Beiträge von Angus

    Ich bin endlich wieder zurück aus Cymru, nachdem am Samstag mein Rückflug annulliert worden war und ich bis heute in Großbritannien bleiben musste.
    Morgen, spätestens aber Übermorgen kommt wieder Text.

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    Na da ham wir´s ja!, lag auf Cungahs Zunge, jedoch verkniff sie sich, den Satz laut auszusprechen, denn die Kleine hatte genau gewusst, worauf sie mit ihrer Frage hinaus wollte. „Tja, in dem Fall hilft ein Aufguss mit Ingwer, den du am Morgen trinken kannst. Zumindest am Anfang. Später hinaus solltest du die Finger vom Ingwer lassen, es sei denn, du willst das Kind nicht.“, riet sie der Germanin.



    Natürlich hatte ich einige Wortfetzen von dem Gespräch der beiden aufgreifen können, hatte aber nicht wirklich den Sinn dahinter sehen können. Nun, da Iduna mir ihr Geständnis offenbarte, begriff ich endlich. Jedoch traf mich diese Neuigkeit sehr unvorbereitet. Selbstredend war mir bewusst, wie eine Frau schwanger wurde und auch, dass ich einen nicht ganz unerheblichen Teil dazu beigetragen hatte. Was mich aber grämte, war der Gedanke, dass sie jeder andere Kerl in diesem Haus auch geschwängert haben könnte! Vielleicht war es dann gar nicht mein Kind, um das ich mir Sorgen machen musste.


    Ich ließ ganz abrupt ihre Hand los, als ob ich mich vor einer gefährlichen Krankheit in Acht nehmen musste. In meinem Kopf arbeitete es. Meine Hände ballten sich schließlich zu Fäusten. Ich musste nun unbedingt etwas von mir geben. Ein überraschtes Lächeln vielleicht? Nein, danach war mir ganz und gar nicht zumute. Sollte ich sie mit Vorwürfen überschütten? Nein, dazu hatte ich kein Recht! Was also, sollte ich sagen? Wie sollte ich mich verhalten? Und was noch wichtiger war, welche Konsequenzen brachte ihr Umstand mit sich?

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    Mit jeder von Idunas Antwort, schienen sich Cungahs Vermutungen mehr und mehr zu bestätigen. Sie hatte sich nicht den Magen verdorben, sonst hätte es sicher noch mehr Fälle dieser Art gegeben. Außerdem war ihr übel. Zwar ein häufiger Begleitumstand, wenn man unter Bauchschmerzen litt, wenn man jedoch wusste, was der Germanin vor mehreren Wochen widerfahren war (die Gerüchteküche der flavischen Sklaven brodelte diesbezüglich regelrecht) und dass nun eben jener Kelte auch noch ihr „Gefährte“ war, konnte man ganz leicht eins und eins zusammenzählen!
    „Sach ma, Schätzchen wann hatteste denn deine letzte Blutung?“, fragte die Nubierin ganz unverblümt, noch bevor Angus in Sichtweite gekommen war. Schließlich war das das Natürlichste auf der Welt!
    Als der Kelten sich dann schließlich vor den beiden Frauen aufgebaut hatte, musterte ihn die Alte mit einem argwöhnischen Blick. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet er nun Verantwortung übernehmen wollte!



    Natürlich war sie wieder zusammengezuckt. Sie war einfach zu sensibel, zu zart besaitet, zu grazil für mein überschäumendes Gemüt. Ich musste lernen, noch vorsichtiger mit ihr umzugehen. Doch meine Sorge um sie hatten alle Vorsichtsmaßnahmen über Bord gekippt.
    „Dir geht es nicht gut, Kleines? Aber wieso, was ist passiert? Hat dir jemand etwas zuleide getan? Sag mir, wer es war und ich nehme ihn mir vor und schlag ihn zu Brei!“
    Die Farbe in meinem Gesicht hatte einen gefährlich roten Teint angenommen. Sie war mein und wer sich an ihr vergriff, würde sich nie wieder an etwas vergreifen!
    Wie süß! Sie wollte nicht, dass ich mir Sorgen machte. Wer, wenn nicht ich sollte sich Sorgen um sie machen?! „Liebes, dein Wohlergehen steht für mich an erster Stelle. Bitte versprich mir, dass du mir nichts verschweigst! Wie soll ich denn sonst auf dich aufpassen?“
    Sie ergriff vorsichtig meine Hand und ich führte ihre mit meiner Hand zu meinem Mund und küsste die Ihre, als Zeichen meiner Zuneigung, die ich für sie empfand.

