Beiträge von Susina Alpina

    Traurig sah Alpina den Centurio an. Er war so tief verletzt, dass er die Wirklichkeit nicht mehr sehen wollte. SIe merkte, dass sie ihn so nicht erreichen würde. Vielleicht würde es besser werden, wenn er erst einige Tage ohne die psychoaktiven Substanzen war.


    "Verstehst du nicht? Ich kann dir nicht länger diesen Wein geben Ich kann es nicht verantworten, dass du eine Überdosis nimmst oder dich ruinierst, wenn du dauerhaft unter dem Einfluss dieser Droge bist. Du beginnst deinen Körper zu vernachlässigen... sieh selbst, wie stark du abgenommen hast und welche Augenringe du hast... das geht so nicht weiter. Und was unsere Vereinbarung angeht... ich gebe dir Leonides zurück. Damit ist unsere Vereinbarung nichtig."
    Sie atmete tief durch: "Corvinus, bitte, bedenke: deine Reaktionsfähigkeit ist eingeschränkt unter dem Einfluss der Mandragora. Wenn du in einen Kampf verwickelt wirst, könnte das schlimme Folgen haben...."


    In diesem Moment kam ihr ein Gedanke.


    "Oder ist es das, was du willst? Ein Suizid auf Raten? Eine gute Gelegenheit, dich davonzumachen?"

    Alpina musste feststellen, dass er sie nicht verstanden hatte. Es ging nicht um heute, es ging um zukünftig! Immerhin reagierte er ruhig und besonnen. Nun denn, sie würde wohl eine Erklärung folgen lassen müssen.


    "Ich meine nicht, dass ich dir heute keinen Mandragorawein geben werde... ich meine von nun an nicht mehr... nicht heute, nicht morgen und auch in Zukunft nicht... außer in begründeten Notfällen. Die Mandragora oder Alraune ist eine Heilpflanze aus dem Mittelmeerraum. Sie enthält Substanzen die beruhigen, Schlaf und Träume fördern. In höheren Dosen verstärkt sich die Wirkung zunächst. Das heißt, die Traumwirkung nimmt zu bis hin zu Wahnvorstellungen oder die Schläfrigkeit steigert sich bis zum Delir. Eine weniger schlimme Nebenwirkung ist die Trockenheit der Schleimhäute und die bei dir deutlich sichtbare Mydriasis, die Weitung der Pupillen und damit eine Blendempfindlichkeit. Wenn du allerdings viel zu viel davon einnimmst, kann sie Atemlähmung und den Tod verursachen... soweit die körperlichen Symptome. Ich habe dir diesen Trank gegeben, um dir über deinen schweren Verlust hinwegzuhelfen. Es war deutlich wie sehr du leidest... noch immer leidest. Keiner kann das besser verstehen als ich.."


    Sie hielt inne und schluckte.


    "Doch das ist keine Dauerlösung. Du flüchtest vor der Realität, versteckst dich in deinen Träumen... vergisst, dass es noch eine Welt um dich herum gibt, die durchaus ihre Reize hat, wenn man sie sehen kann und will. Lass es mich auf eine Art und Weise erklären, die du vielleicht verstehst... du hast eine Schlacht verloren, das tut weh... aber es bringt nichts, diese Schlacht wieder und wieder durchzukauen und nachzuspielen... während du noch beschäftigt damit bist, dieser verlorenen Schlacht nachzutrauern... tut sich vielleicht längst ein neuer Kampfplatz auf. Wenn du nicht aufpasst, dann verlierst du diese Schlacht auch noch.... anstatt die wohlverdiente Beute heimzuschleppen..."
    Sie war gespannt wie er mit so viel Metaphorik klar kommen würde...

