Beiträge von Sergia Fausta

    Wenn im Senat ein neuer Kaiser gewählt wurde und sich außerhalb der Kurie die Leute versammelten, um das Ergebnis der Wahlen zu erfahren, dann durfte ich natürlich nicht fehlen! Und so hatte ich mir ein hübsches Plätzchen zusammen mit meinen beiden Freundinnen Paula und Tusca gesucht, von wo aus wir noch gut sehen und auch einigermaßen gut hören konnten, wo wir aber dennoch nicht zwischen irgendwelchen anderen Leuten zerdrückt wurden. (Letzteres auch dank einer handvoll Leibwächter.)


    "Was meint ihr? Ob der Purgitius jetzt auch da drinnen sitzt und mit seiner Stimme den neuen Kaiser wählt?", kam Tusca natürlich früher oder später auf ihr absolutes Lieblingsthema zu sprechen. "Es wird Zeit, dass der endlich wieder heiratet.", meinte daraufhin Paula. "Dann kriegst du den vielleicht endlich mal aus deinem Kopf und singst auch mal ein anderes Lied." Immer dieser Konsular Purgitius. Die Pontia war genvert. "Pssst. Seid still. Da vorne tut sich was!", forderte ich meine beiden Freundinnen dann auf. Denn würden die beiden so unentwegt weitertratschen, könnte hier niemand auch nur ein Wort verstehen - und keiner würde wissen, wie die Wahl am Ende nun ausgegangen war. "Das sagst du nur, weil du ihn selbst gerne hättest, aber ihn nicht haben kannst!", dachte Tusca jedoch nicht daran, jetzt ihren Mund zu halten. "Ach, sei doch still. Ich habe meinen Mann gefunden und bin eine anständige, verheiratete Frau. Du auf der anderen Seite.." Tusca war noch immer single. Das wussten wir alle drei. Das war nichts Neues. "Jetzt haltet aber mal die Luft an! Passt lieber auf, was da gleich ausgerufen wird!" Denn der Gardetribun (den ich aus der Entfernung zum Glück nicht weiter identifizierte) gab einen Befehl an seine Soldaten: Und.. es war.. dieser Aquilius. Nicht der Flavius, ein Verwandter des Flaviers, der einst das Patronat über meinen Großvater Stephanus übernommen hatte. Nicht der Vinicius, der Patron meines Ehemannes. Nicht der Cassius, über den ich auch nur nicht viel mehr wusste, als über diesen Aquilier. Ich applaudierte trotzdem.


    "Ah! MädelsMädelsMädels, seht mal!", war Paula auf einmal ganz aufgeregt und deutete in die Menge. "Sieht der nicht fesch aus?! So jung und dynamisch und dabei trotzdem so würdevoll galant!" Tusca lächelte abschätzig. "Also alles, was dein Mann nicht ist, was?" Ich konnte mir ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. "Ach, hör doch auf mit meinem Mann. Wer denkt denn noch an den, wenn er diesen jungen Aquilius da sieht!" Dann drang auch sein Name zu uns. "Und Bala, was für ein schöner Name!" Die Pontierin beschloss, genau so würde sie ihren ersten Sohn auch nennen.. vorausgesetzt ihr Mann hatte da nicht schon eigene Pläne. "Ganz nett ausschauen tut er ja. Aber das Format eines Purgitius zum Beispiel.. davon ist er noch weit entfernt."
    Kaum hatte Titia Tusca diese Worte gesprochen, da verschlug es uns allen die Sprache. Aber hallo! Da kam die neue Kaisergattin zu Pferd auf das Forum Romanum geritten! "Ich hab ja schon vieles erlebt.", fand ich als erste von uns dreien meine Worte wieder. "Alexandria bei Nacht, eine Fahrt über das Mittelmeer, einen germanischen Konsul.. ja sogar einen ganzen Bürgerkrieg. Aber DAS, eine reitende Kaisergattin!" Da fehlten mir wirklich die Worte. Denn jeder wusste doch, dass Frauen sich nicht auf ein Pferd setzten und ritten! ..nicht wenn sie irgendwann mal schwanger werden und Kinder kriegen wollten! - Und diese Frau sollte das neue Vorbild für die römischen Frauenwelt im ganzen Imperium werden! "Ich hoffe nur, die arme Sentia muss das hier nicht sehen." Fassungslos schockiert schüttelte ich den Kopf, während ich mich fragte, ob ihr diesen Floh womöglich der Bote aus dem Senat (irgendwer musste sie ja scheinbar informiert haben) ins Ohr gesetzt hatte oder ob diese Frau.. dieses Mädchen am Ende noch selbst auf diese fatale Idee gekommen war. "Kaum im Amt und schon der erste Skandal. Ich meine, das wäre in der Familie eines Purgitius bestimmt nicht passiert.", kommentierte dann auch Tusca die Szenerie, während Paula einfach nur niedergeschlagen war davon, dass ihr Hochgefühl wegen Bala dem Auftritt der Kaisergattin sei Dank gleich wieder verpuffte.

    ..verfasste ich nur kurz nachdem ich seinen Brief bekommen und gelesen hatte. Nicht mal eine Rücksprache mit meine liebsten Ehegatten wartete ich ab (der würde die Einladung eines Prätoriers, meines Onkels, schon nicht ausschlagen). Stattdessen war ich (und auch das war ja nichts Neues) mal wieder meine eigene Frau....




    SERGIA FAUSTA



    Ad Senatorem
    Kaesonem Annaeum Modestum

    Domus Annaea
    Rom - Italia



    Fausta Kaesoni avunculo s.d.p.


    Du glaubst ja gar nicht, wie riesig ich mich darüber freue, dass du dich wieder erholt hast und jetzt nach Rom zurückgekehrt bist! Erst neulich war ich bei meiner guten Freundin Prisca, einer edlen Patrizierin, zu Gast und wir haben es beide bedauert, dass dieser schlimme Bürgerkrieg jeder von uns einen so ungeheuer wichtigen Verwandten geraubt hat. - Und jetzt bist du wieder da!


    Am liebsten würde ich gleich heute abend in der Domus Annaea vorbeikommen, um dich endlich wiederzusehen. Aber ich glaube, das wäre sowohl für dich als auch für meinen Mann wahrscheinlich ein bisschen zu kurzfristig. Deshalb kündige ich unseren Besuch einfach mal für die Matralia in zwei Tagen an.


    (Und eine kleine Vorwarnung: Neben meinem Lieblingsonkel und meinem Ehemann gibt es auch noch einen weiteren wichtigen Mann in meinem Leben. Ich werde den kleinen Marc, deinen Großneffen, ebenfalls mitbringen. Meine Stieftochter Iulia Torquata, die Adoptivtochter meines Mannes, kann [strike]zum Glück[/strike] leider nicht dabei sein. Sie ist für die nächsten 30 Jahre oder so im Atrium Vestae [strike]gefangen[/strike] tätig.)


    Ich freue mich schon jetzt auf unseren Besuch. Bis dahin: Grüß mir die Götter, wenn du sie siehst!
    Vale bene!


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    Sergia Fausta
    ANTE DIEM V ID IUN DCCCLXV A.U.C.
    Casa Iulia | Rom | Italia

    Es war das alte Spiel: An die Macht zu kommen, das ging noch ganz leicht. Dafür genügte hier schon allein die bloße Willenskraft. Sich an der Macht zu halten, das ging ohne irgendeinen durchdachten Plan hingegen nur selten lange gut. Und so fiel ich (beinahe wörtlich) aus allen Wolken, als ich mich plötzlich ganz unverhofft auf meiner Seite des Bettes wiederfand. Anschließend brauchte ich einen Moment, um mich zu sammeln. Dann hörte ich diese halbherzige Entschuldigung. "Ich würde mir sehr gut überlegen, was du als nächstes tust, Marcus; sehr gut." Auffordernd ernst fixierte ich ihn. "Du weißt doch, was für dich hier auf dem Spiel, oder nicht?" Ansonsten konnte ich es aber auch gerne nochmal wiederholen: "Denk an unseren Sohn. Willst du, dass er mit dem Wissen aufwächst, was für ein widerwärtiges kleines Geheimnis sein Vater mit sich herumträgt? .. Willst du, dass er dich genau dafür immer verachten wird, sobald er nur alt genug ist, all das zu begreifen? .. Willst du.. deinen Sohn behalten oder willst du ihn auf immer verlieren, was soll es sein?" Ich ließ eine dramatische Kunstpause, in der ich einen mitleidsvollen Blick aufsetzte. "Und denk doch auch an deine liebe, kleine, unschuldige Adoptivtochter." Vor allem unschuldig; na klar! "Du traust mir zu, dass ich den Mord an diesen syrischen Schwätzer beauftragt habe, um unsere Familie, um meine Familie vor einem Ansehensverlust zu bewahren?", fragte ich mit provokanter Leichtigkeit. "Solltest du dir dann nicht auch Gedanken darum machen, was ich wohl tun könnte, wenn du mich immer und immer wieder nur von dir stößt? Solltest du dich dann nicht fragen, wieviel mir an ihr noch liegen wird, wenn du unseren Bund immer mehr und mehr vernachlässigst?" Und nein, das war keine Drohung. Das war eine kleine Erinnerung daran, dass zu einer Ehe immernoch zwei Parteien gehörten. "Solltest du dir nicht die Frage stellen, was hier gerade das Beste für deine Kinder ist, statt immer nur deine eigenen Befindlichkeiten im Blick zu haben?" Ich begann mich einladend erotisch lasziv zu rekeln, wärehdn sich ein breites Siegerlächeln auf meinem Gesicht ausbreitete. - Denn an die Macht zu kommen, das ging doch ganz leicht. Dafür genügte manchmal schon allein die bloße Willenskraft. Sich an der Macht zu halten, das ging ohne irgendeinen durchdachten Plan hingegen nur selten lange gut....



