Zu der Beileidsbekundung Ocellas sagte ich nichts weiter. Das Thema war mir äußerst unangenehm, sodass ich es für das Beste hielt, wenn ich dazu nur das Nötigste ausführte. Während wir anschließend gemeinsam etwas verdünnten Wein tranken, ließ sich Callisto erleichtert dabei helfen meine Kleidertruhe in mein Übergangsgemach mit Gartenblick, das fand ich toll, zu bringen. Dann testete ich das erste Mal ein bisschen meine Grenzen aus und stellte innerlich vergnügt fest, dass ich wohl noch Luft nach oben hätte. Jedenfalls stand mir mein neuer Cousin sofort treu zur Seite und schien nicht einen Moment an mir zu zweifeln. Das hatte ich gern! Zwar sollte Tolumnius am Ende trotzdem ganze drei Sesterzen bekommen, aber da Ocella diese Rechnung großzügig übernahm, störte ich mich nicht weiter daran. Wahrscheinlich musste er ja auch so großzügig sein, weil er Aedil war und bald Praetor und dann Consul von Ostia werden wollte. Das schien mir nur logisch.
Bevor ich aber genau danach fragen konnte, erkundigte er sich bereits nach meinen Plänen. "Tja, also um ehrlich zu sein, habe ich mir da noch nicht so viele Gedanken gemacht.", musste ich zugeben und unterdrückte ein Schulterzucken. "In Alexandria", nahm ich die nächsten Fragen gleich mit in meine Antwort auf, "da konnte ich einen ganzen Tag auf den Märkten verbringen und die vielen Stoffe, Kleider, Schmuckstücke und alles, was die Modewelt sonst noch zu bieten hat, ansehen, probieren und kaufen. Mit meinen Freundinnen zusammen war ich oft am Hafen, wo wir dabei zugesehen haben, wie die vielen Schiffe aus der ganzen Welt be- und entladen wurden.", wobei es uns aber natürlich viel mehr um die jungen Seeleute ging, denen wir gerne beim Arbeiten zusahen. "Natürlich kenne ich auch den Tempel der Musen direkt an der Agora. Da saßen wir auch manchmal zusammen und haben...." den Denkern unserer Zeit beim Denken zugeschaut und uns prächtig über somanchen weltfernen Fachidioten amüsiert. "äh, ein bisschen gelesen. Mit Caius, also mit meinem Papa, und Laevina war ich auch regelmäßig im Theatron und freitags, da bin ich mit meinen Freundinnen fast immer in den Thermen gewesen. Und dann wurde auch immer ganz viel gefeiert bei uns oder anderen.", erzählte ich mit einem begeisterten Leuchten in den Augen, das wohl nur eine verwöhnte Rittersenkelin haben konnte. Wenn ich mich auch an die ganzen Kostüme zurückerinnerte, die ich so getragen hatte.... Kleopatra war ich gewesen, Aphrodite, Isis, Tyche und Nike, und so viele mehr. Deshalb meinte ich auch, dass ich mich in der Götterwelt trotz meines grundlegenden Desinteresses für dieses Thema ganz gut auszukannte.
Ob Alexandria wirklich so prächtig war? "Alexandria ist prächtiger, prächtiger als man es erzählen könnte. Es ist so groß und überall sind Menschen aus den verschiedensten Teilen der Welt, die die unterschiedlichsten Sprachen sprechen und sich dennoch verstehen. Der Handel blüht dort nicht, er wuchert geradezu. Also, wenn nicht gerade soein Krieg herrscht." Das dämpfte meinen Erzählfluss etwas, denn der fehlende Warenabsatz nach Rom hatte dazu geführt, dass die Händler auch weniger eingekauft hatten, sodass das Einkaufen schneller langweilte. "Insgesamt könnte man wohl sagen, dass man die Stadt nicht ansehen oder besuchen, sondern sie einfach nur erleben kann. Ich habe gehört, dass nur Rom noch größer sein soll.", meinte ich abschließend. Ich konnte nur hoffen, dass da auch ein Fünkchen Wahrheit dran war, nachdem die Ewige Stadt ja nun mein nächstes Ziel und wahrscheinlich mindestens für die nächsten Jahre mein neues Zuhause sein würde.
Thematisch also wieder in Italia, nutzte ich meine Chance: "Und über dich habe ich ja gehört, dass du hier Aedil bist. Dann willst du bestimmt auch einmal Consul von Ostia werden, oder?" Ich musste ja wissen, was meine Verwandten so trieben, damit ich mich immer an den richtigen wenden konnte, wenn ich etwas wollte. So lag auch meine nächste Frage gleich auf der Hand: "Und wohnen eigentlich noch mehr Verwandte meiner Mutter hier oder in Rom und widmen sich der Politik?" Unabhängig von der Antwort wollte ich die Leute natürlich gerne mal kennenlernen, die fortan nun also in meiner näheren Umgebung lebten und potenziell durch mich beeinflussbar sein könnten.