    Ich bin sicherlich noch nicht lang genug dabei um mir eine repräsentative Meinung bilden zu können. Über den Ton meiner ID gegenüber oder in PN kann ich nicht klagen, im Gegenteil. Da habe ich die besten Erfahrungen gemacht.
    Ein wenig Zickenkrieg in den Postings ist ja auch mal ganz erfrischend und bringt ein wenig Salz in die Suppe. Was mir aber schon auffällt, ist die Solidarisierung gegen einzelne ID´s. So auch beobachtet in Mogontiacum. Obwohl es dort sonst wirklich sehr nett zugeht und ich mich sehr gut eingelebt habe (herzlichen Dank nochmal an alle ID´s dort, v.a. Curio und Corvinus, aber auch alle anderen...), stelle ich fest, dass man sich sehr schnell auf den ein oder anderen einschießt und dann ausgrenzt. Vorsicht!
    Würdet ihr in RL auch nicht gerne haben, oder?


    Vielleicht würde es ja helfen, wenn man so etwas auch direkt in PN anspricht, bevor man über eine ID herfällt... sicher keine schlechte Idee. Oder wir sollten die allgemeinen SimOff Möglichkeiten, wie diesen Beitag, mehr nutzen, Differenzen zu klären.


    Auch ein "Bussi-Smily" wäre dringend angebracht, wie ich feststellen musste, fehlt es nämlich! Vielleicht können auch Kleinigkeiten das Klima verbessern. :D

    Alpina sah von ihrer Buchrolle auf, in die sie vertieft gewesen war. Als sie erkannte, dass Corvinus die Taberna Medica betreten hatte, stand sie schnell lächelnd auf. Sie freute sich über den Besuch des Centurios.


    Als er jedoch dann den Grund seines Besuchs sagte, sank ihr das Herz. Sie wusste, dass sie ihm so kurz nach dem Abend der Geständnisse, ein weiteres Mal eine unangenehme Wahrheit sagen musste. Sie hatte sich entschieden, ihm keine weiteren Flaschen mit Mandragorawein zu geben. Diese Medizin, die gefährliche Alkaloide enthielt, hatte sie ohnehin nur vorübergehend vorgesehen gehabt. Sie hatte gehofft, dass er mit Hilfe der schlaf- und traumfördernden Droge schneller über seinen Verlust hinwegkäme. Doch die Eröffnungen des vergangenen Treffens in der Casa Atia hatten ihr gezeigt, dass das Gegenteil der Fall war. Er hatte sich bereits zu sehr an die Droge gewöhnt und verdrängte gänzlich die Realität. Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und körperliche Auszehrung waren auch bereits zu erkennen. Alpina wusste, dass Mandragorawein eine ganze Reihe Nebenwirkungen hatte, von leichten, wie Mund- und Schleimhauttrockenheit über die Erweiterung der Pupillen bis hin zu Wahn und Delir bei Überdosierung. Im schlimmsten Falle konnte der übermäßige Genuss sogar eine Atemlähmung und damit den Tod verursachen.
    Es war also dringend an der Zeit, ihn auf Entzug zu setzten. Auch wenn sie Angst vor der Reaktion des großgewachsenen Centurios hatte. Sie umrundete ihren Tresen und kam ihm lächelnd entgegen.


    "Salve, Corvinus. Ich freue mich, dich zu sehen."


    Das entsprach absolut der Wahrheit, entsprechend selbstsicher trat sie auf. Ein Blick in seine Pupillen, zeigte ihr, dass er in der vergangenen Nacht offenbar den Mandragorawein genutzt hatte. Sie waren groß und dunkel. Alpina verlor sich in ihnen und musste sich zur Räson rufen. Jetzt oder nie.


    "Leider muss ich dir sagen, dass ich dir keinen weiteren Mandragorawein mehr geben kann."


    Jetzt war es raus. Ihre Stimme zitterte nur wenig, denn es war ihre feste Überzeugung, dass es notwendig war, dass er lernte die Realität anzunehmen und seinen Schmerz anzunehmen.
    Den Blick weiterhin auf seine schwarzen Pupillen gerichtet, wartete sie angstvoll auf die Reaktion des Centurios.

    Die Tür knarzte als Alpina sie aufschob. Interessiert betrachtete sie die Ausstattung des Raumes. An den Wänden reihten sich lange Regale mit Schriftrollen, davor standen die Schreibtische der Kopisten. Man hörte die Federn über die Papyri kratzen. Aus dem Hintergrund trat ein älterer Mann mit Philosophenbart hervor. Er musterte Alpina neugierig.


