Beiträge von Angus

    Wieder schickte der Iulier seinen Wachhund vor. Doch diesmal gab er darauf acht, dass ich nicht ausweichen konnte. Bevor der Nubier zuschlug, trafen sich unsere Blicke. Ich hegte keinen Zorn gegen ihn. Er tat ja nur, was man ihm befahl. Also nickte ich ihm zu und bot ihm meinem Rücken dar. Mit meinen Händen stützte ich mich an einem Möbelstück ab. Kurz darauf traf mich der dritte Hieb auf meine Schulter. Diesmal war es wesentlich fester und schmerzhafter. Ich zuckte zusammen, doch ich gab keinen Mucks von mir. Diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben. Die drei Hiebe, die dann noch folgten, waren in ihrer Intensität noch heftiger. Der Letzte indes ließ mir den Atem stocken und zwang mich dann tatsächlich in die Knie.


    Der Iulier trat neben mich und säuselte weiter. Ich hörte ihm gar nicht richtig zu. Stattdessen rappelte ich mich wieder auf. Ich spürte etwas Nasses auf meiner Tunika. Das musste Blut sein. Wahrscheinlich war nun auch die Tunika endgültig hinüber.
    Schließlich stand ich dem Iulier wieder gegenüber. Er faselte immer noch etwas von Perversling und Männerlupanar. Doch erst bei der Erwähnung des Namens Iduna kehrte meine volle Aufmerksamkeit zurück. Wieso sollte ich mir ein Beispiel an ihr nehmen? Was hatte sie getan? Oder besser - was hatte er mit ihr gemacht? „Iduna? Was … was ist mit Iduna? Nun sag doch schon!“ Diesmal klangen meine Worte eher bittend, nicht mehr fordernd.

    Es war nicht schwer zu erraten, dass ihm diese Art von Begrüßung nicht besonders gut gefallen hatte. Vielleicht weil meine Aussprache zu feucht gewesen war oder ich es an dem nötigen Respekt hatte mangeln lassen. Doch diesem Mann konnte ich keinen Respekt erweisen! Er hatte uns bei einem Glücksspiel gewonnen! Außerdem hatte er Iduna betatscht, noch bevor wir in seinen Besitz übergegangen waren. Dieser Mistkerl! Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was er in den letzten Tagen mit ihr angestellt hatte.


    Zugegebenermaßen hatte er mich eiskalt erwischt, als plötzlich sein Wachhund vortrat, mit der Peitsche knallte und mich unsanft an der linken Hüfte und am Arm erwischte. Meine Tunika wurde ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, aber ansonsten hatte er nicht viel Schaden angerichtet. Dem zweiten Hieb konnte ich gerade noch so ausweichen, dass er mich nur noch am Arm traf. Na, wenn das alles war, was er so drauf hatte. Ich lächelte nur müde.


    Endlich kam er mit der Sprache heraus. Mein Ton hatte ihm also nicht gefallen! Na so was! Mir gefiel es nicht, dass ich noch immer nicht wusste, was mit Iduna los war.


    [„Du willst wissen wo ich die letzten Tage war? Wie gesagt, ich hatte was zu erledigen. Für den Germanicer.“ In gewisser Weise hatte das ja sogar gestimmt. „Dummerweise bin ich dabei den falschen Leuten begegnet, die mich für einige Tage festhielten. Aber inzwischen schwimmen ihre Kadaver irgendwo im Tiber,“ log ich. Schließlich wollte ich ja meine „neuen Freunde“ nicht verraten. Vielleicht beeindruckte ihn ja auch meine Geschichte. Zumindest wusste er nun, dass ich definitiv kein braver Junge war!


    „Und du möchtest, das ich dich in angemessener Weise begrüße,“ stellte ich fest und machte dabei ein ratloses Gesicht. „Mhh, ja, was schwebt dir denn so vor? Soll ich mich vor dir in den Staub werfen und dir die Füße küssen. Oder warte... eher ein anderes Körperteil?“ fragte ich hämisch. Andererseits traute ich dem Kerl alles zu!

    Dieser blasierte Gockel! Offenbar wollte er sofort klare Verhältnisse schaffen und ließ keinen Zweifel daran, was er von mir verlangte. Ich sollte mich ihm unterwerfen und ihn als meinen neuen Dominus anerkennen. Er der er uns aus einer Laune heraus durch Zufall gewonnen hatte! Aber wie sagte man so schön: Wie gewonnen – so zerronnen! Eine Antwort auf meine Frage blieb er mir schuldig. Langsam machte ich mir ernsthafte Sorgen, denn eine Schwangerschaft oder gar eine Geburt konnte eine heikle Sache sein. Viele Frauen verloren ihre Kinder oder starben im Kindbett. Ich wusste noch immer nicht, wo Iduna war und wie es ihr ging.


    Mit versteinerte Miene sah ich ihn noch eine Weile an. Natürlich war das Recht auf seiner Seite und ja, er konnte mit mir verfahren, wie es ihm beliebte. Letztendlich würde ich mich fügen müssen. Doch er sollte genau wissen, was ich von ihm hielt und dass ich keiner der zahllosen Speichellecker war, die kuschten, wenn er befahl.
    „Salve Dominus!“, zischte ich schließlich verächtlich. Warum ich nicht früher gekommen war und wo ich überhaupt gewesen war, konnte ich ihm natürlich nicht sagen. Der Iulier brauchte das nicht zu wissen. Niemand brauchte das wissen. Nicht einmal Iduna. Letztendlich machte es keinen guten Eindruck, wenn man einfach so erzählte, man habe sich einer Räuberbande angeschlossen. Stattdessen wich ich seiner Frage aus. „Ich hatte zu tun,“ antwortete ich. Zugegeben, dies war eine sehr vage und unbefriedigende Antwort. Aber es war eine Antwort.
    „Also, wo ist meine Frau? Wo ist Iduna?“ Was hatte er mit ihr gemacht?

