Beiträge von Susina Alpina

    Alpina schenkte Essig in den Becher und wartete ab, dass Licinius ihr einen Wink gab aufzuhören, dann füllte sie mit Wasser auf. Sie selbst bevorzugte eine sanftere Mischung.
    Als die Raeterin das Seufzen des Praefectus hörte lächelte sie.
    "Ja, das ist mein kleines Refugium, wenn ich mal alleine sein möchte. Der Hortus verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen. Hier kann ich Kräuter für meine Taberna Medica anbauen aber eben auch regenerieren, wenn mich die anstrengende Arbeit, die ich vor allem als Hebamme leist, erschöpft."


    Sachte nickend quittierte sie, dass Licinius sich über sie und die Casa Helvetia informieren wollte. Ein wenig wog sie ab was sie erzählen sollte. Dann begann sie.
    "Ja, der Frühling ist erfrischend und belebt die Geister. Selten ist mir ein Winter so lang und beklemmend vorgekommen wie dieser. Aber das hatte viele Gründe. Da war diese heftige Grippewelle, die auch die arme Esquilina so schlimm erwischt hatte und dann die schrecklichen Ereignisse rund um diesen Gurox."


    Alpina stockte. Sie blickte auf die spielenden Mädchen und wie süß Esquilina die Kleinere mitspielen ließ.
    "Ich vermisse Kaeso. Es war schön als er hier gewohnt und bei mir gelernt hat. Da war ich nicht so alleine." Wieder hielt sie inne und beobachtete Ursi. "Das ist jetzt ungerecht. Denn alleine bin ich ja nicht. Ich habe Ursi und Neman und dann natürlich noch Runa und Curio... ähm... Duccia Silvana und Helvetius Curio. Sie behandeln mich wie ein Familienmitglied und ich könnte mir keine besseren Freunde vorstellen. Aber es nagt schon am mir, dass ich nur Gast in diesem Haus bin. Du kennst die ganze Geschichte, nicht wahr? Du weißt, dass Ursicinas Vater, Helvetius Corvinus, seit beinahe drei Jahren nicht von einem Auftrag zurückgekehrt ist?"

    Alpina richtete auf dem Tisch im Kräutergarten die Becher für die Getränke her. Neman brachte Ursi, die vor Freude gleich drauflosplauderte. Schnell verschwanden die Mädchen zwischen den Kräuterbeeten und spielten dort fangen.
    Die Raeterin gab ihrem Besucher einen Becher.
    "Möchtest du Posca oder gemischten Wein? Ich bleibe bei Posca. Tagsüber werde ich von Wein immer so müde", erklärte sie Licinus.


    Dann sah sie ihren Besucher offen und freundlich an. "Du fragst was es neues gibt? Meinst du damit mich persönlich oder die Bewohner der Casa Helvetia im Allgemeinen?"

    Als Licinus erzählte, dass Lager ab und an zu eng wurde, konnte sie das verstehen. Es freute sie, dass der Soldat nicht nur der kleinen Esquilina wegen den Weg in die Cabanae eingeschlagen hatte. Sie wollte sogleich auf seine Fragen antworen als ihr auffiel, dass sie noch immer ungemütlich in der Taberna herumstanden.
    "Weißt du was, Licinus? Wenn du ein bisschen Zeit mitgebracht hast, dann könnten wir uns im Kräutergarten in die Frühlingssonne setzen und einen Becher Posca oder gemischten Wein trinken. Ich kann mich hier vertreten lassen und bei der Gelegenheit kann uns Neman Ursi bringen. Sie ist groß geworden. Beinahe drei Jahre ist sie nun schon alt. Möchtest du sie sehen, Esquilina? Du bist natürlich schon viel größer und vernünftiger als sie, aber vielleicht findet ihr doch etwas was ihr gemeinsam spielen könnt?"

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    Original von Norius Carbo: Er kam wieder zu Susina Alpina. Zu ihr gewandt sprach er: "Alpina, ich werde dich verlassen. Ich danke dir für deine Gastfreundschaft und ganz besonders für meine Pflege. Jedoch fiel ich dir schon lange genug zur Last und es ist an der Zeit für mich, herauszufinden, was die Götter von mir wollen. Ich denke, ich werde mich auf den Weg nach Italien machen und dort das Orakel von Cumae aufsuchen. Falls auch dieses mir nicht helfen mag, muss ich wohl weiterziehen nach Delphi oder sogar nach Kleinasien." Carbo unterbrach kurz und reckte die Schultern. "Jedenfalls, ich will aufbrechen und komme was wolle, ich werde den Willen der Götter herausfinden!"


