Beiträge von Sergia Fausta

    Ich lächelte geschmeichelt, auch wenn ich nicht genau wusste, ob ich mich nicht eigentlich hätte beleidigt fühlen müssen. Denn eben noch hieß es ja, dass wir jemanden, dem wir vertrauten, auf den Caesar ansetzten und selbst nur im Hintergrund die Fäden zogen. Und kurz darauf sagte mir Prisca dann, dass sie mir vertraute. Und das klang doch ziemlich eindeutig danach, dass ich nun die Frontarbeit übernehmen sollte. "Ich danke dir.", antwortete ich ihr deshalb auch nur und verzichtete bewusst darauf, ihr dieses Kompliment auch zurückzugeben. Denn am Ende würde sie sich vielleicht genau deshalb gegen mein Kompliment wehren.. und darauf hatte ich eigentlich keine große Lust. Außerdem sah ich für mich selbst ja auch nicht das große Problem, das meine patrizische Freundin hier zuvor skizziert hatte.


    Dann sprach Prisca von der Hochzeit der Flavia und ich stimmte in ihr verschwörerisches Grinsen mit ein. Denn die Idee mit der confarreatischen Hochzeit hatte ich ja vorhin schon geäußert: Mit etwas Glück, hatte ich gesagt, könnten wir da auf die ganze Kaiserfamilie auf einmal treffen. Und jetzt offenbarte mir Prisca: Das Glück stand hier voll auf unserer Seite! "Wirklich? Ich auch..", kommentierte ich den beiläufigen Trauzeuginnen-Kommentar ebenso beiläufig und nahm mir vor: Ich sollte mir unbedingt merken, dass Prisca und die Flavia Schwägerinnen waren und sich offenbar sehr gut verstanden. (Besser ich trank heute abend also nicht mehr so viel, damit ich das alles auch im Kopf behielt.)
    Anschließend kam sie auf die Iunia mit dem cornelischen Testament zurück.. und es war zu hören, dass die beiden alles andere als beste Freundinnen waren. Auch das sollte ich mir besser merken. "Ja, ich glaube so heißt sie. Wie gesagt, ich kenne sie nicht persönlich.. und ich habe auch nur spekuliert", betonte ich dann, dass mich hier wesentlich engere Bande mit Prisca verbanden als mit irgendeiner Iunierin, "das Testament in ihren Händen könnte sie ebenfalls zu einem seiner Ziele gemacht haben."


    Sim-Off:

    Ich würde sagen, dann treffen wir uns demnächst auf der Hochzeit?

    Ich lächelte zufrieden. "Das freut mich.", ließ ich offen, was genau ich damit nun meinte. Vielleicht freute ich mich, dass ich der Flavierin weiterhelfen konnte. Vielleicht freute ich mich, dass sie meinen Namen bei den hohen Herren Modemachern fallenlassen wollte. Vielleicht freute ich mich auch über beides zusammen. Das durfte jeder interpretieren, wie er wollte.


    Wenig später erzählte mir die Patrizierin dann, dass dieser Tiberius und sie durch Confarreatio verbunden wurden.. wie ich mir vielleicht denken konnte. Ich lächelte reserviert. Denn woher hätte ich das auch nur erahnen sollen..? Es gab schließlich auch genügend Patrizier, die heutzutage per usum heirateten und nicht das ganze Brimborium der confarreatischen Hochzeit mit Pontifex Maximus und Flamen Dialis und allem auf sich nahmen. Sobald ich dann aber gefragt wurde, ob ich nicht eine der Trauzeuginnen der Flavia werden wollte, hob ich überrascht meine Augenbrauen und vergas auf der Stelle meinen kleinen Gram. "Aber Flavia, natürlich erweise ich dir gerne diesen Dienst!", ließ ich sie sofort wissen, bevor sie ihre Worte wieder zurücknehmen konnte. "Wir sind doch schließlich Freundinnen, nicht wahr?" Ich lächelte gewinnend und hätte sie jetzt wahrscheinlich gefragt, ob sie mich nicht zukünftig Fausta nennen wollte. Hätte. Wenn ich selbst noch (wie viele meiner Vorfahren) eine Patrizierin gewesen wäre. Aber seit Sergius Catilina (oder eigentlich: seit Tullius Cicero!) war mein Familienzweig ja nicht mehr patrizisch. Und als Plebeierin konnte ich einer Patrizierin natürlich nicht das Cognomen anbieten. Das machte man nicht. (Und soviel Anstand hatte ich gegenüber dem Patrizierstand auch, das nicht einfach zu machen.)



    Zitat

    Original von Marcus Iulius Dives


    So schweigsam war er eigentlich selten. Ob das noch immer was mit dem Verlauf dieser einen Nacht zu tun hatte? Meine Güte, er sollte sich nicht so haben.... Nein, ich jedenfalls ließ mir durch ihn heute bestimmt nicht meine ausgezeichnete Laune verderben. Ganz sicher nicht! Ich hatte ja auch wirklich Wichtigeres zu tun, als mich um die kleinen Befindlichkeiten meines Mannes zu sorgen! "Du sprichst nicht ernsthaft gerade von der Dekoration hier, oder?" Ich lächelte übertrieben in das eine oder andere Gesicht eines Gastes, während ich Marcus deutlich hören ließ, dass ich das für völlig fehl am Platz hielt. Gerade vor dem Kaiser sollte er sich schließlich heute mal etwas zusammenreißen und seine weibische Seite mal etwas zurückhalten!


    Früher oder später gelangten wir dann zum Brautpaar. Ich begrüßte natürlich zuallererst meine liebe Freundin Flavia: "Hallo Flavia!", lächelte ich ihr entgegen und wollte dann gleich erstmal wissen, "Wie geht es dir? Ein bisschen aufgeregt?" Ich konnte mich ja selbst noch daran erinnern, wie ich damals bei meiner eigenen Hochzeit zum Schluss einfach nur noch wollte, dass die Zeremonie endlich begann. (Und danach wollte ich, dass das Feiern selbst endlich begann. Und danach wollte ich, dass der Brautzug endlich begann. Und danach die Hochzeitsnacht..) "Ich darf übrigens sagen, du siehst ganz fabelhaft aus in deinem Dress! Ich bin froh, dass ich dir mit meinen Tipps da ein bisschen helfen konnte." Denn ich ging natürlich ganz selbstbewusst davon aus, dass es auch meine Ratschläge gewesen waren, die der Flavierin am Ende weitergeholfen und ihr zu dieser traumhaften Hochzeitsrobe verholfen hatten.


