moment zu schnell, so dass er fast schon einen Schritt voraus war, passte sich dann aber gerade rechtzeitig noch der Geschwindigkeit des älteren Mannes an, als ihm einfiel, dass der ja nicht mehr ganz so gut zu Fuß war. Alte Leute halt. „Ja, da hast du Recht“, antwortete Aquila dann, als der Consular wieder gesprochen hatte. „Ich habe den Consuln meine Kandidatur bekannt geben, und ich bin tatsächlich hier, weil ich dich um deine Unterstützung bei der Wahl bitten möchte. Deinen Klienten Duccius Vala konnte ich schon für mich gewinnen...“ Noch ein Klient des Viniciers, der auf seiner Seite war, und ein hochrangiger dazu. Aquila hoffte, das zog wenigstens etwas, denn dass der Consular ihn so beiseite genommen hatte, ließ es in seiner Magengegend unangenehm flattern. Nur um seine Bitte quasi vorweg zu nehmen, hatte der Mann das sicher nicht gemacht.

    Auch Aquila schloss sich den anderen an, vergoss einen Teil des Becherinhalts für die Götter und hob ihn dann an, um sich an dem Trinkspruch zu beteiligen. Am liebsten hätte er ja nur gesagt: darauf trink ich, aber das wäre wohl nicht so gut gekommen, weder bei dem Consular, noch bei seinem Onkel. Vielleicht hätte der junge Aelier darüber grinsen können, wer wusste das schon, aber alte Menschen fanden es selten gut, wenn junge zu locker waren... also riss Aquila sich selbstredend zusammen. „Auf unser aller Wohl, dann“, konnte er sich aber dann doch nicht verkneifen, das gegenseitige Wohl-zutrinken etwas salopp mit einem leichten Schmunzeln abzurunden. „Den Segen der Götter können wir durchaus gebrauchen, Aelius“, erwiderte er anschließend in Richtung des jüngeren Aeliers, der ja quasi eine Steilvorlage geliefert hatte, bevor er zu Livianus sah. Viel weiter vorgreifen wollte er seinem Onkel nicht, es war ja eigentlich an dem Älteren, das Gespräch zu führen... auch wenn Aquila es in solchen Momenten manchmal schwer fiel, erst mal die Klappe zu halten. Aber Zurückhaltung war eine Tugend, und Respekt vor den Älteren war... angebracht.

    Aquila war noch nicht da, aber es dauerte nicht lang, bis auch er auftauchte, mit dem letzten Grüppchen Sklaven, die mithelfen würden heute. So war das in diesen Tagen... früh aus dem Bett rausquälen, um so viel wie möglich an dem Tag zu schaffen. Wo blieb da nur die Freizeit? ... Ach ja. Irgendwo ganz weit weg. Auf Dianium vermutlich, da jedenfalls würde er es sich jetzt gerne bequem machen. Aquila unterdrückte ein Seufzen und versuchte, die morgendliche Grummeligkeit aus seinem Hirn zu kriegen. Machte sich einfach nicht so gut, wenn man Wahlkampf betreiben wollte und den Leuten eine schlechtgelaunte Miene präsentierte. Er setzte also schon mal vorsorglich ein Lächeln auf – wenn er eines gelernt hatte in den letzten Monaten mit dem Duccius, dann war was, wie wichtig es war sein Lächeln aus- und anknipsen zu können wie man es gerade brauchte... auch wenn ihm das selbst noch lange nicht immer so gut gelang –, und wandte sich an den Scriba seines Onkels. „Morgen. Ist hier schon alles vorbereitet? Dann können wir ja loslegen, so bald die ersten Zaungäste auftauchen...“ Noch waren nur Händler unterwegs, die auf dem Weg waren zu ihren eigenen Geschäften und ihnen wenig bis gar keine Blicke schenkten, weil sie gar keine Zeit dafür hatten. Aber das würde sich bald genug ändern.

    Aquilas Mundwinkel hob sich andeutungsweise in einem kurzen, dankbaren Lächeln, als sein Onkel als erster das Wort ergriff und sich für ihn aussprach. Natürlich war ihm klar, dass die meisten hier genau das wohl erwartet hatten, und dass es nicht übermäßig viel zählen mochte – andererseits: es zählte nicht mehr und nicht weniger, als wenn sich ein Patron für seinen Klienten aussprach. Und ihm selbst tat es gut, jetzt, nach Ende seiner Rede, wo er da stand und nichts anderes tun konnte als abzuwarten, was ihm wohl an Fragen an den Kopf geworfen werden würden, erst mal etwas Positives zu hören. Es linderte die Nervosität etwas, die wieder angestiegen war, nachdem er geendet hatte, und das allein war schon hilfreich.
    Mehr als hilfreich, wie Aquila gleich darauf erfahren musste. Kaum hatte sein Onkel geendet, ergriff ein weiterer Senator das Wort, ein eher junger. Also, immer noch alt, eigentlich, aber immerhin jünger als die meisten anderen in diesem Gremium. Und was der sagte, hatte es in sich. Der hatte es nicht so mit langsam angehen... der fuhr lieber gleich die schweren Geschütze auf. Und legte ihm dazu auch noch einfach irgendwelche Worte in den Mund, denn wann bitte sollte er gesagt haben, er befürwortete, was seine Verwandten getan hatten? Das war ja wohl bitte einzig und allein seiner Fantasie entsprungen.