    "Wie kann ich dir helfen?", fragte er.


    Alpina hegte schon eine Weile den Wunsch, das ihr nur aus Erzählungen bekannte Stück des Aischylos über die Erinnyen also das "Die Eumeniden" betitelte Werk zu lesen. Vielleicht würde sie Erkenntnisse daraus ziehen können, die ihr helfen konnten, sich von den schrecklichen Träumen zu befreien. Also erklärte sie:


    "Salve. Ich suche nach einem Werk des Aischylos - "Die Eumeniden". Habt ihr das?"


    Der Alte sah sie zweifelnd an. "Kannst du es denn lesen? Es ist in Griechisch geschrieben."


    Alpina schüttelte den Kopf. "Ich kann sehr wohl lesen, aber ich hatte gehofft, dass ich es in einer lateinischen Übersetzung lesen könnte. Ich kann das Griechische zwar entziffern, aber es reicht nicht, um es gut genug zu verstehen."


    Der Mann nickte. Er schien überrascht zu sein, dass sie als offensichtlich nicht sehr reiche Frau lesen und sogar ein wenig Griechisch konnte.
    "Natürlich können wir dir eine lateinische Übersetzung anfertigen. Das würde eine gute Woche dauern. Doch...kannst du dir das leisten?"


    Alpina nickte und holte ihren Lederbeutel unter einer Falte der Tunika hervor.


    Der Alte schien beruhigt.
    "Gut. Dann kannst du das Buch Ende kommender Woche abholen. Wie ist dein Name?"


    "Susina Alpina, mir gehört die Taberna Medica Alpina im Vicus Apollinensis."


    Er hob den Blick. "So? Wärst du dann eventuell auch an medizinischer Fachliteratur interessiert? Ich habe hier das Werk des Celsus. Es sind mehrere Bände... allerdings nicht ganz billig..."


    Nur zu gerne hätte Alpina das bekannte Werk "de medicina" besessen, doch sie verkniff sich die Ausgabe. "Vielleicht komme ich bei Gelegenheit darauf zurück. Danke ersteinmal. Bis nächste Woche. Vale bene", verabschiedete sie sich.


    Sie war schon fast an der Tür als ihr noch etwas einfiel.
    "Kann ich bei dir auch Briefpapier kaufen und Tinte?"


    Der Ladeninhaber lächelte nun. "Selbstverständlich. Wieviele Bögen Papyrus brauchst du denn?"


    Alpina rechnete nach. Sie würde vier Briefe schreiben müssen. Aber sie nahm lieber gleich mehr Bögen mit.
    "Gib mir 7 Bögen und ein Tintenfass, bitte."


    Gleich kam ein Sklave angelaufen und packt ihr die Sachen ein. Alpina zahlte und verabschiedete sich nun endgültig.

    Fadius erwiderte den Trinkspruch. Als er den Becher abstellte musterte er Alpina neugierig.


    "Nun erzähl mal was von dir", forderte er sie auf. "Hast du Familie hier?"


    "Familie?" Äh..." Alpina stockte, sie hatte ihre Mutter in Augusta Vindelicum vor Augen und wollte schon "nein" sagen. Doch dann vielen ihr Curio und Corvinus ein, die beiden Helvetischen Brüder, die schon beinahe ihre Familie geworden waren. "naja, wie man es nimmt..."


    Die Lachfältchen vertieften sich als er grinste. "Schon gut. Ich habe verstanden."


    Fadius dachte wohl, dass sie im Konkubinat mit einem Mann zusammelebte. Sie beließ ihn in dem Glauben. Falls sie tatsächlich mit ihm reisen würde, konnte es für sie von Vorteil sein, wenn er glaubte, dass sie liiert war.


    "Und du, Fadius? Hast du Familie?", fragte sie ihn.


    Er grinste jetzt wieder. "Nein. Aber in den Cabanae gibt es eine Wirtin, die mir nicht nur ihr Zimmer vermietet, wenn du verstehst, was ich meine..."
    Alpina verstand. Sie nickte nur. Fadius aber fuhr fort: "Du kannst mich da ja mal besuchen kommen, wenn du magst. Sie hat sicher nichts dagegen."
    Als er sah, dass Alpina rot wurde, weitete sich sein Grinsen zu einem scheppernden Lachen.