    Die Kräuterfrau hörte, wie Carbo sich verabschiedete. Was er vorhatte klang gefährlich. Es war ein weiter Weg bis nach Cumae. Aber natürlich konnte sie verstehen, dass er Gewissheit über sein Schicksal haben wollte. Zu gut erinnerte sie sich an ihren Aufbruch ins Freie Germanien, wo sie nach ihrer Bestimmung und ihrem Schicksal gesucht hatte.
    "Mögen die Götter dich beschützen! Und wer weiß, vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Alles Gute, Carbo!"


    Für Alpina war die Verabschiedung eigentlich schon geschehen, als Runa plötzlich eine Eingebung zu haben schien. Schon einige Male hatte sie erlebt, dass die seherische Gabe ihrer Freundin durchbrach. Alpina lauschte gespannt. Der Atem stockte ihr als sie hörte, wie Runa dem Mann sagte er solle mit seiner Stimme und seinem Willen an die Macht streben. Meinte sie das ernst? Aufmerksam musterte die Raeterin Carbo. Hatte sie einen zukünftigen Machthaber vor sich?

    Sie hörte wohl die beruhigenden Worte Runas, die versuchte die Freundin zu beruhigen, doch die Angst wich nur langsam und nicht vollständig. Corvinus war fort. Er hatte sie und Ursi zurückgelassen. Wo auch immer er war, er war nicht bei ihr. Nicht an ihrer Seite.
    Wie gerne wollte Alpina glauben, dass sie für Runa und Curio zur Familie gehörte. Ja, dass sie eine Familie hatte. Kurzzeitig hatte sie gehofft mit Corvinus eine kleine Familie gründen zu können. Doch das schien in weite Ferne gerückt. Sie war erneut auf die Gnade anderer angewiesen, ob sie ein Dach über dem Kopf hatte.


    In Runas Armen fühlte sich Alpina wohl. Sie wollte einfach glauben, dass es so bleiben würde. Dass Curio und Runa für sie und Ursi die Familie bilden würden.
    "Danke, Runa!" hauchte die Raeterin und erwiderte die Umarmung.

    Die neugierigen Fragen der kleinen Esquilina ließen die Kräuterfrau schmunzeln.
    "Mir geht es gut, meine Kleine, und was ich mache? Jetzt gerade spreche ich mit einer meiner liebsten Patientinnen."


    Sie zwinkerte dem Mädchen zu. Dann wandte sie sich an Esquilinas Ziehvater, dessen angenehm tiefe Stimme sich zu Wort gemeldet hatte.
    "Salve, Iulius Licinus. Entschuldige, mal wieder hat Esquilina dir die Schau gestohlen. Und ihr stört mich doch nie! Kann ich etwas für euch tun?"


    Alpina sah von dem Praefectus Alae zu dem kleinen Mädchen und wieder zurück.

    Wie so häufig mischte Alpina in dem kleinen Raum hinter dem Verkaufsraum der Taberna Medica eine Salbe als sie Runas Stimme ihren Namen rufen hörte.
    "Ich komme gleich!", antwortete sie und wischte sich zunächst die Hände an ihrer Schürze ab. Dann betrat sie den Verkaufsraum. Runa war mit Curio gekommen. Sie sah unsicher aus. Deshalb kam sogleich Alpinas sorgenvolle Frage.
    "Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst blass aus!"

    Die tiefe Männerstimme, die von der Eingangstür der Taberna Medica herschallte stand in scharfem Kontrast zu dem fröhlichen Kinderlachen, das sie begleitete. Alpina drehte sich lächelnd um. Sie erkannte sofort die beiden Menschen zu denen diese Stimmen gehörten. Iulius Licinus, der Praefectus Alae und seine Ziehtochter Esquilina.


    Alpina ging in die Knie und breitete die Arme aus, um mit dem Mädchen auf einer Höhe zu sein.
    "Esquilina, mein Goldschatz! Wie schön dich zu sehen!"


    Die schloss das Mädchen in die Arme und herzte sie. Dann hielt sie Esquilina wieder ein Stück von sich weg und betrachtete sie genau.
    "Gut siehst du aus! Geht es dir auch wirklich gut?"