    Aber Aquilas Ausbildung war in der Tat gut gewesen, hatte ihn auch auf diese Situationen vorbereitet, so gut es in der Theorie möglich war, und mehr noch: in seinem Tirocinium fori hatte er auch mehr als nur einmal ganz praktisch erleben können, wie so etwas lief. Und es war ja nicht so, als hätte er nicht damit gerechnet, dass irgendetwas in der Richtung kam... selbst wenn der Kaiser sich selbst zurückgehalten gegenüber seiner Familie, es glaubte wohl keiner, dass er nicht trotzdem seine scharfen Hunde hatten, die das Beißen für ihn bei Bedarf übernahmen. „Verzeih, wenn ich dich korrigiere, Senator. Ich sagte mit keinem Wort, dass ich die Taten meiner Verwandten unter der Herrschaft des Usurpators befürworte. Im Gegenteil habe ich betont, dass sie falsch lagen. Dass sie einem Irrweg folgten, in allem, was sie in jüngster Vergangenheit taten, und damit meine ich auch jene Dinge, die du genannt hast.“ Aquila atmete kurz und versuchte diesen Moment zu nutzen, seinen Mund wenigstens etwas wieder zu befeuchten, der ihm mittlerweile staubtrocken vorkam.
    „Es war und ist mir aber wichtig, zu erwähnen, warum sie so handelten. Sie waren nicht aus auf mehr Reichtum und Macht. Sie waren niemals zu Gast im kaiserlichen Palast wie die zahlreichen Speichellecker, die der Usurpator um sich geschart hat. Sie haben niemals versucht sich die Gunst des Vescularius mit exorbitant teuren Geschenken zu erkaufen. Sie haben sich nicht mit seinen Günstlingen eingelassen und ihre Positionen nicht ausgenutzt für persönliche Vorteile. Sie haben den Usurpator unterstützt, weil sie überzeugt davon waren, das Beste für Rom zu tun.“ Aquila hob leicht die Hände und nutzte die winzige Pause erneut, diesmal um seine Lippen kurz zu befeuchten. „Das Falsche aus den richtigen Gründen zu tun ist dennoch falsch. Das weiß ich. Aber würden wir Decimi uns jetzt zurückziehen, weil einige von uns Fehler gemacht haben, wäre es feige. Es wäre der einfache Weg, zu warten, bis in Vergessenheit geraten ist was passiert ist – aber es wäre feige. Und es würde Rom nicht gerecht werden, und dem, was wir erhalten haben in all den vergangenen Jahren. Do ut des – Rom hat meiner Familie so viel gegeben. Ich stehe hier, weil ich meinen Teil zurückgeben will. Gerade jetzt, wo es gilt, Unrecht wieder gut zu machen.“

    Er schien die Zeit ausnahmsweise perfekt abgepasst zu haben, stellte Aquila fest. Nicht zu früh, so dass er eine halbe Ewigkeit hätte warten müssen, nicht zu spät, so dass der Hausherr keine Zeit mehr für ihn erübrigen konnte oder gar schon weg war. „Zwei Dinge, Consular“, erwiderte er mit einem Lächeln auf die Frage hin. „Der erste Grund ist meine Großtante Lucilla, deine Klientin. Sie lässt ihre besten Grüße ausrichten und hat mir aufgetragen, dir diesen Brief zu geben.“ Mit diesen Worten reichte Aquila dem Consular eine Schriftrolle.


    Senator Marcus Vinicius Hungaricus
    Casa Vinicia, Rom


    Mein lieber Patron!


    Du kannst dir gar nicht vorstellen wie froh ich war als die Nachricht hier eintraf, dass du wieder in Rom bist! Ich hoffe es geht dir und deiner Familie gut, und dass die Zeit im Exil nicht ganz so schlimm für euch war.


    Sogar hier war es eine Zeit, in der ein Entsetzen auf das nächste folgte. Natürlich hatten wir nicht ganz so viel unter dem Bürgerkrieg zu leiden, aber manchmal habe ich wirklich geglaubt da erlaubt sich jemand einen schlechten Scherz! Als ich von deiner Verbannung erfahren habe, habe ich kein Opfer gescheut um die Furien und die Götter der Unterwelt auf den Salinator anzusetzen. Es hat halt nur anscheinend etwas länger gedauert bis sie in Rom angekommen sind. Und natürlich habe ich auch unter den Lebenden dafür gesorgt, dass dein guter Ruf erhalten bleibt (zumindest hier), denn ich habe nie auch nur ein Wort davon geglaubt, dass du irgendwie an der Ermordung des Kaisers beteiligt warst!


    Ich bin wirklich froh, dass das alles vorbei ist und hoffe, dass du jetzt wieder die Stellung einnehmen kannst, die dir zusteht. Ich wäre ja dafür, dass du als Consul kandidierst. Rom braucht jetzt starke Männer und wer wäre stärker als du? Ich würde Medicus auf jeden Fall schreiben, dass er dich unterstützen muss.