    Sie trank ihren Wein aus und stand auf.
    "Danke für das Angebot, Fadius. Ich fürchte, ich muss jetzt gehen. Ich habe noch ein paar Erledigungen zu machen. Vielen Dank noch einmal für deine Hilfe und den Wein. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft. Vale"


    Er sah sie nachdenklich an, als sie sich so schnell verabschiedete, erwiderte aber ihren Gruß.
    "Vale, Alpina. Mögen die Götter dich schützen!"

    Es dauerte eine Weile bis Alpinas Hände zu zittern aufhörten. Sie umklammerte den Becher mit gewärmtem, gemischtem Wein und sah ihr Gegenüber an. Fadius war vielleicht Mitte 30. Die mittelblonden Haare trug er schulterlang. Man sah tiefe Geheimratsecken. Kleine Lachfältchen zeigten an, dass er Humor hatte.


    "Was meinst du, Fadius? Wird es zum Bürgerkrieg kommen?", fragte Alpina ihn leise.


    Er zuckte die Achseln. "Was weiß ich... ich bin kein Miles. Mir ist in erster Linie wichtig, dass es an den Grenzen zum Barbaricum ruhig bleibt. Sonst ist das schlecht für meine Geschäfte."


    Alpina hob die Augenbrauen.
    "Treibst du Handel mit den Germanen?"


    Fadius nickte. "Auch. Ich bringe verschiedene Güter in die Grenzkastelle entlang der Limites und nehme von den dortigen Märkten Waren mit, die aus dem Barbaricum kommen. Die verkaufe ich hier wieder."


    Was für ein günstiger Zufall! Alpina hatte jemanden getroffen, der sie vielleicht ein Stück mitnehmen konnte, wenn sie ins Barbaricum reisen wollte. Sie hatte diese Option immer noch im Hinterkopf auch wenn Corvinus und Curio versuchten, sie davon abzuhalten.


    "Wann wirst du wieder abreisen?", fragte sie neugierig.


    Der Händler kratzte sich am Kopf. "Nun, das Wetter wird langsam besser. Aber davon alleine hängt es jetzt ja nicht mehr ab. Ich muss erst abwarten, wie sich die Lage entwickelt."


    Alpina nickte. Sie bohrte weiter: "Hast du hier einen Laden?"


    Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich verkaufe meine Waren auf dem Forum oder an einige Ladenbesitzer und die Tempel. Daher kenne ich auch den Aedituus."


    Er kannte also Curio... das erklärte, warum er ihr geholfen hatte...
    Ihre Hände hatten aufgehört zu zittern. Sie hob den Becher und prostete dem Händler zu.


    "Auf die Friedensgöttin Pax. Möge sie uns gewogen sein!"

    Als neben ihr eine Frau stürzte und fast von anderen nach vorne drängenden Menschen niedergetrampelt wurde, bekam auch Alpina Angst. Der Mann, der sie am Arm führte, ließ sie keinen Moment lang los, half mit der anderen Hand jedoch der Frau wieder auf die Beine. Sein Griff an ihrem Arm wurde fester, er schob sie nachdrücklicher um die nächste Straßenecke. Im Schutz mehrerer Häuser mit Kolonaden, unter deren Vorbauten sich Läden öffneten, lockerte er seinen Griff. Hier war das Gedränge geringer. Alpina atmete auf.
    Der Mann lächelte sie freundlich an und entblößte dabei einige äußerst schiefe Schneidezähne.


    "Mein Name ist Fadius. Ich bin Händler. Und wie heißt du?"


    Alpina atmete erleichtert auf. SIe war ihm dankbar für seine Hilfe.


    "Mein Name ist Alpina. Ich bin Hebamme und Kräuterfrau. Mir gehört die Taberna Medica Alpina. Danke für deine Hilfe, Fadius. Es wurde wirklich gefährlich dort vor der Curia."