    Endlich vernahm ich das Klicken des Schlosses. Von außen wurde der Schlüssel umgedreht, dann schob sich die Türklinke nach unten und kurz danach öffnete sich die Tür. Im gleichen Moment drehte ich mich zur Tür hin um und blickte gespannt zu der sich öffnenden Tür. Darin erschien der Iulier, der sich mir nun endlich stellte. Hinter ihm war unschwer der riesige Nubier zu erkennen. Die beiden traten nacheinander ein.
    In meinem düsteren Blick spiegelte sich meine unverhohlene Wut. Zunächst schwieg ich und musterte zuerst den Iulier. Dieser selbstgefällige Wicht! Schon bei unserer ersten Begegnung war er mir unsympathisch gewesen. Und nun sollten Iduna und ich sein Eigentum sein? Eine krude Vorstellung! Dann ging mein Blick zu dem Nubier. Gegen ihn hegte ich keinen Groll. Er konnte einfach nicht anders. Letztendlich fiel mir auch jenes kleine Detail auf, welches sich seitlich am Gürtel des Nubiers befand. Offenbar hatte der Iulier vor, ein Exempel an mir zu statuieren. Sollte er ruhig! Es war nicht das erste Mal. Er würde eines Tages am eigenen Körper spüren, was er davon hatte. Meinen neuen Freunden würde es sicher eine Freude sein, sich um ihn zu kümmern. Für einen kurzen Moment war mir in den Sinn gekommen, meinen neuen Dolch hier an Ort und Stelle auszuprobieren. Jedoch verwarf ich den Gedanken gleich wieder. Das war einfach zu gefährlich! Nicht nur für mich, auch für Iduna und das Kind.


    „Wo ist sie?!“, fragte ich ruhig aber mit einer eisigen Stimme. „Wo ist meine Frau?“

    Schon wieder eingesperrt zu sein fuchste mich. Erst die letzten vier fünf Tage (oder waren es vielleicht doch mehr gewesen?) hatte ich in diesem Kerker gesessen. Jetzt endlich war ich hier und wurde schon wieder eingesperrt! Dabei wollte ich doch einfach nur zu ihr! Und das Kind? Ob es schon da war? Dabei hatte ich mir doch immer vorgestellt, Iduna bei der Geburt nicht allein zu lassen. Schließlich hatte ich sie auf schändlichste Weise in diese Lage gebracht! Wenn ich sie nun im Stich ließ, dann würde sie mir das vielleicht nie verzeihen. Nein, ich musste aufhören, so zu denken! Damit machte ich mich nur noch ganz verrückt. Iduna liebte mich, genauso wie ich sie liebte. Die Sache mit Morrigan war längst vergessen. Sie existierte nicht mehr für mich.


    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, seitdem mich der Nubier hier eingesperrt hatte. Warum kam denn nicht endlich dieser verdammte Iulier? Was hielt ihn so lange auf? Etwa Iduna? Mein Mädchen? Mein Körper versteifte sich wieder und meine herabhängenden Hände formten sich zu festen Fäusten, die darauf warteten, endlich loszuschlagen. Selbst den neuen Dolch, den ich erst vor ein paar Stunden erhalten hatte, schien sich bemerkbar zu machen. Wenn der Kerl meine Frau angerührt hatte, dann hatte er einen riesen Fehler begangen! Dann konnte ich für nichts garantieren. Dieser Widerling mit seiner überheblich herablassenden Art! Wenn er scharf auf meine Frau war, dann sollte er sich mir stellen. Dann konnten wir das wie Männer klären – von Mann zu Mann! Dann würde sich herausstellen, wer der Bessere von uns war! Dieses Handtuch hatte im Leben keine Chance gegen mich.


    Ich merkte, wie ich mich immer mehr hineinsteigerte und wie die Wut und die Eifersucht meinen Körper durchfluteten. Entnervt trat ich zur Tür, rüttelte daran und klopft schließlich so laut ich konnte. „Stell dich mir endlich, verdammter Iulier!“, rief ich in meinem Eifer. „Na los! Komm schon!“ Doch nichts geschah, was meinen Zorn nur noch mehr anfachte. Schließlich ging ich wieder auf und ab, wie ein eingesperrter Löwe, der auf seinen Auftritt in der Arena wartete.

    Jetzt hatte ich den nubischen Hünen ganz verwirrt. Zumindest brauchte er eine Weile, bis er mich endlich los ließ. Der Kerl hätte mir beinahe den Arm abgerissen. Außerdem dröhnte noch immer mein Kopf von seinem Schlag auf die Schläfe.
    Natürlich glaubte er mir kein Wort. Zumal er auch nicht über meine Ankunft, die bereits vor gut vier Tagen hätte stattfinden sollen, unterrichtet worden war. Da war es am sichersten, erst mal den Dominus zu fragen. Nur zu, dachte ich. Wenn ich den Kerl erst einmal zu Gesicht bekam, dann erfuhr ich auch endlich, was mit Iduna geschehen war.


    Da der Nubier auf Nummer sicher gehen wollte, schob er mich in einen Raum, der sich als eine Art Officium entpuppte, und verriegelte hinter mir die Tür. Nicht dass ich am Ende noch flüchtete! Dort sollte ich also ausharren, bis er den Iulier aus seinem Bett gezerrt hatte.
    Gereizt wie ein wildes Tier lief ich auf und ab. Dabei schielte ich auch auf den Schreibtisch, der dort stand. Vielleicht fand ich ja dort ein interessantes Schriftstück, denn zum Glück konnte ich ja lesen. Aber der Iulier war wohl ein ordentlicher Mann, der nach getaner Arbeit nichts liegen ließ.