    Alpina blieb nicht lang ohne Bewusstsein. Nach einer Weile drangen die aufgeregten Rufe ihrer Freundin zu ihr durch. Sie schlug die Augen auf. Auf der feuchten Wiese liegend, blickte sie in den blauen Himmel und fragte sich nach dem Grund ihrer Ohnmacht.
    Was konnte es schon sein? Schwanger war sie sicher nicht. Es musste an der in Runas Aussage liegenden Wahrheit gelegen haben, die Alpina zwar schon länger ahnte, sich aber nicht eingestehen wollte. Corvinus hatte sie und Ursi verlassen. Ihr blieb nichts als das Kind und das Honigversteck im Wald. Wenn Curio es wollte, konnte er sie jederzeit vor die Tür setzen, den Alpina hatte keine Rechte an der Casa Helvetia. Sie war nur die abgelegte Geliebte seines Bruders.


    Langsam begannen die Tränen zu fließen. Heiß rollten sie über Alpinas Wangen.

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    Original von Phryne: Bist du wahnsinnig? Willst du mich töten? Phryne versuchte sich aufzusetzen, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Sie hatte immer gewusst, dass ihr die Raeterin missgünstig war, seitdem sie diese kennengelernt hatte. Jetzt hatte dieses elende Kräuterweib die Gelegenheit sich an ihr zu rächen. Und sie würde es tun. Nachdem der Trank Phryne nicht getötet hatte, versuchte es die Hebamme anders. Der Schauspielerin stand die Angst in den Augen. Nein! Neeiiin!!!


    Wollte sie Phryne töten? Das ein oder andere Mal war Alpina der Gedanke sicherlich gekommen. Jetzt aber sah die Hebamme nur ihre Aufgabe.
    "Wenn ich nichts unternehme, wirst du sterben, Phryne! Und nun halt still, damit ich meine Arbeit machen kann!"


    Ungerührt machte sich Alpina ans Werk. Sie kniete sich vor Phryne und schob das Speculum bis vor den Muttermund. Dann schraubte sie am Gewinde bis sie auf den Gebärmuttermund sehen konnte. Sie griff sich den Ring mit dem gebogenen Messerchen und legte ihn so an, dass die Schneide in ihrer Handfläche verborgen blieb. So konnte sie das Instrument einführen ohne die empfindliche Schleimhaut zu verletzen. Tastend und im Schein der Lampe leidlich sehend schob Alpina die Hand vor. Sie erfühlte die Reste der Plazenta, die sich noch nicht von der Gebärmutterwand gelöst hatten. Zunächst drehte sie den Ring so, dass das Messer zum Einsatz kommen konnte, dann schabte sie vorsichtig die Gebärmutterwand ab. Phryne schrie und machte es Glaucus schwer, sie zu halten.


    Nach einer Weile zog sie die Hand zurück und griff nach einer Schweineblase, die sie mit einem abgekühlten Blutwurzsud füllte. Sie spülte den Uterus. Blutige Schleimhautfetzen und Blutklumpen quollen hervor. Alpina entfernte das Speculum und wies Glaucus an, Phryne aufzusetzen, damit sich der Uterus möglichst vollständig entleerte. Die Schauspielerin sah zum Erbarmen aus. Das Gesicht von Schmerz und Angst verzerrt, winselte sie um Gnade.


    Alpina entschied sich ihr eine Mischung aus Schlafmohn und Bilsenkraut zu verabreichen. In Wein gelöst nahm es ein wenig die Schmerzen und beruhigte. Als die Wirkung einsetzte, setze Alpina ihre Arbeit fort. Nach einiger Zeit legte sie das Messerchen weg und spülte erneut. Zufrieden nickte sie und löste das Gewinde des Speculums.


    Das Schlafzimmer der Libertina glich einem Schlachtfeld. Blutbesudelte Decken und Kissen, der Boden schwamm von einer Flüssigkeit versetzt mit blutigen Klumpen. Die blutbefleckten Instrumente lagen daneben. Die Raeterin atmete erleichtert auf. Sie hatte alles in ihrer Macht stehende getan um Phrynes Leben zu retten. Den Rest mussten die Götter richten.
    Während sie ihre Instrumente reinigte und einpackte, reinigten Korone und Glaucus gemeinsam das Cubiculum. Nicht ohne Korone Instruktionen zu geben, wie sie Phryne versorgen sollte, verließ die Hebamme die Schauspielerin, die im Dämmerschlaf der Mohntränen nur unzusammenhängend brabbelte.

    Alpina hörte zu. Ab und an nickte sie. Ja auch sie war der Meinung, dass Curios Verhalten Kaeso in die Arme dieser Lupa getrieben hatte.
    "Ja, was Kaeso betrifft, denke ich, dass Curio zu hart mit ihm war. Er ist ein unerfahrender junger Mann, aber durch und durch aufrichtig. Nun haben wir ihn verloren. Wer weiß was aus ihm wird. Ich hoffe nur, dass ihm die Ausbildung bei dem Chirurgicus Balbus hilft bald von Phryne unabhängig zu werden. Finanziell und emotional."


