Zwar bildete ich mir ein, dass ich ein unglaublich großes Wissen über die gesellschaftlichen Normen und so weiter hatte, aber als jemand, der auch immer wieder bewusst seine Grenzen auszureizen versuchte, hatte ich mir gar nicht erst angewöhnt nun genauer darauf zu achten, wie lange eine Hand auf meinem Arm oder auf meinem Rücken liegen durfte, um gerade noch so nicht anzüglich zu sein. Kurzum: Ohne entsprechendes Gefühl entging mir diese Feinheit komplett. Stattdessen setzte ich mich (natürlich überaus damenhaft elegant; als Großstadtkind durch und durch wusste ich auch gar nicht, wie man sich bäuerlich setzte) auf den mir angebotenen Platz einer hölzernen Sitzecke. Die dicken Polster machten es wirklich ganz angenehm bequem.
Da begann Commodus von Neidern zu erzählen und mir fiel natürlich auf Anhieb kein Neider, doch eine Neiderin ein, die höchstwahrscheinlich da sein und ihr Lästermaul über jedes noch so kleine Detail plappern lassen würde. Ohja, diese arrogante, neuadelige, unmanierliche, freche, arrogante (hatte ich das schon?), ekelhaft falsche, unverheiratete, freundlose (man sieh nur, wen sie nötig hatte als ihre Freundinnen zu betiteln!), egozentrische, wichtigtuerische, bestimmt auch wie ihr Bruder schwätzerische, arrogante (war das Wort schon gefallen?) und ignorante blöde Tiberia-Kuh! Die würde mich garantiert beneiden, wie sie mich in den Thermen auch wahrscheinlich nur deshalb angefangen hatte zu beleidigen, weil ich schöner war als sie! (Verdammt, ich hatte das Adjektiv hässlich in der vorherigen Aufzählung vergessen!) Diese hässliche Bratze also, die würde vermutlich noch Wochen später ganz giftgrün anlaufen, wenn sie nur an mich dachte. (Im Prinzip also wie heute, vermutete ich, nur noch etwas schlimmer/grüner.)
Angestrengt lächelte ich das Kompliment meines Cousins also zusammen mit den bösen Gedanken an diese.. mir überaus ungeliebte Person weg und fing lieber gar nicht erst damit an, etwas dazu zu sagen. Stattdessen ging ich lieber gleich auf seine Nachfrage zu meinem Job beim Cursus Publicus ein: "Ich sehe keinen Grund, weshalb ich nach meiner Hochzeit nicht mehr meiner verantwortungsvollen Aufgabe nachgehen sollte. Nimm zum Beispiel Decima Seiana: Hatte die nach ihrer ersten Eheschließung ihre Position als Leiterin von Acta Diurna und Schola Atheniensis aufgegeben? Und würde ich mich durch ein Niederlegen meiner Aufgabe nicht zuletzt auch undankbar zeigen gegenüber dem Kaiser und den vorgeblichen Beweis dafür liefern, dass ein Mann mein Amt besser, weil zuverlässiger ausfüllen könnte?", konterte ich selbstsicher. Denn meine Unabhängigkeit, nicht zuletzt gerade auch die finanzielle, die wollte ich mir ganz sicher erhalten! Und wie wollte ich außerdem einmal selbst eine Ritterin aus eigenem Recht werden, wenn ich mich plötzlich als Hausfrau aus der Öffentlichkeit zurückzog? Nein, das war völlig ausgeschlossen!
Er wurde rot, als es um die Nubierin ging: "Hab ich dich also erwischt!", lächelte ich gewinnend. "Aber keine Sorge, du brauchst da jetzt nicht so tun, als hätte ich da nur etwas falsch verstanden." Der konnte mir ja viel vormachen. "Ich werde unserem Cousin Tiberius nichts davon erzählen. Nimm dir nur meine vorherigen Worte ein bisschen zu Herzen und denk mal darüber nach.", nickte ich dann etwas aufmunternd. Männer! Die einen konnten (anfangs) nicht über ihre Gefühle für andere Männer reden; die anderen taten sich schwer über ihre Gefühle für Frauen zu sprechen. Da konnte man fast, fast den Eindruck kriegen, dass die trotzdem alle irgendwie gleich tickten.
Da kam auch schon der Wein. "Machen wir am besten einen Deal!", schlug ich vor, ließ mir mein Glas in die rechte Hand geben und schlug dem neben mir sitzenden Commodus mit meiner linken einmal freundschaftlich auf seinen rechten Oberschenkel, unweit des Knies (wo meine Hand dann auch erstmal liegen blieb). "Ich behalte dein kleines Geheimnis" Ich blickte kurz mit wissendem Lächeln zu dieser nubischen Sklavin. "nicht nur gegenüber unserem Cousin Tiberius für mich" Dann schaute ich wieder zu Commodus. "wenn du mir jetzt dafür sagst, weshalb ich nun hier bin." Aus dem Handgelenk klappste ich noch zweimal zum Reden ermunternd auf seinen Oberschenkel und zog meine Hand anschließend wieder zu mir zurück, um mich ohne irgendein Trankopfer (darauf gab ich nicht viel) für den Moment ganz und gar dem Wein zu widmen. "Hmmm...." Lecker.