    Anschließend wandte ich mich ihrem Bräutigam zu: "Tiberius.", begann ich deutlich zurückhaltender. "Ich habe viel gehört von deinem zweiten Vigintivirat, gerade in Bezug auf den einen oder anderen öffentlichen Strafvollzug." Um nicht zu sagen Hinrichtung. Aber das Wort wollte ich auf einer Hochzeit nun nicht gerade unterbringen. "Und ich muss sagen, dass ich mich sehr darüber geärgert habe.", sah ich ihn ernst an und machte eine künstliche Pause. "Denn solche so blutigen Spektakel besuche ich nämlich nicht, sodass ich mir bedauerlicherweise nur von anderen anhören konnte, wie ausgezeichnet diese Veranstaltung war." Ein kleines zufriedenes Lächeln machte sich bei diesen Worten nun in meinem Gesicht breit. Die öffentliche Hinrichtung eines Vettianus und eines Duccianus - was für eine Idee! "Aber ich freue mich trotzdem, heute hier zu sein und könnte mir keinen besseren Bräutigam vorstellen für meine liebe Freundin Flavia.", wurde ich am Ende mit meinen Worten und meinem Lächeln fast schon ein bisschen überschwänglich. Ich rief mich also innerlich zur Ordnung und wurde wieder etwas ernster. "Beim nächsten Mal warnst du mich aber bitte vor.. damit ich nicht nochmal so ein stilvolles Event verpasse!", forderte ich ihn zum Schluss mit einem schmalen Lächeln im Gesicht auf, während ich mich an das erste Vigintivirat des Patriziers heute natürlich nicht mehr erinnerte. (Wahrscheinlich war es sein Schicksal, dass er nach seinem verkorksten ersten Vigintivirat einfach nochmal ein zweites machen musste, mit dem er jetzt auch mich überzeugen konnte.)

    Römische Gerichtstage. Ich liebte sie. Denn wenn die Senatoren im Senat energisch debattierten, konnte man ja immer nur von draußen zugucken (vorausgesetzt man kam rechtzeitig und sicherte sich gute Plätze). Im Gericht hingegen konnte man live dabei sein, wenn sich Kläger und Angeklagter gegenseitig angingen, um die Gunst des Publikums zu gewinnen. Deshalb war es für mein Empfinden auch ganz normal, dass es nach dem Ende einer Rede kritische Gegenrufe genauso wie begeisterte Jubelstürme aus dem Publikum gab. Solange die Ordnung selbst im Gesichtssaal nicht gefährdet war (und davon war man hier nach meinem Empfinden noch einige Meilen entfernt), war meiner Meinung nach alles genau so, wie es sein sollte: Kämpferisch, leidenschaftlich, direkt.
    Römische Gerichtstage. Hier war man immer mitten drin, statt nur dabei. Das bewies auch mein Vetter Varus, der (ich war ein bisschen überrascht) so frei heraus meinem Klienten Nonius gleich noch etwas Rückendeckung gab. "Weihrauch und Datteln sind ja auch landwirtschaftliche Produkte. Wie meint er das jetzt, Poppaeus?" So ganz sah ich das Argument da nämlich noch nicht. Mein Sitznachbar nickte. "Ich nehme an, dass er damit sagen will.." Weiter kam mein Hausadvocatus nicht. Denn..


    ..plötzlich stand mein Onkel Kaeso neben mir. "Onkel Kaeso, wie schön! Komm und setz dich zu uns.", bot ich ihm einen Platz an. Dann rutschte ich kurz auf meinem fliedervioletten Sitzkissen zurecht. "Ich bin eine amtierende Procuratrix Annonae.. natürlich bin ich da gleich vor Ort, wenn irgendjemand den" Jetzt durfte ich bloß nicht von den Senatoren sprechen! "Patriziern erlauben will, Backstuben zu eröffnen und zu führen." Zum Glück hatte ich mir diesen Grund schon vorher überlegt, sodass ich keine Probleme damit hatte, ihn jetzt ohne großes Nachdenken zum besten zu geben. "Und du?", holte ich dann zur Gegenfrage aus. "Ist einer deiner Klienten Bäcker und fürchtet um seine Geschäfte, wenn die" Immer schön von den Patriziern sprechen! "Patrizier in seine Branche eindringen?" Ich sah ihn besorgt an, bevor mir ein anderes Licht aufging. "Oder unterstützt du einfach nur deinen Patron Purgitius heute?" Ich sah zum Richterstuhl nach vorne, wo der Consular seinen Platz eingenommen hatte.

    Aaach du meine Güte. Schon ganz zu Beginn des Vortrags des Klägers konnte ich nur seufzen: Keine eigene Vorstellung und keine Einleitung, nur ein kurzes Hallo und dann sprach der Duccier auch schon über seine Idee von der Backstube für Senatoren. Ich könnte fast wetten, dass mindestens die Hälfte des Publikums am Ende der Verhandlung nicht mehr wussten, wie der Kläger überhaupt hieß. Geschweige denn dass auch nur einer mehr als den Namen dieses Mannes behalten würde. (Was anderes gab der Kerl ja auch nicht preis über sich.)


