Beiträge von Angus

    Ich möchte hier auf das Dahinvegetieren zweier Chars aufmerksam machen, die durch unüberlegtes Handeln ihrerseits aber auch durch das anderer Spieler in die Enge getrieben wurden, aus der es nun schon seit gut acht Monaten scheinbar kein Entrinnen gibt.


    Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Spieler, die sich für Sklaven-Chars entschieden haben und sich über den offiziellen Sklavenhändler versteigern lassen, dem fügen müssen, wie es SimOn ausgespielt wird. D.h. die Sklaven Iduna und Angus wurden SimOn an Paullus Germanicus Cerretanus verkauft. Das haben wir auch akzeptiert. Unglücklicherweise hat uns PGC schon kurz nach Abschluss seines Kaufs SimOff wissen lassen, dass er kaum Zeit haben wird für ein gemeinsames Spiel mit uns. Iduna und ich haben uns natürlich gefragt, weshalb er uns dann überhaupt gekauft hat. Fakt ist, dass unsere beiden Chars dadurch in gewisser Weise kalt gestellt wurden.


    Schließlich wurde SimOff nach einer Lösung gesucht und man einigte sich darauf, dass Gaius Iulius Caesoninus die beiden PGC abkaufen sollten. Im Mai letzten Jahres wurde also hier damit begonnen, eine Cena auszusimmen, bei der GIC auf die beiden Sklaven aufmerksam werden und sie dann kaufen oder gewinnen sollte. Der Thread kam nur sehr schleppend in Gang (wahrscheinlich auch wegen der Urlaubszeit im Sommer). Seit Mitte August ist dort leider gar nichts mehr passiert, was für Iduna und mich bedeutet, dass wir fest sitzen. Auf die Dauer ist das sehr ermüdend und frustrierend. Man kann zwar noch so viele andere Threads auf anderen Schauplätzen aufmachen und spielen, so wie ich es gerade versuche, doch letztendlich tritt man doch immer nur auf der Stelle. Iduna hat noch zusätzlich das Problem, dass sie irgendwann noch das Ende ihrer Schwangerschaft ausspielen möchte. Als SimOn-Hochschwangere ist es dann doppelt schwer, sich eine Geschichte zum Zeitvertreib aus den fingern zu saugen.


    Ich frage mich nun, was wir tun können, um diese Miesere zu beenden, damit allen Spielern geholfen ist. In Zeiten, in denen man sich fragt, wie man das IR noch retten kann, ist diese Frage ebenso berechtigt, finde ich. Was können wir also tun? Noch schaut Iduna hin und wieder hier im IR vorbei. Aber wie lange noch? Die einfachste Lösung wäre sicher, den obengenannten Thread als „erledigt“ zu sehen und die beiden Sklaven in den Besitz von GIC übergehen zu lassen. Aber vielleicht findet Spielleitung auch noch eine bessere Lösung oder kann zumindest Stellung zu unserem Problem nehmen.
    Vielen Dank!

    Auf meine Cervisia musste ich etwas warten. Offenbar war ich in einem Laden gelandet, der nur hin und wieder Cervisia ausschenkte. So ein verdammter Mist! Wieder einmal dachte ich mit Wehmut an meinen alten Freund Cian und seine selbstgebraute Cervisia. Wenn ich nur gewusst hätte, wo er war und wie es ihm und seiner Familie ging. Bevor ich jedoch in Schwermut verfallen konnte, kehrte die blonde Schönheit doch noch mit einer gefüllten Kanne und einem Becher an meinen Tisch zurück. Sie war verdammt groß für eine Frau. Wahrscheinlich überragte sie mich sogar um einige Fingerbreit. Auch entsprach sie nicht wirklich meinem Beuteschema. Aber heute war mir das ziemlich egal. Ich hatte schon lange keine Frau mehr gehabt. Es war an der Zeit, dies zu ändern.

    "Vielen Dank, meine Schöne!", antwortete ich ihr grinsend während ich zwei Asse aus meinem kleinen ledernen Beutel herauszog und ihr die Münzen in ihre offene Hand legte, die sie mir entgegenstreckte. Bevor sie diese aber nun wegziehen konnte, griff ich nach ihrem Handgelenk, um sie daran zu hindern, gleich wieder zu gehen. "Na, wie wär´s mit uns beiden? Du und ich, jetzt gleich! Ich bezahle auch gut!" Dabei deutete ich auf meinen Geldbeutel, den ich um den Hals unter meiner Tunika trug. Mit Sicherheit gab es in der Taverne noch ein nettes ruhiges Hinterzimmer, in dem die Hübsche hier noch weitere Dienste anbieten konnte.

    Diese beschissenen Saturnalien! Gut und gerne hatte ich auf das heuchlerische Getue des Germanicers verzichtet und hatte mich noch vor der Saturnalienfeier abgesondert. Das war das einzig Gute an diesem scheiß Fest, dass ich niemand Rechenschaft schuldig war. Ich hatte ein Bad genommen, eine gute Tunika angezogen und mich am Duftwasser des Germanicers bedient. Über die Tunika hatte ich noch eine Paenula gezogen. Mein gefüllter Geldbeutel hielt ich unter meiner Tunika verborgen. Man konnte ja nie wissen, welchen kaputten Typen man in der Subura über den Weg lief. Zur Sicherheit hatte ich auch ein Messer dabei, welches ich ebenfalls unter meiner Kleidung trug. Natürlich wusste ich, dass das Tragen von Messern verboten war, erst recht für Sklaven. Aber wo kein Richter, da kein Henker, wie man so schön sagte. Ich hoffte auf einen amüsanten Abend mit viel Wein, Cervisia und einer hübschen Lupa oder auch zwei. Dabei hoffte ich, dass mich die Erinnerungen an Morrigan nicht wieder heimsuchten. Morrigan, mein Rabenmädchen, dass ich vor so vielen Jahren an den Saturnalien kennengelernt hatte. Aber Morrigan war unendlich weit weg.