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    Innerhalb der Sklavenschaft war es kein Geheimnis gewesen, dass die Germanin bei ihrem Dominus und insbesondere bei dessen Gemahlin in Ungnade gefallen war. Cungah war zwar nicht Zeugin der entwürdigenden Bestrafung Idunas geworden, doch sie hatte genug erfahren, um zu wissen, was man der jungen Frau angetan hatte. Inwieweit sie diese harte Strafe verdient hatte, bildete sich die Nubierin dazu keine Meinung. Eine Vergewaltigung war mit Sicherheit das Schlimmste, was einer Frau passieren konnte.


    Sobald Iduna auch nur den Mund aufgemacht hatte und ihr von ihren Beschwerden berichtete, begann es in Kopf der alten Nubierin zu rattern. Seit Tagen Bauchschmerzen… sie weiß nicht, woher… Ein erster Verdacht manifestierte sich in ihrem Kopf.
    „Haste was Schlechtes gegessen?“, war ihre erste Frage. Aber dabei blieb es nicht. „Is dir auch übel, Kindchen?“ Mama Cungah musterte das junge Ding von Kopf bis Fuß. Sie war sehr blass im Gesicht und sie hielt ihren Bauch. Frische Luft war sicher hilfreich in diesem Fall. Doch die Nubierin hatte bereits eine Vermutung, die sie vorerst noch für sich behielt.


    Die Germanin beschwor sie, über die Sache Stillschweigen zu bewahren. Meistens gelang das ja der Nubierin. Gelegentlich aber passierte es schon mal, dass sie sich verplapperte. Aber dem Kelten würde sie sicher nichts von Idunas Leiden berichten. Sie mochte Angus nicht besonders. Der Kerl hatte schon früher nichts anbrennen lassen. Dass Iduna sich nun ausgerechnet mit ihm einließ, konnte sie gar nicht nachvollziehen. „Schätzchen, von mir erfährt keiner was und schon gar nich dieser überhebliche Gockel!“


    Eigentlich war ich auf dem Weg zu Iduna gewesen, um nach ihr zu sehen. Mir war am Tag zuvor aufgefallen, wie blass sie gewesen war. Als ich die Nubierin und Iduna im Gang vor mir erblickte, verbarg ich mich kurzerhand in einer Nische, um zu hören, was die beiden miteinander zu bereden hatten. Als mein Name gefallen war, hielt mich nichts mehr. Auch wenn ich meine Kleine nun erschreckte, nahm ich das in Kauf. Schließlich war ich doch für sie verantwortlich!
    „Wovon soll ich nichts erfahren?!“ , hörte ich mich plötzlich mit Nachdruck fragen. Dabei bedachte ich die alte Nubierin mit einem scharfen Blick. Hatte sie mich eben einen überheblichen Gockel genannt!?

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    Die alte nubische Sklavin, die alle nur Mama Cungah riefen, war zufällig vorbeigeschuscht und hatte dabei einen Blick in jenen Raum geworfen, in dem die rothaarige Cheruskerin zu nächtigen pflegte. Dabei war ihrem aufmerksamen Auge natürlich nicht entgangen, dass die junge Frau sich sichtlich nicht wohlfühlte. Sofort blieb sie stehen, trat näher und berührte Iduna sachte an ihrer Schulter.
    "Is dir nich gut, Mädchen?", fragte sie mit ihrer tiefen aber gutmütigen Stimme. "Brauchste was? Kann ich dir helfen?" Die korpulente Alte war schon seit ewigen Zeiten im Besitz der Gens Flavia und hatte unzähligen flavischen Kindern auf die Welt geholfen, ganz zu schweigen vom Nachwuchs der Sklaven. Der Nubierin konnte man also nichts vormachen. Sie roch es förmlich, wenn eine Frau in gewissen Umständen war.

    Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Ich war nun erschöpft und müde – aber glücklich. Vielleicht weil ich am Ziel angekommen war, endlich die Sterne erreicht hatte, oder weil einfach mein Gewissen erleichtert worden war. Ganz egal, was es war, es fühlte sich für den Moment gut an.
    Nach einer Weile wandte sich schließlich mein ganzer Körper ihr zu. Dann zog ich sie zu mir, strich über ihr rotes Haar und küsste sie auf ihre Stirn. „Ich habe zu danken!“ raunte ich ihr lächelnd zu.


