Beiträge von Angus

    Ich hatte damit gerechnet, dass sie sich mit einer solchen lapidaren Erklärung nicht zufrieden geben würde. Doch die ganze Wahrheit durfte die sie nie erfahren! Das war besser für sie und für mich. Nichts zu wissen hatte auch eine gewisse Schutzfunktion, falls mir etwas zustoßen sollte.
    "Mein Herz, er schickte mich einen Tag, bevor wir hierher kommen sollten, los.", versuchte ich ihr geduldig zu erklären. Doch damit war meine Geduld auch schon erschöpft. Aber auch Iduna wurde zunehmend gereizter und begann mir wieder Vorwürfe zu machen. "Glaube mir mein Herz, es tut mir unendlich leid, dass ich nicht bei dir sein konnte! Das musst du mir wirklich glauben!" Damit unser Gespräch nicht weiter eskalierte, strich ich ihr sanft über ihr schönes rotes Haar.


    Das funktionierte solange, bis der Iulier zur Sprache kam und sich förmlich in unsere Mitte drängte. Sicher hatte auch meine Eifersucht seinen Teil dazu beigetragen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, sie nicht zu fragen, ob sie sich ihm freiwillig hingeben würde,sondern es als eine Tatsache ansehen, dass sie dies niemals tun würde. "Nichts anderes wollte ich hören, mein Herz!", antwortete ich ihr, um die Situation zu retten. "Aber du musst wissen, ich kann einfach nicht vergessen, wie er seine Hand auf deinen Bauch legt, An dem Abend, an dem sie um uns gespielt hatten. Ich habe einfach das Gefühl, dass er dich und Aislin mir wegnehmen will."


    Iduna hatte sich erhoben und legte unsere kleine Tochter in ihre Wiege, damit sie dort friedlich weiterschlafen konnte. Sie sprach weiter, als sie mir den Rücken zuwandte. Auch ich erhob mich und umschlang sie mit meinen Armen von Hinten und küsste ihr sanft hinter ihr Ohr. "Wenn es dir soviel bedeutet, dann freue ich mich natürlich für dich! Ich fürchte, ich muss mich erst noch an den Iulier gewöhnen. " Wieder küsste ich sie und ich bemerkte, dass die Schwangerschaft ihr einige ausgeprägtere Rundungen hinterlassen hatte. Das gefiel mir. Ich sehnte mich nach ihr und ihrem Körper. Solange hatte ich verzichten müssen. Nun begehrte ich sie!

    Der Kerl faselte etwas von Verwechslung und Irrtum. Das hätte ich an seiner Stelle wahrscheinlich auch gesagt! Doch für mich war die Sache hier glasklar! die Mistkröte hatte sich an Domina Graecinas Sklavin vergangen. Hätte er sich mal lieber rechtzeitig aus dem Staub gemacht, statt hier sitzen zu bleiben.
    "Ach ja?! Dann ist das hier auch eine Verwechslung!" Mit diesen Worten verpasste ich ihm eins mit meiner Faust. Direkt auf die Nase. Dabei war das noch ein relativ milder Schlag gewesen. Der Dreckskerl konnte sich noch auf was gefasst machen. Wenn ich erst mal mit ihm fertig war, würde er sich wünschen, niemals aus dem Hintern seiner Mutter gekrochen zu sein!


    Gerade wollte ich zum zweiten Schlag ausholen, da hörte ich Eireanns Rufe. Tiberios?! Kannte sie etwa dieses Mistschwein? Das konnte ja jetzt nicht wahr sein! Sie wollte, dass ich ihn loslassen sollte. "Wieso?! Siehst du denn nicht, was das Dreckschwein mit ihr gemacht hat?"