    Wie damals führte mich mein Weg direkt in die Eingeweide dieses Mollochs. Dorthin, wo man für einige Stunden Ablenkung finden konnte, wenn man dafür bezahlte. Auch diesmal begegneten mir gutgelaunte Menschen, die lachten und sangen. Wie damals drang aus den überfüllten Tavernen ein Gemisch aus Gegröle und Gelächter an meine Ohren. Selbst auf den Straßen fanden sich Leute zusammen, die gemeinsam tranken und feierten. Mir war so, als hätte ich ein verdammtes Déjà-vu. Das konnte ja heiter werden! Also steuerte ich die nächst beste Taverne an, um meine aufkeimenden Erinnerung mit Alkohol zu betäuben.
    Nun ja, es war nicht der beste Laden, aber auch nicht der Schlechteste. Es gab sogar noch einige freie Plätze. "Eine Cervisia!", rief ich der hübschen Kellnerin zu, als sich mich an einen der wenigen freien Tische setzte.

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    Ich hatte ordnungsgemäß alle meine Aufgaben erledigt, die ich erledigen sollte. Der Germanicer konnte mir also nichts vorwerfen. Doch statt vor Sonnenuntergang in die Casa zurückzukehren, hatte ich es vorgezogen, mir ordentlich die Kante zu geben. Der Besuch der Taberna in der Mittagszeit hatte mich auf eindrucksvolle Weise zur Einsicht gebracht, dass ich nur ein dreckiger verkommener Sklave war, der immer noch seinem alten Leben nachtrauerte und nicht wahrhaben wollte, dass ihm die Zukunft nichts weiter mehr zu bieten hatte. Einer von Hunderttausenden also. Ich würde niemals wieder frei sein und auch mein Kind und Iduna waren dazu verdammt, ewig dem Gutdünken irgendeines Römers ausgeliefert zu sein. Diese Erkenntnis, so war ich der Meinung, musste begossen werden! Mit Alkohol! Mit viel Alkohol!


    In meinem Geldbeutel befanden sich noch genügend Münzen für ein gepflegtes Besäufnis. Und welche Umgebung wäre dafür besser geeignet gewesen, als die Subura?

    Ich konnte nicht mehr genau sagen, in welche Spelunke es mich verschlagen hatte oder wie viel ich eigentlich getrunken hatte. Es war mehr als mir gut getan hatte, was man sehr gut an meinem torkligen Gang erkennen konnte. Außerdem gab ich unverständliche Fragmente eines nicht mehr genau identifizierbaren Trinkliedes von mir, bis ich schließlich in einer dunklen Ecke stehen blieb, da ich das dringende Bedürfnis verspürte, mich zu übergeben.

    Ja, es war nur eine fixe Idee gewesen. Ein Gedankenspiel, welches niemals Realität werden würde. Ich war dazu verurteilt, bis an meinen letzten Tag als Sklave zu leben, genauso wie Iduna und unser Kind. Ich war dazu verdammt, zusehen zu müssen, wie man es uns eines Tage entreißen würde, um es als Sklaven zu verkaufen. Und selbst Iduna konnte man mir einfach entreißen. Genauso sah meine Zukunft aus. Also wäre es eigentlich sinnvoller gewesen, alles in Bewegung zu setzen, um sich mit dem Germanicer gut zu stellen, damit ich und somit auch die meinen nicht in Ungnade fielen. Wäre da nur nicht mein unbändiger Stolz gewesen, den selbst die langen Jahre der Sklaverei hatten nicht brechen können. Der Stolz eines Sklaven - wie lächerlich! Im Grunde machte ich mir nur etwas vor und wollte einfach nicht die Fakten anerkennen. Die Zeit des Kriegers Angus war längst vorbei. Übriggeblieben war der Sklave Angus, der das nur nicht akzeptieren wollte.
    Der Wirt war so freundlich gewesen, mir lediglich nur vier Sesterzen für das Essen abzunehmen. Das Bier schenkte er mir. Wahrscheinlich hatte ich ihn mit meinem Gerede gut unterhalten und ihm die Zeit vertrieben, weshalb er mir einen Teil meiner Schuld erließ.


    „Das ist sehr großzügig von dir! Vielen Dank!“ antwortete ich brav und lächelte, wenn auch etwas verbittert. Ich nickte ihm noch einmal zu. Dann ging ich meiner Wege. Ich hatte schließlich noch einiges zu tun.


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    Schließlich kratzte ich mit meinem Löffel den allerletzten Rest des Lammeintopfes zusammen und ließ diesen dann in meinem Mund verschwinden. Ein Schluck Cervisia krönte das Ganze und sorgte dafür, dass ich zufrieden rülpsen konnte. Ahh, das war wirklich gut gewesen! „Ein Hoch auf die Frauen!“, rief ich bevor ich noch einmal einen Schluck nahm. Ob Iduna auch so gut kochen konnte? Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, dass sie bisher kein einziges Mal für mich gekocht hatte. Doch ich war ganz davon überzeugt, dass sie unser Kind gut versorgen konnte, sobald es endlich geboren war.