    „Frierst du?“ fragte ich sie kurz darauf besorgt. Ich zog sie noch dichter an mich heran, damit meine eigene Körperwärme sie erreichte „Was meinst du, sollen wir hier den Rest der Nacht verbringen und nun noch etwas schlafen?“ Eigentlich wollte ich jetzt nur noch schlafen. Meine Augen fielen mir langsam zu. Was sprach dagegen, wenn wir hier eng aneinandergeschmiegt lagen und noch etwas Ruhe fanden? Der kommende Tag war wieder lang und anstrengend. Es lagen noch einige Stunden vor uns. Bevor die ersten Sklaven erwachten und im Wirtschaftsteil der Villa das geschäftige Treiben wieder losging, mussten wir und natürlich aus dem Schuppen davongestohlen haben. Niemand außer uns selbst sollte Kenntnis über unsere gemeinsame Nacht erlangen. Dies war unser Geheimnis, das wir uns bewahren wollten.

    Es gab noch Vieles, was der Thraker und ich unternehmen konnten. Rom war groß und in den letzten Jahren hatte ich eine Menge davon kennengelernt. Ich kannte mich inzwischen ganz gut aus, auch wenn ich noch immer die Großstadt als solche verabscheute.
    Nach dem heutigen Tag konnte ich sicher sein, in Lyciscus einen wahren Freund gefunden zu haben. Wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, Morrigan zu einem weiteren Treffen mit mir zu überreden, dann war ich ihm wirklich was schuldig! Andererseits traten schon wieder diese unterschwelligen Zweifel zu Tage. Was wenn Morrigan und ich wieder zusammenfänden? Würde das nicht alles noch schwieriger machen, als es jetzt schon war? Wäre es nicht besser, Morrigan endgültig zu vergessen und in die Zukunft zu schauen? Eine Zukunft mit der kleinen Germanin…


    Wir betraten die Villa über den Hintereingang. Für einige Stunden hatte ich die Möglichkeit, mich frei zu fühlen. Nun da ich wieder zurück war, lag alles wieder wie ein schweres Joch auf mir.
    „Ja, ich werde sicher auch gut schlafen können!“, entgegnete ich und folgte Lyciscus ins Innere. Allerdings bezweifelte ich, dass es mir gelingen sollte, sofort einzuschlafen. Doch letztendlich trennte sich dann unsere Wege. Nachdem ich mich von ihm verabschiedet hatte, machte ich mich auf zur Sklavenunterkunft und versuchte schließlich doch, etwas Schlaf zu finden.

    „Ja, das will ich!“, entgegnete ich ihr flüsternd ins Ohr. Gleichzeitig stieg mein Verlangen ins unermessliche. Jedoch wollte ich sie mir nicht einfach nehmen, sonst jagte ich ihr wieder Angst ein, weil ich dann wieder zu dem Monster wurde, dass sie auf brutalste Weise entehrt hatte.
    Iduna half mir glücklicherweise, sie von dem störenden Stoff zu befreien. Sie wollte sich mir nun endlich hingeben und schenkte mir ihr Vertrauen. Da lag sie da, vor mir, völlig entblößt, fast jungfräulich. Dieser Anblick gab mir den letzten Schub. Sie war so schön. Ihre fast weiß - schimmernde Haut erinnerte mich an wohlschmeckende frische Milch. Ich nahm mir vor, nicht zu vorschnell handeln und keines Falls über sie herzufallen. Nun hatte ich die Chance, ihr zu zeigen, wie ich wirklich war.


    Zunächst befreite auch ich mich von meiner Tunika, so dass uns beide nichts mehr trennen sollte. Dann endlich begann ich sie behutsam zu kosten, übersäte ihren Körper mit küssen. Sie schmeckte so gut und fachte dadurch meinen Appetit noch zusätzlich an. Schließlich vereinigten wir uns. Auch diesmal wollte ich nichts überstürzten, auch wenn es mir schwerfiel. Ich beobachtete sie dabei, als ich mit ihr zusammen die höchsten Zinnen zu erklimmen versuchte. Keinen Schmerz sollte sie empfinden, sondern nur pures Verlangen.