    Das Schankmädchen begann herumzudrucksen, versuchte von meiner Frage nach Sulamith abzulenken und ich merkte sofort, dass hier etwas gewaltig nicht stimmte. Wieder versuchte sie sich mir anzubieten oder mich mit Alkohol zu locken. Doch ich lehnte dankend ab. Doch mit meiner Freundlichkeit war es bald vorbei, wenn sie mich noch länger hinhalten wollte. Zum Glück kam in diesem Moment die Iulierin auf mich zu. Sie raunte mir etwas ins Ohr und zeigte dann in eine Richtung. „Da vorne ist sie?“, wisperte ich ihr zu. Ich ließ das Schankmädchen stehen und nickte der Domina zu. Dann schritt ich in eiligen Schritten auf die besagte Ecke zu. Dort fand ich ein schmächtiges Kerlchen vor, der seinen Arm um ein Mädchen gelegt hatte. Die Kleine war nur notdürftig mit einem Stofffetzen bedeckt, ansonsten war sie völlig nackt. Die Kleine zitterte, wimmerte und weinte. Bei diesem Anblick stieg die Wut in mir hoch. Ich packte die halbe Portion an seiner Tunika und zog ihn hoch. „Du kleine dreckige Ratte! Lass gefälligst deine schmutzigen Finger von ihr! Sonst schlag ich dich zu Brei, du kleiner schleimiger Lustmolch!“ Mit dem Dreikäsehoch würde ich allemal fertig werden. An dem Kerl ja war kaum etwas dran. Für ihn war jetzt erst mal Schluss mit lustig!

    Die kühle Nachtluft tat noch ihr Übriges, um wieder hellwach zu werden. Ich achtete darauf, dass die beiden Frauen stets dicht beieinander neben mir herliefen, wobei die kleine Keltin die Richtung vorgab. Als wir endgültig die Subura betraten, hielt ich meine Hand griffbereit um meinen Dolch, damit im Falle eines Falles keine Zeit verloren ging. Glücklicherweise war ich nicht dazu gezwungen worden, einen Angreifer abzuwehren und ihm ein zweites Grinsen ins Gesicht zu schneiden. Da hätte die beiden Frauen sicher noch mehr verängstigt, denn bereits jetzt war die Spannung, die von ihnen ausging, ganz deutlich zu spüren. Zumindest glaubte ich das. Was in den beiden tatsächlich vorging, konnte ich nur erahnen.


    Endlich erreichten wir die Taberna, die bereits von außen wenig vertrauenswürdig wirkte. Eigentlich war das kein Platz für die kleine Iulierin. Am liebsten hätte ich es gesehen, wenn Eireann mit ihr draußen geblieben wäre, aber bevor ich etwas sagen konnte, war sie schon mit einem Bein in der Taberna.
    Da ich Sulamith nur vom Namen her kannte, sie aber noch nie zuvor bewusst gesehen hatte, war es schwierig, sie in der Taberna auszumachen. Am besten ich wandte mich an eines der Schankmädchen. Da kam auch schon eine vollbusige schwarzhaarige Schönheit auf mich zu und wollte wissen, ob sie mir was Gutes tun könne. „Später vielleicht Schätzchen, im Augenblick suche ich eine Sklavin, die hier arbeiten soll. Eine Hebräerin mit Namen Sulamith. Weiß du, wo ich sie finde?“

    „Äh, ja gut!“, meinte ich und wandte mich schon zum Gehen um. Keine Ahnung, warum die beiden Frauen mich so ansahen. Das musste wahrscheinlich irgend so ein Frauen-Ding sein, das kein normaler Mann je verstehen würde.
    Eireann gab noch einige Instruktionen zum Besten, die ich zustimmend abnickte.
    Bevor Eireann und ich jedoch das Zimmer der Iulierin verlassen konnten, stellte sie sich unsin den Weg. Nanu, was war denn jetzt? Meine Stirn kräuselte sich etwas, als sie von einer Belohnung anfing. Eine Belohnung? Das klang immer gut! Vielleicht eine kleine Amphore mit ordentlichem Wein oder ein paar Münzen. Sowas konnte Mann immer gut gebrauchen. Frau allerdings nicht, weswegen ich Eireann einen bösen Blick zuwarf.
    „Danke, Domina! du bist sehr gütig!“, meinte ich brav. Dann ging es endlich los.