    Ob dieses Wiesel uns beiden schaden wollte? Bei dem, was mir die Aurelierin hier erzählt hatte, war ich mir inzwischen mehr als sicher, dass er bestimmt einem halben Dutzend Intrigen gleichzeitig mit größter Freude nachging: Eine gegen mich. Eine gegen die Aurelia. Eine gegen keine-Ahnung-noch-wen. Aber die Vermutung lag nah, dass zum Beispiel auch diese Iunia mit dem Cornelius-Testament mit auf seiner schwarzen Liste stand. Oder auch die Claudia, die mit dem Konsular Flavius verheiratet war. Oder auch die Tiberia, die mit jetzt an der Seite dieses zweifelhaften Ducciers stand. - Und wer wüsste, vielleicht fand sich sogar auch der eine oder andere Name eines Mannes (zum Beispiel der meines Onkels Kaeso) auf der Liste dieses Decimers. (Wobei ich mir da eigentlich wirklich nicht so sicher war, ob dieser Galbinus sich überhaupt traute, sich auch mit einem echten Mann anzulegen.)
    "Absolut!", stimmte ich der Patrizierin anschließend überzeugt zu. Denn ich hatte zwar keine Ahnung, was dieser Kerl eigentlich so über mich dachte. Aber ich wusste, was ich selbst von ihm hielt: Er hatte mir am Tag meiner Hochzeit ganz offen und direkt vor meiner Nase meinen Bräutigam wegnehmen wollen! Und so wie ihm immer wieder neue Ideen (wie die mit dem Theater) kamen, hatte er diesen Plan trotz meiner Hochzeit und des trotz meines Sohnes noch immer nicht aufgegeben. Und da legte ich jetzt also bestimmt nicht die Hände in den Schoß und sah nur zu, wie dieser Wurm bei seinem hundertundersten Versuch dann vielleicht doch irgendwann mal Glück hatte und Marcus mich verließ. Nein, der Typ hatte mich auf meiner Hochzeit herausgefordert - und dann sollte er natürlich auch großzügig "belohnt" werden dafür!


    Wir mussten die Oberhand behalten. Recht hatte sie damit! "Ja, trinken wir darauf.. Prisca." Ich lächelte zufrieden und genoss es, diese Patrizierin der obersten Gesellschaftsschicht bei ihrem Cognomen nennen zu dürfen. Dabei prostete ich ihr freundschaftlich zurück, bevor ich wieder ein Schlückchen des guten Tropfens trank. - "Ich vermute ja, dass er jetzt, wo es wieder einen Kaiser gibt, den seine Prätorianer beschützen können, keine Zeit und Gelegenheit verstreichen lassen wird, sein.. wie nanntest du es vorhin.. Fähnchen nach diesem neuen Wind auf dem Palatin auszurchten.", begann ich dann zu spekulieren. Dabei konnte es sein, dass er sich an den Kaiser ranschmiss. Es konnte sein, dass er die Augusta zu seiner neuen BFF machte. Oder vielleicht versuchte er auch den Caesar zu verführen. Ich traute ihm alles zu. "Wenn wir hier die Oberhand behalten wollen, dann sollten wir vielleicht sehen, dass er nicht der einzige mit guten Kontakten zu Hofe ist." Dabei hatte ich ganz vage sogar schon eine schemenhafte Idee in meinem Kopf: Soweit ich wusste, war der Caesar ja nur der Stiefsohn der Augusta - eine Konstellation, bei der Spannungen eigentlich vorprogrammiert waren. Sollte dieses Wiesel also bei einer dieser beiden Personen einen Fuß in die Tür setzen, wäre unsere Partei eigentlich prädestiniert dafür, auf exakt der anderen Seite in dieses Spiel einzusteigen....

    Die Bescheidenheit sprach aus der Vestalin, als sie meinte, sich noch nicht als Nachfolgerin der Obervestalin Minuchia zu sehen. Ich selbst konnte allerdings mit irgendeiner Bescheidenheit nicht ganz so viel anfangen. Deshalb lächelte ich nur und stimmte der Decima so halb zu: "Ja. Es kommt, wie es kommt.. solange es gut kommt." Und wenn es doch mal nicht von alleine schon gut kam, dann musste man seinem Glück eben selbst ein bisschen auf die Sprünge helfen. Während ich neben der Vestalin ging, schaute ich mich kurz etwas um. (Beinahe hätte ich einen Schreck bekommen, als ich auf einer Statue die Inschrift "Iulia Torquata" las! Ein Glück, stellte sich beim zweitens Lesen aber heraus: Dort stand nur "Iunia Torquata" geschrieben.)


    Ich fragte mich, ob hier im Atrium Vestae wohl auch so vel intrigiert wurde wie im restlichen Rom. Denn eigentlich war die Intrige ja eine Nebenerscheinung der Macht. Überall, wo es Macht gab, da gab es auch Intrigen. Und eine gewisse Macht hatten die Vestalinnen ja schon.... Manchmal wünschte sich die Decima, dass sie nicht so bekannt wäre. "Hmhm." Ich nickte. Denn aus dem Dunkeln heraus zu intrigieren, das hatte wirklich seinen ganz eigenen Reiz. (Kurz stellte ich mir vor, wie ich hier im Atrium Vestae eine Vestalin wäre, die den Posten der Maxima einnehmen wollte: Schritt 1. Ich freundete mich mit der Maxima an und gewann ihr Vertrauen. Schritt 2. Ich suchte mir einen mächtigen Verbündeten in der Kaiserfamilie. Schritt 3. Ich stellte der Maxima eine Falle. Schritt 4. Ich sorgte hinter dem Rücken der Maxima und mit meinem Einfluss in der Kaiserfamilie dafür, dass die alte Maxima lebendig begraben oder eingemauert oder vom tarpeischen Felsen gestoßen wurde. Schritt 5. Das letzte, was die alte Maxima von mir sehen würde, wäre ein lächelndes Augenzwinkern. Und dann würde ich meinen Einfluss auf den Kaiser ein zweites Mal geltend machen, um die neue Obervestalin hier zu werden.) Ich lächelte verstohlen bei diesen düsteren Gedanken.


    Unterdessen kam die Decima auf das erste Thema, die Vestalia, zu sprechen. "Die Vestalia. Ja, sehr gerne kann ich da helfen." Die Cura Annonae hatte ja den einen oder anderen Reservevorrat. Und ich arbeitete ja auch daran, dass ich Extra-Getreidelieferungen von meinem Vetter Commodus oder diesem jüngeren Flavius Gracchus oder von beiden zusammen organisierte. Anschließend müsste ich in Ostia oder Rom oder so noch eine Bäckerei auftreiben, welche gegen Bezahlung das Getreide dann zu Broten weiterverarbeitete. Aber darum ging es ja hier (noch?) nicht. "Du hattest in deinem Brief ja sogar konkret von rund 800.000 Broten geschrieben, wenn mich nicht alles täuscht. Ich habe mich infomiert, dass ich aus den Speichern zur Zeit maximal 2,5 bis 2,7 Millionen Brote außerplanmäßig zu solchen Zwecken zur Verfügung stellen könnte." Ich ließ eine kurze Kunstpause. "800.000 Brote" das entsprach etwa 28,77 hundertstel der Gesamtreserve "sollten da also kein Problem sein." Oder brauchten die Vestalinnen inzwischen mehr? Oder weniger?