    Erschöpft trennten sich unsere ineinander verschlungenen Leiber wieder voneinander. Ein dünner Film aus Schweiß bedeckte meinen Körper. Ich versuchte wieder Atem zu schöpfen und sah zu ihr hinüber. Mein Kopf dreht sich zu ihr, doch ich schwieg, um den Augenblick vollkommen auskosten zu können. In diesem Moment war ich tatsächlich glücklich. Mir war, als sei endlich eine schwere Last von mir gefallen.

    Jetzt zu gehen, war sicher eine vernünftige Entscheidung, denn sobald sich die Dunkelheit über die Subura zu legte, traten aus deren Schutz so manche bedrohlichen Gestalten, die nur Übles im Sinn hatten. Solchen Leuten musste man nicht wirklich begegnen! Ich leerte also mein Becher und zahlte die Zeche. Dann machten wir uns auf den Nachhauseweg.


    „Keine Ursache!“ entgegnete ich Lyciscus, der sich ein weiteres Mal bedankte. „Glaub mir, ich hatte schon lange nicht mehr einen solchen Spaß, mein Freund!“ Der Thraker war durch und durch ein guter Freund, das hatte ich heute feststellen können. Und nicht nur das, er war auch ein guter Zuhörer. Ihm hatte ich mich ein Stück weit öffnen können und bei ihm hatte ich auch das Gefühl, dass ich mit all meinen Problemen zu ihm kommen konnte. Ich hoffte sehr, er würde etwas bei Morrigan ausrichten können, denn trotz allem, was geschehen war, hatte sie immer noch eine Bedeutung für mich. Bis er von ihr hoffentlich mit einer Nachricht zurückkam, würde ich wie auf glühenden Kohlen sitzen. Er hatte mir wieder Hoffnung gegeben, obgleich es meine Situation kein bisschen leichter machte, wenn Morrigan mir eine positive Nachricht zukommen lassen würde.


    „Auf jeden Fall sollten wir das tun! “ , pflichtete ich Lyciscus bei. Wahrscheinlich würde wieder einige Zeit ins Land gehen, bis wir beide wieder gemeinsam einen freien Tag finden konnten, doch sicher war dies nicht unser letzter gemeinsamer Tag. „Die nächste Gelegenheit, die sich bietet, sollten wir beim Schopf ergreifen!“ , meinte ich grinsend.


    Vor uns in der Straße tauchte nun langsam das flavische Anwesen auf. In wenigen Minuten hatten wir den Hintereingang erreicht. Plötzlich blieb ich stehen und hielt Lyciscus am Arm zurück. „Ich bin die wirklich zu Dank verpflichtete, dass du dich bereit erklärt hast, mit Morrigan zu sprechen. Darin erkenne ich, dass du ein wahrer Freund bist!“ Meine Worte waren aufrichtig. Ich sollte den Göttern danken, dass sie den Thraker zu mir geschickt hatten. Dann gingen wir weiter, dem Eingang entgegen…

    Schuld hin oder her, sie wollte ihren Teil für sich beanspruchen. Vielleicht um es mir ein wenig leichter zu machen. Damit ich mir nicht die volle Last aufbürdete. Aber auch das änderte nichts an meiner Verantwortung, die ich glaubte, ihr gegenüber zu haben. Womöglich war es ein Wink des Schicksals gewesen, der uns auf diese Weise zusammengebracht hatte. Irgendein Gott, vielleicht einer der römischen, erlaubte sich einen Spaß mit uns.


    Ich vertrieb Morrigan nun endgültig aus meinen Gedanken. Sie war zu einem Schatten geworden. So wie all die anderen, die einst für mich eine große Bedeutung hatten. Sicher, sie würde immer ein Teil meines Lebens bleiben. Jedoch glaubte ich, stark genug zu sein, um mich von ihrem Andenken nicht lenken zu lassen. Als sie meinte, es könne mir zu viel werden, vertrieb sie endgültig meine ernste Miene. „Du wirst mir nicht zu viel! Ich möchte, dass du bleibst… für immer… vorausgesetzt du hältst es so lange mit mir aus.“ Ein Schmunzeln trat wieder zu Tage.