    Wie sehr hatte ich mich nach ihren Berührungen gesehnt! Auch wenn sie mir über die Schulter strich, die noch immer von den Peitschenhieben brannte, war ich froh dafür. Ich ergriff ihre Hand, die mich eben noch so sanft über die Schulter gestreichelt hatte und küsste sie.
    Sie vertraute mir an, welchen Namen sie dem Kind gegeben hatte. Obwohl ich dies bereits schon von dem Iulier erfahren hatte, erfüllte es mich noch einmal mit einer unbändigen Freude. Diesmal umschloss ich mit beiden Händen ihre Hand und liebkoste sie. „Du ahnst nicht, welche Freude du mir damit gemacht hast, mein Herz!“ Dann sah ich wieder zu unserem kleinen Sonnenschein und wiederholte liebevoll ihren Namen. „Aislin! Mein kleiner Liebling!“ Das kleine Mädchen hatte im Sturm mein Herz erobert und ich war glücklich, dass dieser Name wieder eine Bedeutung in meinem Leben hatte.


    Nachdem ich mich neben Iduna Platz genommen hatte, genoss ich die Ruhe, die uns drei umgab. Davon hatte ich die letzten Tage in meinem Gefängnis geträumt: Vereint mit Iduna zu sein. Doch es war noch besser gekommen! Die Götter hatten uns dieses kleine süße Wesen geschenkt. „Traum“, sagte ich plötzlich, scheinbar ohne Zusammenhang. „Ihr Name bedeutet Traum“, erklärte ich Iduna. Dann verfiel ich wieder in Schweigen und erfreute mich an der Stille, die nur durch die leisen Geräusche des Babys unterbrochen wurde. Doch irgendwann wurde das Kind unruhig und mit ihr auch seine Mutter. Aus Iduna sprudelten plötzlich die Fragen und mache klangen wie Vorwürfe gegen mich. Doch am härtesten traf es mich, als sie den Iulier erwähnte. Ich musste schlucken, weil ich davon völlig überrannt worden war. Ich dachte mir ja, dass sie Antworten einfordern würde, doch musste das ausgerechnet jetzt sein?! Und überhaupt, warum musste sie ihn erwähnen? Somit schlich er sich jetzt auch noch in unsere gemeinsame Zeit, die eh sehr kurz bemessen war.
    „Ich hatte noch einen Auftrag für den Germanicer erledigen müssen und dann…“ Ich stockte, denn ich wollte sie nicht unnötig beunruhigen. „Ich bin aufgehalten worden und konnte erst ein paar Tage später von dort weg.“ Mehr musste sie im Augenblick nicht wissen. Damit musste sie sich zufrieden geben. Der Gedanke allerdings, dass der Iulier sozusagen ‚meinen Platz‘ eingenommen hatte, ließ meine Miene versteinern. „Ach ja?“ fragte ich nur und versuchte meine Wut nicht an die Oberfläche kommen zu lassen. Wie großzügig von ihm, dachte ich abschätzig. Ich konnte mir schon genau vorstellen, warum er ihr dieses ‚Geschenk‘ gemacht hatte! Er hatte sie damit einlullen wollen, damit er ihr Vertrauen gewann. Damit er sie sich gefügig machen konnte. Iduna tat gut daran, mich mit ihren Liebkosungen abzulenken, denn nur so konnte ich meine aufkeimende Wut wieder beiseiteschieben. Dies gelang mir zumindest bis zu dem Moment, als sie mir mitteilte, dass Iulius Caesoninus bereits Fakten geschaffen hatte, indem er sie zu seiner Cubicularia gemacht hatte. Ich brauchte nicht lange darüber nachzugrübeln, was das zu bedeuten hatte!
    „Wirst du dich ihm hingeben, wenn er es dir befiehlt?“, fragte ich gereizt. Ich hatte wirklich große Mühe, ruhig zu bleiben!

