Beiträge von DIVUS VALERIANUS

    Valerianus blickte weiterhin überrascht, gerade so, als hätte er gerade zum ersten Mal erfahren, dass ein Amtsträger auch im Amt sterben könnte. Dann nickte er traurig.


    "Dann muss dieses Amt natürlich wieder besetzt werden. Dieser Senator soll ernannt werden. Richte der Familie des Verstorbenen mein Beileid aus. Ich wundere mich nur, warum Salinator mich nicht informiert hat. Ob er vielleicht schon selber einen Nachfolger gefunden hat? Stimme dich mit ihm ab."


    Der erste Hauptgang wurde abgeräumt und der zweite aufgetragen. Wieder ließ sich Valerianus nur eine äußerst spärliche Auswahl an Speisen auf den Teller legen, aber seine Gäste sollte ein Mahl erhalten, dass einem Abendessen mit dem Kaiser würdig war, auch wenn es eine private Runde war.

    Nun war auf dem Gesicht von Valerianus doch so etwas wie eine deutlichere Gefühlregung zu erkennen, nämlich Überraschung.


    "Das Amt ist frei? Wieso das? Was ist mit dem bisherigen Curator passiert?"


    Es klang zwar nicht so, als hätte man ihm gerade erzählt, irgendwo würde eine Legion ohne Legionsadler herumlaufen, aber gleichgültig wie sonst schien Valerianus auch nicht zu sein.

    Die Decimer waren für Valerianus tatsächlich keine unbekannte Gens, war ihr Name doch auf vielfältige Weise mit jenem schicksalhaften Partherfeldzug verbunden, der sein Leben so deutlich verändert hatte. Ob die positiven oder die negativen Gedanken gerade überwogen, war nicht zu erkennen. Seine eigene Hochzeit war keine Liebeshochzeit gewesen. Aber das Thema schritt schnell weiter, so dass er sich eines Kommentares enthalten konnte.


    "Ist der derzeitige Curator Rei Publicae auch gewillt, sein Amt abzugeben?"

    Wortlos ließ Valerianus die Aufzählung diverser Völkerschaften über sich ergene, die nur mäßig viel mit der von ihm gestellten Frage zu tun hatten. Aber so kannte er seinen Bruder und wenn dieser erstmal begonnen hatte, wollte er ihn auch gar nicht stoppen. Als dann jedoch die Rede auf Empfehlungsschreiben kam, winkte er ab, bevor ihm nun eine lange Liste derjenigen vorgetragen wurde, die den Verwandten empfehlen konnten.


    "Schon gut. Eine Empfehlung des Legatus wird nicht nötig sein. Deine Anwesenheit hier in Misenum und das Wort meines Bruders reichen mir vollauf. Dann mögest du also Procurator a memoria werden."

    Aus den Gesichtszügen von Valerianus ließ sich nicht ablesen, was er zu diesen Erklärungen dachte. Sein Blick ging zu seinem Bruder, der aber wider Erwarten nichts sagte. Valerianus wertete das als Zustimmung, war aber gleichzeitig durch die Schweigsamkeit seines sonst so beredeten Bruders verunsichert.


    "Der Cursus Publicus in Alexandria genießt einen Ruf von großer Zuverlässigkeit?"


    Zuverlässig wurden auch Speisen auf Valerianus' Teller gelegt, die dieser danach langsam zu verzehren begann.

    Den nächsten Schritt taten nun erst einmal die Diener, die die Vorspeise entfernten und den ersten Hauptgang auf den Tisch brachten. Viel Gemüse war dabei, dafür wenig Fleisch, während Valerianus noch über das Gesagte nachdachte. Der Themenwechsel kam ihm offenbar sehr plötzlich vor.


    "Nein, kein Praefectus Portuensis, natürlich nicht. Praefectus Vehiculorum stattdessen. Und nun also Procurator a memoriae? Nun, das hat mit der Verwaltung des Postdienstes ebenso wenig gemein wie mit der Verwaltung eines Hafens, oder?"


    Auch wenn ihm dank täglicher Beschäftigung mit den hochrangigen Beamten des Hofes oder zumindest den Ergebnissen der Arbeit alle Amtstitel und Aufgabenbereiche geläufig waren, interessierten Valerianus die genauen Unterteilungen und nötigen Kompetenzen für die Ämter wenig. Er konnte Soldaten beurteilen und Politiker und Priester darauf prüfen, ob sie ihre Versprechen einhielten, aber was einen guten Procurator ausmachte, das wusste er nicht.

    Natürlich wusste Valerianus durchaus, wo sein Getreide her kam, aber das bedeutete ja noch lange nicht, dass er auch wusste, wie der dortige Hafen im Detail aussieht. Er wusste schließlich auch, dass das Getreide nach Rom ging, ohne dass das irgendeine Aussage darüber machte, wie der Hafen von Rom beschaffen war. Den Ausführungen über Alexandria folgte er daher konzentriert und versuchte sich, ein Bild von der Anlage zu machen.