    Sim-Off:

    Ich hab die Mengen einfach mal mit 1000 multipliziert, damit die Zahlen größer sind. In der WiSim reden wir natürlich weiterhin nur von 800 Broten. ;)

    Was die Aurelia sagte.. es machte Sinn: Sie sorgte sich nur deshalb um ihren Mann, weil dieser Wurm es auf sie abgesehen hatte. Denn dass da auch ein Verlobter und späterer Gatte schnell ins Visier geriet, schien auch mir nur plausibel. (Trotzdem machte sich ein einmal gedachter Gedanke leider nicht rückgängig und ungedacht. Und Ideen, die man einmal gehabt hatte, die kamen manchmal leider verflixt schnell wieder.) Ich hoffte nur, dass ich mich nicht selbst verraten hatte gerade. Denn auch wenn der Zeitpunkt der "Glückwünsche" (gerade als der Tiberius mit der Zeremonie loslegen wollte!) wirklich verdammt mies gewesen war, rechtfertigte er meinen so großes Hass gegen diese Unperson ja trotzdem noch nicht so ganz..


    Umso dankbarer war ich da für diese Steilvorlage der Patrizierin: "Du meinst, dass er sich nur deshalb um die Freundschaft meines Mannes bemüht, um mir zu schaden?" Ich zog meine Augenbrauen nachdenklich zusammen, bevor ich nach einer kurzen Weile zustimmend nickte. "Das macht Sinn. Denn wenn sein Hass auf meinen Onkel Annaeus Modestus für dessen Sieg bei Vicetia nur halb so groß ist, wie mein Hass auf ihn.. auch dafür, dass die Prätorianer eine gehörige Mitschuld an den schweren Verletzungen meines lieben Onkels haben" Das eignete sich vermutlich wesentlich besser als glaubhafte Begründung für meinen Hass. "dann erklärt das.. eigentlich alles. Mein Onkel kuriert sich fernab von Rom. Den kriegt er also gerade nicht zu greifen. Deshalb hat er sich stellvertretend für ihn mich ausgesucht, die er mit allen Mitteln fertigmachen will." Erschrocken nahm ich meine Hand vor den Mund. Denn ich fand es ehrlich erschreckend, wieviel Sinn das gerade alles machte. "Und du meinst, dass er zu unserem Schaden als nächstes unsere Männer gegeneinander aufhetzen wird?" Sein Ziel dabei wäre klar: Wenn man zwei Gegner gegeneinander ausspielte, musste man sich am Ende nur noch mit einem der beiden herumplagen. "Das dürfen wir nicht zulassen!", appellierte ich deshalb an die Aurelia und trank darauf gleich noch einen Schluck Wein, während ich mich fragte: Wie kam sie eigentlich auf diese Theorie mit dem Ausspielen? Hatte sie dafür irgendwelche konkreten Anhaltspunkte? - Und wieso war ich noch nicht auf diesen Trichter gekommen? War ich gerade nur zu angetrunken oder hatte ich am Ende wirklich irgendwo etwas übersehen?

    Hatte mich dieser Kerl am Eingang gerade angegafft oder bildete ich mir das nur ein? Selbstsicher beschloss ich: Er hatte mich angegafft. Denn auf die Idee mit der Sänfte kam ich natürlich nicht. Stattdessen vermutete ich: Der Typ hatte zwischen all den sittsam zugeknöpften Vestalinnen hier einfach nicht viel zu gucken und drehte sich nach einer Frau meines Kalibers dann natürlich umso mehr um. Und solange er seine Griffel bei sich behielt, hatte ich damit auch kein Problem. Im Gegenteil: Ich gnoss es.


    Und so gelangte ich also mit guter Laune in den Innenhof des Atrium Vestae. Nett, war mein erster Eindruck von dem, was ich dort sah. Die Statuen waren vielleicht ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Ob die dort verewigten Vestalinnen hier wohl überhaupt irgendwer auseinanderhalten konnte? Ohne die Inschriften auf dem Sockel zu lesen? Denn für mich sahen die wirklich alle gleich aus in ihren Trachten. - Und deshalb nahm ich mir dann auch die Zeit und spazierte von enier Statue zur nächsten. Vielleicht zeigte ja auch eines dieser Kunstwerke meine früh verstorbene Base Calvina?
    Vor einer der Statuen begegnete ich dann der Vestalin Decima: "Ich grüße dich, Vestalin Decima." Sie erzählte, sie hätte bislang nur Positives von mir gehört. Das bedeutete dann wohl, dass sie entweder wusste, dass ich die Klientin des Konsulars Decimus Livianus war, oder dass sie selbst nicht gut auf den von mir beklagten Senator Germanicus Sedulus zu sprechen war. Oder beides. So oder so: "Das freut mich zu hören. Denn dein Name ist mir auch nicht unbekannt. Man erzählt sich, du wärst spätestens seit der ehrenvollen Entlassung der Pomponia sowas wie die rechte Hand der neuen Obervestalin." Ich hatte mich extra vorher ein bisschen umgehört, weil ich mich in den kultischen Kollegien nicht auskannte. Aber es schien, als würde ich hier vor der potenziellen Nachfolgerin der Minucia stehen.


    Sie freute sich, dass ich die Zeit gefunden hatte, jetzt hier zu sein. Ich nickte mit einem schmalen Lächeln. "Du hast in deinem Brief von der Lex Flavia de frumentationibus und auch von den kommenden Vestalia geschrieben.", nahm ich bei der Gelegenheit gleich Bezug auf ihre Einladung. "Worüber möchtest du als erstes sprechen?" Ich wusste ja nicht, was dringlicher war.

    Der Einladung der Vestalin Decima folgend traf meine Sänfte (das todschicke Gefährt, das mir mein Vetter Commodus geschenkt hatte) zwei Tage vor Beginn der Vestalia am Atrium Vestae ein. Mit etwas zwiespältigem Gefühl ließ ich mir beim Aussteigen helfen. Denn auch wenn in dem Brief der Vestalin nur von der Lex Flavia de frumentationibus sowie der Frage nach Brot die Rede war.. im Atrium wohnte seit einiger Zeit nun ja auch diese Iulia, bei der ich mir fest vorgenommen hatte, der so schnell nicht wieder über den Weg zu laufen.


    Während ich mir also mein Outfit (heute war ich extra für diesen Besuch etwas weniger - aber nicht wenig - aufgemotzt) und mir meine letzten Sorgen ein bisschen vertrieb, pochte eine meiner Begleiterinnen bereits an der Eingangspforte: "Ein respektvolles Hallo den Dienerinnen und Dienern der Vesta." Denn auch wenn nur sechs von ihnen Vestalinnen waren, direkt oder indirekt dienten sie ja alle irgendwie der Vesta. "Meine Herrin Sergia Fausta, die Ritterin und amtierende Procuratrix Annonae, ist auf Einladung der hohen Vestalin Decima hier." ..und hoffte natürlich eingelassen zu werden! Aber den Teil vergaß meine Sklavin natürlich vor lauter Aufregung. (Stümperin.)

    Sie.. wusste nicht einmal davon? (Nicht, dass ich das besonders schlimm fand. Ich kannte ja auch tausendundeins Dinge, die mich mehr interessierten als die ganz konkrete Zusammensetzung irgendwelcher kultischen Kollegien.) Das bedeutete dann also, dass es um diese ganze Iulia-Geschichte und den Syrer-Mord nicht ging. Ich lächelte wieder etwas entspannter. "Gerne richte ich ihm das aus.", versprach ich dann und war froh, dass die Aurelia nicht auch Glückwünsche an diese Iulia durch mich übermitteln wollte. Denn der Kontakt, den ich bisher mit diesem verzogenen, vorlauten Gör gehabt hatte, der reichte mir für zwei Leben. Allein wenn ich an die erste Cena zurückdachte, in welcher ich sie kennenlernen musste, kam meine ganze Verärgerung über dieses freche Kind wieder hoch: Eine fragwürdige Gesichte mit Widersprüchen hatte sie damals allen Anwesenden aufgetischt, hatte auf meine erwartbar kritischen Nachfragen dann völlig allergisch reagiert und sich am Ende sogar mit mir Hausherrin (und zeitweise ja später auch Stiefmutter) ganz dreist und respektlos angelegt. Und da hatte ich von ihrem öffentlichen Fehltritt, der auch zu der ganzen Geschichte mit dem Syrer geführt hatte, noch nichtmal angefangen!


    Aber um diese Iulia ging es hier ja nicht. Zum Glück. Und zum Glück auch war dieses Mädchen mindestens für die nächsten knapp 30 Jahre in ihrem Atrium Vestae gefangen. Mit der brauchte ich mich so schnell also nicht mehr auseinanderzusetzen. Stattdessen richtete ich meine Aufmerksamkeit nun auf die Erklärung der Patricia. Worauf wollte sie hinaus? Sie begann zu erzählen.. von der Herrschaft (warum sagte sie nicht einfach Terrorregime?!) des Vesculariers.. von dessen Rufmord an vor allem den Patriziern im Reich.. bis hin zu seinen wahnwitzigen Proskriptionen (darunter auch meiner beiden annaeischen Onkel Kaeso und Decimus Varus). Wie das jetzt aber zu ihrer Andeutung passte, das wollte mir noch nicht ganz klar werden. Dann sprach die Aurelierin davon, wie auch sie selbst zu den Verfolgten gehörte. (Wieder eine Gemeinsamkeit! Diese Frau wurde mir wirklich immer sympathischer.) Als sie mir abschließend allerdings diesen schönen Namen dieses grässlichen "Faustus" auftischte, konnte man meine Überraschung und meine ungespielte Schockiertheit für einen kurzen Moment ganz unmaskiert in meinem Gesicht ablesen.