    Ich war vor ihr auf die Knie gesunken und betrachtete andächtig das kleine süße Mädchen an ihrer Bust. „Meine Tochter!“, echote ich und schniefte. Ich hätte sie so gerne auf meinen Arm genommen, doch die Kleine schlief so friedvoll, so dass ich sie nicht wecken wollte.
    Dann blickte ich zu Iduna auf und sah ihre feuchten Augen. Sie hatte sich so viele Sorgen machen müssen. Gerade jetzt brauchte sie meine Unterstützung. Aber ich konnte ihr jetzt nicht erzählen, wo ich die letzten Tage gesteckt hatte. Das würde ich mir für später aufheben müssen. Doch nun wollte ich einfach nur bei ihr und Aislin sein. „Jetzt bin ich bei dir, mein Herz. Bei dir und unserer Tochter!“
    Als sie mir den Platz neben sich auf dem Bett anbot, nahm ich ihn sofort an undlegte sanft meine Arme um sie. Dabei passte ich peinlichst genau darauf auf, dass dem Kind nichts passierte. „Du brauchst dich nicht mehr zu sorgen, mein Herz, ich bin bei euch und ich werde auch immer bei euch bleiben,“ wisperte ich ihr zu, als ich ihre Stirn küsste und mein Gesicht in ihrem offenen Haar vergrub und wirkte ganz gedankenverloren. So viele Dinge beschäftigten mich gerade und schwirrten in meinem Kopf herum. Dabei war der Iulier sicher meine kleinste Sorge. Vielmehr machte ich mir Sorgen und meine drei Aufgaben, die Babilus mir gestellt hatte, damit ich ein Mitglied in ihrer Bande wurde. Was, wenn mir etwas passierte? Wenn ich verwundet oder getötet wurde oder die Urbaner mich erwischten? Das war der verdammt ungünstigste Zeitpunkt, um in eine Räuberbande einzusteigen!

    Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete ich die Domina, als sie am mich herangetreten kam, um mich zu begutachten. Sie wirkte dabei etwas ungehalten, wahrscheinlich weil sie auf uns warten musste. Besonders freundlich wirkte sie auch nicht auf mich. Ich hatte mich ja schon fast damit abgefunden, wie Luft behandelt zu werden. Ansonsten machte sie einen leicht überheblichen Eindruck auch mich, was einfach an der Familie liegen musste, der sie angehörte. I


    Ich kam mir schon ein wenig wie auf dem Sklavenmarkt oder beim Fleischbeschauer vor. Dass sie dabei unweigerlich auch die Ausdünstungen meines Alkoholkonsums roch, konnte ich leider nicht vermeiden. Doch ich war mir ganz sicher, wozu ich im Stande war und wozu nicht. Zwar war ich hier in der Domus zunächst als einfacher Sklave eingebunden worden, dem man keine größeren, beziehungsweise wichtigeren Aufgaben übertrug, aber in der Vergangenheit hatte ich sehr wohl als Custos gedient und schon einige brenzligen Situationen gemeistert. Also warum sollte ich nicht auch das hinbekommen, eine kleine Sklavin aus einem miesen Schuppen zu retten?
    „Ich denke schon, Domina!“, antwortete ich gelassen, als ob es kein großes Ding war, ihre Sklavin zu befreien. Falls es dann doch gefährlich würde, hatte ich zur Sicherheit immer noch meinen Dolch unter der Tunika versteckt.
    „Ich nehme an, Eireann wird mich begleiten, da sie ja den Weg zu dieser Taberna kennt.“ meinte ich dann und sah zu der kleinen Keltin hinüber, die ziemlich unentspannt wirkte.

    Sie hatte mich nicht gehört. Natürlich hätte ich jetzt einfach auf sie losstürzen können, um sie und das Kind in meine Arme zu schließen, doch irgendetwas in mir fand, das es falsch sei. Dieses Bild, das sich mir bot, wie sie dort lag und sich um ihr Kind kümmerte, war so zart und zerbrechlich, wie Iduna selbst. Sie hatte schon so viel mitmachen müssen und obwohl ich dabei auch nicht ganz unschuldig gewesen war, hatte sie die Größe gezeigt, mir zu vergeben. Ich hatte ihr daraufhin versprochen, auf sie aufzupassen, sie zu beschützen und vor allem Unheil zu bewahren. Deshalb wollte ich behutsam sein. Ich wollte sie nicht erschrecken oder sie wütend oder gar traurig machen, denn aus Erfahrung wusste ich, dass sich ihre Gefühle auf das Kind übertrugen. Unserer Kleinen sollte es niemals schlecht gehen. Alles würde ich dafür tun, damit sie ein gutes Leben hatte. Selbst vor dem Iulier buckeln, wenn es unbedingt sein musste.