    Der Wirt hatte sich nicht geirrt, meine Enttäuschung über alles, was nach Scatos Tod geschehen war, konnte ich einfach nicht verbergen. Ich hatte einfach zu lange gewartet. Ich hatte mich zu lange meinen Selbstzweifeln hingegeben und hatte dadurch den richtigen Zeitpunkt für eine Flucht mit Iduna verpasst. Aber hier in der Subura konnte er sich für eine begrenzte Zeit frei fühlen, denn wie der Wirt richtig bemerkte, in der Subura gab es keine Herren.
    „Germanicus Cerretanus hat mich gekauft.“ Den Namen meines neuen Dominus hatte ich mit reinster Abscheus ausgesprochen, ganz so, als handle es sich dabei um eine unangenehme Krankheit. Der Gedanke, dass dieser Mistkerl demnächst schon der Besitzer unseres Kindes sein sollte, bereitete mir Übelkeit. Liebend gerne wollte ich dem Kerl in der Nacht die Kehle durchschneiden. Jedoch war mir bewusst, welche Konsequenzen diese Tat für Iduna und alle anderen Sklaven des Haushalts haben würden. Nur dieses Wissen hinderte mich daran, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wenn der Germanicer jedoch das Opfer einer Räuberbande werden würde, sah die Sache schon anders aus.


    Die fixe Idee, sich einer solchen Bande anzuschließen wurde jedoch vom Wirt sofort wieder gedämpft. Zunächst wollte ich ihm widersprechen, als er meinte, es sei gegen das Gesetz, sich einer solchen Bande anzuschließen. Stattdessen grinste ich nur. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem mir alles Legale an meinem Allerwertesten vorbei ging.
    „Na schön, dann muss ich wohl wieder“ ,meinte ich nachdem ich den letzten Rest meiner Cervisia in einem Schluck genommen hatte und von meinem Platz aufgestanden war. „Was schulde ich dir für das Essen und die beiden Cervisiae?“ Ich kramte bereits meinen Geldbeutel hervor, um für Speis und Trank zu zahlen.

    Eireann hieß also die schöne. Ob sie auch von daher kam? Scheinbar war auch sie unfrei, so wie ich. Nun denn, es war sicher am einfachsten, wenn wir den Verletzten erst einmal in die Taberna ihres Dominus brachten, wo sie ihm dann Umschläge machen konnte, so wie sie sagte. Norius war auch damit einverstanden. Für mich war es selbstverständlich, ihm zu helfen.
    "Natürlich!" Ich bückte mich, um ihm aufzuhelfen. Dann legte ich mir seinen Arm um den Nacken, um ihm Halt zu gehen. "Geht es so? Ist es so angenehm?" fragte ich ihn, bevor wir losgingen.
    "Geh du vor! Zeig uns den Weg zur Taberna deines Dominus!" meinte ich mit einer auffordernden Kopfbewegung zu der hübschen Sklavin.

    Oh, da kam endlich der langersehnte Lammeintopf, dessen Duft mir schon die ganze Zeit den Mund wässrig gemacht hatte. Passend dazu brachte der Wirt mir auch die zweite Cervisia, die ich bestellt hatte. „Vielen Dank!“, entgegnete ich freundlich dem Wirt, als er den Teller und den Becher vor mir abstellte. Das Essen sah wirklich köstlich aus. Ich nahm den Löffel, rührte den Eintopf ein wenig um, damit er etwas abkühlen konnte, bevor ich den ersten Löffel zum Mund führte.
    Dann endlich war es so weit. Ich kostete den Eintopf, auch wenn er noch etwas heiß war. Sein Duft hatte nicht zu viel versprochen. Die Geschmacksknospen in meinem Mund vollführten ein wahres Feuerwerk der Genüsse. Selten hatte ich etwas so Gutes gegessen. Der Eintopf konnte sich auf jeden Fall mit dem von dem armen Cian messen. Er schmeckte fast so, wie zu Hause.
    „Der Eintopf ist hervorragend! Besser hätte ihn meine Frau nicht kochen können!“, meinte ich lobend, nachdem ich den ersten Bissen mit einen Schluck Cervisia hinuntergespült hatte. Doch sofort kehrte wieder die Ernsthaftigkeit ein, als der Wirt fortfuhr, mir etwas über Cians Schicksal und dem Verbleib seiner Familie erzählte. Dass was er nun über dessen Machenschaften erzählte, klang für mich ziemlich plausibel. Irgendwie musste man sich ja in dieser Stadt durchschlagen, wenn man eine Familie zu ernähren hatte, auch wenn seine Taberna ganz gut lief. Aber hier in der Subura galten eben andere Regeln, wie vielleicht anderswo.


    „Die Krähe,“ widerholte ich nachdenklich die Worte des Wirtes und nahm dann einen weiteren Bissen von meinem Eintopf. Seitdem Iduna in mein Leben getreten war, hatte ich immer wieder darüber nachgedacht, was ich tun könnte, um uns beide aus unserer nicht hinnehmbaren Situation zu befreien, sei es durch Flucht oder indem ich genug Geld zusammen bekam, um mich und meine Liebste freizukaufen. Wenn ich darauf hoffte, genug Peculium zusammenzusparen, dann würden wir beide wohl alt und grau sein, bis ich uns freikaufen konnte. Damit konnte und wollte ich mich nicht zufrieden geben. Spätestens in ein oder zwei Jahren wollte ich endlich wieder frei sein.


    Die Frage des Wirtes riss mich aus meinen Gedanken. Natürlich hatte ich ihn durch meine Bemerkung neugierig gemacht. „Nein, ich hatte weder ein Haus noch ein Geschäft dort. Trotzdem lebte ich in einer vornehmen Villa auf der nördlichen Kuppe des Quirinals – als Sklave! Als mein Dominus starb, lange soll er im Tartaros schmoren, hat er mich dummerweise nicht in seinem Testament berücksichtigt, worauf man mich wie einen räudigen Hund aus der Villa warf und wie Vieh auf dem Sklavenmarkt verkaufte.“ All die Jahre, die ich bei den Flaviern verbracht hatte, all die Demütigungen, die ich dort hatte hinnehmen müssen, hatten nichts an meiner Lage geändert. Im Gegenteil! Ich war von meiner Freilassung so unermesslich weit fort, wie man es sich nur vorstellen konnte. Ebenso Iduna. Da sie schon bald unser Kind zur Welt bringen würde, war sie eine lohnenswerte Geldanlage, die durchaus in der Lage war, noch viele weitere Sklaven zu produzieren.