    Was diesen Kerl betrifft.. "Also was diesen..", begann ich aufgebracht, bevor ich mich gerade nochmal bremsen konnte. "Also was diesen Kerl betrifft, versichere ich dir, meine Liebe, dass du bei dem nicht genug an Verfolgungswahn leiden kannst! Denn nicht nur, dass dieser Typ mir meine Hochzeit fast ruiniert hätte, indem er.. also.." Ich beschloss, dass ich diesen Punkt wohl lieber übergehen sollte. Denn ich wusste ja nicht, was die Aurelia alles wusste und was sie nicht wusste. Und eh ich versehentlich meinen eigenen Mann bloßstellte und damit mich selbst gleich mit, ging ich lieber auf Nummer sicher: ".. mit seinen Glückwünschen zum wirklich unpassendsten aller Zeitpunkte ankam und damit alles gestört und durcheinandergebracht hat.", zog ich irgendeine halbgare Ersatzstory an den Haaren herbei. "Nein, dieses miese kleine Wiesel, das aus mir völlig unerfindlichen Gründen die Freundschaft meines Mannes genießt, schafft es selbst nach einem so eklatanten Fehltritt immer wieder und wieder, sich.." Mir fehlten irgendwie die Worte dafür. "..die Freundschaft meines Mannes wieder zurückzuerschleichen. In Alexandria hätte ich gesagt, "he always worms his way back into my husbands life". Erst neulich waren die beiden wieder zusammen im Theater!" Mittlerweile war es natürlich schon nicht mehr ganz so "neulich", aber wie Marcus sich überhaupt noch mit diesem.. ja, Wiesel traf es eigentlich ganz gut.. treffen konnte, das war mir wirklich ein Rätsel.


    Ich atmete kurz durch, versuchte wieder etwas gelassener zu werden und lehnte mich mit einem schmalen Lächeln im Gesicht etwas zurück. "Aber du kannst wissen, liebste Aurelia, dass ich nicht ohne Grund eine Klientin des amtierenden Stadtpräfekten bin." "Keep your friends close, but your enemies even closer", fiel mir dazu gleich noch ein weiterer griechischer Satz ein. Auch wenn der Satz hier so hundertprozentig vielleicht nicht passte. Denn ich wollte mich ja nicht an dem Consular rächen; ich wollte mich an dessen Sohn rächen. Und dazu lautete Schritt eins: Es musste zu einem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn kommen! Denn ohne die Unterstützung seines Vaters und dessen anderen Klienten wurde dieser "Faustus" erst so richtig angreifbar und verletzlich.
    Im Nachklang meiner eigenen Worte wurde ich nun allerdings stutzig: Die Aurelia hatte über ihre Verbindung zu diesem.. Kerl gesprochen. Ich hatte über meine Verbindung und die meines Mannes zu diesem.. Typ erzählt. "Was.. verbindet eigentlich deinen..?" Ich stockte und blickte die Patrizierin eindringlich und irgendwie auch etwas ungläubig an. Denn konnte es etwa sein, dass ihr zukünftiger Mann (ein nobler Patrizier aus bestem Haus, ein Senator, Prätorier, ein Pontifex, der pro magistro, einer der Kaiserkandidaten!) dass der genauso seltsam tickte wie mein Mann? Konnte es sein, dass dieser gemeingefährliche Decimus auch dessen Geist irgendwie vergiftet hatte? (Das läge ja dann irgendwie nah, oder?) Konnte es sein, dass die Aurelia davor stand, genau die gleichen Probleme zu haben, mit denen ich in meiner Ehe zu kämpfen hatte? - Ich konnte mir das eigentlich kaum vorstellen. Ich wollte mir das nicht vorstellen! Und trotzdem bekam mein perfektes Bild von gerade den Flaviern (Senator Flavius Felix als Patron meines Großvaters) hier nun gerade einen gewaltigen Sprung. Das konnte doch nicht wahr sein!

    Zitat

    Original von Kaeso Annaeus Modestus
    Ich bitte darum meinen Charakter aus dem Exil zu nehmen, damit ich wieder die vollen Berechtigungen habe.


    Vielen Dank.


    =) :dafuer:
    Das freut deine (selbsternannte) Lieblingsnichte!

    ..ein schönes Sprichwort, an dem sicherlich auch viel Wahres war. Umso ärgerlicher, dass die Kasse der Cura Annonae jetzt nicht ganz so prall gefüllt war, wie ich mir das vielleicht erhofft hatte. Da waren die Ädilen in diesem Jahr scheinbar nicht ganz so spandabel gewesen. (Denn: Es war ja sicherlich bekannt, dass sich gerade die Ädilen nicht nur für die Spiele, sondern auch für das günstige Brot hier in Rom einsetzten.) Und jetzt konnte ich natürlich entweder die Seite der Ädilen sehen und sie dafür bemitleiden, dass ihre Amtszeit aus gewissen unaussprechlichen Gründen so übermäßig lang (um nicht zu sagen: fast doppelt so lang wie normal!) gewesen war. Oder ich sah das aus der Position einer Procuratrix Annonae, die ja auch bloß nichts für diese bescheidene Situation (vor der ich zuvor sogar noch hinlänglich gewarnt hatte) konnte, die aber einen Job zu erfüllen hatte und dafür Geld brauchte. Es überraschte sicherlich niemanden: Ich entschied mich meinem Amt entsprechend für die Sicht als Prokuratorin.
    Die große Frage: Wie und woher trieb ich das fehlende Geld auf? Sollte ich mein eigenes Vermögen anzapfen? Nachdem ich als Postpräfektin noch 750 Sesterzen Gehalt bekommen hatte, jetzt hingegen keine eigene Abteilung mehr hatte, keine eigenen Untergebenen mehr hatte, deshalb ein öffentliches Officium sich weder lohnte, noch ein solches zu rechtfertigen wäre.. und nicht zuletzt mein Verdienst jetzt auch um satte zwanzig Prozent (in Zahlen: 20%) niedriger ausfiel und nur noch bei 600 Sesterzen lag? Klare Antwort: Ich dachte ja nichtmal daran, von meinem geringeren Einkommen jetzt auch noch ohne persönlichen Vorteil und Nutzen etwas abzugeben. Stattdessen kam mir nach einigem Überlegen eine andere Idee:


    Ich hörte mich um und informierte mich darüber, wann ich im Sprechsaal der Ädilen ganz genau den einen Ädil antreffen könnte, dem ich bei meinem letzten Besuch hier so nett versprochen hatte, dass er sich warm anziehen durfte an dem Tag seines Rechenschaftsberichts. Und anschließend lauerte ich nach seiner Arbeit hier diesem Schludrian vor der Basilica Iulia auf.. und fing ihn ab: "Hallo, werter Ädil!", grüßte ich ihn übertrieben freundlich. "Was für ein Zufall, dass wir beide uns so unverhofft hier über den Weg laufen." Wobei Zufall: Eigentlich sollte auch dem Ädil sicher klar sein, dass man sich immer zweimal sah im Leben. Und das hier war sie dann wohl, unsere Begegnung Nummer zwei. "Ich habe gehört, dass dieses ungewöhnlich lange Amtsjahr fast vorrüber sei. Deshalb lass mich dich fragen: Wie geht es dir? Siehst du deinem Rechenschaftsbericht schon vorfreudig entgegen?" Ob er diesen Wink mit dem Zaunpfahl wohl verstand?
    Ich ließ dem Ädilen ein paar Augenblicke, um auf die Begrüßung zu reagieren und den verbalen Zaunpfahl wahrzunehmen, dann fuhr ich fort: "Übrigens möchte ich dich beruhigen. Nachdem ich kürzlich mein erstes Ritteramt angenommen habe und seither als Procuratrix Annonae Rom und unserem Kaiser diene, habe ich weder Zeit noch Lust gehabt, mich über irgendwelche Versäumnisse irgendeines Ädilen bei einem meiner Freunde, Bekannten oder Verwandten zu beschweren." War ich nicht nett? "Du brauchst dir wegen deines Rechenschaftsberichtes also keine Sorgen machen." Nicht wegen mir jedenfalls. Ein vorfreudiges Lächeln huschte über meine Lippen, denn ein großes "Allerdings.." kündigte sch natürlich an. "..muss ich auch sagen, dass die Kasse der Cura Annonae vergleichsweise leer ist. Gerade die Unterstützung der sonst so spendablen Ädilen ist.. im letzten Jahr.. ziemlich stark zurückgegangen." Ich nickte bekräftigend und machte dem Ädilen damit hoffentlich deutlich genug klar, was ich von ihm wollte: Eine Spende für die Cura Annonae.