    Ich zog sie nun ganz eng an mich heran. Sie genoss es sichtlich, was für mich nur eine Bestätigung war, weiterzumachen. Oder waren da doch noch Zweifel oder gar Ängste? Ich würde ganz behutsam mit ihr umgehen, sie zu nichts zwingen oder drängen, was sie selbst nicht wollte. „Shhh!“, entgegnete ich ihr leise, als sie meinen Namen flüsterte. Dann hob ich sie vorsichtig auf meine Arme und bettete sie auf die Stofffetzen, die auf dem Boden lagen und die nun unser Lager werden sollten.
    „Hab keine Angst, Kleines! Ich werde dir nicht wehtun!“, flüsterte ich ihr zu, als die nun so dalag, wie ein Geschenk, das darauf wartete, ausgepackt zu werden. Ich hielt mich nicht lange auf und begann an ihrer Tunika zu nesteln. Dabei stellte ich mich etwas ungeschickt an. Besser war es, wenn sie mir dabei half.

    Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich mehr als einmal die Möglichkeit gehabt, um davonzulaufen. Damals, als Scato mich nach Ravenna gesandt hatte zu seinem Verwandten Flavius Aetius zum Beispiel. Oder damals, als die Dreckskerle, die meine Frau umgebracht hatten, Scato und mich in einen Hinterhalt gelockt hatten. Damals hätte ich den Römer einfach krepieren lassen können. Dann wäre ich frei gewesen. Doch in beiden Fällen hatte er mir sein Vertrauen geschenkt, weshalb ich nicht einen Moment eine Flucht in Betracht gezogen hatte. Damals hatte ich eine Verantwortung, ein Pflichtgefühl, das mich davon abgehalten hatte.
    Und wie hatte er es mir gedankt? Für ihn war es eine Verständlichkeit gewesen, dass ich funktioniert hatte. Im letzten Fall hatte ich sogar zu allem Überfluss auch noch Schläge erhalten. Als ob Aislins Tod nicht schon Strafe genug gewesen wäre!
    Lyciscus hatte da einen wesentlich persönlicheren Grund, um hier zu verweilen. Ich hoffte für ihn, er würde es niemals in seinem Leben bereuen müssen, sich so entschieden zu haben.


    „Ja, etwas Besseres hätte uns nicht passieren können,“ stimmte ich ihm zu, obwohl ich nicht seiner Meinung war. Etwas Besseres als Sklaverei gab es allemal! Zum Glück dauerte es nicht lange, bis der nächste Becher Wein an den Tisch gebracht wurde. „Für meinen Freund auch noch einen!“, sagte ich der Bedienung, bevor sie wieder davoneilen wollte. Natürlich warte ich, bis auch der Thraker wieder einen vollen Becher vor sich stehen hatte, bevor ich ihm ein weiteres Mal zuprostete! Ich nahm einen weiteren großen Schluck, um damit alle üblen Gedanken zu vertreiben. Doch irgendwie schmeckte diesmal der Wein nicht besonders gut. Verdammter Panscher, dieser Wirt! „Bevor du auf Wasser umsteigst, sollten wir vielleicht doch besser gehen!“, meinte ich grinsend.

    Hätte ich nicht gewusst, wie wenig der Thraker getrunken hatte, hätte ich ihn glatt für betrunken gehalten! Die Geschichte, die er mir auftischte, über seinen ersten Tag im Besitzt der Aurelia verschlug mir fast den Atem. Das war schier unglaublich! Wahrscheinlich hätte ich sofort das Weite gesucht! Allerdings war ich auch nicht der Sklave einer jungen attraktiven Frau, sondern eines arroganten gepuderten Wichts. „Junge, Junge, du musst ja ganz verschossen in die Aurelia sein!“, rief ich belustigt und prostete dem Thraker noch einmal zu. „Hätte Scato mir diese Möglichkeit eröffnet, wäre ich längst über alle Berge!“
    Wahrscheinlich wäre dann alles anders gekommen. Doch so wie ich den Flavier einschätzte, hätte er mich unnachgiebig jagen lassen. Sicherlich hätte ich danach an einem Kreuz mein Leben ausgehaucht.