    Wo wir gerade bei Unterstützung sind. Ich habe gehört, dass mein Neffe Serapio verhaftet wurde. Er ist ja nicht nur mein Lieblingsneffe, sondern auch mein Klient, deswegen will ich dich bitten ein gutes Wort für ihn einzulegen wenn es dir möglich ist. Dieser furchtbare Bürgerkrieg hat doch schon genug Opfer gefordert, es sollte endlich damit Schluss sein!


    Der Überbringer dieser Nachricht, Marcus Aquila, ist übrigens mein Großneffe, Meridius Enkel. Ist das nicht unglaublich wie die Zeit vergeht? Es kommt mir vor als hätte ich ihn gestern noch gefüttert und jetzt steht er in der Toga vor mir und macht sich auf, um in Rom in die Politik einzusteigen! Auf einen Patron wollte er sich noch nicht festlegen, aber vielleicht kannst du ihm deine Stimme geben wenn er sich für den Cursus Honorum bewirbt. Er ist wirklich ein schlauer Junge und verdient die Chance, aus der Spur seines Großvaters hinauszutreten.


    Ich hoffe so sehr, es kommen nun wieder bessere Zeiten für Rom und unsere Familien! Ich wünsche dir und deiner Familie in jedem Fall den Segen der Götter!


    Deine treue Klientin
    Decima Lucilla

    „Das muss er wohl erst herausfinden“, antwortete Aquila. Seines Wissens nach hatte sein Onkel zumindest noch keine wirklichen Berührungspunkte gehabt mit dem neuen Kaiser, gleich welcher Art. „In Ordnung, ich werd mich um einen Termin kümmern.“ Und dem Senator dann Bescheid geben, so bald einer stand. Er hatte ja momentan ziemlich guten Zugriff auf den duccischen Terminkalender in Form von Sirius, da sollte es wohl kein Problem darstellen, einen Tag zu finden, an dem beide Senatoren konnten. „Eh. Schlaf gut. Und bis dann“, verabschiedete Aquila sich dann, als der Duccius ihn wegschickte, und verschwand.

    Zitat

    Original von Sergia Fausta
    Durfte er sich geehrt fühlen, dass wir in diesem Punkt einer Meinung waren? Ich war spontan drauf und dran es ihm mit einem spielerischen "Ja, du darfst." zu erlauben, schloss im letzten Moment dann aber doch wieder meinen Mund. Ich hatte doch eben nicht so gekonnt offen gelassen, was ich dachte, um mich keine drei Augenblicke später hier doch zu verraten! Nö, ich beließ es bei einem leichten Schulterzucken und einem süßen Lächeln, dass wohl in etwa sagen wollte: "Wer weiß?"


    Kaum hatte ich dann die Einladung des Decimers angekommen, musste ich mir auch schon ein Augenrollen verkneifen. Männer! So ein Siegerlächeln konnte er aufsetzen, wenn er.. falls er es schaffen sollte, mich jemals zu mehr als nur einem kleinen Essen mit ihm zu überreden! Auf der anderen Seite natürlich war es schon ganz schön mit anzuhören, wie sich der attraktive, junge Adler plötzlich beinahe überschlug mit seinen Komplimenten, auch wenn ich mir nicht mehr so ganz sicher war, ob die jetzt noch aus seinem Kopf oder schon mehr so "aus dem Bauch heraus" kamen.... "Danke.", sagte ich natürlich trotzdem, während ich in mich hinein lächelte. "Ich werde mit großer Spannung und Vorfreude auf deinen Einfallsreichtum deine Nachricht erwarten." Mehr beiläufig und weniger wirklich bewusst strich ich mir mit meiner Zungenspitze einmal kurz über die Oberlippe und bemerkte.., dass ich tatsächlich schon ein bisschen Vorfreude (aber natürlich wirklich nur ganz, ganz minimal und eigentlich kaum der Rede wert) auf ein Wiedersehen verspührte. "Bis dahin...", stand ich auf von meinem Platz, "Vale bene.., Decimus." Zum Abschied streckte ich ihm mit einem verführerischen Lächeln meine rechte Hand entgegen.


    Sie widersprach ihm immer noch nicht, sondern lächelte nur, und das erneut auf diese spezielle Art. Wenn das mal nicht eindeutig war... Aquila war sich sicher, dass es nur einen Grund hatte, warum sie so reagierte: weil ihr die Unterhaltung genauso gefiel wie ihm, weil sie sich geschmeichelt fühlte – so sah sie jedenfalls aus –, und allerhöchstwahrscheinlichst weil sie ihn einfach toll fand. Das Leben konnte manchmal schon herrlich sein, dachte er, wenn man beispielsweise in einem Officium des Cursus Publicus auf eine Frau wie die hier traf. Nicht nur hübsch, sondern auch nicht auf den Mund gefallen. Aus dem gerade in diesem Augenblick plötzlich ihre Zungenspitze auftauchte und über die Oberlippe fuhr, kurz nur, aber doch lange genug, dass Aquila es sehen konnte – was ihn für einen Moment ebenso sprachlos wie noch siegessicherer machte. Seine Augenbrauen zuckten ganz kurz nach oben, und er räusperte sich. Das Abendessen versprach... gut zu werden, wenn ihr Gespräch da genauso weiter ging, wie es sich hier entwickelt hatte. Immer noch lächelnd, diesmal allerdings wieder mit einem deutlich größeren Anteil an Charme als an mehr oder weniger passendem Selbstbewusstsein, erhob auch er sich, nahm die ihm angebotene Hand – und hob sie leicht an, während er sich nach vorne neigte, bis seine Lippen sie fast berührten und er einen Kuss darauf hauchen konnte. „Du wirst von mir hören. Vale bene, Sergia.“ Mit einem Augenzwinkern ließ er ihre Hand dann los und verließ dann das Officium.