    Mit forschendem Blick sah ich den Magistrat an und erwartete seine Reaktion auf meine indirekte Bitte. Dabei machte ich ihm vorerst natürlich keinen Druck. Denn in erster Instanz konnte man es ja erstmal auch freundlich und nett versuchen. Erst wenn das nicht zum erhofften Ergebnis führen sollte, dann würde ich vermutlich Maßnahmen ergreifen müssen, die mich sicherlich nicht mehr ganz so freundlich erscheinen ließen. - Und wer mich ein bisschen kannte, der wusste: Ich hatte eigentlich immer irgendetwas in der Hinterhand.. und war mir auch nicht zu schade, es gegebenenfalls einzusetzen. Ein gewisser Germanicus hatte das spätestens am Tag seiner öffentlichen Anhörung wohl gemerkt. Ein Eingehen auf meine Forderungen wäre ihn damals deutlich billiger gekommen. Andererseits: Es gab natürlich Leute, die lernten aus den Fehlern von anderen; und es gab Leute, die lernten nur, indem sie selbst ihre eigenen Fehler begingen.. so kurz vor dem Ende ihrer magistratischen Amtszeit.

    ..verfasste ich einen Brief an die Villa Flavia, genauer: an Flavius Gracchus Minor, dem meinen zusätzlichen Recherchen zufolge die thrakischen Getreidefelder gehörten, auf die mich meine alexandrinische Freundin Sabinilla gestoßen hatte:




    SERGIA FAUSTA



    Ad Manium Flavium Gracchum Minorem
    Villa Flavia Felix
    Rom - Italia



    Sergia Fausta Procuratrix Annonae Flavio Graccho s.d.


    Ich schreibe dir als römische Ritterin, die mit der Sorge um die Cura Annonae betraut wurde. In dieser Funktion möchte ich dich darüber informieren, dass die Cura Annonae für die kommende Saison * auf der Suche nach zuverlässigen Getreidelieferanten ist. Wenn du also Interesse an einem befristeten Handelsvertrag mit der Cura Annonae hast, lade ich dich ein, mich am dritten Tag vor den nächsten Nonen, am Festtag der Bellona, in meinem Officium in der Casa Iulia aufzusuchen, um dort die nötigen Details mit mir abzuklären.


    Sim-Off:

    * soll heißen: solange ich als Procuratrix Annonae im Amt bin ;)


    Die Unsterblichen seien mit dir!
    Vale!


    /images/signet/Siegel_Sergia.png


    Sergia Fausta
    PRIDIE KAL IUN DCCCLXV A.U.C.
    Casa Iulia | Rom | Italia

    Hm. Ging ich wirklich so sparsam mit dem Wort "Freundschaft" um, dass es auch anderen schon auffiel? Ich überlegte kurz und fand: Wer sich mir nicht in den Weg stellte, mich beleidigte oder mir anderweitig auf die Füße trat, für den standen die Chancen eigentlich schon nicht schlecht, meine Freundschaft zu gewinnen. Da gab es natürlich Ausnahmen: Denn manche Leute könnten sich auch anstrengen wie sie wollen und würden doch nie als Freund oder Freundin von mir gesehen werden. Selbst dann, wenn sie mir auch in der Vergangenheit nie einen Grund gegeben hatten, sie nicht zu mögen. Aber gelegentlich natürliche Antipathien gegen jemanden zu haben, war ja eigentlich ganz normal.. ganz.. ja, natürlich. (Ein Beispiel dafür, dass ich jemandem auch ganz grundlos abgeneigt war, das wollte mir zwar jetzt gerade nicht so recht einfallen, aber ich war mir sicher, dass ich auch solche Leute.. leider.. kannte.)
    Andererseits gab es aber auch den umgekehrten Fall (und hier kam mir sofort jemand ganz bestimmes in den Sinn): Dieser decimische Adler zum Beispiel, den ich damals noch in meiner Position als Stationaria kennengelernt hatte, mit dem war ich jedes einzelne Mal in Konflikt wegen irgendwas, wenn wir uns sahen und trafen (das letzte Mal war dabei leider schon viel zu lange her). Aber trotz der ganzen Wortgefechte, den mochte ich trotzdem.. auch wenn ich nicht so genau wusste, ob ich ihn deshalb jetzt unbedingt als "Freund" bezeichnen würde.


    Aber schön. Zurück zu Commodus: Er sah uns ebenfalls freundschaftlich verbunden. Als er dabei allerdings von vertiefen, ausbauen und vergrößern sprach, entfernte ich mich (inhaltlich) für einen kleinen Moment wieder etwas von ihm. Ich hatte schließlich nicht vergessen, dass ich heute bewusst etwas zurückhaltender und zugeknöpfter ihm gegenüber erscheinen wollte.. so nach unserem letzten unglücklichen Gespräch auf dem Forum Romanum. (Vielleicht lag die Sache mit den sparsamen Freundschaften auch einfach daran, dass ich ein sehr gutes Gedächtnis hatte und so dazu in der Lage war, anderen irgendwelche unschönen Dinge sehr, sehr lange nachzutragen.) "Wie gesagt: Du kennst unseren Vetter zweifellos besser als ich. Wenn du mich deshalb darum bittest, mich für ihn einzusetzen, dann würde ich das tun. Hälst du es hingegen für verschwendete Zeit, dann lasse ich es bleiben.", falls sich nicht Varus selbst bei mir melden würde und um meine Unterstützung bat. Das würde ich natürlich auch nicht leichtfertig einfach ablehnen. Denn immerhin war er Verwandtschaft - und sowas nahm ich in der Regel (merke: Regeln hatten aber natürlich auch Ausnahmen) sehr ernst.



    Tja, und so schritt die Zeit dann auch immer weiter voran: Bald schon gingen wir wieder nach drinnen, wo nach den kleinen Appetitanregern nun auch das Hauptmahl auf uns wartete. Beim Essen dann sprachen wir über dies und das (nur ein Thema ließen wir sehr bewusst aus dem Gespräch): So erzählte ich Commodus zum Beispiel (auf seine Nachfrage hin) noch ein bisschen mehr aus meinem Leben als glückliche und zufriedene Ehefrau. Denn zwar betrachtete ich ihn als einen Freund. Doch soweit vertrauen, dass ich ihm einen ehrlicheren Einblick in mein Leben gegeben hätte, tat ich ihm nach unserer letzten Forums-Begegnung natürlich im Moment nicht. Dafür war diese Begegnung noch zu frisch in meiner Erinnerung. Und deshalb lenkte ich auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Fokus von meinem Marcus weg und sprach stattdessen zum Beispiel über den Besuch Flavia Domitillas, die meinem Sohn sogar extra ein Geschenk (ein Schaukelpferd) mitgebacht hatte. Und gerade von einer Flavierin, betonte ich, - wo mein Großvater Stephanus doch der Klient des Senators Flavius Felix gewesen war - hatte mich das natürlich ganz besonders gefreut.
    Aber auch die eine oder andere interessierte Gegenfrage stellte ich meinem Vetter: Wie stand es zum Beispiel um seine eigenen Ehepläne? Als Senatorenenkel und Sohn eines ehemaligen Prätorianerpräfekten sollte es für ihn schließlich eigentlich nicht so schwer sein, eine geeignete Ehefrau zu finden. Der Großonkel Matinius Agrippa meines Mannes hatte da zum Beispiel eine meines Wissens nach noch unversprochene Enkelin. Ich hatte keinen Schimmer, wie die hieß (war ja nicht meine Familie), versprach meinem Vetter aber trotzdem - falls er das wollte -, dass ich meinen Mann vielleicht mal dazu bringen könnte, hier einen Kontakt zwischen den beiden herzustellen.