    Fadius nickte. "Gut, dass wir da raus sind. Es wird ohnehin nicht viel mehr an Informtionen geben. Kaum für uns einfache Leute. Das bleibt sicher unter den Magistraten. Darf ich dich auf einen Becher Wein einladen?", fragte er.


    Alpina sah sich ratlos um. Doch nirgendwo waren Curio und Runa auszumachen. Also zuckte sie mit den Schultern und lächelte. "Gerne."


    Fadius nickte und ging voraus. Nur wenige Häuser weiter gab es eine einfache Caupona.

    Entsetzt hörte Alpina die Worte des Duumvir. Der Kaiser war tot.
    Ihr Blick traf den Curios. Beide schienen den gleichen Gedanken zu haben. Beide sorgten sich darum, dass Corvinus erneut in einen Bürgerkrieg ziehen musste.


    Doch bevor sich Alpina mit Curio austauschen konnte, welche möglichen Folgen die Nachricht haben könnte, brach Unruhe aus. Nicht nur die Kommentare der Umstehenden wurden hektischer, es begann auch ein Schieben und Drücken. Curio rief ihr und dem Mann, der sich neben ihr postiert hatte, etwas zu, das sie im allgemeinen Tumult nicht recht verstand. Während sich der Aedituus mit Runa gemeinsam einen Weg durch die Menschenmenge bahnte, nahm der Mann ihren Oberarm und dirigierte sie an den Rand des Geschehens.

    Hart kam Alpina auf dem Boden vor dem Hinterausgang des Lupanars auf. Die Kühle des Morgens brachte sie schnell wieder zu Bewußtsein. Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Alpina hatte nicht vor noch einmal dieses Gebäude zu betreten, sie wollte auf dem schnellsten Wege zurück zur Casa Atia. Ihre rechte Gesichtshälfte war taub und spannte. Auch ohne sie zu sehen, konnte Alpina ahnen, dass sie zuschwoll. Sie zog also die Palla tief ins Gesicht und hastete durch diverse kleine Gassen heimwärts.

    Alpina wollte sich umdrehen, doch sie kam nicht mehr dazu. Ein behaarter, muskulöser Arm legte sich von hinten um ihre Kehle und zog sie brutal zurück. An einen massigen Körper gepresst, versuchte Alpina Luft zu bekommen. Sie versuchte zu schreien, bekam aber nur ein Gurgeln heraus. Verzweifelt und wütend grub sie ihre Fingernägel in die behaarten Arme. Ihre Hacke trat nach hinten aus. Sie traf das Schienbein des Kolosses. Kurzfristig lockerte sich der Griff. Sie holte tief Luft und versuchte sich zu befreien. Doch vergeblich.
    Der brutale Muskelberg fluchte und machte einen abrupten Schritt vorwärts. Hart traf Alpinas Kopf auf die Wand neben ihr. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihre rechte Gesichtshälfte, Taubheit breitete sich über die Augenbraue abwärts zum Jochbein aus. Sie gab ihren Widerstand auf.


    "Was soll ich mit ihr machen?", fragte der Kerl die ältere Lupa.


    Alpina sah Julia nicht. Sie hörte nur die Antwort.


    "Ich denke, das reicht erst einmal. Sie weiß jetzt, dass sie hier nicht frech werden braucht."


    "Und was, wenn sie wirklich den Aedilis auf uns hetzt?"


    Wieder vernahm Alpina Julias Stimme. Sie klang drohend. "Das wird sie nicht. Wir wissen wo sie wohnt. Hörst du, Alpina. Wenn du uns verpfeifst, werden Ursus und ein paar seiner Freunde dich besuchen können. Hast du verstanden?"


    Alpina sagte gar nichts. Sie konnte auch nicht, solange sie der Muskelberg im Schwitzkasten hatte. Es schien aber auch so, als erwartete Julia keine Antwort.


    Nocheinmal traf Alpinas Kopf auf die Wand zur Rechten. SIe sackte in sich zusammen. WIe durch einen Nebel spürte sie, wie sie hochgehoben und fortgetragen wurde.