    Doch dann kam er zu seiner Argumentation.. und.. ich konnte wieder nur mit dem Kopf schütteln: "Das ist doch das reinste Garum, was der da erzählt!", beschwerte ich mich in Tuschel-Lautstärke bei meinem Hausadvokaten und Sitznachbarn Poppaeus. "Der hätte sich lieber erstmal mit dem Besitzer eines Getreidehofs unterhalten sollen, bevor er sowas hier behauptet." Früher verkauften die Getreidegut-Besitzer ihr Getreide an einen Müller? In Einzelfällen: Vielleicht. Aber ganz allgemein? Nein. Das hielt ich definitiv für ein Gerücht. "Und überhaupt ist das doch auch völlig irrelevant, Poppaeus! Denn was interessiert es, WO aus dem Getreide das Mehl wird, bevor man es zu Brot weiterverarbeitet?!" Getreide war der Rohstoff und blieb der Rohstoff. Mehl war das Zwischenprodukt und blieb das Zwischenprodukt. Und damit war Brot ein weiterverarbeitetes Zwischenprodukt und blieb ein weiterverarbeitetes Zwischenprodukt. Ganz einfach. "Selbst wenn ich vom Getreide bis zum fertigen Käsebrot, von den Trauben bis zum fertigen Honigwein und vom einfachen Suppenhuhn bis zum fertigen Huhn a la Fronto alle Produktionsschritt in einem Gebäude oder Komplex zentriere, wird aus einer Taberna noch lange kein für Senatoren und Co. erlaubter Betrieb." Ich ließ mich zu einer wegwerfenden Handbewegung in Richtung des Klägers hinreißen. "Hanebüchen ist das!", fasste ich dann zusammen. "Einfach nur hanebüchen." Hoffentlich würde die Argumentation dieses Ducciers gleich nach Strich und Faden auseinandergenommen werden. Denn sowas.. das war doch einfach nur unglaublich.


    Jemand anders meldete sich etwas lauter als ich nach der Rede ungefragt zu Wort: "Backst du dein Brot denn mit Getreide oder mit Mehl?!" Eine provokante Frage. Aber im Kern genau meine Meinung. Der Duccier hatte schließlich selbst vom Caecilius zitiert: "Getreide ist ein landwirtschaftliches Produkt." Das stimmte damals. Das stimmte heute. "Mehl ist daher ein weiterverarbeitetes Produkt, da seine Form durch specificatio verändert wurde und niemals mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt werden könne." Auch das stimmte damals genauso, wie es heute stimmte. "Da eine Bäckerei jedoch auf dieses weiterverarbeitende Produkt Mehl angewiesen ist, kann es schon per se kein landwirtschaftlicher Betrieb sein." Und auch das war damals gültig und heute eben nicht anders. Oder wollte der Kläger die Frage des Zwischenrufers etwa wirklich mit "Getreide" beantworten? (Und wer sich für dieses Detail interessierte: Der Zwischenrufer, der in der Reihe hinter mir auf dem Platz hinter Poppaeus Sabinus saß, war mein Klient Titus Nonius Turbo. Er hatte offensichtlich mein halblautes Getuschel mitgehört und.. sprach jetzt halt aus, was ich dachte.)

    "Nun, ich würde sagen, entschlossenes Auftreten sieht anders aus.", raunte mir mein poppaeischer Hausadvokat munter zu. Ich lächelte, während sich mein Bick vom zauselbärtigen Decimus löste und erneut dem klagenden Duccier zuwandte. "Wohl war, wohl war.", raunte ich meinem Sitznachbarn dabei entspannt zurück. Denn mir sollte es nur recht sein, wenn diese Klage schon im Ansatz scheiterte. Ich hatte nicht das geringste Interesse daran, dass sich am Status Quo hier etwas änderte: Ich war entschieden gegen senatorische Backstuben.

    Weil ich nur selten in die Verlegenheit kam, eine Hochzeit mit einer Freundschaft zu vergleichen, hatte ich mir auch noch nie einen Gedanken darum gemacht, ob man beides überhaupt vergleichen konnte. Sollte sich das aber irgendwann mal ändern, wäre ich wahrscheinlich der Auffassung: Die Motivation für Hochzeiten und Freundschaften war ähnlich. Man wollte sich verbünden, um gemeinsam mehr zu erreichen. Aber.. es gab auch Unterschiede! Die Ehe war ein fester Pakt. Sie war nicht selten sogar vertraglich fixiert. Und sie hatte sehr, sehr weitreichende Folgen (eine gewisse Tiberierin wusste sicher, wovon ich sprach).
    Und eine Freundschaft? Die konnte ich heute eingehen und schon morgen wieder lösen, wenn es sich zum Beispiel nur um eine reine Zweckfreundschaft handelte. Aber viel wichtiger: Weil sie so leicht zu knüpfen und auch wieder zu lösen war, konnte man sie auch einfach nur zum Schein eingehen! - Ich ging deshalb keine einzige Freundschaft ein, bei der ich nicht mindestens auch ein bestimmtes Maß an Vertrauen hatte. Und mein Vertrauen bekam niemand, den ich nicht wenigstens ein bisschen kennengelernt hatte. (Und selbst dann war ich im Allgemeinen nicht sehr großzügig mit meinem Vertrauen.)


    Ich nickte. "Gut, Decima. Dann haben wir also einen" mündlichen "Vertrag über 700.000 Brote zu 0,95 Sesterzen je Einheit." Denn natürlich war das Brot der Cura Annonae immer etwas billiger als auf dem restlichen Markt. "Das macht dann insgesamt" 700.000 Sesterzen minus 5 Hundertstel. 10 Hundertstel waren 70.000 Sesterzen, also waren 5 Hundertstel 35.000 Sesterzen. Und 700.000 Sesterzen minus 35.000 Sesterzen ergaben.. "665.000 Sesterzen." Ich sah ihr in die Augen. "Einverstanden?"
    Ich überließ es der Vestalin, ob sie gleich annahm oder mit mir noch um den einen oder anderen Sesterzen feilschen wollte. In jedem Fall war es der letzte Punkt, den ich zu der Brotsache besprechen musste. Wenn die Decimerin danach also das nächste Thema anschnitt, würde ich mich bestimmt nicht dagegen wehren.

    Ich lächelte stolz und versprach meinem Onkel: "Das wird er!" In meinem ganzen Stolz auf meinen Sohn (ob es wirklich unser Sohn war, wusste ich ja nach wie vor nicht so genau) entging mir komplett, ob meinen Onkel irgendeine Erinnerung quälte. "Gut zwölf Monate ist er jetzt alt. Deshalb haben wir auch gleich zwei Sklavinnen mitgebracht." Ich lächelte wissend. "Denn man kann ihn jetzt keinen kleinen Moment mehr alleine lassen, ohne dass er die sich bietende Gelegenheit schamlos ausnutzt." Ich sah zu dem Kleinen: "Nicht wahr, mein Lieber?" Dabei strich ich ihm mit meiner Hand sanft über die Wange. Er hatte meine braunen Augen!