    Unabhängig davon, ob er mein Angebot letztlich annahm oder ablehnte, schritt die Zeit aber immer weiter und weiter voran. Und irgendwann war es dann an der Zeit, mich zu verabschieden. Denn heute wollte ich ja zugeknöpft erscheinen und ließ mich deshalb ganz bestimmt nicht zu mehr hinreißen, als vielleicht dem einen oder anderen charmanten Wort. "Ja, ich sollte jetzt wirklich gehen, Commodus. Aber ich verspreche dir, du wirst von mir hören. Bald." Und so verließ ich also zu vorgerückter Stunde mit einem freundlichen "Vale bene." das helvetische Anwesen und ließ mich von meinen Sänftenträgern (und begleitet von dem Wachpersonal, ohne das man zu dieser Stunde nicht mehr sicher war) anschließend wieder zurück zur Casa Iulia bringen.

    http://upload.wikimedia.org/wi…pejanum_Aschaffenburg.JPG

    Der ehemalige Altersruhesitz des Senators Titus Helvetius Geminus war nach dessen Tod an seinen Enkel Marcus Helvetius Commodus gefallen, der ihn wiederum mir, seiner Base Sergia Fausta, überschrieben hatte. Für genau 82 Sesterzen (eine Gebühr, die ich noch immer unangemessen hoch dafür fand) hatte ich mir gleich im Anschluss von staatlicher Seite mit Urkunde und allem bestätigen lassen, dass dieses Land fortan meins war. Und während ich auf dieser Grundlage dann schon nicht lange später meinem Patron sei Dank in den Ritterstand aufsteigen konnte, begann auf meinem frisch erhaltenen Landgut inzwischen der große Umbau:


    Das komplette Mobiliar der Villa hatte ich achtkantig rausschmeißen lassen, weil sich mein Geschmack doch sehr stark unterschied von dem des alten, greisen, verstorbenen Senators. Dazu ließ ich alte Mosaikböden und -wände durch neue ersetzen.. oder mindestens ein bisschen ausbessern. Andere Zimmer wiederum hatte keinen Mosaike, sondern nur bemalte Wände. Da musste natürlich auch ganz dringend Hand angelegt werden! Denn irgendwelches Obst, Gemüse oder anderes Stillleben an den Wänden konnte ich zum Beispiel absolut nicht ertragen. (Gerade hier auf dem Land, wo eh kaum was los war!) Eine Wand musste leben, dann fühlte ich mich auch wohl. So ließ ich die Wände des neuen Triclinum zum Beispiel so gestalten, dass sie mich immer sehr erinnerten an das "Reich der Nereiden", in das mich einstmals der kecke Decimus Aquila eingeladen und ausgeführt hatte.


    Danach gab es neue Möbel für die Zimmer und Räume. Hier und dort zog auch eine Grünpflanze mit ein (auch wenn ich die eigentlich nicht so mochte; aber gerade so "kleine" Palmen in diesen großen, verzierten Tontöpfen gaben mir das Gefühl von einem kleinen bisschen ägyptischer Heimat). Und dann mussten natürlich noch die Außenbereiche der Villa bearbeitet werden: Dort gab es alte Geländer, die einer Erneuerung bedurften. Dort gab es Säulengänge, deren Säulen ausgebessert werden mussten. Und weil mir in dem ganzen Anwesen für all meine Ideen und Vorstellungen ein bisschen wenig Platz war, ließ ich auch noch einen kompletten weiteren Flügel an das Hauptgebäude anbauen. Und alle Sklaven und sonstigen Bediensteten, die vorher Unterkünfte im Hauptteil der Villa gehabt hatten, wurden anschließend schön aus meinem Blickfeld hinaus in den neuen Gebäudeflügel ausgelagert. Nur die Küche, von allen Räumen, in denen sonst eigentlich nur die Sklaven tätig waren, behielt ihren angestammten Platz. Denn auf der einen Seite war von dort der Hofbrunnen wirklich optimal zu erreichen (und sowas war ja nicht unwichtig). Andererseits aber begab ich mich ja auch selbst hin und wieder ganz gerne in die Küche, um "ein paar Kräuter zu mischen".


    Aber auch damit war die ganze Umbauaktion noch immer nicht ganz beendet. Denn auch die Fassaden mussten natürlich dringend mal wieder frisch gestrichen werden.. in einem blassen sonnengelb und weiß. Erst dann gab ich mich (vorerst) mit dem Ergebnis zufrieden und war auch bereit, erste Besucher hierher einzuladen: Allen voran meinen lieben Vetter Commodus, dem ich natürlich unbedingt mal zeigen wollte, was ich aus diesem staubigen Kasten seines Großvaters inzwischen alles gemacht hatte! - Und so wartete ich also am Abend meiner jüngsten Anreise auf ihn. (Für morgen vormittag hatte ich mir schon einen Termin im Hafen von Misenum gemacht, weil ich ja nicht nur zum Vergnügen hier war.) In meinem alexandrinisch eingerichteten "Turmzimmer" (so nannte ich diesen Raum hier ganz oben, wo ich mir meine Gemächer eingerichtet hatte und von wo aus man in alle Richtungen einen ganz herrlichen Blick auf mein Land und auf das Meer hatte) dort stand ich neben der königlichen Cleopatrastatue, die mir Commodus zur Hochzeit geschenkt hatte, hinter einem der raumhohen Fenster und schaute hinaus: Heute war das Wetter ziemlich bewölkt und die dunklen Wolken hingen ganz schön tief am Himmel. (Ein Glück, dass es nicht auch noch regnete! Denn sowas machte sich zum Reisen nämlich gar nicht gut.) Aber trotz dieses mittelprächtigen Wetters konnte ich mir jetzt besser als je zuvor genau vorstellen, welchen Blick man wohl an einem schönen Abend von hier aus haben müsste: Es wäre genau so, wie es Commodus beschrieben hatte.. und besser!

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    VILLA RUSTICA SERGIA
    außerhalb von Misenum



    Landsitz der Ritterin Sergia Fausta
    prospectu maris = mit Meerblick


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    Tja, damit war wohl ein ganzer für den Besuch der Flavierin angedachter Themenbereich erstmal passé. Dabei hätte ich mich wirklich nur allzu gerne darüber unterhalten, wie ein Patrizier für ein Diploma (ein Diploma; keine prächtige Statue auf dem Forum Romanum, keine tolls Inschrift auf irgendeinem Marmorsockel, keine zwei Diplomata), für dieses eine läppische Diploma seine eigene patrizische Schwester mit einem Germanen vermählen konnte! - Klar, dieser Germane war ein Senator, hatte einigen Einfluss und kletterte die Stufen des Cursus Honorum kontinuierlich immer weiter nach oben. Die Frage war nur, wie er das tat: Mit maximal mittelprächtigen Spielen als Ädil; mit offenen Verbalattacken gegen einen amtierenden Konsul; mit einer recht ruhigen Amtszeit als Prätor; und was man von seinem Konsulat erwarten durfte, das würde sich zu diesem Zeitpunkt auch erst noch zeigen müssen (ich ahnte ja noch nicht, welche Ausmaße das noch annehmen sollte). Und die Frage war auch: Welches Licht (oder: welchen Schatten) warf das im Rückschluss auf die Tiberier?
    Nur schweren Herzens also strich ich dieses Thema von meiner heutigen Themenliste. Ich würde sehen, dass ich mich bald wieder mal mit Paula und Tusca zum Plauschen traf. Denn mit denen könnte ich garantiert ganz unbeschwert und frei heraus über diesen Tiberius und sein Verhältnis zu diesem Germanen lästern und tratschen! (Dass mir bald einmal mehr dieser Tiberius einen Strich durch diese Rechnung machte, indem er öffentlich Dinge tat, die ihm ein paar satte Sympathiepunkte bei mir einbrachten, konnte ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen.)


    Aber weiter im Text: Die Flavierin schien die Worte meines Briefes tapfer herunterzuschlucken. "Das freut mich.", kommentierte ich das gleich. Denn ich hatte nicht vorgehabt, mich hier für meine Meinung über diese Mauschelei auch noch zu entschuldigen. Dass die Patrizierin meine Worte also eh längst wieder vergessen hatte (eine Entschuldigung damit also eh überflüssig wurde), kam mir daher sehr gelegen. Und: Im Prinzip hatte ich ja auch recht. Diese Aussage der Flavia gefiel mir so mit am besten.
    Mein etwas ernsterer Gesichtsausdruck wich so langsam also wieder einem freundlichen Lächeln. "Wie wahr, liebste Flavia!", stimmte ich der Patrizierin anschließend auch wieder vollauf zu. Denn sie hatte ja vollkommen recht: Es spielten für unser Verhältnis zueinander nicht die Ansichten und Taten unserer Männer eine Rolle, sondern unsere eigenen Ansichten und Taten. Es zählte also weniger, was der eigene Mann tat, sondern mehr, wie wir jeweils dazu standen und was wir gegebenenfalls dafür oder dagegen taten, unsere Männer in die richtige Richtung zu lenken. Darauf kam es an. "Aber erzähl, wie laufen deine Hochzeitsvorbereitungen?" Vom Hochzeitskleid, dessen Stoff im Haus der Braut (und möglichst auch von ihr selbst) gewoben werden sollte, über die Organisation eines anständigen Buffets und ordentlicher Dekorationen, bis hin zu den Einladungen (verbunden mit den Fragen: Wen lud man ein? Und: Wie gestaltete man die Einladungen stilvoll?) gab es ja unglaublich viel zu tun. Das wusste ich von meiner eigenen Hochzeit noch selbst sehr genau..