    Dann aber begann sich das Gespräch zu drehen. Atemlos lauschte Alpina Runas Einschätzungen zu Corvinus. Sie glaubte also, dass er sich eine Andere gesucht hatte? Wie der Stich einer glühenden Messerklinge fuhr ein Schmerz in die Brust der Raeterin. Unbewusst krümmte sie sich. Sie wollte nicht hören, was Runa sagte. Hatte es ihr eigener Vater nicht genauso gemacht? Hatte er nicht behauptet versetzt worden zu sein, um seine Frau und die zwei Töchter in Augusta Vindelicum sitzen zu lassen? Alpina keuchte. Wie durch einen Nebel hörte sie, dass Curio seinen Bruder verteidigt hatte und dann seine eigene Frau aus dem gemeinsamen Schlafzimmer vertrieben hatte. Ihr wurde schwarz vor Augen. Die Knie gaben nach und Alpina sank neben der Freundin zu Boden.

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    Original von Phryne


    Phrynes "Tu was! Sofort!" klingelte in Alpinas Ohren. Dazu der Schmerzensschrei. Diese Frau dort litt. Es war ihre Pflicht ihr zu helfen auch wenn es die verhasste Phryne war. Alpina riss sich zusammen und besann sich ihrer Aufgabe. Sie schickte Korone los, Glaucus zu holen. Alle Hände würden gebraucht werden. Währendessen holte sie ein martialisch wirkendes Gerät aus ihrem Korb - ein Speculum. Es sah aus wie eine Zange bestehend aus zwei Löffeln, die mithilfe eines Schraubgewindes auseinandergespreizt werden konnten. Damit würde sie die Vagina und den Muttermund weiten, um in die Gebärmutter vordringen zu können. Dazu legte sie sich ein eigentümliches Werkzeug parat: ein Ring an dem ein kleines sichelförmiges Messer angebracht war. Ein Gefäß mit Essigwasser, mehrere Schwämme und Tücher komplettierten die Materialien die die Hebamme für den Eingriff benötigte.


    Nach Alpinas Verdachtsdiagnose waren bei der Fehlgeburt, die Phryne mit dem Trank ausgelöst hatte, Teile der Plazenta in der Gebärmutter zurückgeblieben. Diese verursachten die Blutung und auch die fieberhafte Entzündung. Der Uterus musste ausgeschabt werden, wenn Phryne überleben sollte. Es stand Spitz auf Knopf. Das Leben der Libertina war in Gefahr.


    Als Glaucus angekommen war und es übernahm Phryne festzuhalten und ihre Beine weit zu spreizen, wies die erfahrene Hebamme die Sklavin an, ihr das Licht so nah wie möglich an den Unterleib Phrynes zu halten, damit sie gut sehen konnte. Eine gezielte Griffe zum Überprüfen ihrer Verdachtsdiagnose reichten aus um diese zu bestätigen. Einen Augenblick lang überlegte Alpina, ob sie Phryne ein Schmerzmittel geben sollte, entschied sich dann aber aus pädagogoschen Gründen dagegen. Eine Abtreibung war keine Kleinigkeit. Die Freigelassene sollte schmerzhaft erfahren, dass man damit nicht so leichtfertig umging. Und wenn die Schmerzen zu schlimm wurden, konnte sie immer noch einen Schlafmohntrank bereiten.


    Sie nahm das Speculum in die Hand. Mit ernstem Blick wandte sie sich an Phryne.
    "Ich muss eine Ausschabung vornehmen, Phryne. Es wird jetzt gleich weh tun."


    Ihre Stimme war fest und im Tenor unerbittlich. Die Libertina hatte keine Wahl.

    Sie erreichten die Casa Acilia mitten in der Nacht. Während die Stadt in entspannter Stille auf den kommenden Morgen wartete, empfing das Haus der Schauspielerin die beiden Frauen mit einer ungewohnen Unruhe. Noch bevor sie klopfen konnten öffnete Glaucus die Pforte. Durch die Gänge des Hauses hörte man Phryne schreien und weinen. Alpina legte noch einen Zahn zu. Keuchend betrat sie das Schlafzimmer der Libertina. Sie stellte ihren Korb mit den Behandlungsutnesilien ab und eilte ans Bett. Deutlich erkennbar standen Schweißperlen auf Phrynes Stirn, hochrote Wangen deuteten Fieber an. Die Schauspielerin krümmte sich vor Schmerzen.
    "Hier bin ich, Phryne. Du hast Fieber, das sehe ich. Welche Beschwerden sind sonst da?"