    "Eine vortreffliche Anlage, scheint mir. Wieviel haben römische Baumeister zu diesem Werk beigetragen?"

    Valerianus hörte durchaus interessiert zu und versuchte im Geiste eine Vorstellung von der Stadt zu entwickeln, die ihm beschrieben wurde. Zu anderen Zeiten und unter anderen Umständen hätte er möglicherweise sogar Lust verspürt, diese Stadt einmal mit eigenen Augen zu sehen. So jedoch musste es bei einem Reisebericht bleiben.


    "Alexandria hat im Gegensatz zu Rom auch einen direkten Hafen, oder?"


    Derartige strategisch relevante Details waren ihm weitaus geläufiger und auch wichtiger, als die Farbe der Häuser oder die Schönheit der Landschaft. Auch für die Umgebung seiner misenischen Landvilla hatte er sich bisher nur soweit interessiert, als dass er die Ruhe genoss und den Blick ins Freie, der nicht auf ein wirres Häusermeer fiel.

    Während Archias sprach, wurde die Vorspeise aufgetragen. Sie fiel nicht zu umfangreich aus und beinhaltete kaum mehr als die obligatorischen Eier mit verschiedenen Soßen, etwas Brot und gewürzten Wein. Selbstverständlich ließen Zubereitung, Qualität und Präsentation nichts zu wünschen übrig.


    "Nein, ich war noch nie in Aegyptus."


    Bevor er das Erbe seines Vaters antrat, war Valerianus schließlich hauptsächlich militärisch unterwegs gewesen und diesbezüglich bot Aegyptus schon seit Jahrzenhten kein nennenswertes Betätigungsfeld mehr.


    Bei den Vorspeisen griff er nur mäßig zu, um das gemeinsame Mahl damit zu eröffnen und mit einer kurzen Geste und einem Spritzer Wein auch den Göttern Genüge zu tun.

    Valerianus hörte schweigend zu, was ihm sein Bruder alles erzählte und nur die Tatsache, dass es eben sein Bruder war, der zu ihm sprach, sorgte dafür, dass er daran sogar etwas wie Freude empfand. Nachdem ihm schließlich auch sein Verwandter vorgestellt worden war, ergab sich endlich eine Pause, in der er selber das Wort ergreifen konnte.


    "Lasst uns Platz nehmen."


    Langes Stehen war er nämlich schon lange nicht mehr gewohnt, denn spätestens seit er in Misenum Quartier bezogen hatte, gab es dazu keine Grund. Also nahm er auf den Clinen den Platz des Gastgebers ein, während sich die anderen beiden auf die naheliegende Weise auf die anderen beiden Clinen verteilen konnten.


    "Du wirst all den genannten Herren und Damen meinen Dank für ihre guten Wünsche ausrichten. Es freut mich, dass sie in Gedanken genauso bei mir sind, wie ich bei ihnen und Rom."


    Ein Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab, aber es blieb unklar, ob es von den vielen guten Wünschen oder dem Gedanken an Rom herrührte. Dann wandte sich seinem Vetter zweiten Grades zu.


    "Schön, dass du meinen Bruder begleitet hast. Ich kenne meine Familie viel zu wenig. Du warst also in Aegyptus? Berichte mir."


    Sich von einer Reise berichten zu lasen, war schließlich eine der angenehmsten Arten, selber nichts sagen, nicht nachdenken und vor allem nichts entscheiden zu müssen.

    Eine Tür wurde geöffnet und Valerianus betrat den Raum. Einen Moment schien er zu zögern und sich dann einen Ruck zu geben, während er auf seinen Bruder zuging, um ihn zu begrüßen.


    "Salve, Quarto, Bruder!"


    Der zweite Gast musste zunächst warten, auch wenn er ebenso ein Verwandter war.

    Valerianus schüttelte bedauernd den Kopf, und er schien dabei entweder traurig oder müde zu sein.


    "Nein, es wird kein Treffen mit dem bisherigen Kommandeur geben. Das Kommando ist dir hiermit erteilt. Ebenso das Tribunat. Lasst euch von den anderen Offizieren einarbeiten."


    Die weiteren Details überließ er wieder Salinator, der ihm diese Ernennung ohnehin vorbereitet hatte.

    "Ja, das Tribunat wird, wie alle Offiziersposten, zeitlich begrenzt sein."


    Auch wenn schon lange sein Beamtenstab sich um die Akten kümmerte, so war Valerianus dies immer noch so selbstverständlich, dass er es nicht von sich aus erwähnte.


    Dann wandte er sich an Vescularius Salinator.


    "Möchtest Du noch ein Wort an die Männer richten?"

    Die Antwortern fielen so aus, wie Valerianus sie erwartet hatte und wie sie ihm von seinen Beratern vorhergesagt worden waren. Er wäre auch ziemlich verärgert gewesen, wenn diese Audienz nicht in den gewünschten Bahnen verlaufen wäre. So jedoch konnte er planmäßig fortfahren.