    Aquila musste – zumindest sich selbst – ehrlicherweise eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, was die Mehrheit des Senats von Livianus' Kandidatur halten würde. Oder davon, dass gleich zwei Decimi kandidierten, und das so kurz nach Ende des Bürgerkriegs, in dem ein paar seiner Verwandten keine übermäßig rühmliche Rolle gespielt hatten. Aber ändern ließ sich daran ja nichts, so lange sein Onkel ihm jedenfalls nicht befahl zu warten mit seiner Kandidatur – was er ja nicht getan hatte –, und sowieso stand er ja ganz am Anfang des Cursus. Wäre etwas anderes, wenn er auch schon deutlich weiter wäre, dann sollten sie wohl nicht gleichzeitig kandidieren, aber so... „Mal sehen, wie der Senat entscheidet. Bei uns beiden. Aber ich denk schon auch, dass das für unsere Familie nur gut sein kann, wenn wir uns nicht zurückziehen.“ Er lehnte sich ein wenig nach vorn, stützte sich mit den Unterarmen auf Livianus' Schreibtisch ab. „Noch nicht, erst wollte ich mit dir darüber reden, bevor ich die Tour mache. Aber es stehen ein paar auf meiner Liste. Der Duccius natürlich, bei dem ich mein Tirocinium mach, dann Vinicius Hungaricus – er ist nicht nur Tante Lucillas Patron, sondern auch der des Duccius –, einen Patron brauche ich noch, bevor ich bei den Consuln meine Kandidatur bekannt gebe... viel zu tun also“, grinste er. „Was ist mit dir?“

    Kaum hatte der Sklave ihm Bescheid gegeben, hatte Aquila sich auch schon auf den Weg gemacht ins Triclinium – wo die Gäste schon eingetroffen waren, wie er feststellen musste, allerdings waren sie gerade erst dabei, sich niederzulassen. „Salvete, meine Herren. Consular Aelius“, nickte er diesem zu, „und der Sohn – Aelius Paetus, wenn ich mich richtig erinnere? Ich freue mich sehr, euch wieder zu sehen.“ Aquila lächelte und wartete höflich, bis die Gäste und sein Onkel zuerst Platz genommen hatten, bevor er den übrig gebliebenen nahm.

    Aquila nickte dem Ianitor zu und bedankte sich kurz, bevor er dem Jungen ins Atrium folgte und dort zum Hausherrn bringen ließ. „Salve, Consular Vinicius. Vielen Dank, dass du dir Zeit für mich nimmst.“*



    Sim-Off:

    *Ich geh jetzt mal davon aus, dass der Sklave Aquila vorgestellt hat, bevor er verschwunden ist.

    Aquila fand schon, dass es einen Unterschied machte, ob der Princeps selbst oder nur sein Stellvertreter gewählt wurde – erst recht für die, die möglicherweise mit dem Gedanken spielten zu kandidieren. Da stellte sich womöglich einer auf, der bewusst Stellvertreter werden wollte, weil er nicht die Zeit hatte um den Posten eines Princeps voll auszufüllen und nur hin und wieder einspringen wollte... und einer, dem der Stellvertreterposten zu wenig war, stellte sich nicht auf. Am Ende waren dann beide unzufrieden mit dem Ausgang, oder es gab Unruhe bei der Versammlung, wenn manche spontan zurückzogen und andere genauso spontan sich noch aufstellen lassen wollten... Was allerdings wiederum, fand Aquila, ziemlich lustig werden könnte. Vor allem wenn genug Alkohol im Spiel war. Flüchtig huschte ein Grinsen über sein Gesicht.
    Von seinen Gedanken äußerte er allerdings keine. Der Tiberius wollte ja erst mal versuchen, ob er an die Information kam, und wenn er in ein paar Tagen noch nichts Genaueres wusste, dann konnten sie ja immer noch ein weiteres Mal über das Thema diskutieren und einen Kompromiss finden.


