Und er verstand mich immer noch nicht. Denn jetzt betonte er ja auch noch das kleine Wörtchen "allgemein", nachdem ich ihm genau das ja gerad versucht hatte, klar zu machen: Wenn etwas nicht in der gesamten Gesprächsrunde geteilt wurde (so wie ich die Feindschaft zu diesem einen Soldaten nicht teilte), dann war es in der Gesprächsrunde auch nicht allgemein. (Und das dachte ich mir ja nicht aus. Das war halt eben einfach so.) Dass mich der Aemilius im selben Atemzug dann von dieser allgemeinen Aussage ausnahm, machte die Sache da nicht viel besser. Denn damit widersprach er sich ja nun selbst: Erst sagte er allgemein und dann machte er eine Ausnahme. Dabei war doch klar, wenn ich allgemein nur sagte, "ein Apfel ist rot", und plötzlich lag vor mir ein gelber oder ein grüner Apfel, dass dann mit meiner "allgemeinen" Aussage irgendwas nicht ganz richtig sein konnte.
Ich seufzte also auch selbst genervt. Denn Geduld gehörte ganz eindeutig nicht zu meinen Stärken. Im Gegenteil. Ich verstand einfach nicht, wie man mich nicht verstehen konnte. Nicht nachdem ich jetzt immer und immer wieder versuchte hatte, ihm meinen Standpunkt zu erklären ..
Das Thema Iulius Proximus ging aber noch weiter. "Hihi .. entschuldige .. hihihi.", konnte ich mir mitten in Iulius Worten ein Kichern einfach nicht unterdrücken. Denn: "Entschuldige, aber deine Definition eines anerkannten Augustus ist einfach .." Wie sollte ich sagen? Ich riss mich zusammen und wurde wieder ernst. "Also ich mein, du willst mir doch nicht erzählen, dass du wirklich so naiv bist." Ein Blatt Papyrus und ein Haufen unbewaffneter, alter (und vielleicht auch ein paar junger) Senatoren. Das machte für ihn einen anerkannten Augustus?? Ehrlich? "Weißt du, ich bestreite ja gar nicht, dass er ein Augustus war, nachdem der Senat ihn dazu gemacht hat. Das bestreite ich ja gar nicht. Aber ein Sprichwort sagt, "Unter Waffen schweigen die Gesetze." Ich bin mir sicher, das hast du schon mal gehört.", unterstellte ich ihm. "Deswegen. Der Senat macht vielleicht über den Augustus. Und ein Testament entscheidet vielleicht darüber, ob er legitim ist oder so. Aber ob er auch anerkannt ist oder nicht .. bitte .. darüber entscheidet doch nicht ein unbewaffneter Senat oder ein einzelnes Blatt Papyrus." Denn wenn zig Legionen auf Rom marschierten, weil sie den Kaiser dort nicht anerkannten und einen anderen wollten. Dann war es irrwitzig, zu behaupten, er wäre doch allgemein anerkannt. Von der Behauptung allein kehrte ja keiner der Soldaten wieder um und brach den Marsch auf Rom ab. Da verschwand ja niemand. Die Legionen marschieren trotzdem weiter und erkannten den Kaiser in Rom eben nicht an.
"Und du sagst, dass du als Tribun bei den Stadtkohorten warst und deswegen auch wusstest, dass die Soldaten da völlig treu und loyal zu dem Vescularier standen, richtig? Du wusstest also, dass sie eher dem Vescularier gefolgt wären als ihrem eigenen Kommandeur, korrekt?" Da wusste ich jetzt nicht so ganz, was ich davon halten sollte. Aber .. ich war ja trotzdem mal dazu bereit, mich auf den Gedanken einzulassen. "Was bei allen guten Geistern hat dann deinen Verwandten dazu bewogen, sein Tribunat nicht nach der Regelzeit wirklich einfach niederzulegen? Was hat ihn dazu bewogen, sich trotzdem sogar das Kommando antragen zu lassen über diese Truppen, wenn er doch gewusst hat" dabei unterstellte ich natürlich, dass die beiden auch mal miteinander geredet hatten "dass er auf diesem Kommandoposten nichts tun kann, außer die Herrschaft des Vesculariers aktiv zu stützen?!" Die Fragen ließ ich kurz so stehen. "Ich mein, entweder war er unglaublich blind oder er war unglaublich dumm oder beides .. Dann verdient er genau das, was er bekommen hat." Variante eins. "Oder er war einfach nur das, was ihm wahrscheinlich jeder nach dem Bürgerkrieg vorgeworfen hat: Ein treuer Anhänger vom Vescularier, der erst dann von dem abgefallen ist, als Rom belagert war und er vielleicht auch Schiss um sein eigenes Leben gekriegt hat." Variante zwei. "Aber auch dann, ganz ehrlich, hat er einfach nur gekriegt, was er verdient hat." Ich zuckte kühl mit den Schultern.
Blieb nur noch eins: "Und was du zum Schluss gesagt hast. Ich war ja nicht hier in Rom, deshalb weiß ich es nicht aus erster Hand. Aber ich habe gehört, dass diese plündernden, mordenden Banden und Mobs nicht irgendwelche Soldaten waren." Von wegen, da hätten irgendwelche Offiziere die mal besser an die Leine nehmen sollen. "Ich habe gehört, dass das vor allem .. wie soll ich sagen .. "Wutbürger" waren. Und tut mir Leid, aber wer das Kommando über die Stadtkohorten hat, der hat auch die Aufgabe, sich um die Sicherheit und Ordnung der Stadt zu kümmern. Und diese Aufgabe fängt nicht erst an, wenn "plötzlich" und ganz "unerwartet" zig unfreundlich gesonnene Legionen vor den Stadtmauern stehen. Diese Aufgabe fängt an, schon wenn man das Kommando übernimmt." Da behielt ich meinen rigorosen Standpunkt. "Und wenn man also weiß, dass im Norden von Italia irgendwo gekämpft wird und die Gefahr besteht, dass "die anderen" gewinnen und dann direkt auf Rom marschieren. Dann muss man sich mit dem Problem eben auseinandersetzen und Lösungen finden, und nicht einfach nur warten, bis das Problem auf einmal ganz "überraschend" direkt vor den Toren steht." Meine Meinung. "Ich sag nicht, dass er nicht vielleicht auch genau das getan hat. Nach Lösungen gesucht. Aber das Ergebnis kennen wir, glaube ich, alle. Das Chaos war da, die Plünderung .. Was auch immer er sich vielleicht überlegt hat, hat nicht funktioniert. Vorausschauendes Handeln als Kommandeur der Stadtkohorten, der für Recht und Ordnung und Sicherheit hier sorgen sollte? Fehlanzeige." Dass der Iulius dabei jetzt wieder mit seinem Sturm und einer gewaltsamen Eroberung um die Ecke kam, ignorierte ich gekonnt. Denn dazu hatte ich ja eben schon gesagt: Nicht dass er die Stadttore geöffnet hatte, war fatal falsch, sondern wann er die Befreier rein gelassen hatte. Nämlich zu spät. Viel. Zu. Spät.