    Alpina hatte Runa entdeckt. Sie umarmte sie zur Begrüßung, wobei sie darauf achtete, dass Runa ihr nicht in die Augen sehen konnte, damit sie nicht erkannte, in welch desolatem Zustand sie an diesem Morgen war.


    DIe Worte der Discipula klangen nicht weniger beunruhigend, als die Curios. Doch solange keine offizielle Verlautbarung kam, würden sie wohl ratlos bleiben.


    "Salve Runa! Das klingt ja schon irgendwie brisant, oder?"

    Alpina war an diesem Morgen, dem Morgen nach der schwierigen Unterhaltung zwischen ihr und den beiden Helvetischen Brüdern, unterwegs, um ein paar Besorgungen zu machen. Die Palla hatte sie tief ins Gesicht gezogen, damit man ihre rotgeweinten Augen und die geschwollenen Lider nicht sah. Sie brauchte Olivenöl, Wachs und Schweineschmalz für ihre Salben und Balsame. Da sah sie einen riesigen Meschenauflauf vor der Curia. Neugierig näherte sie sich. Die geflügelte Fama schien wispernd durch die Reihen zu huschen und die Gerüchteküche anzuheizen. Als sie Curio in dem Gedränge erblickte, schob sie sich zu ihm vor.


    "Was ist der Grund für diese Menschenmenge? Gibt es schlechte Nachrichten? Überfälle der Germanen oder Preiserhöhungen?"


    Sie dachte zunächst an die Dinge, die sie persönlich betreffen würden. Unruhen verursacht von germanischen Horden würden ihre Reisepläne vereiteln und Preissteigerungen waren immer schlecht.

    Alpina ging den Gang mit den vielen kleinen Kammern entlang, als sich eine der Türen öffnete. Julia trat heraus. Die ältere Lupa erkannte Alpina und grüßte sie.
    "So, du bist noch einmal gekommen. Eigentlich war es nicht mehr nötig. Es geht Agnodice wieder gut. Sie kann wieder arbeiten."


    Die Kräuterfrau baute sich vor der Lupa auf. Sie stemmte die Hände in die Taille.
    "Ob sie "arbeiten" kann, werde ich nicht zu entscheiden haben. Ich erwarte allerdings heute meinen Lohn für meine geleisteten Dienste: für drei Hausbesuche, die Notfallbehandlung, die Kräutermischungen für Tränke und Sitzbad und die Heilsalbe."


    Julia hob die Augenbrauen. "Und? Da solltest du dich an Agnodice wenden. Schließlich hat sie ja von deiner Behandlung profitiert. Sie wird dich aus ihrem Ersparten entlohnen müssen."


    Alpina kam die Galle hoch. "Die arme, geschundene Agnodice, das Opfer physischer wie mentaler Gewalt soll für die Folgen einer ihr zugefügten Misshandlung zahlen? Soweit kommt es noch! Ich will ja noch glauben, dass sie zuviel von dem mit Weinraute versetzten Wein getrunken hat. Aber sie hat sicher nicht die andere bewußtseinsverändernde Substanz zu sich genommen und die Misshandlungen hat sie sich auch nicht selbst zugefügt. Für mich ist es eindeutig, dass man sie gefügig gemacht hat, weil sie einen Freier nicht bedienen wollte. Vielleicht wollte sie überhaupt nicht mehr die Beine breit machen. Vielleicht war das der Grund für den übermäßigen Weinkonsum..."


    Alpina war ohne es selbst zu merken zunehmend lauter geworden. Und was sie auch nicht bemerkte, war, dass sich ihr von hinten ein großer, breitschultriger Mann näherte. Sie war jetzt so richtig in Rage.
    "Wenn ich nicht gleich mein Geld bekomme, werde ich dafür sorgen, dass der zuständige Aedilis von den unhaltbaren Zuständen in diesem Lupanar erfährt!"


    Zu spät sah sie am Blick Julias, der an ihr vorbei ging, dass sich hinter ihr jemand befand.


    "Brauchst du Hilfe?", fragte eine tiefe Stimme drohend. Julia nickte.