    „Diese Krähe, weißt du, wo er zu finden ist? Meinst du, er könne einen wie mich gebrauchen?“, frage ich den Wirt, nachdem ich den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte.

    Der Duft des Essens lag nun scheinbar allgegenwärtig in der Luft und ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Jetzt meldete sich der Hunger erst recht. Doch es würde nicht mehr lange dauern, bis ich ihn stillen konnte.


    Ganz so wie ich es gehofft hatte, konnte der Wirt ein wenig über Cians Verbleib Auskunft geben. Wenn tatsachlich die Urbaner im Spiel gewesen waren, war das mit Sicherheit in der Nachbarschaft nicht unbemerkt geblieben. Zumal die Menschen der Subura ganz anders tickten als die ‚noblen Herrn‘ in den ‚besseren‘ Stadtteilen. Was allerdings der Wirt zu berichten hatte, passte so gar nicht in mein Bild, welches ich von Cian hatte. Natürlich hatte er gelegentlich gewisse Waren geschmuggelt, war vielleicht auch manchmal an leicht krummen Geschäften beteiligt oder hielt sich nicht immer haargenau an die Gesetze. Aber darin unterschied er sich kaum von den übrigen Bewohnern in dieser Stadt. Er war es ja auch, der mir angeboten hatte, Iduna und mich bei unserer Flucht zu unterstützen. Leider war nichts daraus geworden, weil sich sozusagen über Nacht unser Leben komplett verändert hatte. Cian hatte indessen offensichtlich ein wenig über die Stränge geschlagen und war dadurch ins Visier der Urbaner geraten.
    „Er hat sich mit dem organisierten Verbrechen eingelassen?“, rief ich verblüfft. Allerdings war es sicher keine hohe Kunst, hier in der Subura in die Fänge solcher Leute zu geraten. Das bestätigte ja auch der Wirt. Fragte sich nur, was nun aus Cian und den seinen werden würde. „Und was ist mit seiner Familie geschehen? Hast du etwas gehört? Wurden die auch mitgenommen?“ Hoffentlich nicht! Aber wenn doch, was hätte ich dagegen tun können?


    Ein bitteres Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, als der Wirt „die da oben auf den sieben Hügeln“ erwähnte. Wie Recht er doch damit hatte. Diese blasierten und degenerierten Schwachköpfe! Wenn ich dabei nur an die Flavier dachte, wurde mir bereits speiübel! „Wie Recht du doch hast! Diese Leute haben keine Ahnung vorm wirklichen Leben. Ich habe lange genug unter ihnen gelebt!“ An dieser Stelle hätte ich so manche derbe Geschichte zum Besten geben können. Aber ich wollte mir ja nicht selbst den Appetit verderben. Doch das Cervisia war süffig und die Stimmung war gut. Wer vermochte zu wissen, wie sich mein Besuch in der Taberna noch entwickeln sollte?

    Trotz der heruntergekommenen Einrichtung war der Wirt sehr freundlich und umgänglich. ‚Mein Herr‘ hatte schon Ewigkeiten keiner mehr zu mir gesagt. Die unsichtbaren Ketten der Sklaverei, sie waren für einen Moment lang nicht mehr vorhanden. Er schaffte es, dass ich begann mich wohlzufühlen. Für die kurze Zeit meines Besuches hier konnte ich mich als Mensch fühlen und nicht als Sache. Die Subura konnte zwar noch so heruntergekommen sein, doch die Menschen, die hier wohnten, hatten sicher ihr Herz am rechten Fleck. Genauso wie der Wirt, der von hier stammte, so wie er sagte. Sein Laden war allerdings neu, so wie ich es vermutet hatte.


    Während er sich um mein Cervisia kümmerte, begann er ein wenig zu erzählen. Tatsächlich, viele seiner Kunden waren Urbaner. Wenn ich also noch ein Weilchen hier blieb und sich vielleicht noch ein paar von ihnen hierher verirrten, bekam ich womöglich doch noch meine Informationen. Zuerst aber widmete ich mich meinem frisch gezapften Gerstensaft, der mit seiner Schaumkrone wirklich sehr verführerisch aussah – ganz anders als Cians Gebräu.
    „Oh, das sieht ja gut aus!“ Der Wirt stellte das Getränk vor mir ab und meine Gesichtsmuskeln verzogen sich zu einem Lächeln – das Erste an diesem Tag! Ich nahm sofort einen großen Schluck. „Ahh, ist das gut!“, machte ich. Der Schaum des Bieres klebte über meiner Oberlippe und ich wischte es mit meinem Handrücken ab. Wenn der Lammeintopf jetzt genauso gut schmeckte, konnte ich, was das Leibliche betraf, zufrieden sein.