    Ich hätte sie sicher noch ewig beobachten können, doch der Drang, ihr endlich nahe zu sein, überwog. Als ich endlich die Tür weiter öffnen wollte, um einzutreten, vernahm ich plötzlich ihre Stimme. Sie sprach zu Aislin und es rührte mich zu Tränen, was ich da hörte. Hatte sie doch genau das ausgesprochen, was ich nahezu im gleichen Moment gedacht hatte. Ja, ich würde sie dabei unterstützen. Dies war nun unsere neue Aufgabe: Nur das Beste für unser Kind!


    Leise hörte ich das kleine Geschöpf an Idunas Brust schmatzen. Nein ich konnte mich nicht länger zurückhalten! Ich musste nun zu ihr! Doch dann rief sie meinen Namen! So voller Sehnsucht, wie ein Hilferuf aus der Einsamkeit ihres Herzens. Dann begann sie so herzerweichend zu schluchzen, dass es auch mir das Herz zerreißen wollte. Ich stieß die Tür auf und eilte zu ihr!
    „Ich bin hier, mein Herz! Hier bei dir und…“ Mein Blick fiel auf das kleine Bündel, das in eine Decke gehüllt war und nun auch zu wimmern begann. Es verschlug mir die Sprache. Dieses kleine Wesen hatte es geschafft, dass ein gestandener Mann hemmungslos weinte.

    Brav trottete ich hinter Eireann in das Cubiculum ein und blieb hinter ihr stehen. Sofort musterten meine Augen die neue Umgebung. Doch mein erster Blick fiel auf die junge blonde Frau, die ich bis dato noch nicht gesehen hatte. Das musste sie Domina sein, vermutete ich. Sie sah eigentlich ganz hübsch aus, aber das hatte ja nichts zu sagen! Scatos Angetraute, die Claudierin, war auch hübsch gewesen – aber ein Biest ohne Gleichen!


    Doch die Iulierin war nicht die einzige, die sich in diesem Cubiculum aufhielt. Mein zweiter Blick fiel auf Locusta, die alte Krähe! Was machte sie hier und wieso lag sie nicht längst schon in ihrem Bett und schlief? Ich merkte schon, dieser Abend, oder sollte ich besser schon Nacht sagen, war mit unzähligen Fragen gespickt. Die Köchin saß oder kauerte am Bett der Domina, auf dem ein kleiner Körper gebettet war. Das musste dieses Sklavenmädchen sein, das Eireann und ihre Freundin gerettet hatte.
    „Guten Abend, Domina!“, sagte ich brav und nickte ihr zu.

    Eireanns Begründung, weshalb diese Sklavin in Schwierigkeiten geraten war, klang in meinen Ohren einfach nur weltfremd und vollkommen naiv. Eigenlich war es lachhaft, was Eireann da erzählte. Am liebsten hätte ich laut losgeprustet und mir deftig auf die Schenkel geklopft. Aber ich hatte das Funkeln in den Augen der kleinen Keltin gesehen und wie es schien, war auch sie in irgendeiner Weise an der Sache beteiligt gewesen! „Wir?“ fragte ich irritiert. „Wolltest du etwa auch dieses Mädchen retten?“ Ich konnte es wirklich nicht glauben! Was ging in diesen jungen Dingern vor? Sie trieben sich mitten in der Nacht ganz ohne Schutz in den gefährlichsten Ecken dieser Stadt herum und wunderten sich dann auch noch, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten!

    „Na ja, mit etwas Glück werden du und ich ja auch gerettet. Vielleicht auch meine Frau und mein Kind!“, meinte ich spöttisch, während ich Eireann hinterher trottete. Fragte sich nur, wer uns retten sollte und vor allem wovon. Von der Sklaverei? Es hatte schon immer Sklaven gegeben – überall. Ich selbst hatte zwei Unfreie in meinem früheren Leben besessen, die mich bei meiner Arbeit mit den Tieren und auf dem Feld unterstützt hatten. Sie hatten bei uns und mit uns in unserem Haus gelebt. Das war völlig normal gewesen. Das Schicksal hatte es leider so gewollt, dass auch ich in die Sklaverei geraten war.


    Ich war Eireann hinauf in das Obergeschoss gefolgt bis wir schließlich an einer Tür angekommen waren, hinter der sich vermutlich das Cubiculum jener Dame befand, deren Sklavin zu retten war.

    Während ich nun so da saß, meinen Becher leerte, ihn wieder füllte und mir abwechselnd das Brot und den Braten in den Mund schob und kaute, erläuterte mir die Kleine, worum es eigentlich ging und welcher Part mir in dieser Geschichte zugedacht worden war.