    Zum dritten Mal machte sich Alpina auf den Weg ins Lupanar. Wieder versuchte sie früh dort zu sein und wie schon beim letzten Mal konnte sie ungehindert eintreten. Schnell bewegte sie sich auf das Zimmer von Agnodice zu. Sie klopfte an und als von drinnen die Aufforderung kam, einzutreten, öffnete sie die Tür. Die junge Lupa stand vor ihrer Waschschüssel und warf sich Wasser ins Gesicht. Als sie sah, wer gekommen war, lächelte sie.


    Alpina freute sich zu sehen, dass es Agnodice besser ging. Die bewußtseinsverändernden Stoffe waren offenbar soweit ausgeschieden und neutralisiert worden, dass ihr Geist wieder klar war.
    "Ich freue mich zu sehen, dass es dir gut geht, Agnodice. Erkennst du mich? Ich bin Alpina und habe mich in den vergangenen Tagen ein wenig um dich gekümmert. Kannst du mir sagen, was du zu dir genommen hattest, bevor es dir so schlecht ging?"


    Agnodice schüttelte den Kopf. "Ich kann mich an gar nichts erinnern. Weder an den Tag als es passierte noch an die vergangenen Tage. Aber ich erinnere mich an dein Gesicht."


    Alpina nickte. Sie hatte es befürchtet. "Wie steht es mit der Blutung?", fragte sie.
    "Die ist fast weg. Es geht mir gut."
    Es war erfreulich das zu vernehmen. Alpina deutete auf ihre Oberschenkel. "Ich habe dir eine Heilsalbe gegen die blauen Flecken mitgebacht."


    Agnodices Miene verfinsterte sich. "Ach das, das ist nichts", versuchte sie zu beschwichtigen.
    "Wieso ist das nichts?", fragte Alpina weiter. "Du hast da ganz üble Hämatome. Die Folgen einer Vergewaltigung. Mir brauchst du nichts vormachen. Ich sehe das."


    Die junge Lupa sah erschrocken weg. Sie hatte wohl nicht geahnt, dass Alpina über Kenntnisse verfügte, die ihr den Grund der Verletzung verrieten.
    "Ich will dazu nichts sagen", hauchte sie und wandte sich wieder der Schüssel zu. "Danke für die Salbe. Aber jetzt ist es wohl besser, wenn du gehst."


    Alpina blieb zunächst stehen und wartete, ob Agnodice noch etwas sagen würde, aber nachdem von ihr nichts mehr kam, stellte sie die Dose mit der Salbe auf den Waschtisch.
    "Nun gut, du musst es wissen. Aber wenn du mal wieder meine Hilfe brauchst, komm einfach in die Taberna Medica. Und halte dich von dem Wein fern, den man hier ausschenkt. Du verträgst die Raute nicht, die Julia hineinmischt. Versuche einen anderen Wein zu bekommen oder verdünne ihn hoch."
    Agnodice nickte aber blieb stumm.


    Seufzend trat Alpina vor die Kammertür. Sie hatte noch nicht vor zu gehen, sondern suchte nach Julia oder dem Betreiber des Lupanars. Zum einen wollte sie ihren Lohn einfordern, zum anderen ihn zur Rede stellen. Sie hatte genug Hinweise, um sicher zu sein, dass Agnodices Zustand in die Verantwortung des Lupanarbetreibers fiel....

    Tatsächlich erschien gegen Mittag ein Bote, der die Kräutermischung für das Lupanar abholte. Er bezahlte auch dafür, so dass Alpina zumindest dafür entlohnt worden war. Sie nahm sich fest vor, am kommenden Tag, bei ihrem nächsten Besuch der kranken Agnodice, auf ihrer Entlohnung zu bestehen.


    Ein wenig später bat Alpina Leonides für sie bei einer Schreinerei in der Nachbarschaft neue Spanschachteln zu besorgen, denn sie hatte keine Gefäße mehr zum Abfüllen. Papyrus war im Haus ohnehin so selten, dass sie nicht davon ausgehen konnte, häufiger daraus Tüten falten zu können.
    Sie selbst setzte sich mit einer Wachstafel hin und schrieb zusammen, welche Kräuter sie mitnehmen wollte, wenn sie auf ihre Reise in die Germania Libra aufbrach. Denn soviel stand fest, eine gewisse Notfallapotheke würde sie schon mit sich führen müssen.