    „Wenn du hier schon immer wohnst, kennst du vielleicht auch Cian. Er und seine Familie sind vor einigen Jahren von Britannien nach Rom übergesiedelt. Er hat hier, nur ein paar Straßen weiter auch eine Taberna. Eigentlich sollte ich sagen hatte, denn seit neustem ist sein Laden dicht. Das ist wirklich ein Jammer!“ Vielleicht hatte der Wirt ja auch etwas gehört. Zumindest aber konnte es der Beginn einer (vielleicht netten?) Unterhaltung sein, bis mein Lammeintopf fertig war. Bis dahin genoss ich mein Getränk, das ich tatsächlich nach wenigen Zügen schon geleert hatte. Das war gegen den Durst, jetzt noch eins für den Genuss. „Dein Cervisia ist wirklich verdammt gut! Kann ich noch eins haben?“

    Ich hatte nicht lange warten müssen, bis der geschäftstüchtige Wirt zu mir an den Tisch getreten kam. Seine Begrüßung war freundlich und zuvorkommend, so wie man es eben von einem Wirt erwartete, der darauf hoffte, dass man bestimmt wieder kam. Er fragte mich nach meinen Wünschen und tatsächlich knurrte mir plötzlich in dem Moment der Magen. Dann fiel mir ein, dass ich eigentlich seit heute Morgen gar nichts mehr gegessen hatte. Ich überschlug schnell in Gedanken, was ich mir finanziell denn so leisten konnte uns spielte mit dem Gedanken, dass es heute wieder mal Fleisch sein durfte. Dabei fiel mir der leckere Lammeintopf ein, den ich bei Cian häufig gegessen hatte und der mich oft so sehnsüchtig an zu Hause erinnert hatte. Und dazu jetzt ein süffiges Cervisia! Das würde die ganze Sache noch abrunden! Allerdings bezweifelte ich stark, dass das angebotene Cervisia hier in irgendeiner Weise an Cians Selbstgebrautes auch nur ansatzweise herankam. Aber ich ließ mich gerne überraschen.


    „Hast du Eintopf da? Vielleicht Lammeintopf? Ein Cervisia dazu wäre nicht schlecht.“ Gespickt vielleicht mit noch ein paar Informationen zu den Urbanern, die hier hoffentlich auch verkehrten.
    „Sag, bist du neu hier? Dein Laden ist mir bisher nie aufgefallen. Hast sicher viel Kundschaft, seitdem es die neue Station da drüben gibt?“ Ein bisschen mit dem Wirt plaudern, konnte sicher nicht schaden. Dabei konnte man vielleicht an das eine oder andere interessante Fitzelchen an Informationen gelangen. Und falls doch nicht, dann überbrückte es wenigstens die Wartezeit.

    Meine Unzufriedenheit wuchs von Tag zu Tag. Genährt wurde sie durch die Vorwürfe, die ich mir selbst machte. Warum nur waren wir nicht geflohen, als wir noch die Möglichkeit hatten – Iduna und ich! Inzwischen war eine Flucht unmöglich geworden, denn jeden Tag konnte es soweit sein, dass unser Kind zur Welt kam. Unser Kind. Was würde es in dieser Welt erwarten? Der Spross einer Sklavin und eines Sklaven war ein Leben als Sklave vorherbestimmt. Der Gedanke daran verursachte mir heftige Magenschmerzen. Doch am meisten grämte es mich, gänzlich hilflos dagegen zu sein. Nichts, rein gar nichts konnte ich tun! Ich hatte nicht genug Geld zusammengespart, um Iduna und das Kind freikaufen zu können. Wenn es unserem Dominus gefiel, konnte er unser Kind einfach weiterverkaufen und weder Iduna noch ich konnten etwas dagegen tun. Ich hatte es einfach satt, dieses Leben! Dennoch war es das Pflichtgefühl, Iduna und dem Kind gegenüber, mich nicht vollkommen gehen zu lassen.


    Ich versah meinen Dienst. Doch wenn ich damit fertig war oder mich die Lust dazu verlassen hatte, kehrte ich nicht etwa in die Casa zurück. Es gab bessere Plätze als die Casa, um seinen Frust hinunterzuschlucken. Die Subura war ein solcher Ort. Es gab dort haufenweise billiger Lupanare oder Spelunken, die ich mir leisten konnte. Hin und wieder zog es mich zur Taberna meines alten Freundes und Landsmannes Cian. Er hatte mit seiner Familie hier mitten in Rom ein kleines Stück Heimat erschaffen. Im ‚Crann na Beatha‘ – dem Lebensbaum, braute er sein eigenes Cervisia. Nirgendwo sonst gab es etwas Besseres als dort!


    Heute war so ein Tag, an dem es mich wieder zur Taberna meines Freundes trieb. Der Gedanke daran, ihn wieder zu treffen und sein köstliches Gebräu kosten zu können, ließ meine Stimmung wieder etwas aufhellen. Je näher ich mich der kleinen Seitengasse näherte, in der sich der ‚Lebensbaum‘ befand, wurden meine Schritte beschwingter. Als ich jedoch in besagte Gasse einbog, merkte ich sofort, dass etwas anders war als sonst. Das Schild über dem Eingang zur Taberna war verschwunden und im Inneren erinnerte nichts mehr daran, dass es hier einmal ein Stückchen Albion gegeben hatte. Verstört trat ich wieder hinaus auf die Straße und sah mich um. Was war nur passiert? Wo waren Cian und die seinen nur abgeblieben?


    „Hier gibt´s nichts mehr!“ hörte ich plötzlich eine alte Frau sagen, die mich beobachtet hatte, als ich aus der verlassenen Taberna hinausgetreten war. „Was ist passiert und wo ist die Familie hin, die diese Taberna bewirtschaftet hat?“ wollte ich von ihr wissen. „Keine Ahnung! Ein paar Urbaner waren vor zwei oder drei Wochen hier gewesen und haben den Wirt mitgenommen. Einen Tag später hat sich seine Familie aus dem Staub gemacht. Die haben alles mitgenommen!“ Die Antwort der Alten hatte mich sehr beunruhigt. Was hatten die Urbaner von Cian nur gewollt? Hatte er sich auf krumme Geschäfte eingelassen oder hatte ihn jemand in Schwierigkeiten gebracht?