    Natürlich kannte ich genauso wenig diese Sulamith wie auch ihre Domina, doch was Eireann mir da erzählte, war schon ganz schön heftig! Ich schüttelte nur noch meinen Kopf, als sie mich in die Einzelheiten einweihte „Wie blöd muss man sein?“ entfuhr es mir empört. Da ich mich ja gelegentlich selbst in solchen Spelunken aufhielt, wusste ich genau, wie es dort zugehen konnte. Na ja, im Grunde ging es mich ja nichts an, aber ich verstand einfach nicht die Zusammenhänge. Was hatte diese Sklavin mitten in der Nacht am Tiber zu suchen und warum brachte sie sich so dermaßen in Gefahr wegen irgendeiner unbedeutenden kleinen Kröte. Eines war ganz sicher, diese Sulamith konnte sich warm anziehen, wenn sie wieder zurück bei ihrer Domina war!


    Endlich schob ich das letzte Stück Braten in den Mund, als mich Eireann auch noch mit einigen Informationen über Domina Graecina versorgte. Offenbar war sie mit meinem neuen Dominus verwand, was mir in ein unbehagliches Gefühl verursachte. „Auch das noch!“ Irgendwie blieb mir auch wirklich nichts erspart! Caesoninus war nicht das, was man als allerbesten Freund bezeichnen konnte. Ich verachtete ihn und leiden konnte ich ihn auch nicht. Dennoch musste ich mich irgendwie mit ihm arrangieren. Am liebsten aber sah ich ihn von hinten.


    „Na schön! Dann lass uns gehen!“, meinte ich zu Eireann und erhob mich von meinem Stuhl.

    Nach dem ersten Aufeinandertreffen auf meinen – unseren neuen Dominus, war ich sofort zu Iduna geeilt. Zwar war meine Tunika am Rücken etwas eingerissen und einige blutige Streifen hatten sich auf dem Stoff abgezeichnet, doch das störte mich nicht. Ich wollte nicht noch mehr Zeit verlieren! Mein Herz hüpfte vor Freude, seitdem ich wusste, dass unser Kind zur Welt gekommen war und dass das kleine Mädchen Aislin hieß. Allerdings war meine Freude auch ein wenig getrübt, da ich mich mit einem schlechten Gewissen auf den Weg zu Iduna gemacht hatte, weil ich erst nach Tagen hier aufgetaucht war. Ich hatte Iduna in einer schwierigen Zeit alleine gelassen, in der sie mich bestimmt gebraucht hätte.
    Außerdem beschäftigte mich die Tatsache sehr, dass unsere kleine Aislin als Sklavin zur Welt gekommen war und wir alle drei nun diesem Iulier gehörten.


    Wonga begleitete mich ein Stück, dann wies er mir die Richtung, in die ich gehen musste. Schließlich stand ich vor einer Tür, hinter der sich laut dem Nubier Iduna und das Baby befinden sollten. Bevor ich eintrat, blieb ich kurz stehen, um die Wortfetzen einzufangen, die ich gehört hatte.
    Zuerst klopfte ich, damit sie sich nicht erschrak, dann öffnete ich ganz langsam die Tür und streckte meinen Kopf hindurch. "Mo chride!"*, sagte ich leise, als ich sie auf dem Bett dort liegen sah. Sie hatte ihre Tunika geöffnet und gab unserer Tochter die Brust. Ganz unbewusst hatte ich in meiner Muttersprache gesprochen.



    * Mein Herz!

    Zum Glück kannte ich den Weg zur Küche, denn ich glaube, der Kleinen war es gar nicht recht gewesen, dass ich erst noch etwas einwerfen musste, bevor ich wieder halbwegs da war. So trottete ich, wie magisch angezogen zur Culina. Nach etwas Suchen fand ich ein Stück trockenes Brot und etwas kalten Braten. Genau das Richtige! Dazu einen Becher mit Wasser und fertig war mein Nachtmahl!