    Es kam keine Antwort auf mein rufen. Zumindest nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. Von Iduna gab es weiterhin keine Spur. Was hatten sie nur mit ihr gemacht? Sofort sah ich wieder die Bilder vor meinem inneren Auge – der Abend in der Casa Germanica, als die beiden Römer um uns gewürfelt hatten. Der Iulier hatte es gewagt, sie anzutatschen. Seine verwunschene Hand hatte er auf ihren Bauch gelegt, als ob die Frucht, die darin heranwuchs, seine war! Meine Wut stieg ins Unermessliche. Wo war Iduna und wo hielt sich dieser selbstgefällige Römer auf? Wieder überkam mich die Eifersucht und ich stellte mir vor, dass sie bei ihm war. In seinen Räumen. Dass er sie zu Dingen zwang, die sie nicht wollte. Dass er wieder seine dreckigen Hände auf ihren Körper legte.


    Endlich hörte ich Schritte nahen. Eigentlich war es mehr ein Stampfen. Doch es war nicht der Iulier. Es war ein riesiger dunkler Fleischklops der sich da auf mich zubewegte. Er holte aus und seine massige Faust traf mich ganz unverhofft auf meiner linken Schläfe. Die Wucht des Schlages hob mich förmlich aus den Sandalen und ich wollte halb benommen zu Boden gehen, hätte mich der Kerl nicht sofort wieder gepackt. Er drehte meinen Arm auf den Rücken und ich schrie schmerzerfüllt auf. Dann brüllte er los. Der Schwachkopf hielt mich doch tatsächlich für einen Einbrecher! Nun ja, in gewisser Weise war ich das ja auch.
    „Du Idiot, ich bin kein Einbrecher!“, brüllte ich zurück und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. Natürlich schaffte ich das nicht, denn jeder Ruck verursachte mir noch mehr Schmerzen. Also musste ich es anders anstellen, um wieder frei zu kommen.
    „Ich bin Angus – der neue Sklave! Lass mich endlich los!“, erwiderte ich seine Frage und leistete dabei keinen Widerstand mehr.

    Meine frische Tunika, die ich in meinem Gefängnis bekommen hatte, war inzwischen völlig verschwitzt und der Schweiß stand mir auf der Stirn, als ich völlig außer Atem durch den Sklaveneingang die Domus betrat und direkt zu den Sklavenunterkünften rannte. Dabei schrie ich Idunas Name. Natürlich war meine lautstarke Ankunft nicht unbemerkt geblieben. Eine ältere Sklavin trat mir entgegen und meinte nur, Iduna sei nicht hier, sondern bei den Herrschaften.

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    Auf dem Weg zur Domus waren mir tausend Gedanken durch meinem Schädel gegangen. Zunächst war da die berechtigte Sorge um Iduna und unser Kind, dann die Unverständnis über das, was überhaupt vorgegangen war und natürlich meine bevorstehende Konfrontation mit diesem blonden Jüngelchen, der sich nun als mein neuer Dominus aufspielen konnte. Doch bei Letzterem beflügelten mich die Vorkommnisse des heutigen Abends. Hey, ich war jetzt (so gut wie) Mitglied in einer Räuberbande! Mal ganz zu schweigen, was die Präsenz des Dolches unter meiner Tunika auf mich und mein Selbstbewusstsein ausübte. Das verlieh mir unglaublich viel Stärke und vernebelt mir dummerweise auch gleichzeitig die Sichtweise auf ein paar ganz entscheidende Punkte. Der blonde Römerbengel, so sagte ich mir, konnte mir gar nichts! Im Gegenteil, wenn er mir blöd kam, dann hatte er die Ehre, mein erstes Opfer zu werden!


    Mit einem ordentlichen Überschuss an Adrenalin stürmte ich, wie von der Tarantel gestochen, die Treppe hinauf ins Erdgeschoß und zum Atrium hin, wieder rief ich mehrmals Iduna Namen. Doch nichts geschah. Mein Herz pochte wie wild und drohte endgültig zu zerspringen. Nicht nur wegen der Anstrengung, vor allem auch vor Wut, weil mich scheinbar keiner hörte und weil ich überhaupt hier sein musste. Diese verdammten Römer! Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass der Germanicer und dieser Iulier um uns gespielt hatten! Den verdammten Iulier hatte ich vom ersten Moment an nicht leiden können. Und nun sollte ich ihm gehören!? Pah! Das war doch alles nur ein schlechter Witz!
    Wieder rief ich „Iduna, wo bist du!“, nur noch ein wenig lauter. Dabei spielte es keine Rolle, wie spät es schon war.„Wo ist meine Frau??!!“