    Widerwillig setzte ich meinen Weg fort und grübelte darüber nach, was meinem Freund zugestoßen war. Der Gedanke, nie wieder sein köstliches Cervisia trinken zu können, stimmte mich traurig und wütend zugleich. In dieser von allen Göttern verlassenen Stadt gab es doch nirgends einen Platz, wo es ein einigermaßen annehmbares Cervisia gab!


    Irgendwann kam ich schließlich an der neu erbauten Station der Urbaner vorbei. Direkt gegenüber befand sich eine Taberna, die mir bisher noch nie aufgefallen war. ‚Zum blinden Esel‘ hieß sie offenbar. Kurzerhand entschloss ich mich, dort hineinzugehen. Vielleicht saßen da drinnen ein paar Urbaner, von denen ich vielleicht ein paar Neuigkeiten herauskitzeln konnte, was mit Cian geschehen war.
    „Salve!“, rief ich dem Wirt zu, nachdem ich das Lokal betreten hatte. Ich sah mich um. Noch saßen keine Urbaner an den Tischen. Wahrscheinlich war es noch etwa zu früh. Also suchte ich mir einen Platz, von wo aus ich den Schankraum gut überblicken konnte. Die Einrichtung sah etwas heruntergekommen aus. Aber das störte mich nicht sonderlich.

    Offenbar war es nicht so schlimm gewesen. Der Fremde tastete sein Bein ab und entschied sich gegen den Medicus. Ich ließ ihm die nötige Zeit, die er brauchte, wieder auf die Beine zu kommen. Als ob er meine Gedanken gelesen hatte, schlug er dann vor, etwas trinken gehenvzu wollen. Genau das Richtige, für einen Tag wie diesen! Er wollte mich sogar einladen. Ein wirklich feiner Zug!
    „Oh, eine so freundliche Einladung möchte ich nicht ausschlagen! Ich habe zu danken!“


    Zunächst setzte er sich auf diese unheilbringende Kiste und streckte sein Bein aus. Es musste ihm trotz allem sehr schmerzen. Vielleicht wäre ein Medicus doch hilfreich gewesen. „Du wirst bestimmt einen ordentlichen Bluterguss kriegen,“ mutmaßte ich, als ich mir sein Bein so besah. Etwas um das Bein zu kühlen, wäre jetzt sehr hilfreich gewesen. Aber wo sollte man hier auf dem Markt etwas Eiskaltes herbekommen?


    Der Fremde blickte zu mir auf und begann sich vorzustellen. Er stammte in der Tat aus der Fremde, weitab von Rom. Zwar hatte ich keinen blassen Schimmer, wo dieses Mogonticaum lag, doch es klang nach weit weit weg.
    „Freut mich, dich kennenzulernen, Norius Carbo! Mein Name ist Angus. Ursprünglich stamme ich aus Britannien, doch seit einigen Jahren lebe ich hier in Rom.“ Der Fremde musste ja nicht wissen, dass er es mit einem Sklaven zu tun hatte. Schließlich deutete nichts Äußerliches darauf hin.


    Inzwischen hatte ich längst keinen Gedanken mehr an die braunhaarige Schönheit verschwendet. Wahrscheinlich war sie längst über alle Berge. Doch weit gefehlt! Plötzlich stand sie direkt vor mir und Norius Carbo. Aber es kam noch besser, sie war mit zwei Bechern bewaffnet, dessen Inhalt ich nicht gleich zuordnen konnte. Wahrscheinlich war es aber Posca oder irgendein verdünnter Fusel, den man hierzulande zu trinken pflegte. Mit einem Cervisia oder sogar einem Met wollte ich hier erst gar nicht rechnen. „Oh, danke!“ Überrascht lächelte ich ihr zu, befreite sie von den Bechern und reichte den zweiten Becher weiter an Norius Carbo. Danach kostete ich einen Schluck. „Bei den Göttern, es ist Met!“, rief ich anerkennend aus, nachdem ich diesen langvermissten Geschmack wieder auf meiner Zunge kosten durfte

    Wo war sie nur, meine Iduna?! Im Servitriciuum hatte ich sie nicht vorgefunden. Nachdem ich meine Botengänge erledigt hatte und in die Casa zurückgekehrt war, hatte ich die Zeit genutzt, um mich zu ertüchtigen. Ich versuchte, so oft wie möglich zu trainieren. Der Germanicus hatte mich zu seinem Custos bestimmt. Da wollte ich es nicht riskieren, meine Schnelligkeit und Gewandtheit im Kampf, oder gar meine Kraft einzubüßen. Schließlich wollte ich auch dieses mal meine Sache gut machen. Ich hatte mir eine Art Strohpuppe gefertigt, gegen die ich mit einem Stock oder mit meinen Fäusten kämpfte. Leider stand mir nur selten ein lebendiger Gegner zur Verfügung. Da wurde mir immer bewusst, wie sehr ich Lyciscus vermisste. Doch dann kam auch wieder die Wut in mir hoch. Die Wut auf mich selbst und auf den Flavier! Warum hatte er so einfach sterben müssen? Und warum hatte er in seinem verdammten Testament nicht verfügt, dass er Iduna und mich in die Freiheit entlässt, wenn sein letztes Stündlein geschlagen hat? Warum war ich mit Iduna nicht davongelaufen, als ich noch die Möglichkeit hatte? Stattdessen waren wir hier gelandet!