    Für meinen Freund hier war der Himmel im Augenblick sowieso rosarot. Für ihn war seine Angebetete ebenso weit weg, wie Morrigan für mich. Wenn er damit auf Dauer gut zurechtkam, dann war er tatsächlich ein glücklicher Mann. Doch wenn eines Tages das Verlangen größer wurde und sein Dasein unerträglich wurde, dann würde sicher ein Sinneswandel bei ihm stattfinden. Vielleicht würde er sich mit Gewalt nehmen, was er Jahr für Jahr vor Augen hatte und was ihm vorenthalten wurde. Vielleicht würde er aber auch daran zerbrechen. Aber damit wollte ich ihn nicht belasten.
    „Im Grunde geht es uns doch gut! Nicht wahr? Also warum sollten wir fliehen?“
    Ich trank den letzten Schluck Wein in meinem Becher und überlegte, ob ich noch etwas trinken sollte. Der Abend war noch jung. Also bestellte ich mir noch einen Becher. „Magst du auch noch was, mein Freund?“

    Für mich war die Situation glasklar. Ich stand zu dem, was ich getan hatte und auch zu dem was ich ihr sagte. Für sie mochte das zwar nicht ganz nachvollziehbar sein aber für mich war es eine Frage der Ehre. Sicher gab es Manche, von denen ich dafür Spott ernten würde – ein Sklave und Ehre – aber das war mir egal.
    „Niemand hat eine solch widerwärtige Strafe verdient! Frage dich doch einmal selbst, ob du das verdient hattest, für dein Vergehen!“ Ich selbst hätte mir niemals vorstellen können, dass sie zu etwas fähig war, was ein eine solche Strafe rechtfertigte. Im Grunde hatte sie doch nur den Unmut der Claudia auf sich gezogen, weil sie Scatos Sklavin war und das tat, was er von ihr verlangte! Diese verdammten Römer! Wir waren doch nur Spielzeug ihr für sie, mit denen sie sich verweilen konnten, wie es ihnen beliebte.


    Wie rührend sie sich um mein Gefühlsleben sorgte! Zugegebenermaßen deutete meine ernste Miene nicht daraufhin, dass ich mich leicht und beschwingt fühlte. Denn so fühlte ich mich auch nicht! Vieles schwirrte mir im Kopf umher. Ganz besonders ein Gesicht sah ich immer wieder vor meinen inneren Augen. Das Wiedersehen mit Morrigan hatte bei mir viel ausgelöst. Doch sie war im Augenblick so unglaublich weit entfernt für mich, obschon es bis zur Villa Claudia nicht weit war. Für einen Moment dachte ich, ich solle dies auch mit Iduna teilen. Wäre es ihr gegenüber nicht aufrichtig gewesen? Schließlich versprach sie mir, mich niemals anzulügen. Andererseits wusste sie nichts über die Perserin und mich und sicher war es auch gut, wenn dies so blieb. Morrigan hatte sich endgültig aus meinem Leben verabschiedet. Sie war unerreichbar für mich geworden.
    „Ach Kleines, es sich die Schatten der Vergangenheit, die mich hin und wieder heimsuchen wollen. Mehr nicht,“ antwortete ich ihr schließlich, um es damit auch bewenden zu lassen.


    Sie kam mit ihren Lippen immer näher zu mir, so dass ich die letzte Distanz, die uns noch trennte, überwand und sie küsste. Sie flüsterte leise meinen Namen. Diesmal beließ ich es nicht, indem ich Zurückhaltung übte. Diesmal wurde ich fordernder. Ich wollte sie jetzt – endlich! Dies war ihre letzte Chance, sich mir zu entziehen.

    Ich nickte Lyciscus bedächtig zu und lächelte ihm dann mit zusammengepressten Lippen zu. „Ja, das hoffe ich auch!“ Es war eine Fügung des Schicksals, die uns zusammengebracht hatte. Einen guten Freund fand man nicht an jeder Straßenecke. Davon konnte ich ein Lied singen. Daher war es mir auch wichtig gewesen, ihn vor dem claudischen Hausdrachen zu warnen. Denn die Claudia und ihr Natterngezücht, ihre Sklavin Nija, machten garantiert vor niemandem Halt. „Da tust du gut daran, mein Freund! Auf dass sie dich niemals behelligen wird!“, rief ich und hob erneut meinen Becher.
    Der billige Fusel war doch nicht so schlecht, wie ich gedacht hatte. Ob der Thraker auch eine Schwäche fürs Würfelspiel hatte, fragte ich mich, als ich ihn so beobachtete. Bevor ich ihn jedoch fragen konnte, sprach er ein sehr heikles Thema an. „Flucht?“, fragte ich leise und sah mich unauffällig um. In solchen Tavernen bekamen manchmal ungebetene Gäste riesige Ohren. „Zu Anfang, als ich hier war, dachte ich, ich könnte bald wieder zurück. Aber mittlerweile glaube ich nicht mehr daran. Außerdem weshalb sollte ich fliehen. Es gibt doch niemanden mehr… Aber du mein Freund, denkst du an Flucht?“ Ich hätte es ihm nicht verdenken können, wenn er hätte fliehen wollen.