    Und da giftete sie also wieder, diese Iuno. Dabei konnte ich richtig hören, wie es ihr offensichtlich mächtig gegen den Strich ging, dass Prisca.. pardon, die Aurelia.. hier so schnell die sich bietende Gelegenheit genutzt hatte. Aber wie hieß es so schön? Wer zuerst kommt, malt zuerst! Und wer zuerst die Initiative ergreift, der hat als erstes einen Ring am Finger. Der Heiratsmarkt war eben ein hartes Geschäft und kein Urlaub auf dem Ponyhof - und je eher diese Iuno das begriff, umso eher würde auch sie einen Mann an ihrer Seite haben.. oder ging es bei ihr schon um die Vermählung einer Tochter? Ich war ja manchmal so schlecht im Einschätzen eines Alters....
    Mehr als amüsiert belächeln konnte ich diesen Neid der Dame allerdings nicht. Denn einerseits fand ich es trotz der gelösten Stimmung hier langsam schon ein bisschen peinlich, wie sehr sich diese Frau ausgerechnet mit der aurelischen Gastgeberin anlegte. Und auf der anderen Seite musste ich für einen kleinen Moment innehalten, als ich erfuhr, dass diese Iuno eine flaminische Iuno war. (Der ehemalige Stadtpräfekt und amtierende Statthalter von Asia Flaminius Cilo war immerhin der Schwager meines Onkels Kaeso. Ich konnte nur hoffen, dass da keine nähere Verwandtschaft bestand.) Entsprechend verkniff ich mir also lieber vorerst einen weiteren Kommentar und erhob stattdessen das Wort zu meinem Trinkspruch.


    Während ich anschließend (wieder mal) ein hübsches Schlückchen aus meinem Kelch trank, dankte mir auf einmal die Aurelierin. Dabei hatte ich ja eigentlich nicht viel mehr getan, als das Offensichtliche auszusprechen: Der Flavius war patrizisch, reich, angesehen und mächtig. Egal wer ihn bekam, diejenige zog sich damit den Neid vieler anderer zu. Das lag in der Natur der Sache. Aber: Hätte sich mir eine solche Gelegenheit geboten, dann hätte ich auch nicht erst noch drei Monate damit vertrödelt, irgendein Orakel nach dessen vernebelter Meinung zu befragen. Ich hätte genauso die Neiderinnen Neiderinnen sein lassen und eine solche Chance ohne Rücksicht auf Verluste ergriffen.
    Doch wie dem auch war. Ich hatte nichts dagegen, wenn man mir dankte. Im Gegenteil, ich hatte da sogar noch einen kleinen Satz über den Hass, den ich der Patrizierin hier mit auf den Weg geben konnte: "Der Hass ist ein aktives Missvergnügen, der Neid ein passives; deshalb darf man sich nicht wundern, wenn der Neid so schnell in Hass übergeht." Ich nickte, bevor ich realisierte, dass ich offensichtlich schon sehr erheitert war, solche "Weisheiten" von mir zu geben. (Diesen Satz musste ich wohl in meiner Jugend in Alexandria von irgendeinem hochgebildeten Wichtigtuer aufgeschnappt haben.) "..hab ich gehört.", setzte ich deshalb nach kurzer Pause noch mit entschuldigendem Lächeln nach, während Prisca nun.. während die Aurelia nun auf mich trank. (Ich musste wirklich aufpassen, dass mir bei aller Verbundenheit so ein Ausrutscher auch weiterhin maximal in Gedanken passierte.)


    Anschließend schnitt die Aurelia ein anderes Thema an: Was wäre passiert, wenn der Senat keinen Konsens in der Kaiserfrage gefunden hätte? "Ich glaube, dann hätten wir wirklich einen germanischen Consul perpetuus gehabt, der uns am Ende nicht nur drei Legionen irgendwo in den germanischen Wäldern, sondern weit mehr als das gekostet hätte.", konnte ich einen Einwurf an dieser Stelle einfach nicht zurückhalten. Denn für mich war ganz klar: Von Sitten und Traditionen, von Tugend und Moral, von Anstand und Benehmen hatten irgendwelche halbwilden Barbaren per se keine Ahnung. Schon jetzt hatte dieser germanische Konsul schließlich in einer seiner ersten Amtshandlungen gleich einmal ausgerechnet das Gesetz zu seinen Gunsten ändern lassen, gegen das er kurz vor seinem Amtsantritt noch selbst verstoßen hatte. Und wenig später dann war er sogar für die zeitweise Aussetzung der Wahlen zum Cursus Honorum verantwortlich. Das hatte es seit Herrschaftsbeginn des vergöttlichten Iulianus nicht mehr gegeben! Und genau deshalb fand ich: Je schneller die neuen Konsuln in ihre Würden kamen, umso besser wäre das für Rom.
    Aber die Patrizierin wollte das Thema offensichtlich lieber in eine andere Richtung lenken: "Ich.. denke schon.", antwortete ich auf die Frage nach dem güldenen Zeitalter eher vorsichtig. Denn so wie die Aurelia erst "unsere Männer" so betonte und dann direkt danach dieses "eigentlich" aussprach.. da sagte mir mein Instinkt, dass sie auf irgendetwas anspielte oder hinaus wollte. Die große Preisfrage aber lautete: Worauf? Ging es um meine öffentliche Klage gegen diesen Germanicus? Ging es darum, dass mein Mann mich nicht davon abhalten konnte? Spielte die Patrizierin also darauf an, dass ich meinen Mann offensichtlich ganz gut im Griff hatte? Ein kurzes Lächeln huschte über meine Lippen. "Du möchtest auf irgendetwas hinaus, richtig?", setzte ich nach kurzer Denkpause nach. Dann kam mir eine andere mögliche Erklärung in den Sinn und meine Gesichtszüge wurden sichtlich ernster. "Hat das irgendetwas damit zu tun, dass die Adoptivtochter meines Mannes vor einiger Zeit in den Kreis der Vestalinnen aufgenommen wurde?", sprach ich meine zweite Vermutung möglichst neutral aus, während ich hoffte, dass ich mich irrte und dass es eben nicht um diese verzogene Iulia, nicht um diese dumme Geschwätz des Pöbels über sie, nicht um den Mord an diesem großmaulig tratschenden syrischen Händler ging. Innerlich jetzt eine ganze Spur unentspannter meinte ich mein eigenes Herz pochen zu hören, während ich der aurelischen Diana, dieser göttlichen Jägerin, aufmerksam in die Augen blickte. Was nur wollte sie hier gerade von mir?

    Sim-Off:

    Es sei dir verziehen.. oder etwa nicht? - Lies selbst. ;)


    Sechs. Ich hatte mitgezählt. Ganze sechs Mal wiederholte Marcus das Wort "eifersüchtig". Da konnte er also gut und gerne mit jedem seiner Sätze verneinen, eifersüchtig zu sein. Ich wusste trotzdem: Er war es. Und allein das war wieder mal ein offener Schlag ins Gesicht! Denn eben noch bedauerte er jeden einzelnen Atemzug an meiner Seite und keine drei Sätze später gab er (nicht) zu, dass er für diesen missratenen "Faustus" aber nach all den Dingen, die der sich geleistet hatte (und das meinte in erster Linie seinen unmöglichen Auftritt auf unserer Hochzeit), immernoch irgendwelche Gefühle hatte. Das war ja wohl eine Frechheit!
    Und als wäre das allein nicht schon genug, da gestand er mir nun ganz nebenbei, dass er mich also auch noch aushorchen wollte, weil er mich verdächtigte, etwas mit dem Tod dieses syrischen Tratschmauls zu tun zu haben. Ich fasste ja noch! "Ich.. ich habe mit gar keinem Mord irgendwas zu tun, ein für allemal!", fauchte ich meinen werten Herrn Gemahl nicht nur an, sondern riss auch verärgert die Bettdecke vom Bett und drang anschließend in seine Betthälfte ein. Denn das konnte und wollte ich mir hier wirklich nicht länger bieten lassen! Mit aller Macht schmiss ich mich auf Marcus Oberkörper und versuchte dann mich mit meinen Händen wieder etwas aufzurichten, während ich mit allem mir zur Verfügung stehenden Gewicht den Oberkörper meines Mannes weiter nach unten drückte. Denn sowas konnte man vielleicht mit irgendeiner Serva machen - nicht aber mit mir! "Und du behauptest also, nicht eifersüchtig zu sein, ja?!" Noch einmal nahm ich alle Kraft zusammen und versuchte mich irgendwie so auf seinen Oberkörper zu kämpfen, dass ich dort zu sitzen kam und die Kontrolle über ihn gewann. Und wie gewann man die Kontrolle über einen Mann? Beherzt griff ich hinter mich in seinen Schritt. "Beweis es!", forderte ich dabei ganz unverhohlen. - Ich hatte mich jetzt lang genug von ihm vorführen und beleidigen lassen! Nun war es an der Zeit, dass Marcus nach meinen Konditionen dafür bezahlte....