    Schweißgebadet hatte ich mich ins Sklavenbad begeben, um mich zu waschen. Dann zog ich eine frische Tunika an und eilte davon, um zu Iduna zu suchen. Nach unserem kleinen Streit am Morgen hatte ich unterwegs ein kleines Geschenk für sie besorgt. Ich wusste ja, dass sie es nicht so gemeint hatte, schließlich war sie hochschwanger. Da ich nicht zum ersten Mal Vater wurde, wusste ich um die Launen von Schwangeren, besonders kurz vor der Niederkunft.


    Vom Servitriciuum aus lief ich weiter zur Küche. Dort gab mir eine der Küchensklavinnen den Tipp, doch mal im Triclinium nachzusehen. Sie erzählte mir weiter, dass der Dominus Besuch hatte. Da ich neugierig war, wer dieser Gast war und welche Aufgabe man Iduna aufgetragen hatte, lief ich weiter zum Triclinium, trat jedoch nicht ein, sondern verharrte an der Tür, um einen Blick hineinzuwerfen. Ich erkannte den Iulier, der auf den Sklavenmarkt für uns geboten hatte. Der Germanicus hatte uns ihm sozusagen vor der Nase weggeschnappt. Nun bewirtete er ihn hier und hatte ziemlich viel für ihn aufgeboten. Musiker waren anwesend und zwei spärlich bekleidete Tänzerinnen hüpften zu den Klängen der Musik vor den beiden Römern herum. Des Weiteren erkannte ich einen jungen Sklaven, der damit beschäftigt war, die beiden mit Getränken zu versorgen und - meine Süße! Sie befand sich neben der Kline, auf der der Iulier lag. Ach, wie sie da so stand mit ihren roten Locken, ihrem dicken Bauch und den üppigen Brüsten. Alleine dieser Anblick brachte mich schon zum Schmelzen. Doch was musste ich da erblicken? Der Iulier betatschte sie! Er legte einfach seine Hände auf ihren Bauch. Dieser Dreckskerl! Was sollte das?! Wieder stieg die Wut in mir auf. Am liebsten wäre ich dort hineingerannt und hätte ihm seine dreckige Visage poliert. Doch bevor ich mich zu irgendeinen Blödsinn hinreißen ließ, hörte ich hinter mir eine Stimme eines weiteren Sklaven – ein älterer Mann, der ein Tablett mit einigen Leckereien trug. „An deiner Stelle würde ich die Füße stillhalten! Mach dich nicht unglücklich, mein Junge. Aber wenn du unbedingt da hinein willst, dann nimm das Tablett und geh hinein! Bediene den Dominus und seinen Gast!“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, auch wenn ich über meinen eigenen Schatten springen musste, wenn ich daran dachte, den Iulier bedienen zu müssen. Doch wenigstens konnte ich dann ganz nah bei meiner Süßen sein.
    Also nahm ich das Tablett und trat hinein zu den beiden Römern, die dort auf ihren Klinen lagen.

    Ich wusste nicht, worüber ich mehr ärgern sollte, über den dämlichen Händler, der mich mit seinem dümmlichen Blick bedachte, weil er nicht verstehen wollte oder konnte, weshalb ich mich aufregte oder weil die hübsche Kleine, deren Anblick mich völlig aus dem Konzept gebracht hatte, wie vom Erdboden verschluckt schien. Na ja, womöglich war es ja besser so. Eigentlich sollte mich nur noch Iduna und das ungeborene Kind interessieren und keine fremden Weiber, die mir den Kopf verdrehten und mir damit am Ende nur noch mehr Ärger und Sorgen einbrachten. Dennoch hätte ich nichts gegen etwas mehr Abwechslung einzuwenden gehabt. Ich atmete einmal tief ein und aus, um die Wut von mir abschütteln zu können, in die ich mich schon wieder hineingesteigert hatte. Einmal tief durchatmen half meistens, wenn auch nicht immer.


    Wieder fiel mein Blick auf den Fremden, dem ich soeben meine helfende Hand angeboten hatte. Nun, da ich ihn mir etwas genauer betrachtete, fand ich, dass er tatsächlich aus der Fremde stammte. Womöglich ein Reisender, der hier in Rom sein Glück versuchen wollte. Offenbar hatte ihn der Sturz doch mehr mitgenommen. Er sprach von schlimmen Schmerzen und seine verkrampften Gesichtszüge zeugten davon, dass sein Bein immer noch furchtbar weh tun musste. Hoffentlich war es nicht gebrochen! Aber vielleicht war es einfach nur eine Prellung. Im Grunde hätten mich die Angelegenheiten des Fremden ja gar nicht interessieren müssen und ich hätte weitergehen können, um doch noch ein Geschenk für meine Liebste zu finden. Im Augenblick aber war meine Motivation dafür auf null gesunken. Auf den Schreck hin wäre wohl ein kühles Cervisia willkommener gewesen, als die Suche nach einem Haarband oder sonstigem Tand.
    „Brauchst du einen Arzt? Oder willst du dich vielleicht irgendwo setzen?“, fragte ich ihn. Manchmal half es, wenn man dem Bein etwas Ruhe gönnte, oder ein Tuch mit kühlem Wasser benetzte und es damit kühlte.