    Eine interessante Vorstellung: Was wäre wenn der Caesar mehr als nur einen Flirt wollte? Ich band es meiner neuen Freundin bestimmt nicht so auf die Nase, aber: Wer war ich, dass ich mich gegen soeine Annäherung wehren würde? (Es war ja nicht so, dass es bei mir zu Hause jemanden gab, der regelmäßig seinen intimen Ehepflichten nachkam.) Und selbst wenn er später damit drohte, meinem Mann alles zu erzählen.. mich könnte er damit bestimmt nicht erpressen! Sollte er sein Pulver doch verschießen! Meinen Marcus bekam ich schon wieder irgendwie unter Kontrolle. Das hatte ich bisher schließlich immer geschafft, ganz egal, was war. "Ich denke, dass wir in jedem Fall ein gewisses Risiko eingehen.. und auch eingehen müssen, wenn wir Erfolg haben wollen.", antwortete ich also, während ich fand: Lieber schlief ich mal mit einem mächtigen Caesar, als dass ich mich darauf verließ, dass eine andere Frau genau das machte, was ich (oder wir) ihr sagte(n). "Kennst du denn sojemanden, dem du so uneingeschränkt vertrauen würdest?" Ich sah Prisca ernst an. Dann zuckte ich mit den Schultern und schüttelte mit dem Kopf. "Ich nämlich leider nicht.", was natürlich auch daran liegen könnte, dass ich allgemein nicht sehr viel auf andere vertraute, weil ich nicht gerne abhängig von anderen war. (Darum war ich zum Beispiel auch Procuratrix Annonae, obwohl ich mir mein Leben auch einfach bequem von meinem Mann finanzieren lassen könnte.)


    Einen Moment dachte ich nach, dann fügte ich meinen Worten im Nachsatz noch hinzu: "So spontan kommt mir ansonsten nur diese Iunia mit dem cornelischen Testament in den Sinn." Denn: "Denn diese Sache auf dem Forum Romanum damals dürfte dieses.. Wiesel bestimmt nicht gefreut haben. Nicht unwahrscheinlich also, dass auch sie nun gegen ihn zu kämpfen hat. Außerdem soll es ziemlich krieseln in ihrer Ehe.. so sehr, dass sie sogar wieder in der Casa Iunia lebt." Sowas sprach sich ja rum. Und damit war sie zwar nicht ledig.. aber vielleicht ja schon bald geschieden. "Das Problem ist nur, dass ich die Frau nicht persönlich kenne und deshalb auch überhaupt nicht einschätzen kann, wie vertrauenswürdig sie ist.", legte ich Prisca offen dar.

    Hm. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Eh ich mich entschieden hatte, stand der für heute (bei Interesse) eingeladene Flavier im Büro. Ich lächelte oberflächlich. "Ich grüße dich, Flavius. Schön, dass du gekommen bist." Mit einem kleinen Ruck löste ich mich vom Schreibtisch und ging einmal auf die andere Seite dieses Arbeitsplatzes. "Bitte, setz dich.", lud ich ihn dann mit freundlicher Geste ein und setzte mich anschließend auch selber. "Einen Wein?", bot ich ihm an und gab gegebenenfalls einem Sklaven ein Zeichen, sich um die Wünsche meines Gastes zu kümmern. "Ich habe gehört, dass dein Vater bald meine Freundin Prisca aus dem Haus der Aurelier heiraten wird." Ein guter Grund zum freudigen Anstoßen, oder nicht? "Ich freue mich für deine Familie."


    Aber Ewigkeiten wollte ich mich natürlich nicht mit diesem Smalltalk aufhalten. "Dass du meiner Einladung gefolgt bist, heißt das, dass du Interesse daran hast, einen saisonalen Liefervertrag für Getreide mit der Cura Annonae zu schließen?", kam ich nach dem kurzen Gesprächseinstieg bald schon zum Punkt. Denn der Flavius war ja sicher nicht gekommen, bloß um mir jetzt abzusagen, oder?

    Oh, mein Onkel hatte noch Besuch! Als dieser uns flüchtig begrüßte, grüßte ich natürlich höflich zurück und tat so, als würde ich mir eine Strähne aus dem Gesicht streichen - nur um dabei ganz subtil zu zeigen, dass ich auch einen Ritterring an meiner Hand trug. Einen eigenen. Als Frau. Dann waren die beiden Gäste weg und wir waren unter uns. Der andere Mann war, das schloss ich aus seinem Auftreten und aus dem Gehstock meines Onkels, offenbar nur ein Leibarzt. "Und ich freue mich, dass du wieder zurück in Rom bist, Onkel!" Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn herzlich. Wo wir hier so privat zusammen waren, konnte ich meine Freude über seine Rückkehr nach Rom nämlich einfach nicht mehr zurückhalten. Nachdem sein Blick zum Schluss auf meinen Sohn fiel, fügte ich seinen Worten noch stolz hinzu: "Dein Großneffe."


    Die brünette Sklavin mit meinem Sohn trat ehrfürchtig auf den Senator zu, als dessen Fokus auf den Kleinen fiel. "Sag salve zu deinem Großonkel.", flüsterte sie ihm leise und trotzdem noch hörbar ein. Dabei drehte sie den Jungen auf ihrem Arm so, dass sein Blick zwangsläufig auf seinen elegant gekleideten Verwandten fallen müsste.