    „In Ordnung, warten wir erst mal ab, was du herausfinden kannst“, stimmte er zu und griff sich die Daten des anderen Lenkers, in die er sich kurz vertiefte. „Ich schau mir die beiden auf jeden Fall mal an und red mit ihnen. Wer weiß wie viel Elan die noch haben.“ Aquila mochte zwar Statistiken zu Lenkern, Pferden, allem möglichen, und wusste auch die Aussagekraft von diesen... aber zum Einschätzen der Leistungsfähigkeit durfte ein persönliches Anschauen trotzdem nicht fehlen, fand er. Man konnte noch so viel darüber lesen, aber es selbst zu sehen war etwas anderes. Ganz davon abgesehen, dass er sich einfach darauf freute, wieder Rennluft schnuppern zu können.
    Beim Thema Inneneinrichtung musste Aquila dann mehr als nur flüchtig grinsen. „Die Fischköppe von der Praesina...“ flaxte er kurz und fuhr fort: „Auf jeden Fall sauber machen. Ich kann nen paar Sklaven von meiner Familie in den nächsten Tagen mal herschicken, damit die ordentlich aufräumen und alles putzen. In der Zwischenzeit sollten wir in Erfahrung bringen, wie es mit den Finanzen aussieht... brauchen wir ja eh, wenn wir nach nem neuen Fahrer gucken. Und wenn wir das wissen und es hier wenigstens mal wieder etwas sauber ist, können wir schauen was wir draus machen wollen. Was meinst du?“

    Jetzt war es also so weit. Aquila atmete tief durch, als der Consul seinen Namen aufrief und damit aufforderte, nach vorne zu treten und sich zu präsentieren. Zu sagen, er wäre nervös, wäre weit untertrieben gewesen... er war verdammt nervös. Kein Wunder, bei der Runde, vor der er gleich sprechen würde, die schon allein durch ihre Menge beeindruckend war, und noch weit mehr durch die Tatsache, was sie waren. Die höchsten Würdenträger des Reichs. Aquila atmete noch mal tief durch, berührte kurz den decimischen Siegelring, den er am Finger trug, und rief sich die Zeit seines Unterrichts in Erinnerung. Er war in den letzten Jahren für das hier ausgebildet worden. Er hatte sich in den letzten Wochen für das hier vorbereitet. Er konnte das. Zeit seine Lehrer stolz zu machen. Mit diesem Gedanken trat er nach vorne, ruhigen Schritts – lieber ein wenig zu langsam und dafür fest, sicher, als zu hastig und nervös –, und stellte sich den unzähligen Augenpaaren, die ihren Blick nun auf ihn richteten.


    „Patres conscripti“, begann er seine Rede, „ehrenwerte Senatoren des Imperium Romanum! Es ist mir eine besondere Ehre, heute vor euch zu treten in diesen Hallen und zu euch sprechen zu dürfen. Ich bin Marcus Decimus Aquila, Enkel des Maximus Decimus Meridius.“ An dieser Stelle machte Aquila eine kleine, wohldosierte Pause, um den Namen wirken zu lassen, bevor er weiter sprach: „Lange Jahre saß dieser selbst mit euch in dieser Curie, und er hat mir viel erzählt von dieser Zeit, in der er Rom und dem Kaiser gedient hat – hat mich viel gelehrt über die Bedeutung dieser Hallen, über die Tugenden und Werte Roms. Und er hat in mir den Wunsch geweckt, es ihm gleich zu tun, in seine Fußstapfen zu treten und meinen Teil dazu beizutragen, Roms Größe und Ruhm zu wahren und zu mehren. Ich will ihm ein würdiger Enkel sein, und so stehe ich heute vor euch, um den ersten Schritt auf diesem langen Weg zu tun, der mich hoffentlich eines Tages selbst in eure Reihen bringt.“ Wieder eine kleine Pause. Aquila tendierte ohnehin dazu, ein bisschen schneller zu reden als gut war, was nicht besser wurde wenn sich in ihm Nervosität breit machte, und so hatte er sich vorher nicht nur eingebläut, dass er langsam reden musste, sondern er hatte sich auch bewusst Gedanken über die Pausen gemacht – nicht nur für die Zuhörer, auch für sich selbst, um sich zu sammeln, ordentlich weiter zu machen, nichts zu vergessen. Ach ja: und nicht zu schnell zu werden.
    „Ich stamme aus Tarraco in der Provincia Hispania, in der meine Familie ihren Stammsitz und ihre Wurzeln hat. Der größte Teil meiner Ausbildung fand dort statt; eine zweijährige Bildungsreise nach Achaia, die mich vor allem nach Athen führte, hat meine Kenntnisse der artes liberales noch um ein Vielfaches vertieft und verfeinert. Hier in Rom angekommen führte ich meine Studien an der Schola Atheniensis in verschiedenen Bereichen fort“, fuhr er dann fort. Seinen Blick ließ er durch die Zuhörerschaft schweifen, während er sprach – nicht zu schnell, nicht zu langsam, jedenfalls hoffte er die richtige Geschwindigkeit zu treffen, während er auf der Suche von einem freundlichen Gesicht zum nächsten war, an dem sich sein Blick kurz festhalten konnte. Aber im Großen und Ganzen waren es einfach nur... naja: Gesichter. Eine Menge Gesichter. Und Aquila stellte dabei fest, dass es irgendwie einfacher war zu reden, als er sich davor vorgestellt hätte, gerade weil es so viele waren und er im Grunde nicht wirklich einzelne ausmachen konnte. „Auch die ersten praktischen Erfahrungen in der Politik konnte ich bereits sammeln: während des vergangenen Jahres in Rom hatte ich die Gelegenheit, bei dem Senator und noch amtierenden Aedil Titus Duccius Vala ein Tirocinium fori zu absolvieren und diesen zu unterstützen. Zudem kann ich mich glücklich schätzen, dass mein Patron, der ehrenwerte Consular Spurius Purgitius Macer, mir mit seinem Rat zur Seite steht auf meinem weiteren Weg. Sollte ich von euch gewählt werden, würde ich mein Wissen und Können gerne als Tresvir capitalis einsetzen, sofern ihr mir diesen Wunsch gewährt. Ich bin der Überzeugung, mit meiner bisherigen Ausbildung Rom in diesem Amt am besten dienen zu können – gleichzeitig sehe ich in dieser Tätigkeit die größte Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Selbstverständlich würde ich aber auch jedes andere Amt, das ihr mir im Falle meiner Wahl zuweist, mit Freuden annehmen.“