    Mir war es eine Ewigkeit vorgekommen, seitdem ich gefesselt und blind mein Gefängnis verlassen hatte. Wie einen Sack Mehl trugen mich ein paar Männer durch die Stadt. Aber ich hatte keine Ahnung, wohin man mich brachte. Ich hatte irgendwann entnervt aufgegeben, mir zu merken, in welche Richtung meine Träger abbogen. Dann endlich schienen sie doch noch an ihrem Ziel angekommen zu sein. Sie stellten mich auf die Füße und die elende Ratte, die mich in meiner Zelle noch vor kurzem verhöhnt hatte, befreite mich von dem Sack, den man mir zuvor über den Kopf gezogen hatte, und auch von den Fesseln. Automatisch rieb ich mir die Handgelenke, an denen zuvor die Fesseln gesessen hatten. Zu meinem Erstaunen war es schon dunkel.
    Ganz unerwartet legte er mir seine Hand auf die Schulter, mit der anderen hielt er mir einen Dolch entgegen. Erstaunt blinzelte ich erst ihn an, dann fiel mein Blick auf die Waffe, die kein gewöhnlicher Dolch war. Sie war fast schon kunstvoll gestaltet. Natürlich bemerkte ich auch das eingravierte C im Griff und fragte mich, wer wohl der ursprüngliche Besitzer des Dolches gewesen war. Doch mein Nachsinnen wurde von den fast schon feierlich gesprochenen Worten meines Gegenübers gestört. Ich hob wieder meinen Blick und sah ihn mit ernster Miene an. Ja, jetzt war ich einer von ihnen, vorausgesetzt ich erledigte noch meine drei Aufgaben. Während er sprach überreichte er mir den Dolch und ermahnt mich, auf der Hut zu sein. Doch ich hatte schon früher, in den Zeiten als ich den verdammten Flavier noch geschützt hatte unter meiner Tunika einen Dolch getragen und wusste von dem eigentlichen Waffenverbot, was mir allerdings schon immer herzlich egal gewesen war. Ich nickte und nahm die Waffe. „Vielen Dank, ich werde euch nicht enttäuschen.“


    Kurze Zeit später waren die Burschen fort. Ich ließ den Dolch unter meiner Tunika verschwinden und überlegte kurz, wie ich am schnellsten zur Casa Germanica kam. Wie von Sinnen rannte ich los. Dabei verhaspelte ich mich ein paar Mal, denn im Dunkeln sahen manche Gassen doch anders als bei Tage aus. Doch irgendwann hatte ich den richtigen Weg eingeschlagen.
    An der Casa angekommen, stürmte ich den Sklaveneingang und rannte in die Unterkünfte. Doch dort sah man mich nur verständnislos an und meinte, was ich hier denn noch wolle, ich gehöre doch schon seit einigen Tagen dem iulischen Haushalt an. Oh Mann! Mir wurde beinahe ganz schwindlig. Ich brauchte erst einen Moment, um diese neue Situation vollkommen zu begreifen. Kaum war man ein paar Tage weg, schon hatte sich die ganze Welt um einen verändert!


    So schnell wie ich in die Casa hineingelaufen war, war ich auch wieder draußen und rannte wie besessen durch halb Rom, hinauf zum Esquilin. Glücklicherweise kannte ich den Weg, denn ich war ihn auf meinen Botengängen schon häufig gegangen. Doch dieses Mal rannte ich, als ob ein Haufen Dämonen hinter mir her wären. Ich rannte direkt zum Sklaveneingang.

    Das Gelächter meines Gegenübers ließ mich kalt, auch wenn ich ihm gerne ein wenig die Visage poliert hätte. Aber wie ging noch der schöne Spruch: Was du heut nicht kannst besorgen, das verschiebe dann auf morgen. Auch sein Geplapper ging mir mit beacxhtlichem Abstand an meinem Allerwertesten vorbei. Ich lächelte nur süffisant und ließ ihn reden. Hauptsache der Mistkerl ließ mich endlich hier heraus. Für den Germanicer würde ich mir noch eine passende Geschichte überlegen, die erklärte, warum ich so lange weg gewesen war. Darüber machte ich mir aber jetzt noch keine Sorgen.


    „Natürlich!“, entgegnete ich ihm. Es war mir auch klar, dass er mich nicht einfach hier herausspazieren lassen konnte. So ließ ich mich widerstandslos fesseln und mir das Säckchen über den Kopf ziehen, das ich vor einigen Tagen bereits übergezogen bekommen hatte. Wenn ich doch nur bald zurück zu meiner Iduna kam!

    „In dem des Germanicus Cerretanus,“ zischte ich verächtlich. Mein Körper versteifte sich mit einem Mal und ich presste meine Hände zu Fäusten, als ich den Namen aussprach. Der Germanicer hatte es doch tatsächlich gewagt, Iduna und mich als Einsatz für ein Würfelspiel zu nehmen. Das war noch gar nicht so lange her, erst vor ein paar Tagen, oder war es doch schon länger her? Verdammt, wie lange hatte ich denn nun wirklich in diesem Loch gesessen? Im Grunde war es ja auch egal! Schlimm genug, dass dieser Schwachkopf Cerretanus bei diesem Würfelspiel verloren hatte! Ausgerechnet an diesen blonden Wichtigtuer, der an jenem Abend zu Gast gewesen war. Der Kerl hatte es doch glatt gewagt und Iduna betatscht! Als ob ihr Bauch ihm gehöre! Ich hatte mich sehr zusammen nehmen müssen, damit ich ihm nicht an die Gurgel gegangen war. Zum Glück war dieser Abend auch vorbei gegangen und ich hatte Iduna noch darin beschwichtigt, dass es doch nur ein Spiel gewesen war. Dass die beiden Römer nicht wirklich um uns gespielt hatten. Nein, das hatten sie doch nicht, oder? Zumindest wurde darüber kein Wort mehr verloren, bevor ich das letzte Mal die Casa Germanica verlassen hatte.


    Nun, wahrscheinlich sagte ihm der Name meines Dominus gar nichts. Vielleicht hätte ich eher den des Flaviers nennen sollen. Schließlich hatte es Scato ja ziemlich weit gebracht, bevor er den Löffel abgegeben hatte. Andererseits aber war das Schnee von gestern und mein Gegenüber, dessen Name ich immer noch nicht kannte, musste ja auch nicht alles wissen.