    Das Spiel ging weiter. Die Veturia stieg von ihrem hohen Ross und versammelte sich zusammen mit dem jüngeren Aquilius beim neuen Kaiser. "Aber guckt mal, findet ihr nicht auch, dass die Frau da gar nicht wie seine Mutter aussieht?", kam Paula mit einer neuen Idee um die Ecke. "Du hast recht. Jetzt, wo die so nebeneinander stehen sieht die neue Kaisergattin gar nicht so viel älter aus als er.", musste ich ehrlich zustimmen. Das waren bestimmt keine 10 Jahre, die beide trennten. Und so früh hatte die Frau bestimmt noch keine Kinder bekommen. "Na und?", sah Tusca den Sinn der Bemerkung unserer Freundin nicht. "Ich mein ja nur: Wenn das gar nicht seine Mutter ist, dann kann er doch gar nichts dafür.. für ihren Ritt übers Forum." Paula sah mich hilfesuchend an. "Es ist immernoch seine Familie." - "Aber nicht seine Mutter.", fiel ich Tusca ins Wort. "Weißt du das sicher, Fausta? Ich will ja nur sagen.. in der Familie eines" - "..in der Familie eines Purgitius Macer wäre sowas nicht passiert.", beendete die Pontierin monoton und gelangweilt die immer wieder selbe Leier. "Ich sehe, wir verstehen uns, meine Liebe.", lächelte Titia Tusca spitz. "Gar nicht! Denn wenn die Frau dort nicht seine Mutter ist, was verbindet ihn dann mit ihr? ..dann hat er nicht ihre Augen, nicht ihre Haare, nicht ihr Lächeln.. und bestimmt auch nicht ihren Drang, mit einem Pferd übers Forum zu reiten." Ich deutete zum Kaiser, der gerade zu seiner Rede ansetzte. "Nur, dass er keine Frau ist und sich deshalb sehr wohl auf einem Pferd auf dem Forum zeigen könnte!", machte Tusca trotzdem noch eine spitze Bemerkung. "Der Kaiser.", meinte ich genervt. "Und ich wette, er würde dreimal so gut auf einem Pferd aussehen wie dein Purgitius!", ließ Paula das diesmal nicht auf sich sitzen. "Du träumst!" - "Du träumst!" - "Und der Kaiser spricht, verdammt nochmal!"


    Am Ende seiner Rede sprach er von den beiden Konsuln als beste Männer des Staates. Ich hob skeptisch meine linke Augenbraue. Dann ernannte er seine Gattin zur Augusta. Da hob auch Tusca skeptisch ihre Augenbrauen. Und schließlich erhob er seinen Sohn zum Caesar. Da hob zuletzt auch Paula ihre Augenbrauen. "Bala.", säuselte sie dabei etwas verträumt.

    Ich versuchte mir nicht sofort etwas anmerken zu lassen, aber nicht alles, was die Vestalin mir hier erzählte, traf bei mir auf Verständnis. Im Gegenteil: Ich würde einem meiner Sklaven niemals so ein Denkmal stiften. Denn soweit kam es ja noch, dass der Nachwelt eine Gedenktafel meines Sklaven erhalten blieb, eine Gedenktafel von mir hingegen nicht. Dazu kamen meine annaeischen Onkel, wenigstans mein helvetischer Vetter Commodus, mein Sohn, mein Ehemann, meine Freundinnen Paula und Tusca, meine alexandrinische Freundin Sabinilla und meine patrizischen Freundinnen Prisca und Flavia Domitilla. Auch bevor die alle nicht mindestens mit einer protzigen Inschrift geehrt wären, würde ich irgendeinen unbedeutenden Sklaven ganz sicher nicht irgendwo verewigen. Denn darum ging es doch: Die Bedeutung einer Person für die Nachwelt festzuhalten. Und da musste ich nicht viele Details kennen, um zu wissen, dass jede einzelne Vestalin bedeutsamer gewesen war als dieser ehemals Unfreie. Dass hier aber jede ehemalige Vestalin ihre eigene Inscriptio hatte, das wagte ich irgendwie zu bezweifeln. (Soviel Platz war hier doch sicher kaum.) Und das hieß unweigerlich: Dieser Freigelassene und seine Gedenktafel nahmen irgendeiner Vestalin den Platz für ihre Gedenktafel weg. Und das fand ich so gar nicht gut.


    Aber dabei blieb es ja nicht. Denn als nächstes verglich die Vestalin mal eben so edle Frauen wie mich, wie eine Iunia Axilla, wie eine Decima Seiana, wie eine Decima Lucilla, wie sich selbst.. mit irgendwelchen unbedeutenden Sklaven. Meine Zehen verkrampften sich vor Anspannung, während ich äußerlich versuchte ein lockeres Lächeln auf meinen Lippen zu behalten. Definitiv: Ich sah mich nur sehr ungern auf eine Stufe mit irgendwelchen Sklaven gestellt. Denn ich hatte Vorurteile gegenüber anderen Ständen. Gerade irgendwelche Sklaven, Freigelassenen und Peregrinen hielt ich nur in ihrer Masse für wichtig. Einzelne Individuen dieser Ständen waren in meinen Augen hingegen absolut bedeutungslos.. es sei denn vielleicht, dass sie wichtige Vertraute irgendeines Angehörigen des Kaiserhauses waren. (Das war die berühmte Ausnahme, welche die Regel bestätigte.) Doch mit der unterschiedlichen Stellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft hatte das ja nur wenig zu tun, oder?


    "Eine Freundschaft?", wiederholte ich dann unweigerlich die überraschenden Worte der Vestalin. Denn wie gut kannten wir uns wirklich? Sicher, ich hatte vor diesem Treffen hier ein paar Informationen über die Decima eingeholt. Und sicher, die Decima hatte vielleicht genau das gleiche gemacht und Informationen über mich eingeholt. Aber auf nur auf nur diesen paar bloßen Fakten gründete man doch nicht gleich eine Freundschaft, oder? (Ich jedenfalls nicht.) "Eine interessante Idee.", meinte ich dennoch. Denn einige Macht und einigen Einfluss hatte so eine Vestalin doch bestimmt. Deshalb wollte ich eine Freundschaft also bestimmt nicht kategorisch ausschließen. "Lass uns doch nach unseren ganzen geschäftlichen Dingen unbedingt nochmal genauer darüber sprechen." Mit anderen Worten: Erst die Geschäfte, dann ein näheres Kennenlernen und dann könnte ich die Vestalin Decima vielleicht wirklich auch als eine Freundin betrachten.


    Also zurück zum Geschäftlichen: "Die Vestalia dauern neuen Tage, nicht wahr? Das wären dann also insgesamt 900.000 Brote." Ich nickte. "Ich könnte dafür sorgen, dass täglich in der zwölften Nachtstunde" in der Stunde vor Sonnenaufgang also "100.000 Brote aus den Lagern zum Atrium Vestae gekarrt werden.", schlug ich vor.