    Nachdem Alpina die Entgiftungsrezeptur hergestellt hatte, beschäftigte sie sich noch mit einer weiteren Mischung, die ihr sehr am Herzen lag. Sie wußte, dass Runa gerade ihren Eid im Cultus Deorum abgelegt hatte und damit offiziell Discipula war. Als kleines Geschenk für diesen wichtigen Schritt im Leben, wollte sie ihr eine spezielle Räuchermischung herstellen. Alpina hatte dafür eigens eine hübsche Schatulle in der Basilika erworben. Diese füllte sie jetzt mit verschiedenen einheimischen Räucherstoffen: den Harzen von Tanne, Fichte und Kiefer und den Blüten des Dosts, die nicht nur aromatisch dufteten, sondern auch apotropäische Wirkung haben sollten.


    Nachdem sie die Mischung in das Kästchen gefüllt hatte, kam Alpina auf die Idee, dass diese Räuchermischung womöglich auch ihrem Problem mit den Manen oder Larvae oder im schlimmsten Falle den Furien Abhilfe schaffen könnte. Sie bereitete eine weitere Portion des Räucherwerks zu und nahm sich vor, Curio danach zu fragen, wann der richtige Zeitpunkt für einen Versuch wäre.


    Am Nachmittag wollte Alpina die frisch gebackene Discipula vor dem Tempelbezirk abfangen und ihr das Geschenk überreichen.

    Die Kapuze des Wintermantels tief ins Gesicht gezogen, lief Alpina den Weg vom Lupanar aus zur Taberna Medica. Sie hoffte, dass niemand ihren zweiten Besuch in diesem Haus gesehen hatte. In der Taberna angekommen machte sie sich sofort daran, einen Entgiftungstee für die arme Agnodice zu mischen. Sie nahm Brennnessel, Löwenzahnwurzel, Schafgarbenkraut und Birkenblätter. Dazu noch eine Hand voll Ringelblumenblüten, dann vermischte sie alles.


    Weil sie gerade keine Spanschachtel in passender Größe zur Hand hatte, griff sie kurzerhand nach einem gebrauchten Papyrusbogen vom Feuerholzstapel und faltete ihn zur Tüte. Dort hinein füllte sie die Kräuter. Da die Außenseite noch unbeschrieben war, konnte sie die Dosierungsanleitung daraufschreiben:


    3 mal täglich 2 ligula in einen Becher geben und mit kochendem Wasser übergießen. Sobald der Trank auf Trinktemperatur abgekühlt ist, mit Honig süßen oder pur trinken.


    Schließlich faltete Alpina das Tütchen fest zu und legte es beiseite, bis jemand vom Lupanar es abholen würde.

    Auch wenn Agnodice die Behandlung wortlos über sich ergehen ließ, wirkte sie doch schon ruhiger als am Vortag. Alpina hoffte, dass sich der zerrüttete Geistes- und Seelenzustand bald bessern würde. Gemeinsam mit einer der jungen Lupae trocknete sie Agnodice ab und verfrachtete sie erneut ins Bett. Mit strengem Blick verordnete sie absolute Ruhe für die blonde Patientin und erinnerte daran, dass der Trank zur Entgiftung gegen Mittag in der Taberna Medica abholbereit sei.


    Auf dem Weg zum Hinterausgang begegnete Alpina erneut Julia. Sie baute sich vor der ätleren Lupa auf und erinnerte sie mit fester Stimme daran, dass Agnodie Ruhe bräuchte. Bevor sie das Haus verließ, schob sie noch eine weitere Erinnerung hinterher.
    "Du weißt hoffentlich, dass meine Dienste nicht kostenlos sind, oder? Ich komme gerne und werde auch morgen wieder nach Agnodice sehen - so lange wie es mir notwendig erscheint. Aber die Kosten für die Kräuter und die Behandlung müssen von irgendwem beglichen werden. Besprich dich mit dem Besitzer dieses Etablissements."