    Unschlüssig trottete ich ein paar Schritte weiter. Immer noch suchend nach der Schönen, die mich so in ihren Bann gezogen hatte, so dass ich beinahe alles vergessen hätte, weswegen ich eigentlich hier war. Offensichtlich aber hatte die Masse an Menschen sie einfach verschluckt. Wie vom Erdboden war sie verschwunden! Inzwischen glaubte ich sogar, die Hitze habe mein Hirn bereits so zerbrutzelt, dass ich mir alles nur eingebildet hatte. Letztendlich warf ich dem Händler, über dessen Kram ich beinahe gestürzt wäre, einen recht feindseligen Blick zu, bevor ich weiter gehen wollte. Doch da geschah es ein weiteres Mal! Ich sah den Mann noch in meinen Augenwinkeln. Der arme Kerl hatte nicht so viel Glück wie ich. Er stürzte über die vermaledeite Kiste und landete schließlich auf dem harten Pflaster im Staub. Normalerweise wäre ich wahrscheinlich weitergegangen, doch diesmal war der Vorfall im Grunde die Bestätigung dessen, worüber ich mich vor wenigen Minuten so lautstark aufgeregt hatte. Ich drehte mich sofort um und eilte den jungen Mann zu Hilfe. "Bist du verletzt, Mann? Geht es dir gut?", fragte ich, als ich ihm die helfende Hand entgegenstreckte.
    "Da siehst du, was passiert ist? Du kannst froh sein, wenn die Leute sich nicht das Genick brechen, wenn sie über deinen Plunder stürzen!", rief ich aufgebracht dem Händler entgegen, der nun auch einen schüchternen Blick auf dem Gefallenen warf.

    Anfangs hatte ich mit meinem und Idunas Schicksal gehadert. Nach unserem Verkauf hatte ich doch tatsächlich den verfluchten Flaviern nachgetrauert. Insbesondere Scato. Man konnte über ihn urteilen wie man wollte, gelegentlich hatte er auch seine guten Seiten. Aber dass er uns in seinem Testament nicht die Freiheit geschenkt hatte, vergaß ich ihm nie!
    Was mich aber am meisten fuchste war, dass ich die letzte Nacht in der Villa Flavia nicht dazu genutzt hatte, mit Iduna und unserem ungeborenen Kind zu fliehen. Die Chance war vertan. Missmutig hatte ich mich an das Leben bei unserem neuen Dominus gewöhnt. Tja, bei dem Germanicer war eben alles eine Nummer kleiner und einfacher. Aber das hatte mir nicht viel ausgemacht. Ich hatte dann auch relativ bald kapiert, dass er kein Unmensch war und uns trotz allem anständig behandelte. Außerdem gewährte er mir ab und an kleine Freiheiten, so wie heute. Nach getaner Arbeit hatte er mir gestattet, mich noch etwas länger in der Stadt aufhalten zu dürfen. Das hatte ich mir nicht zweimal sagen lassen. Zudem hatte ich auch noch einige Münzen in meinem Geldbeutel übrig. Eigentlich wollte ich ein paar Becher in einer Taberna zu leeren. Doch dann hatte ich mich doch besonnen und dachte wieder an Iduna und das Kind. Also entschloss ich mich, ihr ein Geschenk zu besorgen. Etwas, das ihre Schönheit noch mehr zur Geltung bringen sollte.


    Ich schlenderte so über den Markt, auf der Suche nach etwas Schönem, was aber auch erschwinglich sein sollte. Wie sich aber herausstellte was diese Mission schwieriger als gedacht. Als mir die Sucherei schon langsam überdrüssig wurde, sah ich etwas. Nein, kein Schmuckstück. Auch kein Haarband, keinen Gürtel und schon gar keine Tunika. Was ich sah war braunhaarig, blauäugig und ein paar Köpfe kleiner als ich. Sie war mir sofort aufgefallen und mein Blick folgte ihr. Ich weiß nicht genau, was es war, was mich an ihr so faszinierte, dass ich ihr folgen musste. Iduna und das Kind waren kurzzeitig aus meinem Kopf gelöscht, so als hätte sie es nie gegeben. Diese junge Frau hatte etwas, was mir den Kopf verdrehte. Alles um mich herum war nebensächlich geworden. Auch diese verdammte Kiste, die mitten in meinem Weg stand und über die ich lauthals fluchend stolperte. "Verfluchtes Ding! Muss dein Zeug hier unbedingt mitten auf dem Weg stehen?!", herrschte ich den Händler au. Allerdings blieb mein ärgerlicher Blick nicht lange auf dem Händler haften. Vielmehr suchten meine Augen nach ihr. Hoffentlich war sie jetzt nicht verschwunden!

    Bei meinen Beobachtungen war mir auch jener junge Römer aufgefallen, der am Tage unserer Versteigerung ebenfalls für uns geboten hatte. Wie sich nun herausstellte, befanden wir uns gerade in dessen Haus. Ob es nun ein Fluch oder ein Segen war, nicht von ihm gekauft worden zu sein, konnte ich nicht beurteilen. Am heutigen Tag war so ziemlich jeder in Feierlaune und das Joch der Sklaverei schien kurzzeitig von uns genommen zu sein. Nach dem Ende der Feierlichkeiten jedoch würde ich wieder das sein, was ich nun schon seit vielen Jahren war und all diese Römer hier nannten sich wieder die Herren der Welt.


    Währenddessen tat das Mulsum, was es tun sollte. Nachdem ich den Becher geleert hatte, verspürte ich tatsächlich etwas Appetit, Vielleicht sollte ich mich doch zur Tafel begeben, um einen Happen zu essen. Mit etwas Glück konnte ich dort auch ein Getränk ergattern, welches mir mehr zusagte. Doch bevor ich das tat, streifte mein suchender Blick noch einmal durch den Raum. Wo war Iduna?
    Selbst an einem Tag wie diesem versagte mein Pflichtgefühl nicht, mich um sie kümmern zu wollen. Ich fand die Germanin schließlich neben dem Germanicer stehen. Die beiden hatten sich unterhalten, doch nun schien sie nach mir Ausschau zu halten, was mich natürlich sofort dazu bewog, zu ihr zu gehen.
    „Ist alles in Ordnung, mein Herz?,“ fragte ich sie und sah dann kurz zu unserem neuen Herrn hinüber, nichts ahnend, dass er nach mir verlangt hatte.