    Kaum hatte ich ihn danach gefragt, womit ich denn beweisen sollte, dass ich seiner Truppe würdig war, kamen fast haargenau die Antworten, mit denen ich vorab schon fast gerechnet hatte. Mal abgesehen von dem Mord, den ich begehen sollte. Jemanden beklauen und überfallen, das war eines. Aber jemanden umbringen, das war eine andere Hausnummer.
    „Einen unschuldigen umbringen?“, fragte ich zur Sicherheit noch einmal nach. Inzwischen war ich an einem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gab. Entweder ich oder irgendein unschuldiger armer Schlucker, der auf der Straße lebte und dem ich in einer dunklen Ecke meinen Dolch in die Eingeweide rammte, um ihn von diesem jämmerlichen Leben zu erlösen.
    „Na schön, wenn´s sonst nichts ist!“, sagte ich großspurig. „Aber zuerst muss ich zurück ins Haus meines Dominus, sonst lässt er noch nach mir suchen. Und keiner von uns will ja schließlich Schwierigkeiten bekommen, nicht wahr!", meinte ich und warf ihm dabei ein kaltes Lächeln zu.

    Mein Besuch im ‚blinden Esel‘, bei dem mir der Wirt etwas von einer gewissen Krähe erzählt hatte, dann die Kerle, die mich zusammengeschlagen und entführt hatten und schließlich das gute Essen, dass mich seltsamerweise an die besagte Taberna gegenüber der neuen Urbanerstation erinnerte. All das zusammen konnte doch kein Zufall sein.
    Als mein Gefängniswärter dann meine Frage so vehement verneinte, war ich mir ganz sicher, dass ich auf der richtigen Fährte war. Daher ließ ich es bei diesem Thema auch bewenden. Ich an seiner Stelle hätte wahrscheinlich genauso gehandelt. Schließlich war ich immer noch ein Fremder.


    Während ich mich säuberte begann er an seinem Doch herumzuspielen. Natürlich beobachtete er mich auch weiterhin. Ob mich das nervös machen sollte? Hätte ich mich nicht kooperativ gezeigt, dann wäre ich wahrscheinlich fällig gewesen. Doch heute würde aus mir keine Leiche werden und am Ende des Tages würde mein Kadaver auch nicht im Tiber schwimmen. Nein, ich wollte wirklich dazugehören und mit meinen Kenntnissen war ich sicher auch eine Bereicherung für die Bande der Krähe.


    Die kleine Wunde in meinem Gesicht hatte endlich zu bluten aufgehört. Daher ließ ich Vorsicht walten, als ich mir das Gesicht mit einem Leinentuch abwischte. Während ich dann mein Werk im Spiegel begutachtete, begann er scheinbar eine Plauderei. Doch sicher geschah auch dies mit der Absicht, noch mehr Informationen über mich zu gewinnen.
    „Ja, ich bin Sklave. Aber das war ich nicht immer!“, antwortete ich. Doch natürlich wollte auch ich nicht alles über mich Preisgeben. Meinen Namen aber konnte er ruhig erfahren. Wahrscheinlich kannte er den eh schon. „Angus ist mein Name.“ Ein wenig stutzig wurde ich, als er mir erklärte, er wolle meine Fähigkeiten testen. Sollte ich etwa jemanden bestehlen oder einen Laden überfallen? Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Aber gut, wenn es sein musste. Sollte er seinen Spaß haben! Aber zuerst musste ich zurück zu Iduna. „Was für illegale Dinger schweben dir denn so vor?“

    Dieser Dreckskerl genoss es, mich so zu sehen. Unter anderen Umständen hätte ich ihm seine dämliche Visage poliert. Allerdings war ich zum einen nicht richtig in der Verfassung, andererseits wollte ich nicht noch länger in diesem Loch eingesperrt sein. Iduna würde es mir niemals verzeihen, wenn ich nicht bei ihr wäre, wenn das Kind kam.


    Um mich noch weiter zu reizen, verhöhnte er mich, wie er nur konnte. Dabei unterstellte er mir sogar, meine Entscheidung sei nicht ernst gemeint. Jedoch transportierte er auch kleine Informationen, die mir wenn man genau zuhörte, die eine oder andere Frage beantwortete. So zum Beispiel, wie lange ich hier festgesessen hatte. „Vier Tage?“, fragte ich erschrocken, wobei ich eigentlich bemüht gewesen war, mir nicht noch mehr Schwächen ansehen zu lassen. Doch in dieser Zeit konnte alles Mögliche passiert sein!


    „Der Boss, das ist die Krähe nicht wahr?“ fragte ich, diesmal mit einer etwas festeren Stimme, um von meinem Erstaunen über die Dauer meiner Gefangenschaft abzulenken. „Ja, verdammt, ich will zu seiner Bande dazugehören! Und wie ich das will!“ Bei diesen Worten kehrte so langsam mein altes Ich wieder zurück. Zumindest verspürte ich wieder die Glut des Hasses in mir. Der Hass auf all jene, die mich all die Jahre gedemütigt hatten und die glaubten, einen Anspruch auf mich zu haben.


    Als der Kerl sich wieder umdrehte und ich schon befürchten musste, er würde mich noch weiter hier festhalten wollen, blieb ich diesmal standhaft. Nicht noch einmal wollte ich vor diesem Widerling zusammenbrechen. Zu meinem Erstaunen aber ließ er die Zellentür weit offen stehen. Sollte das meine Gelegenheit zur Flucht sein oder war das nur ein Test? Um das herauszufinden, verharrte ich erst einmal an Ort und Stelle und konnte kurze Zeit später feststellen, dass er und ein paar seiner Gehilfen zurückkehrten. Sie trugen alles herbei, was man so benötigte, um nach vier Tagen Kerkerhaft wieder passabel auszusehen. Dagegen hatte ich natürlich nichts, denn ich konnte mich selbst nicht mehr riechen. So sehr stank ich.