    Er hielt erneut einen kurzen Moment inne, um den Senatoren die Gelegenheit zu geben, das Gesagte kurz zu rekapitulieren, bevor er weiter machte. Und diesmal nutzte Aquila sie auch selbst, um wie zu Anfang noch einmal ganz kurz durchatmen und flüchtig, unauffällig, den Ring zu berühren. Jetzt kam der Teil, der ihm am meisten Kopfzerbrechen bereitet hatte, und es immer noch tat. „Einige Worte zum Abschluss noch zu einer Thematik, die sicherlich viele von euch beschäftigt.“ Er hatte überlegt, ob er das wirklich von selbst ansprechen sollte. Aber es ließ sich ja nicht leugnen, und er ging davon aus, dass so oder so Fragen kommen würden zu der eher unrühmlichen Rolle, die ein paar seiner Verwandten im Bürgerkrieg gespielt hatten, oder besser: die sie im Nachhinein bekommen hatten, weil sie zum Verlierer gehalten hatten. Es brachte also wenig, fand er, in seiner Rede erst mal einfach so zu tun, als wäre nichts... im Zweifel wurde ihm das noch als Feigheit ausgelegt. Dann schon lieber selbst das Thema ansprechen und vielleicht dem ein oder andere damit von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen – oder zumindest schon mal ein paar Fragen beantwortet zu haben. Er hoffte nur, dass er die richtigen Worte gefunden hatte bei seiner Vorbereitung, und dass er jetzt den richtigen Ton traf. „Manch einer meiner Verwandten war irregeleitet in jüngster Vergangenheit, hat sich von Einflüsterungen blenden lassen. Es geschah in dem festen – wenn auch falschen, wie wir heute wissen – Glauben, dass trotz all seiner Makel und Fehler der Usurpator der rechtmäßige Erbe gewesen sei. Ich weiß, das ändert nichts daran, dass es ein Irrweg war, und dass daran nichts zu beschönigen ist.
    Dennoch zeigt es eine Sache: meine Familie hat gekämpft für Rom, hat Opfer gebracht für Rom, und hat Rom und seinen Imperator immer an oberste Stelle gesetzt. Dabei durften wir auch stets die Erfahrung machen, dass ein solcher Einsatz nicht vergebens ist – dass Rom Engagement und Opferbereitschaft würdigt. Meine Vorfahren haben sich im Militär hochverdient gemacht und wurden mit dem Bürgerrecht belohnt. Mein Großvater hat sich noch ex caligae hochgearbeitet bis in eure Reihen und wurde für seinen Einsatz und seinen Verdienst mit einem Triumphzug geehrt. Meine Base hat ihre Familie in jungen Jahren zurück gelassen, um Rom heute als eine von sechs Vestalinnen zu dienen, die alle Opfer bringen, um Roms Fortbestand zu sichern, und die alle dafür in höchstem Maß verehrt werden. Das ist es, was meine Familie verinnerlicht hat, was uns ausmacht, was uns antreibt: das Wissen, dass wir Rom alles zu verdanken haben – und die Bereitschaft, im Gegenzug alles für Rom zu geben.“
    Diesmal hatte Aquila nicht mal dran denken müssen, nicht zu schnell zu werden. Zu sehr war ihm bewusst, wie brisant dieses Thema war, und so hatte er die Worte wohl gesetzt, war seine Stimme wie von selbst eindringlich geworden. Wichtig war vor allem eines: dass die Senatoren spürten, dass er überzeugt war von dem, was er sagte. „Ich will diese Tradition meiner Familie fortsetzen, will ebenfalls meinen Dienst leisten für Rom – und ich bitte euch darum, mir die Möglichkeit zu gewähren, eben dies zu tun. Ich danke euch, werte Senatoren, für eure Aufmerksamkeit.“

    Aquila erwiderte das Lächeln – und es wurde gleich noch ein ganzes Stück breiter, als der Consular ihn schließlich als Klienten akzeptierte. Er war eigentlich ziemlich selbstsicher, aber hier war er sich nicht ganz so sicher gewesen, ob er Erfolg haben würde... umso mehr fühlte er sich mal wieder bestätigt, da es geklappt hatte. „Ich danke dir, Consular“, antwortete er, während das Grinsen einfach nicht von seinem Gesicht verschwinden zu wollen schien. „Das wird es, da bin ich mir sicher. Ich werde dich nicht enttäuschen.“ Schon allein, weil er sich selbst nicht enttäuschen wollte. Dafür träumte er schon zu lange davon, es seinem Großvater gleich zu tun. „Noch nicht, ich wollte erst mit dir sprechen. Aber ich habe vor in den nächsten Tagen meine Kandidatur bekannt zu geben.“