    Einige rote Strähnen waren in ihr Gesicht gerutscht. Automatisch wollte ich sie ihr wegstreichen, doch sie kam mir zuvor. „Es ist kein Zwang für mich, sondern eine Selbstverständlichkeit! Ich habe einen Fehler begangen, also stehe ich auch dafür gerade. So einfach ist das! Und wenn Scato denkt, er müsse mir noch zusätzliche Bedingungen diktieren, dann akzeptiere ich das,“ stellte ich mit ruhigen Worten klar. Doch was mich innerlich beherrschte, war ihre Sicht der Dinge und die Frage, ob sie mir darauf eine ehrliche Antwort geben konnte. Doch zunächst versuchte sie mir auszuweichen und lenkte unser Gespräch meine angebliche Traurigkeit. Was dachte sie denn? Sollte ich gutgelaunt und himmelhochjauchzend durch die Villa rennen? Seit dem Tag, an dem Aislin in meinen Armen gestorben war, hatte es kaum mehr einen schönen Tag in meinem Leben gegeben. Dann die Sache mit Morrigan, die mir den Rest gegeben hatte und als Krönung des Ganzen das Wiedersehen mit ihr, vor einigen Tagen. All das hinterließ seine Spuren. „Es ist nichts, Kleines! Es gibt kaum noch Schönes in meinem Leben. Das ist alles!“


    Wieder schmiegte sie sich an meine Brust und streichelte mich mit ihren zarten Fingern. Ob sie sich bewusst war, dass sie mir damit früher oder später den Verstand rauben würde? Und was sie nun sagte, trug nicht im Mindesten dazu bei, mein Verlangen weiter unter Kontrolle zu halten. „Du wolltest mich treffen? Und du sehnst dich nach mir? Ist das wirklich wahr?“ Sie schmiegte sich noch näher an mich heran und auch ihre Lippen waren nicht mehr fern. Was machte sie nur mit mir? Ich musste erkennen, dass in dem kleinen, scheinbar schwachen Körper eine starke und widerstandsfähige Frau steckte, die offenbar zu wissen schien, was sie wollte. Wer hätte das gedacht? Hatte ich die kleine Germanin die ganze Zeit falsch eingeschätzt? Oder hatte sie mir nur etwas vorgespielt? „Das wollte ich auch nie, mo nighean ruadh,“ antwortete ich ihr. Dann beugte ich mich über sie und küsste ihre Lippen. Doch damit wollte ich mich nicht länger zufrieden geben.

    Schon wieder hatte sie sich vor mir erschrocken! „Ich sagte doch, dass es von mir ausging, nicht von Scato! Wenn er daran eine Bedingung knüpft, dann werde ich dazu stehen, ganz gleich wie schlimm es für mich wird. Diese letzte bisschen Ehre möchte ich mir noch erhalten!“ Ehre… ja, einst war ich ein Mann von Ehre gewesen. Selbst dann noch, als ich bereits zum Sklaven geworden war. Aber jetzt? Konnte man immer noch von Ehre sprechen? Und was war mit ihr? War es für sie eine Pflichterfüllung? Wie musste es für sie sein? Mit dem Mann zusammengeschweißt zu werden, der sie vergewaltigt hatte? „Siehst du es als solche an? Bevor du antwortest, bitte ich dich, sei ehrlich zu mir und auch zu dir selbst!“ Ich würde ihr sicher nichts antun, selbst dann, wenn mir nicht gefiel, was sie sagte. Das sollte sie inzwischen wissen.
    Sie sah mich an, raunte mir ins Ohr, ihr sei nicht kalt, weil ich sie doch wärmte. Sie sah so hübsch aus. Ihr zierlicher Körper. Am liebsten hätte ich sie zum Glühen gebracht. Doch ich wusste, dass es nicht an mir lag, dies zu entscheiden. Aber sie schmiegte sich doch an mich! Sie sandte mir doch unablässig Signale, so empfand ich es jedenfalls. „Du wachst mit pochendem Herzschlag auf? Hast du Alpträume oder ist es etwas anderes?“, fragte ich vorsichtig. Sie litt doch hoffentlich nicht noch an den Alpträumen ihrer Bestrafung! „Du musst dich nicht bedanken, Kleines! Das musst du nicht!“, antwortete ich ihr und hielt sie weiterhin fest in meinen Armen.