    Ich ließ mich nicht lange bitten und streifte meine Kleider vom Leib. Dabei war es mir egal ob ich Zuschauer hatte. Mein Körper war muskulös und durchtrainiert. An einigen Stellen kündeten Narben von Auseinandersetzungen, die ich in meinem Leben schon auszufechten hatte. Aber es waren auch Narben von Schlägen, die dokumentierten, wie groß mein Stolz in all den Jahren gewesen war. Die Tätowierungen, die mein Körper vereinzelt zierte, stammten aus einem anderen Leben – einem Leben in Freiheit!


    Als ich mit der Rasur begonnen hatte, fragte er mich, was ich nun vorhätte. Das führte dazu, dass ich einen Moment lang unaufmerksam war und mich mit dem Rasiermesser unterhalb des linken Wangenknochens schnitt. Kaum hörbar zischte ich einen Fluch in meiner Muttersprache und griff nach einem Tuch, um damit das Blut aufzufangen. Für einen Moment hielt ich es fest auf die Wunde gedrückt und wandte mich meinem Zuschauer zu. „Als erstes werde ich zurück zu meinem Dominus gehen, damit er keinen Verdacht schöpft. Ich kann ja sagen, dass ich aufgehalten wurde.“ Natürlich erzählte ich dem Kerl nichts von Iduna und dem Kind. Das ging ihn einen feuchten Kehricht an.
    Zum Glück stoppte die Blutung bald und ich konnte die letzten Handgriffe machen, bis ich fertig war. Frisch gewaschen, rasiert und in sauberer Kleidung fühlte ich mich gleich viel besser.

    Ein Häufchen Elend – das beschrieb es wohl am ehesten, wie ich mich fühlte. Ich saß zusammengesunken in einer Ecke meiner Zelle. Mein Haar war völlig struppig und verklebt, in meinem Gesicht spross ein blonder Dreitagebart ungehindert weiter und ich roch säuerlich nach Schweiß, Alkohol und Erbrochenem. Kurz und gut, ich war ein menschliches Wrack. Meine geröteten Augen sahen nach oben, als sich die Zellentür öffnete. Der Glanz war längst aus ihnen verschwunden. Mein Wille war endgültig gebrochen. Nun war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich alles, wirklich alles tun würde, nur um hier herauszukommen. Ich wusste, ich musste so schnell wie möglich zurück zu Iduna, denn ich ahnte es bereits, dass etwas während meiner Abwesenheit passiert sein musste. Warum hatte ich sonst so sehr an sie denken müssen und weswegen hatte sie mich ständig in meinen Gedanken heimgesucht? War unser Kind nun endlich zur Welt gekommen? Und war es gesund? Oder hatte sie es etwa verloren? All diese Fragen hatten mich die letzten Tage und Stunden gequält.
    Doch nun stand wieder dieser Kerl vor mir, der mir vor wieviel Stunden auch immer etwas davon erzählt hatte, ich sei gestorben und könne nun ein neues Leben haben und einer von ihnen sein, wenn ich diese Zelle verließe.
    „Ich will heraus!“, rief ich ihm mit letzter Kraft zu. Meine Stimme klang brüchig. „Ich will einer von euch sein! Aber bitte lass mich endlich hier heraus! Ich tue alles, was ihr wollt! Wirklich alles!“ Dabei hätte ich nur kurz darüber nachdenken sollen, was ich vor einigen Tagen, die mir allerdings wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, gesagt hatte. Inzwischen hatte ich versucht, mich aufzuraffen, schaffte es aber nur bis auf meine Knie. Ja, selbst den letzten Rest meines Stolzes hatten diese Tage im Kerker aufgefressen.

    Anstatt einer vernünftigen Antwort, faselte der Kerl nur wirres Zeug! Weshalb sollte ich mich freuen und wieso war ich gestorben? Das war doch völliger Schwachsinn! Natürlich lebte ich noch! Ich spürte es doch ganz deutlich, denn mein Schädel brummte wie verrückt. Die Müdigkeit und dann diese kryptischen Andeutungen, die dieser Bursche da von sich gab, trieben mich langsam aber sicher in den Wahnsinn. Dabei wäre es wahrscheinlich ganz schlüssig gewesen, hätte ich nur einen klaren Gedanken fassen können. Hinzu kam meine Sorge um Iduna. Es musste jetzt fast jeden Tag so weit sein, bis unser Kind kam. Verdammt und zugenäht und ich sah hier in dieser Zelle! Ich hatte keinerlei Vorstellung mehr, wie lange ich nun schon hier gefangen sein mochte. Wahrscheinlich waren es bereits mehrere Tage oder gar Wochen? Aber hätte ich meinem Besucher genauer folgen können, hätte ich gewusst, dass es nur zwei Tage gewesen waren.


    „Wer werde ich sein, hä? Wer? Und wer bist du?“, zischte ich. Ein kleines Fünkchen brannte noch in mir, doch dies war leider nicht genug, um ein loderndes Feuer zu entfachen. Zwar hatte es mir hier an gar nichts gefehlt. Im Gegenteil, das Essen, das man mir immer wieder vorgesetzt hatte, war viel zu viel gewesen. Ich schaffte es gar nicht, dass alles zu essen. Genau das gab auch der Spitzbube zu bedenken. Selten hatte ich so gut gespeist, wie hier in dieser Zelle. Doch was nützte einem das beste Essen, wenn man eingesperrt war und sich nach der Freiheit sehnte! Verdammter Mist - Freiheit! Diese Freiheit gab es doch gar nicht! Nicht für mich, nicht für Iduna und auch nicht für unser Kind.