    Ich lächelte zufrieden in mich hinein, als mein Vorschlag offenbar gut ankam. "Nach ihrem ersten Auftritt auf dem Forum Romanum" Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Prisca nicht mindestens von anderen von der reitenden (also wörtlich, auf einem Pferd reitenden) Augusta gehört hatte. "weiß ich nicht, ob diese junge Kaiserin wirklich.. durchsetzungsfähig genug wäre, uns bei unseren Plänen zu unterstützen." Denn es gab ja eigentlich nur zwei Varianten, wie es zu diesem reitenden Auftritt gekommen sein konnte: Entweder die Frau war so eigenwillig, dass sie gegen alle guten Ratschläge ihren eigenen Willen durchgesetzt hatte und auf einem Pferd über das Forum Romanum geritten war.. oder sie war so leicht zu beeinflussen, dass sie jedem alles versprach - selbst einem schlechten Berater, dass sie mit einem Pferd übers Forum Romanum ritt. Und gemessen an ihrem jungen Alter, ihrem sonstigen Auftreten auf dem Forum und der Tatsache, dass sie aus der Provinz nach Rom gekommen war; gemessen daran glaubte ich irgendwie nicht daran, dass sie hier in der Metropole Rom als neue Kaisergattin, auf die alle Augen sich richteten, nun das personifizierte Selbstbewusstsein war. Ich glaubte da leider eher an die zweite Variante.
    "Ich glaube eher, dass wir beim jungen Caesar ansetzen sollten.", erklärte ich deshalb. "Der ist, soweit ich weiß, ein freier Mann", also unverheiratet, jung und jugendlich wild, "der als Caesar sicherlich einigen Einfluss auf seinen Vater haben wird und einem unschuldigen kleinen Flirt mit einer attraktiven Dame deines oder meines Formats bestimmt nicht abgeneigt ist." Mit anderen Worten: Den könnte frau vielleicht ganz gut um den Finger wickeln.. wenn dieses Wiesel nicht schneller wäre und nach meinem Marcus auch den Caesar so elendig für die Frauenwelt vergiftete.


    Aber ob Augusta oder Caesar. Die Frage blieb, wie wir dabei vorgehen sollten. "Und die anstehenden Festlichkeiten sind eine ganz ausgezeichnete Idee!", musste ich ehrlich zugeben. "Der Pontifex Tiberius soll ja, wie ich gehört habe, so ganz traditionell nach Confarreatio Art seine Hochzeit mit der Flavia feiern." Und dafür war bekanntlich die Anwesenheit des Pontifex Maximus nötig. "Mit etwas Glück können wir da also auf die ganze Kaiserfamilie auf einmal treffen." Ich könnte mir den Caesar vornehmen, Prisca die Augusta. Oder umgekehrt. Oder wir nahmen uns beide zusammen den Caesar vor. Oder nacheinander erst den Caesar, dann die Augusta. Oder wir probierten sogar das Meisterstück und versuchten uns am Kaiser direkt, auch wenn die Erfolgschancen da vermutlich am geringsten waren. Denn der Mann hatte einen Sohn, eine junge Patrizierin zur Frau und als Kaiser jetzt auch sonst alle Macht und alles Geld, das er sich nur wünschen konnte. Den zu becircen dürfte daher schon beinahe ein Ding der Unmöglichkeit werden. Mehr als indirekten Einfluss auf den Kaiser zu nehmen, das hielt ich für irrational. Jetzt. Wie es langfristig aussah, wenn aus dem Caesar irgendwann ein neuer Augustus werden würde, war da wieder eine ganz andere Frage....
    Ich trank nochmal ein Schlückchen Wein, während ich überlegte. Aber ein besserer Anlass, einen ersten Kontakt zum Kaiserhaus herzustellen sah ich erstmal nicht. "Oder hast du noch eine Idee?" Vielleicht ja auch über ihren flavischen Verlobten, falls der irgendeine nähere Verbindung zum Kaiserhaus hatte?

    Tja, das war eben das Tückische: Die Götter mussten nicht erst aktiv in Erscheinung treten und sich in die Leben der Menschen einmischen (wovon ich überzeugt war, dass sie es auch gar nicht taten). Trotzdem glaubte der Großteil des Volkes treu und brav an den Einfluss der Götter auf jedes ihrer Leben. Da könnte sich nun also der Augustus hinstellen und groß ankündigen, dass die Götter keinen Einfluss auf unser aller Leben hatten. Er könnte sagen, dass er deshalb auch nicht Pontifex Maximus werden würde, nur um zu beweisen, dass er mit seiner Behauptung recht hatte. Würde ihm das Volk deshalb glauben? Ich war davon überzeugt: Wohl kaum. Denn viel wahrscheinlicher würde das Volk vermehrt "göttliche Zeichen" sehen, die Rom den Untergang und dem Aquilius den baldigen Tod prophezeiten.
    Und was hatte das nun mit einer reitenden Augusta zu tun? Ich glaubte, sehr viel. Denn auch die könnte sich hinstellen und jetzt behaupten, dass Reiten auch für Frauen (und gerade die, die schwanger werden wollten) völlig ungefährlich sei. Das könnte sie machen. Und vielleicht hätte sie damit recht, vielleicht hätte sie damit unrecht. Der Großteil des Volkes würde wahrscheinlich trotzdem nicht auf sie hören und seine Vorurteile komplett ablegen. Im Gegenteil: Wurde die neue Kaisergattin nicht schwanger, würde das vermutlich jede einfache Römerin als eindeutigen Beweis für den allgemeinen Volksglauben ansehen. Und wurde sie schanger.... selbst dann konnte sie nur hoffen, dass sie ihr Kind nicht verlor, dass sie und ihr Kind die Geburt überlebten, und dass das Kind völlig normal war. Denn dieser erste Auftritt würde im Volk sicherlich in Erinnerung bleiben. Und wenn man irgendwann mal eine Erklärung für eine Fehlgeburt oder auch nur einen zum Stottern neigenden Nachwuchs brauchte.... genau hier würde das einfache Volk fündig werden. Ganz egal, wie sinnvoll oder sinnlos diese Erklärung dann auch wäre.