    „Waf if denn eifentlif lof?“ ,fragte ich mit vollen Mund. Es musste ja einen Grund haben, weshalb Eireann mich gesucht hatte und warum sie nun so drängte. „Und wer ist eigentlich diese Domina Graecina?“ Irgendwie war mir die Gute noch nicht über den Weg gelaufen. Aber ich war ja nun auch noch nicht so lange hier!

    Oh oh, diesen Ton kannte ich! Die Kleine war richtig sauer und es war ihr offenbar total wichtig, dass ich wieder auf die Beine kam. Also tat ich ihr den Gefallen und folgte ihr. Sie brachte mich zu einer Pferdetränke und ich tat, was sie sagte. Ich steckte meinen Kopf in das kalte Wasser. Ob das wirklich gegen den Alkoholgestank half? Am besten, wir ließen uns mal überraschen!
    Als mir beinahe schon die Luft ausging und ich kurz davor war, die Besinnung zu verlieren, schoß ich mit meinem Oberkörper wieder hoch und warf meinen Kopf zurück. Ich prustete und schnaufte nach Luft. Das kühle Nass hatte mich scheinbar um Stunden zurückgeworfen. Zumindest war mein Kopf wieder etwas klarer.


    „Ich hab Durst! und ich brauche was zu essen! Jetzt!“, stellte ich fest. Da ich nicht zum ersten Mal zu tief in den Weinschlauch geblickt hatte, wusste ich, wie man auf dem schnellsten Weg wieder ein wenig nüchterner wurde. Viel trinken (natürlich kein Wein, sondern Wasser!) und etwas zu essen, zum Beispiel etwas Brot. „Komm, lass uns in die Culina gehen, vielleicht finden wir dort was!“ Bestimmt war Locusta, die alte Krähe schon längst in ihrem Bett und schlief.

    Ja, freundlich war sie, meine Iduna. Und man konnte sie schnell einschüchtern. Mit Worten und Taten. Aber sie war eben auch eine Frau, die so gut wie nie aufmuckte und mit der man alles machen konnte. Deswegen war ich ja auch so besorgt. Außerdem war sie schwanger und schwangere Frauen waren sowieso eine Sache für sich!


    „Was? Was sagst du da?“ , fragte ich mit aufgerissenen Augen. Hatte ich eben richtig gehört? Hatte er soeben ‚Vater ihrer Tochter‘ gesagt? „Sie hat ein kleines Mädchen geboren?“, fragte ich mit bebender Stimme. Eine Tochter! Meine Tochter! Ich hatte eine Tochter! Doch was ich dann hörte, rührte mich fast zu Tränen. „Aislin? Sie hat sie wirklich Aislin genannt?“ Meine Stimme wollte beinahe versagen und ich musste mich wirklich zusammennehmen, um vor dem Römer nicht loszuheulen vor Freude und Rührung. Iduna hatte unserer Tochter den Namen gegeben, den ich mir gewünscht hatte, falls es ein Mädchen würde. Aislin – der Name meiner ach so tapferen Frau. Aislin, die Mutter meines Sohnes, der vor meinen Augen getötet worden war. Aislin, mein Sonnenschein aus einem anderen Leben, das inzwischen so unendlich weit weg war. Im Moment jedoch war aber alles wieder präsent, als ob es erst gestern gewesen wäre.


    Aislins Ankunft änderte natürlich alles. Obwohl ich sie noch nicht gesehen hatte, fühlte ich mich stark mit ihr verbunden. Sie brauchte nun meinen ganzen Schutz, genauso wie auch Iduna. Aislin war als Sklavin zur Welt gekommen und der Iulier konnte nun über sie verfügen. Ob ich sie jemals sehen würde? „Ist sie gesund? Und Iduna, geht es ihr gut?“
    Ich fühlte mich wie ein getretener Hund, weil ich nicht bei Iduna gewesen war, als das Kind kam und weil ich nichts tun konnte, meiner Tochter eine bessere Zukunft zu bieten, als die die ihr mit ihrer Geburt aufgebürdet worden war. Doch, ich konnte etwas tun! Mich ihm unterwerfen auch wenn es mir sehr schwer fiel und es mich einiges an Überwindung kostete.
    „Es tut mir leid, Dominus!,“ sagte ich schließlich und blickte betreten zu Boden. Sollte der Iulier seinen Willen bekommen, denn von nun an hatte er uns alle in seiner Hand. Iduna, Aislin und mich.