    ..kein Geringerer als, sprach ich in Gedanken die Worte der Flavia mit, Aurelius Lupus. - Doch nein, es war ein anderer Name, den die Patrizierin verkündete. Ich atmete schon nicht ganz unzufrieden aus, da drang mir der von ihr genannte Name ins Bewusstsein: Tiberius Lepidus. Meine Augenbrauen schnellten vor Überraschung nach oben. Denn so ganz aktuell (was die Zukunft noch brachte, konnte ich an dieser Stelle ja leider noch nicht ahnen) verband ich kaum Positives mit diesem Namen. Und das begann schon viel früher als man vielleicht erwartete; nämlich bei meiner ersten Begegnung mit diesem arroganten und schwatzhaften und vollkommen selbstverliebten Neuadeligen, der sich damals in seiner Position als Müllmann so verdammt wichtig vorgekommen war (ich hörte ihn heute noch eingebildet und überheblich sagen: "Das Straßenreinigungsgeschäft ist auch wahrlich nicht leicht zu verstehen."), dass er mir erst unter fadenscheinigen Begründungen Informationen vorenthielt und mich dann sogar noch tollkühn auf seine Res Gestae verwies!
    Auf meiner Hochzeit hatte sich mein Bild von dem Tiberius (und auch seiner Schwester, mit der ich ebenfalls gleich bei der ersten Begegnung - unverschuldet - in Konflikt geraten war) zugegeben wieder etwas relativiert. Aber das hatte sich spätestens mit der Eheschließung zwischen Tiberia Lucia und diesem Germanen erneut erledigt. Denn.. ach du meine Güte! Ich erinnerte mich an meinen Brief, mit dem ich die Flavierin überhaupt erst hierher eingeladen hatte....


    So senkten sich meine Augenbrauen und die Hand mit meinem Becher Würzwein gleichermaßen, bevor ich nun weit weniger enthusiastisch erklärte: "Das ist ja schön." Ich atmete einmal kurz durch, um bei einem zweiten Anlauf wenigstens ein bisschen zu heucheln, dass ich den Tiberius nicht für einen Kotzbrocken hielt. "Ich meine, wirklich, das ist schön." Mindestens für den Tiberier. Denn der erwischte es mit einer Flavia als Frau ja tatsächlich sehr gut. "Ich hoffe nur, du verübelst mir nicht die offenen Worte über deinen Verlobten in meinem letzten Brief..?", erkundigte ich mich so mehr oder weniger direkt und begann parallel auch selbst zu überlegen: Würde mir die Flavia meine Worte und vor allem meinen implizierten Schluss wirklich verübeln, hätte sie meinem Sohn ja sicherlich kaum ein Geschenk mitgebracht, oder? Oder war ihr Geschenk nur reine Makulatur und sie war heute nur hierher gekommen, um mir erst frei heraus von ihrer bevorstehenden Hochzeit vorzuschwärmen und am Ende dann zu sagen: "Tja, aber nach deinem letzten Brief, liebste Sergia, muss ich leider darauf bestehen, dass du dieser Feierlichkeit mit ihren erlesenen Gästen fern bleibst."? Forschend betrachtete ich die Patrizierin ni der Hoffnung, irgendein kleines Zeichen zu sehen, in welche Richtung sich dieses Gespräch wohl entwickeln würde.



    Wie sagte man so schön? Gemeinsamkeiten verbanden? So langsam begann ich zu glauben, dass da etwas dran sein könnte. "Auf deinen Vetter, auf die Sieger, auf Rom!", stimmte ich Priscas Trinksspruch.. also.. dem Trinkspruch der Aurelia zu, während sie einen Teil ihres Weines für die Götter verschüttete. (Ich selbst hielt davon ja eigentlich nichts: Nicht nur, weil wir hier heute ja die Göttinnen waren, sondern auch weil ich der Überzeugung war, dass man ganz Rom fluten könnte, ohne dass auch nur ein einziger Gott sich in das irdische Leben einmischte.) Trotzdem deutete ich immerhin an, auch ein bisschen meines Weines zu verschütten, wobei man meine Vorsicht dabei hoffentlich eher als Sorge um mein weißes Outfit zu deuten wusste.


    Dann ging es also um das Thema Hochzeiten - und dazu hätte ich der Patrizierin hier vieles erzählen können: Ich hätte ihr berichten können, wie ich mich auf meiner Hochzeit mit Tiberia Lucia angefreundet hatte und wie ich sie beschwatzt hatte, mich bei meinem Vergeltungsplan gegen diesen missratenen "Faustus" zu unterstützen. Ich könnte ihr von der Hochzeit meines Patrons Decimus Livianus erzählen können und davon, wie.. ich leider noch immer keine Rückmeldung von ihm hatte, ob und wann dieser Mosaikenleger der Tiberia mit seinem.. Job in der Casa Decima beginnen könnte. Ich könnte ihr von der Eheschließung (eine richtige "Hochzeit" im Sinne einer "Hoch-Zeit" war das ja nicht!) zwischen Tiberia Lucia und diesem Germanen berichten.. und davon, wie ich der Tiberia einen Spiegel geschenkt hatte, in dem sie sich hoffentlich niemals unbeschwert würde ansehen können.. und davon, wie ich den Kontakt zu der Tiberia seither eher mied, auch wenn das meinen Plan gegen diesen missratenen "Faustus" vielleicht etwas gefährdete. (Aber immerhin unternahm ich seither auch nichts gegen diese Germanenbraut.) Und ich könnte der Aurelia berichten, wie sehr ich mich auch schon auf die Hochzeit zwischen der Flavia und dem Tiberius freute.... weil ich so ein gewisses Gefühl im Bauch hatte, dass manche vergangenen Ereignisse mit ein bisschen Glück nur die frohen Vorboten für das eine oder andere zukünftige Ereignis wären: Man stelle sich das Gerede vor, wenn der Tiberius zusammen mit seiner Schwester und dem Duccius heiratete! Oder das Gerede, wenn die Tiberia allein und ohne ihren Germanen auf der Hochzeit ihres Bruders erschien! Oder das Gerede, wenn der Tiberius ganz ohne diese beiden Personen seine Hochzeit beging! (Wie man es drehte und wendete, dass es Gerede geben würde, war bei dieser Konstellation praktisch sicher. Und umso vorfreudiger sah ich diesem Ereignis natürlich entgegen..)


    Aber auch die Einladung der Aurelia zu ihrer Hochzeit erfüllte mich natürich mit einer gewissen Vorfreude: Ich inmitten einer patrizischen Glamourhochzeit zwischen Aurelia Prisca und.. "Der Flavius Gracchus?!" Angehöriger der altadeligen Flavii Romuli. Senator im Rang eines Prätoriers (genau wie mein Onkel Kaeso). Langjähriger Pontifex und seit einiger Zeit sogar Pontifex pro magistro! Ehemaliger Magister der palatinischen Salier.. denen, wie man sich erzählte, ja auch dieser Aquilius angehören sollte. Dazu, wenn mich nicht alles täuschte, Klient des Senators Flavius Felix (genau wie mein Großvater Marcus Stephanus). Und nicht zu vergessen: Jüngst einer der Kandidaten auf den Kaiserthron! "Das.." machte mir die Aurelia nur noch sympathischer! Denn mit der zukünftigen Gattin eines solchen Mannes konnte man ja nur befreundet sein wollen! (Und bevor man sich wunderte: Dass ich so viel über den Flavier wusste, lag natürlich an meiner ledigen Freundin Tusca, die mir ja ständig in den Ohren lag damit, wie toll dieser Senatoren-Single war, wie toll sie Purgitius Macer fand, .., wie großartig jener Senatoren-Single war, wie großartig sie Purgitius Macer fand, .. Die arme Tusca würde enttäuscht sein, wenn ich sie wissen ließ, dass sich wieder mal ein Senator ohne sie von seinem Single-Leben verabschiedete.)
    "Das ist ja großartig!", lächelte ich begeistert. Und erst nach und nach kam mir der Gedanke: War der Flavius nicht schon einmal eine ganze Zeit lang verheiratet gewesen? War der Flavius also nicht überhaupt schon ziemlich.. alt? (Da konnte man für die sympathische Aurelia wirklich nur hoffen, dass er keiner dieser Lustmolche war.. wenngleich ich mir manchmal wünschte, dass mein Mann ein bisschen mehr Lustmolch und dafür ein bisschen weniger Galbinus wäre.) "Ich weiß wirklich nicht, was ich mehr dazu sagen soll, Aurelia.. außer, dass du wahrscheinlich den Neid vieler lediger Frauen auf dich ziehen wirst, sobald du den Praetorius und Pontifex Flavius heiratest." Und Neid, das wusste die Aurelia sicherlich auch, war immerhin nicht weniger als die höchste Form der Anerkennung.. Ich erhob meinen Kelch: "Auf unsere edle Gastgeberin.. und auf die ehrwürdige flavische Familie, die sich bald mehr als glücklich schätzen darf!"