    "Ich freue mich, dass die Erwartungen, die in eure Einladung gesetzt wurden, nicht enttäuscht werden. Decimus Magnus, ich beabsichtige, dir das Kommando über die Classis Misenensis zu erteilen. Hadrianus Subdolus ich weiss um die guten wie die weniger guten Abschnitte deiner Vergangenheit und mir wurde empfohlen, dir eine weitere Chance zu gewähren. Dies möchte ich gerne tun, indem du ein Tribunat bei der Classis absolvieren wirst. Ich habe keine Zweifel, dass ihr euch beide zum Wohle der Flotte und des Reiches einsetzen werdet."

    Dass die Herren keine anderen Antworten als die erwarteten hatten und sich obendrein recht wortkarg gaben, kam Valerianus durchaus entgegen. So versprach der Termin nicht zu lange zu dauern.


    "Das ist erfreulich. Setzen wir uns."


    Während sie sich setzten, flüsterte einer der Beamten Valerianus noch einmal zur Sicherheit ins Ohr, welcher der beiden Männer welchen Namen trug, da sie sich beide nicht namentlich vorgestellt hatten. Valerianus nickte und winkte den Beamten wieder beiseite.


    "Kommen wir ohne Umschweife gleich zum Grund eurer Anwesenheit. Die Classis Misenensis."


    Valerianus machte eine Pause, als wenn mit diesem Satz schon alles gesagt wurde.


    "Decimus Magnus, du bist ein erfahrener Offizier und hast bereits Kommandos inne gehabt. Hadrianus Subdolus, du hast zuletzt Qualitäten bewiesen, auf die unsere Armee nur ungerne verzichten würde. So wurde es mir persönlich empfohlen. Gehe ich Recht in der Annahme, dass ihr beide breitwillig meinem Ruf folgen würdet, wenn ich euch auf einen Posten des Exercitus Romanus berufen würde?"

    Schließlich trat Valerianus mit einigen Beamten im Schlepptau ein und gab sich sichtlich Mühe, würdevoll durch den Raum zu schreiten, bevor er die Männer erreichte und sie begrüßte.


    "Salvete, meine Herren. Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise und habt keine schlechten Nachrichten aus Rom im Gepäck."


    Eine höflichere Floskel fiel ihm schwer zu finden, denn immerhin hatte seine Kanzlei den Termin ohne sein Zutun arrangiert und ihm wenig Wahl gelassen, wann und in welcher Form er ihn wahrnahm. Da wäre es eine Lüge gewesen zu sagen, dass er sich über die Audienz besonders freue, denn obwohl er froh war über jede Arbeit, die ihm abgenommen wurde, ärgerte er sich auch über jede Verpflichtung, die man ihm ungefragt vorlegte.

    Ein Treueschwur war nichts, das man leichtfertig aussprechen sollte oder entgegen nahm. Das wusste auch Valerianus und so bemühte er sich um ein würdiges und feierliches Gesicht.


    "Ich danke dir. Möge die Gunst der Götter es dir vergelten."


    Damit war die Audienz beendet und alles weitere Formelle lag in der Hand der Beamten, die der zurückgekehrte Senator sich für sein Anliegen aussuchen würde.

    Zitat

    Original von Marcus Vinicius Lucianus
    "Es war mir eine Ehre den Kaiser und Rom in der Provinz vertreten zu dürfen, ich danke dir, mein Imperator!"


    "Vielleicht wird dir zu gegebener Zeit diese Ehre erneut zu Teil werden. Mögen die Götter deinen Weg schützen."


    Mit diesen Worten war diese Audienz für Valerianus beendet und er wartete ab, bis der Senator den Raum verlassen hatte, bevor er sich ein Glas Wasser reichen ließ.

    Zitat

    Original von Marcus Decimus Livianus
    "Gibt es sonst noch etwas, dass ich für dich tun kann mein Kaiser?"


    Valerianus schüttelte den Kopf.


    "Nein, ich habe keine Aufträge für dich. Grüße Rom von mir. Es braucht niemand zu glauben, dass ich die Stadt vergesse, nur weil ich hier meine Gesundheit pflege."

    Die Vorschläge und BVemerkungen erschienen Valerianus ausreichend, so dass er keine weiteren Fragen hatte. Damit war der öetzte Akt des Gesprächs eingeläutet.


    "Ich danke dir."


    Der Beamte, der eben schon Dokumente von einem anderen Beamten erhalten hatte, trat nun vor, um diese dem ehemaligen Statthalter zu überreichen. Noch einmal ergriff dazu Valerianus das Wort.


    "Für deine militärischen Dienste gebührt dir die Hasta Pura. Für die Dienste als mein Statthalter einer Provinz mein persönlicher Dank."


    Letzterer drückte sich in einer Besitzurkunde aus, die nun überreicht wurde.