    Kurze Zeit später erschien ein Mädchen - nein zwei! „Hallo, ihr Süß’n! Na, auch Lus‘ auf’n Schluck?“, fragte ich die beiden Hübschen. Aber die beiden gingen gar nicht auf meine Frage ein, sondern faselten etwas von einer Domina Graecina, die mich angeblich suchen würde. Komisch, die kannte ich gar nicht. Aber ich kannte ja sowieso kaum jemand, der hier in der Domus lebte, außer den Nubier, den Maiordomus und natürlich das blonde Jüngelchen, das sich mein neuer Dominus schimpfte. „Die Graecina, is das eure Freundin? Vielleich will die ja’n Schluck?“ Die beiden Süßen - oder war es vielleicht doch nur eine – hatten es verdammt eilig. Ich hatte richtig Mühe, mich wieder aufzurappeln. Dabei war es doch so gemütlich in der Ecke gewesen! Aber gut!


    Ich wusste nicht, was die Kleine an mir herumzumeckern hatte. Passte ihr mein Haarschnitt nicht? Ich sollte unbedingt meinen Kopf unter Wasser halten, sagte sie. Ich sah mich verdutzt um, denn ich konnte gar kein Wasser sehen. Hier gab´s gar kein Wasser! Apropos Wasser! „Ich muss mal!“, rief ich und torkelte in eine Richtung los, ohne zu wissen, ob es die Richtige war. Ich fand schließlich den Weg nach draußen und erleichterte mich – wo genau hin konnte ich gar nicht sagen.


    „So, ja äh Wasser! Wo gibt´s denn hier Wasser?“, fragte ich die Hübsche, die ja meinen Kopf unbedingt ins Wasser stecken wollte.

    Die Nacht war hereingebrochen. In der Domus wurde es langsam still. Jeder hartarbeitende Sklave tat nun gut daran, ein paar Stunden Schlaf zu finden, bis dass der nächste Morgen ein paar Stunden später von neuem zu grauen begann. Ich hingegen gehörte nicht dazu. Das lag bestimmt nicht daran, dass ich nicht voll ausgelastet gewesen wäre. Es hatte andere Gründe, weshalb ich keinen Schlaf gefunden hatte. Einer davon war der Schlauch mit billigem Fusel, den ich 'gefunden' hatte. Auch wenn das Zeug anfangs doch sehr gewöhnungsbedürftig geschmeckt hatte, so hatte dieser Weinverschnitt doch recht schnell seine Wirkung gezeigt. Kein Wunder, er war ja auch nicht verdünnt und ich war keiner dieser degenerierten Römer, die verdünnten Wein soffen.


    Irgendwo auf dem Weg zur Sklavenunterkunft war ich schließlich im wahrsten Sinne des Wortes versackt. Inzwischen hatte ich schon einiges intus. Mit dem geradeaus laufen wurde es schon etwas schwieriger. Ich sah auch alles doppelt, was nicht direkt vor mir befand. Da lag es doch nahe, mich einfach an Ort und Stelle niederzulassen.
    Da saß ich nun mit meinem Freund, dem Weinschlauch. Sein Anblick hatte etwas Beruhigendes. Jedenfalls solange er noch halbwegs gefüllt war. Ich grinste ihn weinselig an. „Na, mein Freund, woll'n wer no' n Schluck nehm?“, fragte ich den Weinschlauch in meiner Hand. Ich wusste, er war heute Nacht mein bester Freund, denn er gab keine Widerworte.


    Aber was war das? Hatte da nicht jemand ober besser gesagt etwas ‚Nein‘ geknurrt? Es war zu allem Übel auch noch eine weibliche Stimme gewesen. Nein, es war nicht meine Iduna es war… es war der Weinschlauch! Ganz verdutzt sah ich das Ding in meiner Hand an „Hey! Ich hab geda..ht, du bis'n Kerl!“ Verdammt noch eins!


    Dann plötzlich rief auch noch jemand meinen Namen und fragte, wo ich war. Das konnte unmöglich mein Freund äh meine Freundin hier sein, denn sie war ja hier bei mir! „Ja, hier! Bei' er Arweit!“ rief ich ins Dunkel und war gespannt darauf, wer jetzt gleich kam.