    Aquila legte das Seil in Schleifen um einen Holzpfeiler und zog daran, bis er die Strömung spürte, die ans Boot schwappte und es davon treiben wollte, zurrte es immer weiter fest, bevor er sich an den Knoten machte. Das hieß: bevor er sich an den Knoten machen wollte. Erst heute er einen Aufschrei von einer Frau... und als er sich umdrehte, fielen ihm zwei Dinge mehr oder weniger gleichzeitig auf: in etwas Abstand zum Steg waren zwei Menschen, und von ihnen flatterte ein Stück Stoff davon, die Küste entlang. Das hieß, bis die Küste einen Knick machte, der Wind den Schal aber weiter trug, aufs Wasser hinaus, wo er dicht über der Oberfläche weiter getrieben wurde. Aquila fackelte nicht lange. Er dachte nicht an das Boot oder die Fischer. Er dachte in dem Moment noch nicht mal daran, dass es sich bei den beiden nur um die tiberischen Gäste handeln konnte. Er dachte eigentlich nur eins: eine Möglichkeit eine Frau beeindrucken zu können? Her damit. Er ließ das Seil los – ungeachtet dessen, dass er es noch gar nicht richtig vertäut hatte –, lief leichtfüßig den Steg entlang und das Stück Küste, das ihn noch näher zum Schal brachte, bevor er sich mit einem Hechtsprung wie aus dem Bilderbuch ins Wasser warf.


    Vom Boot unterdessen kamen zuerst überraschte, dann zunehmend empörte und schimpfende Ausrufe, als sich das nicht befestigte Seil wieder zu lösen begann, je mehr die Strömung am Boot zerrte und es wieder vom Ufer fort trug. Einer der Fischer, der gerade aussteigen wollte und ein Bein bereits auf dem Steg hatte, vollführte für ein paar Momente etwas, das immer mehr wie ein Spagat aussah, versuchte dann noch den Sprung an Land, schaffte es aber nicht mehr und landete mit einem Platschen und deutlich uneleganter als Aquila zuvor ebenfalls im Wasser. Der hatte sich inzwischen auf die Jagd nach dem Schal begeben, der mittlerweile schon ein paar Mal in Kontakt mit dem Nass gekommen war. Mit jedem Mal wurde er ein bisschen mehr beschwert, bis der Wind ihn schließlich gar nicht mehr in die Höhe bekam und er nur noch auf der Oberfläche trieb, und das gar nicht mal so weit entfernt von der Küste. Aquila brauchte nur einige kräftige Kraulzüge, um das Stück Stoff zu erreichen, griff es sich und schwamm damit wieder zurück zum Ufer. Wo er erst mal feststellte, was seine Aktion überhaupt angerichtet hatte... einer der Kerle planschte im Wasser, die anderen versuchten gerade, das Boot wieder so in Position zu bringen, dass jemand auf den Steg springen und es festmachen konnte. „Tschuldigung...“ warf er etwas halbherzig in deren Richtung und lief dann zu den beiden Spaziergängern, wo ihm dann zum ersten Mal bewusst wurde, dass das die erwarteten Gäste waren – in dem Moment, in dem er Tiberius Lepidus wieder erkannte, um genau zu sein. „Tiberius“, grüßte er ihn freundlich, als würde er nicht gerade klatschnass vor ihnen stehen, „schön, dass du gekommen bist. Und das muss deine Schwester sein? Ich würde euch ja die Hand geben, aber ich bin... etwas indisponiert“, lachte er, und hob anschließend den tropfenden Schal hoch, während er sich an die junge Frau wandte. „Ich nehme an, das ist deiner... wenn du möchtest, bringe ich ihn später zur Villa rustica und gebe ihn dort jemanden zur Reinigung. Ich bin ja schon nass.“

    Ach. Wenn es um seinen Onkel ging, wurde sein Senator plötzlich wieder aktiv? Aquila, der sich selbst eigentlich auch für nicht ganz sooo unwichtig hielt – eigentlich hielt er sich selbst sogar für sehr wichtig –, rümpfte ganz kurz die Nase, bemühte sich dann aber wieder um einen neutralen Gesichtsausdruck. „Ja. Er hat sich ja im Grunde nur deswegen irgendwann zurückgezogen, weil der Vescularius ihn auf dem Kicker hatte. Aber der Ruhestand in Tarraco war nichts für ihn, und jetzt, wo Cornelius den Krieg gewonnen hat und Kaiser ist, gab es keinen Grund mehr weiter erzwungenermaßen dort zu bleiben.“ Aquila lächelte flüchtig. „Er hat vor für das Consulat zu kandidieren. Auch deshalb will er mit dir sprechen, denke ich.“