    Der Kerl faselte etwas von Kameraden, die immer für einen da waren, wenn man sie brauchte. Ja, das wäre wirklich gut gewesen! Vielleicht hätten sie uns helfen können. Natürlich wäre diese Kameradschaft nicht umsonst gewesen! Aber was war denn noch umsonst? Seine Worte prasselten weiter auf mich ein, wie ein starker Regenguss in meiner Heimat. Doch dann plötzlich ließ er mich einfach stehen und ging. „He, warte doch! Du musst mir helfen! Ich brauche deine Hilfe! Ich tue alles, was du willst!“ Den letzten Satz konnte er eigentlich gar nicht mehr gehört haben, da er bereits den Kerker verlassen hatte. Doch ich ließ mich langsam hinunter auf den Boden gleiten und versank in meinem Gram. „Du musst uns helfen!“ rief ich noch einige Male. Meine Stimme aber wurde immer leiser. „Iduna und das Kind! Ihr müsst mich gehen lassen!“, sagte ich dann immer wieder fast gebetsmühlenartig, bis ich irgendwann verstummte und nur noch vor mich hinstarrte.

    Vielleicht hätte es mir beim Geschmack des Lammtopfes bereits auffallen müssen. Er hatte mir wirklich sehr gemundet. Genauso wie der in dieser neuen Taberna! Aber mir waren einfach zu viele Dinge durch den Kopf gegangen, dass mir das völlig entgangen war. Stattdessen wuchs in mir die Wut auf denjenigen, der mich hier eingekerkert hatte.


    Ein kleiner Hoffnungsschimmer auf meine baldige Freilassung keimte auf, als ich nahende Schritte hörte. Doch der Kerl der sich meiner Zelle näherte, sprach kein Wort. Als hätte man ihm voher die Zunge herausgeschnitten! Er wechselte nur die Öllampe aus. Alle paar Stunden kam ein anderer, der diesen Dienst versah. Alle waren sie stumm geblieben.


    Der, der mich hier festhielt, war es anscheinend besonders wichtig, dass ich regelmäßig mit Essen und Getränken versorgt wurde. Jedoch war das für mich zweitrangig geworden. Dadurch, dass es die ganze Zeit über taghell war, verlor ich nach den ersten Stunden meiner Gefangenschaft bereits mein Zeitgefühl. Die Ungewissheit, was als nächstes passieren würde, brachte mich schier zum Wahnsinn. Die Männer, die mich mit Essen versorgen hatte ich anfangs mit Fragen gelöchert und da sie nicht geantwortet hatten, hatte ich ihnen Schläge angedroht. Doch jedes Mal wurden sie von bewaffneten Spießgesellen begleitet, die mich auf Abstand hielten und mir deutlich machten, dass sie keineswegs zögern würden, ihre Waffen an mir auszutesten.


    Die Zeit tat ihr übriges. Nach etlichen Stunden begann ich mich müde zu fühlen. Doch an einen festen tiefen Schlaf war nicht zu denken! Die verdammten Öllampen standen alle außerhalb meiner Zelle, so dass ich nicht an sie heran kam. Irgendwann kam es mir dann auch so vor, als ob ständig jemand kam, der peinlichst genau darauf achtete, dass das Licht niemals erlosch. All das machte mich langsam aber sicher mürbe. Wenn ich den in die Finger bekam, der sich diese Folter ausgedacht hatte!


    Dann, nach unendlich vielen Stunden ohne Schlaf näherten sich wieder Schritte. Ich hatte Mühe meine Augen aufzuhalten. Der Kerl kam mir bekannt vor. Es war einer von denen, die mich überwältigt hatten. „Was wollt ihr von mir? Wer seid ihr? Wieso bin ich hier!“, brach es wieder aus mir heraus. Ich wollte endlich Antworten, auch wenn es mir schwer fiel, mich darauf zu konzentrieren.

    Mein Kopf dröhnte vor Schmerzen. Es kam mir so vor, als ob sich alles drehe. Mir war schlecht und alles war schwarz vor meinen Augen. Von weitem hatte ich Stimmen wahrgenommen. Aber die waren inzwischen verstummt. Ich hatte keinen blassen Schimmer davon, was mir zugestoßen war und wo ich mich befand. Sämtliche Knochen taten mir weh. Aber meine Kopfschmerzen waren am unerträglichsten.
    Offenbar waren meine Haare nass. Meine Hand fuhr an meinen Hinterkopf. Da war tatsächlich etwas feuchtes Klebriges. Mit viel Mühe gelang es mir, meine Augen zu öffnen. Zum Glück sorgten ein paar Öllampen für schummriges Licht, sonst hätte ich rein gar nichts erkennen können. Ich lag auf einem Lager aus Stroh. Dann sah ich an meine Hand und erkannte, dass es Blut war, was an meinen Haaren klebte. Das musste eine Platzwunde sein von einem Schlag. Verdammt, was war nur passiert? Je mehr ich mich anstrengte und nachdachte, umso schlimmer wurden die Kopfschmerzen. Also blieb ich am besten noch eine Weile auf dem Lager liegen und schloss wieder meine Augen, in der Hoffnung, dass mein Zustand sich verbesserte.
    Langsam begannen Gedanken durch meinen Kopf zu schwirren. Von Ereignissen der letzten Tage. Vielleicht erinnerte ich mich dann auch, was passiert war. Da waren Iduna, der verdammte Germanicer und noch ein Römer. So ein blonder Jungspund in feinen Klamotten. Der Kerl hatte Iduna begrabscht, als wäre sie ein reifer Apfel, den man bald ernten musste. Ich spürte jetzt noch die Wut in mir, die ich dabei empfunden hatte und sie kam auch sofort wieder hoch. Ich erinnerte mich noch an ein Würfelspiel. Wer hatte gespielt? Ich und der Kerl in der Taberna? Ich wusste noch, ich hatte mich mit ihm unterhalten und hatte dabei ein paar Cervisia getrunken und einen Lammeintopf gegessen. Aber ab dann war alles weg. Ich konnte auch nicht sagen, wann ich mit dem Mann gesprochen hatte. Heute, gestern oder vor ein paar Tagen?