    "Vielleicht.. hat sie ja auch schon.. genug Kinder?", stellte nach einer Weile Paula zögerlich und vorsichtig in den Raum. "Ich bitte dich, meine Gute. So jung wie die ist?", fand Tusca daraufhin natürlich sofort Gefallen daran, die neue Kaisergattin ein bisschen abzuwerten und damit demgegenüber "ihren" Konsular Purgitius und seine kleine Famillie ein bisschen aufzuwerten. "Selbst wenn sie schon drei Kinder hätte", was ich irgendwie bezweifelte, "wird in ihren jungen Jahren doch jeder damit rechnen und von ihr erwarten, dass sie nochmal schwanger wird und ein gesundes Kind zur Welt bringt.", überlegte ich laut. "Genau!" Tusca lächelte triumphierend. "Und was ist mit der Diva Augusta? War die nicht selbst erst um die 20, als sie den großen Augustus geheiratet hat? Die haben dann doch auch keine gemeinsamen Kinder mehr bekommen.", versuchte Paula zu verteidigen. Doch Tusca lächelte nur müde: "Die ist aber auch nicht mit einem Pferd übers Forum geritten." Oder anders gesagt: Die neue Kaisergattin war selbst schuld, wenn sie keine Kinder mehr bekam.... und nach diesem Auftritt würde es auch jeder wissen, dass sie selbst schuld war.

    >>> Schisser. Das war mein belustigter Gedanke, als Marcus mir so pseudo-galant den Vortritt ließ. Ob er eventuell Bammel hatte, dass mein Onkel genauso selbstbewusst und durchsetzungsstark war wie ich? Vielleicht. Aber das sollte mir egal sein. Ich ignorierte den zauseligen Bart des Türöffners (ich hasste bärtige Männer.. und, der Vollständigkeit halber, bärtige Frauen natürlich erst recht) und trat ein ins Atrium der Domus Annaea. Schick, schick sah es hier aus. Wer das wohl war, der hier mit einer so prächtigen Statue verewigt war? Ein Kaiser? (Vielleicht der Cornelius.) Ein Urahn? (Vielleicht irgendein Konsular Annaeus?) Oder vielleicht der bedeutsamste Annaeer der jüngeren Geschichte? (Das wäre dann wohl mein Lieblingsonkel selbst.)


    Sim-Off:

    Dives: Du den Kleinen, ich die beiden Sklavinnen?


    Hinter Marcus traten die beiden Sklavinnen ein, die heute für den kleinen Marc verantwortlich waren. Die Brünette der beiden trug den Jungen auf dem Arm. Die Schwarzhaarige der beiden hatte eine Umhängetasche um, in der sich von kleinerem Holzspielzeug über eine Tabula zum Malen bis hin zu einigen Spucktüchern jede Menge Kleinkindutensilien befanden (auch zweilmal Wechselsachen und Marcs Lieblingskuscheldecke, falls er später müde wurde). Die Sänftenträger und Leibwächter hingegen kamen natürlich nicht mit bis ins Atrium. Denn hier im Haus brauchte ich schließlich keine Sänfte.. und also auch keine Sänftenträger. Und wollte ich meinen Lieblingsonkel beleidigen oder fühlte ich mich unsicher in seinem Haus und in seiner Nähe? Weder noch. Deshalb hatten auch die Leibwächter natürlich nichts hier verloren.

    Es war eine kurze Diskussion gewesen: Ich wollte meinen Lieblingsonkel Kaeso besuchen, der gerade wieder in der Stadt angekommen war. Ich wollte ihm meinen Sohn, seinen Großneffen, zeigen. Und ich wollte ihm endlich auch meinen Ehemann vorstellen. Marcus hatte keinen Widerstand geleistet. (Vielleicht wusste er, dass er eh nur wieder verloren hätte. Vielleicht war er aber auch ausnahmsweise auch ohne erst eine nervige Diskussion mal einer Meinung mit mir. Denn mein Onkel war ja nicht irgendwer, sondern ein einflussreicher Senator, der als Statthalter und später Feldherr mit seinem Legionen die Söldner und Schergen des Vescularius allesamt vom Schlachtfeld bei Vicetia gepustet hatte!)


    Mir selbst war es ehrlich gesagt auch herzlich egal, warum sich Marcus richtig entschieden hatte. Die Hauptsache war, dass er sich richtig entschieden hatte. Und dass ich meinen Willen bekam. So reiste ich also in einer großen Familiensänfte mit meinen beiden halben Männern heute abend zur Domus Annaea. Zu unserem Schutz (vor allem für den dunklen Rückweg später) begleiteten uns drei Leibwächter rechts der Sänfte, drei Leibwächter links der Sänfte und zwei Leibwächter vor der Sänfte, damit wir überhaupt voran kamen. Außerdem dabei waren natürlich zwei Sklavinnen, die sich um meinen Sohn kümmern konnten, wenn er mir zu viel wurde, (in seinem Alter musste man ja jetzt anfangen aufzupassen, dass er einem nicht einfach irgendwohin wegkrabbelte) und.. ach ja.. ohne die Sänftenträger wäre die Anreise per Sänfte natürlich ebenfalls recht schwierig geworden.


    Vor dem Haus meines Onkels angekommen, ich stieg gemächlich aus der Sänfte, meldete einer der Leibwächter dem Ianitor klopfend unsere Ankunft an....

    [Blockierte Grafik: http://i1294.photobucket.com/a…e/IR/Home/Avas/SWonga.jpg] | Wonga


    Der nubische Türhüter war über den unter Umständen zu erwartenden Besuch natürlich in Kenntnis gesetzt worden. Als er also die Haustür öffnete und ihm ein junger Flavier angemeldet wurde, zählte er schnell eins und eins zusammen. "Flavius willkommen geheißen! Eintritt in Casa Iulia ihr dürft. In Büro die Herrin Sergia erwartet euch wird." Mit einladender Geste und einem ernsten Türhüter-Lächeln bat der Kahlkopf die beiden Männer also herein und ließ sie anschließend zum angekündigten Officium führen.