    Aquila konnte sich ein etwas erleichterndes Grinsen nicht ganz verkneifen, als er nun die erste positive Rückmeldung vom Consular bekam. Zeit ein bisschen durchzuatmen. „Bevor ich Legatus legionis werden kann, muss ich es ja sowieso erst mal in den Senat schaffen...“ lächelte er vorsichtig und nickte dann. „Ja, da hast du Recht. Ich habe vor bei den nächsten Wahlen als Vigintivir zu kandidieren, und würde mich sehr freuen, dabei auf dich als Patron zählen zu können. Die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle ich alle, und wenn die laufende Amtszeit endet, endet auch mein Tirocinium fori. Was ja quasi traditionelle Voraussetzung ist, und was mir außerdem bereits einen guten Einblick in den Alltag eines Politikers geliefert hat – nicht nur eines Senators, sondern eines gerade amtierenden Magistrats, was für eine eigene Amtszeit sicher auch von Vorteil ist.“

    „Nun, zunächst sicher die üblichen Dinge, die Klienten für ihren Patron übernehmen. Ich werde dich bei deinen Vorhaben unterstützen, gleich welcher Art sie sein mögen. Persönlich anwesend sein, wo es erforderlich ist, Aufträge ausführen, die du womöglich für mich hast, solche Dinge. Ich bin mir nicht zu schade, auch mal Laufarbeit zu erledigen.“ Jedenfalls noch nicht – irgendwann würde sich das sicher ändern, hoffte er, aber für den Moment war er noch nicht so weit. „Außerdem werde ich die Verbindungen meiner Familie für dich einsetzen, da wo es mir möglich ist, heißt das. Die Decimi haben einige treue Klienten. Mein Onkel Livianus hat außerdem vor für das Consulat zu kandidieren. Sollte er gewählt werden, dürfte das Ansehen meiner Familie wieder deutlich wachsen, was wiederum auch auf mich abfärben wird und meine Möglichkeiten, dich zu unterstützen.“ Aquila räusperte sich kurz, um seine Nervosität zu überspielen. „Und ich habe bereits damit begonnen, in die Politik zu schnuppern – ich absolviere gerade noch mein Tirocinium fori beim amtierenden Aedilis plebis Duccius Vala. Er kann mit Fug und Recht als einer der Gewinner des vergangenen Bürgerkriegs bezeichnet werden, und solltest du in nächster Zeit Projekte in den Senat einbringen wollen, bin ich mir sicher, dass ich ihn als Fürsprecher für deine Sache gewinnen kann. Ebenso wie meinen Onkel. Das wären die Dinge, die ich dir heute schon bieten kann... Aber wie schon gesagt: ich habe vor, mir möglichst bald die Art von Ansehen zu erarbeiten, die dazu führt dass auch mein eigenes Wort mehr Gewicht hat als heute.“

    Nachdem Aquila mit seinem Senator geredet und zwar keine überschwängliche, aber immerhin positive Antwort bekommen hatte, schlug er am nächsten Morgen kurz nach der üblichen Zeit, zu der die Salutatio stattfand, bei der vinicischen Casa auf. Er klopfte, und nachdem ihm wohl irgendwann die Tür geöffnet werden würde, grüßte er den Ianitor: „Salve. Mein Name ist Marcus Decimus Aquila, ich bin Tiro fori bei Duccius Vala, einem Klienten von Consular Vinicius Hungaricus. Ich wollte fragen, ob er womöglich einen Moment Zeit für mich hätte... und falls nicht, ob du einen Termin für mich vereinbaren kannst.“

    Der Duccius blieb wortkarg. Was Aquila nun nicht mehr ganz ignorieren konnte, und für einen Moment zögerte er und fragte sich, ob er vielleicht einen schlechten Zeitpunkt erwischt hatte. Wenn das so war, ließ sich das allerdings sowieso nicht mehr ändern, also fuhr er – einigermaßen unbeirrt – fort: „Ich habe vor, deinem Patron ebenfalls einen Besuch abzustatten. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich dabei erwähne dass du meine Kandidatur unterstützt?“ fragte er nach, und fügte gleich noch hinzu: „Außerdem würde ich dich gerne in den nächsten Tagen zu uns zum Essen einladen. Mein Onkel Livianus ist vor einiger Zeit aus Tarraco zurück gekommen, und er würde gerne deine Bekanntschaft machen.“

    „Salve“, grüßte Aquila mit einem leicht schelmischen Grinsen zurück, als ein ziemlich hübsches Mädel die Tür öffnete, überließ dann aber erst mal dem Ianitor das Reden, wartete im Anschluss bis das Mädchen wiederkam – und lächelte erfreut zurück, als sie ihn angrinste. „Klar. Vielen Dank, das ging ja wirklich schnell.“ Er folgte ihr in die Gemächer hinein und entdeckte eine junge Frau in einer Sitzecke. Aus einer gewissen Familienähnlichkeit zu Vater und Bruder, die Aquila ja beide schon kennen gelernt hatte, und der Tatsache dass sonst keiner da war schloss er, dass das Messalina sein musste. „Salve, Messalina“, grüßte er sie freundlich, als er näher kam. „Ich bin Marcus Aquila, Enkel von Meridius, also einer deiner Vettern aus Tarraco. Ich bin seit einiger Zeit in Rom und dachte mir, es wird endlich mal Zeit, dass wir uns kennen lernen.“