    Plötzlich war mir, als roch ich etwas. Der Duft von frischem Essen war in meine Nase gekrochen und verursachte in mir ein Verlangen, dem ich nicht lange standhalten konnte. Wieder öffnete ich meine Augen und sah mich um. Ich begriff, dass ich in einem Raum war, der recht spärlich eingerichtet war. Auf dem Boden stand ein Tablett bereit, welches mit einer Schale Eintopf und einem Teller mit Brot bestückt war. Außerdem entdeckte ich zwei gefüllte Kannen und einen Becher.
    Ich erhob mich und schritt zunächst zur Tür. Wie ich erwartet hatte, war sie verschlossen. Ich war gefangen! Aber wo nur und wer hielt mich gefangen? War es etwa der Germanicer?! Aber weshalb? Was hatte ich getan? Doch ich hatte im Laufe der Zeit gelernt, dass diese dreckigen Römer keinen triftigen Grund benötigten, um einen ihrer Sklaven tagelang, ja wochenlang gefangen zu halten. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie Scato (verdammt soll er sein und alle Flavier) mich wochenlang im Carcer der Urbaner hatte schmoren lassen – nur weil ich sein verfluchtes Leben gerettet hatte. Ein unbändiger Hass stieg in mir auf, auf die Flavier, auf den Germanicer und überhaupt alles, was römisch war. Rom, das war mein Verderben! Dann dachte ich wieder an Iduna und an unser Kind, die inmitten dieser Schlangengrube saßen. Ich seufzte schwer und wandte mich um zu der Kanne, in der sich der Wein befand. Ich schenkte mir einen Becher ein und verzichtete natürlich darauf, das Gesöff mit Wasser zu verdünnen. Schließlich war ich keiner dieser verweichlichten Römer! Doch bevor ich den Wein hinunterkippen wollte, kam mir plötzlich der Gedanke, dass der Wein und auch das Essen vergiftet sein könnten. Wer bei Venus´ Titten versorgte einen gefangenen Sklaven mit Wein und gutem Essen in seinem Gefängnis?! Aber vielleicht war es ja auch eine Art Henkersmahlzeit, weil man mich in ein paar Stunden schon ans Kreuz schlagen wollte, warum auch immer.


    „Ach, scheiß drauf!“, zischte ich und leerte den Becher in einem Zug. Der Wein war gut und der Lammeintopf auch. Obwohl er schon etwas kalt war.

    Nachdem das, was zu viel in meinem Magen gewesen war, auf dem Straßenpflaster gelandet war, fühlte ich mich einen Moment besser. Aber dann kam gleich wieder das flaue Gefühl in meinem Magen. Das wurde nur noch von einem unerwarteten harten Schlag auf den Hinterkopf getoppt.
    Augenblicklich wurde mir schwarz vor Augen. Lediglich einen lauten Seufzer gab ich von mir. Bevor ich in mein Erbrochenes hinabsinken konnte, wurde ich unsanft gegen die Hauswand gedrückt und an meiner Kehle spürte ich etwas Metallenes.
    Verdammter Mist, hätte ich doch bloß nicht so viel gesoffen! Benommen nahm ich eine Stimme wahr. Das musste der Kerl sein, der mich gegen das Mauerwerk drückte und wahrscheinlich war er es auch, der mich niedergeschlagen hatte.
    „Lass mich… lass mich los, du… du Dreckskerl!“, lallte ich mit letzter Kraft. Mein Kopf dröhnte vor Schmerzen.
    Langsam wurde mir bewusst, dass da noch mehr Männer waren. Offenbar war ich einer Räuberbande über den Weg gelaufen. Was für eine Ironie! Vor einigen Stunden hatte ich mich noch selbst einer solchen Bande anschließen wollen, nun wurde ich selbst zum Opfer einer solchen!
    „Was… was wollt ihr von mir? Ihr Idioten habt nur einen verdammten Sklaven erwischt! Bei mir ist nichts zu holen!“ Ich rechnete fest damit, dass der Kerl mir nun die Kehle durch schnitt. Sollte er doch! Was hielt mich hier noch? Iduna und unser ungeborenes Kind!

    Ich hatte mich in der Schönen nicht getäuscht. Eine wie sie bediente nicht einfach nur in solch einem Laden. Sie stand den Gästen auch noch in anderer Hinsicht zu Diensten. Ihre aufgesetzte Empörung war natürlich nur gespielt. Sicher war sie nicht wesentlich teurer, wie jede andere Hure in dieser Stadt. „Das lass mal meine Sorge sein!“, antwortete ich ihr und wischte den Schaum von meinen Lippen, nachdem ich einen großen Schluck der Cervisia genommen hatte. Mein Geldbeutel war gut gefüllt, da ich mir bei Botengängen gelegentlich einige Münzen abzwackte – sozusagen als Bonus. Der Germanicer hatte bis jetzt davon nichts gemerkt. Solange ich nicht zu gierig wurde, würde sich wahrscheinlich daran auch nichts ändern.
    Doch kurz bevor wir beide uns einigen konnten, drängte sich so ein älterer Geldsack in feiner Kleidung dazwischen, der meiner Schönen auf den Allerwertesten klatschte und sie, vor Sarkasmus nur so strotzend, anpöbelte. Bevor ich jedoch diesem Möchtegern – Schürzenjäger den Marsch blasen konnte, übernahm das die hübsche Bedienung, die ihm auf gleiche Weise antwortete. Was machte so einer eigentlich hier? Na egal. Es waren Saturnalia!
    „Also, was ist jetzt mit uns beiden?“, fragte ich die Schöne, um mich wieder in Erinnerung zu bringen.