    Völlig übernächtigt, mit wirrem Haar und nur einen einfachen Mantel übergeworfen öffnete Alpina die Tür zur Taberna Medica. Korone, die Leibdienerin der verhassten Phryne stand dort und rief aus, was die Hebamme bereits befürchtet hatte. Die Abtreibung war nicht folgenlos geblieben. Nun war schnelle Hilfe angesagt.
    "Ich ziehe mich an und hole meine Sachen. Warte hier."


    Wenig später eilten die beiden Frauen in Begleitung eines Leibwächters von der Casa Helvetia zur Casa Acilia

    Während das Paar die Ankunft ihres jüngsten Sprosses in trauter Zweisamkeit genossen, war Alpina mit dem Aufräumen und Reinigen des Wochenbettes beschäftigt. Als sie beiläufig hörte, dass Octavena die Vergebung des Namens auf später verschob, mischte sie sich räuspernd ein.
    "Hmmm, natürlich könnt ihr die Überlegungen für einen passenden Namen noch verschieben. Was sich allerdings nicht verschieben läßt, ist das Aufheben des Kindes. Nach römischer Sitte ist es üblich, dass du damit deinen Sohn anerkennst, Duccius Marsus. Willst du dies nur in meiner Gegenwart machen? Sollen wir noch Zeugen holen oder willst du auf diesen römischen Brauch verzichten?"


    Alpina sah das Oberhaupt der Duccier auffordernd an. Sie erlebte nur noch selten, dass Elternpaare, selbst wenn sie sich einem der Volksstämme der Germanen zurechneten, nach einer Geburt auf das "tollere infantem" verzichteten. Denn auch in der germanischen Tradition war die Anerkennung eines Sohnes eine wichtige Angelegenheit.
    "Ansonsten würde ich euren Sohn nämlich jetzt gerne baden und wickeln."

    Entsetzt weiteten sich Alpinas Augen. Runa und Curio hatten sich gestritten? Womöglich ihretwegen? Und Runa war ausgezogen? Bei Fortuna, was waren denn das für schlimme Neuigkeiten?! Curio hatte Runa aus dem gemeinsamen Schlafzimmer geworfen?
    Es dauerte eine Weile bis die Einzelheiten des Streits in Alpinas Gehirnwindungen gefunden hatten. Es war um Corvinus gegangen? Ja, warum in aller Götter Namen, stritten sich die beiden über Corvinus? Das Kaeso ein Zankapfel war konnte Alpina ja noch verstehen, aber warum denn Corvinus?


    Noch bevor sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, faselte der Germane etwas von einer Tracht Prügel, die Curio seiner Frau verpassen sollte. Und als Alpina vehement widersprechen wollte, schob Thorgall nach, dass seine Mutter ebenso von ihrem Mann so misshandelt worden war und Runa auch schon. Alpina hielt sich die Ohren zu.
    "Hör auf damit, Thorgall, Schluß! Ich will das nicht hören! Kein Mensch wird durch eine Tracht Prügel vernünftig! Oder eines Besseren belehrt! Niemals, nur durch Nachdenken und intensives Diskutieren der Vor- und Nachteile, durch das Betrachten der Sichtweisen aller Beteiligten kann man eine weise Entscheidung treffen! Nicht wahr, Acanthos? Da pflichtest du mir sicher bei, oder?"


    Mit flehendem Blick versah sie den Makedonen.

    Die ungewohnte Schweigsamkeit ihrer Freundin machte Alpina nervös. Was war der Grund für Runas Flucht aus der Casa Helvetia? Hatte es etwas mit ihr zu tun? Acanthos Aussage, dass es in dem Streit des Ehepaares um Kaeso und Corvinus gegangen war, sprach dafür.
    Während sie zunächst schweigend nebeneinander hergingen, überlegte die Raeterin, wie sie anfangen sollte.
    "Runa, ich will eigentlich nicht mit der Tür ins Haus fallen, aber ich bin gestern zufällig in ein Gespräch von Acanthos und Thorgall geplatzt... sie unterhielten sich über deinen überstürzten Ausszug aus der Casa Helvetia. Ich bin furchtbar erschrocken! Runa, hat das mit mir zu tun? Bin ich schuld am Streit zwischen dir und Curio? Acanthos deutete da so was an..."