    Ja, so gefiel mir Lyciscus! Am heutigen Abend war ich nicht dazu verdammt, alleine trinken zu müssen. In der letzten Zeit war es doch ziemlich einsam gewesen, in einer gerammelt vollen Taberna alleine zu sitzen zu müssen. Ich bestellte gleich eine Kanne Wein und zwei Becher.


    Der Thraker kam indessen auf die Claudia zu sprechen. Offenbar war er auch ihr noch nicht über den Weg gelaufen, was durchaus seine Vorteile haben konnte.
    Das Mädchen, das bediente, brachte den Wein, die Becher und schenkte uns gleich in. Bevor ich auf Lyciscus Frage antwortete, nahm ich meinen Becher erhob ihn und prostete dem Thraker zu. „ Auf unsere Freundschaft und diesen Tag, der uns hoffentlich noch lange in Erinnerung bleiben wird!“ Natürlich meinte ich das nur im positiven Sinne. Dann nahm ich einen Schluck. „Vor der solltest du dich in Acht nehmen, mein Freund! Sie ist seit kurzem mit Scato verheiratet. Wenn du mich fragst, ist sie eigentlich nicht mal besonders hübsch, trotz ihres roten Haares.“ Seltsam, normalerweise sprachen mich rothaarige Frauen sofort an, nur sie hatte dergleichen gar nichts bei mir bewirkt. Vielleicht weil sie Römerin war und dominante Frauen mir zuwider waren. „Doch ich sage dir, sie ist ein echter Drache mit Haaren auf den Zähnen! Versuche nur nicht, sie zu reizen. Dann erlebt du dein blaues Wunder!“ Ich persönlich war immer sehr froh, wenn ich sie nur von hinten sah. Und jeder, der mit ihr bereits zusammengetroffen war, konnte gut und gerne auf ein zweites Mal verzichten… siehe Iduna!

    „Wieso sollte ich mich verpflichtet fühlen?“ entgegnete ich prompt. Aber sie hatte schon irgendwie recht, denn hätte ich mich auch so um sie bemüht, wenn sie nicht den Unmut der Claudia auf sich gezogen hätte? Na gut, sie war rothaarig und Rothaarige hatten schon immer eine besondere Faszination auf mich ausgeübt. Die einzige Ausnahme war da Morrigan gewesen. Doch hätte ich zwischen den beiden Frauen entscheiden müssen, dann wäre es wohl Morrigan gewesen, die den Vorzug erhalten hätte. Doch Morrigan war zwar relativ nah, doch für mich unendlich weit weg.


    Ich drückte sie noch etwas dichter an mich und küsste sie auf die Stirn. „Ist dir noch kalt, mein Herz?“, fragte ich sie. Notfalls konnte ich noch einen der Stofffetzen wie eine Decke über uns ziehen.


    Dann begann sie zu erzählen. Anscheinend hatte es in ihrer Heimat noch niemand gegeben, der sie begehrt hatte. Fünfzehn war sie gewesen, als man sie verschleppt hatte - dann musste sie nun siebzehn oder achtzehn sein, knapp zehn Jahre jünger, als ich.
    Wie ein böser Traum würden sie die Bilder des Überfalls und der Verschleppung wohl noch bis zu ihrem ende verfolgen. Ich konnte die Trauer spüren, die sich ihrer bemächtigte. Doch was hätte ich sagen können, was sie tröstete? Ich wusste doch selber, wie schwer es war und dass es keine Worte gab, die den Schmerz lindern konnten. Vorsichtig drehte ich sie zu mir, so dass ich in die Augen schauen konnte. „Du hast nun mich, Kleines! Ich werde für dich da sein und werde tun, was immer du von mir verlangst“, flüsterte ich ihr zu und begann sie zu streicheln. Ob ausgerechnet ich ein passender Ersatz war, für dass, was man ihr geraubt hatte, wagte ich aber zu bezweifeln. Wäre ich denn ihre erste Wahl gewesen, hätte uns das Schicksal nicht auf diese bittere Weise zusammengeführt?