    IANITOR - CASA IULIA

    "..nein, noch ein bisschen weiter nach rechts.", erklärte ich, mit meinem Po an meinen Schreibtisch gelehnt. "Na los.. weiter, weiter, weiter.. nach rechts!" Callisto bemühte sich sehr und hielt das Diploma für meine hervorragenden Dienste beim Cursus Publicus Italia nun weiter rechts an die Wand. "Nicht so weit rechts, du dumme Gans! Siehst du nicht, wie unmöglich das dort aussieht?!" Nein, diese Stelle ging gar nicht. "Hier?", fragte meine Leibsklavin dann unsicher. "Das fragst du nicht wirklich, oder? Wer soll denn jemals da oben hingucken, hm? Sollen die Gäste hier eine Nckenstarre kriegen, weil alles Mögliche hier nur direkt unter der Decke hängt?!" Ich seufzte. Es konnte ja so anstrengend sein, den richtigen Platz für eine Auszeichnung zu finden. "Also: Weiter unten.", wies ich sie an. "Und nicht wieder so weit rechts.. das gibts doch nicht. Wie schwer kann denn das sein?!" Callisto verzweifelte. Und ich befand mich auf dem sicheren Weg, ebenfalls bald zu verzweifeln.


    Wie gut, dass genau da, mir ein Gast angekündigt wurde: Es war der Flavius, den ich eingeladen hatte (bei Interesse), heute mit mir über ein Vertragsgeschäft zwischen ihm und der Cura Annonae zu sprechen. "Ich lasse bitten.", wandte ich mich erst an den von der Haustür gekommenen Sklaven. "Und du lässt dieses Diploma erstmal auf dem Tisch dort liegen und holst einen leichten Wein, eine Kanne Wasser und zwei Becher. Das wirst du ja noch hinkriegen. Um das Ding", zeigte ich auf meine Auszeichnung, "wirst du dich dann später kümmern." Ja. Damit war eigentlich erstmal alles gesagt. Und während Callisto also mit von meinen Ansagen brummenem Schädel das Weite suchte, blieb ich an meinen Schreibtisch gelehnt stehen und betrachtete noch ein bisschen die Wand neben der Bürotür. Vielleicht, so überlegte ich, war das auch einfach nicht die richtige Wand für ein Diploma. Vielleicht wäre eine der drei anderen Wände viel besser geeignet....

    Die Hochzeitsvorbereitungen liefen bestens. Ich lächelte, denn das hörte ich gerne. (Nicht dass die Flavierin mir am Ende noch irgendwelche unliebsamen Aufgaben aufs Auge drückte.. Einladungen zu diktieren.. oder das Haus zu dekorieren.. oder das Menü für die Gäste zu organisieren.) Dann aber gab es doch noch eine Frage. Ich hielt für einen kurzen Augenblick die Luft an, bis ich erfuhr, worum es ging. Dann konnte ich wieder ganz frei und entspannt atmen (soweit das mit meinem Bauch-weg-Verband eben möglich war). "Ach, das war nicht weiter schwer.", behauptete ich anschließend. "Denn soweit ich weiß verlangt die Tradition ja auch nur, dass man den Stoff des Kleides selber webt. Das Schneidern kannst du dann ganz getrost wieder anderen überlassen." Dass ich auch den Stoff meines Kleides nicht selbst gewebt, sondern nur persönlich seinen Import aus meiner alten Heimat Alexandria in Auftrag gegeben hatte, verschwieg ich natürlich. Denn bei meinem Talent fürs Weben hätte am Ende auch der beste Schneider wahrscheinlich nicht mehr viel retten können. "Deshalb hatte auch ich mich damals bei meiner Freundin Pontia Paula umgehört. Sie war auf der Hochzeit meine Pronuba." Und weil eine Pronuba natürlich immer eine verheiratete Frau sein musste, wusste sie natürlich auch selbst, wie sie damals zu ihrem Hochzeitsdress gekommen war und konnte mir deshalb wertvolle Tipps geben. Logisch. "Und sie hat mir dann eine Schneiderei namens "Vestitor Romanus" empfohlen." Allerdings.. "Allerdings weiß ich nicht genau, aber ich glaube, dass der Laden zur Zeit geschlossen ist." Warum auch immer. Umbauarbeiten, Fachkräftemangel. Gründe dafür konnte es ja viele geben. Aber für solche Details interessierte ich mich eigentlich nicht. Denn entweder ein Laden war offen, dann kaufte ich auch gerne was. Oder ein Laden hatte zu, dann gab ich mein Vermögen eben woanders aus.


    Blieb die Frage, was ich der Flavierin stattdessen empfehlen sollte. "Wenn du dich rechtzeitig mit ihm in Verbindung setzt, könntest du natürlich versuchen, dass Gargonianus Arminius die Zeit für einen solchen Sonderauftrag findet." Ich ließ eine kleine Kunstpause. Denn Arminius war mein absoluter Lieblingsmodemacher. "Oder du kontaktierst Calavius Paulus, das wäre auch eine Möglichkeit." Auch wenn der sehr viel mehr Zeit bestimmt auch nicht hätte. "Ansonsten kommen mir viellecht noch Dorso et Gannascus so in den Sinn." Oder irgendwer anders. Der Modemarkt bot ja ein breites Spektrum exklusiver und guter Modemacher. "Nur falls du zu einem der von mir genannten gehst, sei bitte so lieb, und lass sie auch wissen, auf wessen Empfehlung du kommst.", schloss ich am Ende noch an. Denn obwohl ich gerade von Erstgenanntem, aber auch vom Zweiten wirklich ein großer Fan war, der aus ihren Kollektionen auch immer irgendwelche Teile kaufte, hatten die Herren Modemacher noch immer nichts für mich persönlich geschneidert. Oder zum Beispiel irgendein Kleid mal nach mir benannt. Wenn ich ihnen beweisen konnte, dass ich ihnen gutaussehende, zahlungskräftige Patrizierinnen (mit womöglich gleich einer ganzen langen Liste teurer Extrawünsche) vermitteln konnte, dann würden sie in Zukunft ja vielleicht auch mir ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Eine einfache Rechnung. "Die Kunst des Schneiderns, ganz unter uns, beherrsche ich selbst übrigens auch nicht.", versuchte ich am Ende die Flavia noch ein bisschen zu beruhigen. "Aber das ist ja auch eigentlich eher was für die armen Leute, die sich den Gang zu einem Modekünstler einfach nicht leisten können, oder?" Meine Meinung.