In der Frühe eines Morgens machte sich Matinius Agrippa auf den Weg zum Templum Iovis Capitolini. Er war heute besonders früh aufgestanden, nicht nur um pflichtbewusst seiner neuen Tätigkeit als Tempelverwalter nachgehen zu können, sondern auch um die Menschenmassen auf dem Forum Romanum, das er auf dem Weg von der Casa Matinia hierher zum Tempel zu überqueren hatte, zu vermeiden. So konnte er sich schnell und vor allem auch entspannt fortbewegen. Agrippa genoss die kühle Luft und den Anblick der aufgehenden Sonne. Es war eine Atmosphäre, die einen so mythischen Eindruck erweckte. Und als Krönung eben dieser Wahrnehmung ragte vor dem jungen Aedituus der prächtige Tempel des Iovis Capitolinus empor - ein riesiges Bauwerk mit vergoldetem Dach und Tor.
Agrippa wurde bereits erwartet. Ein älterer Mann mit strengem Gesichtsausdruck, der sich als des Matiniers neuer Kollege (ebenfalls ein Aedituus) herausstellte, begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln und energischer Stimme: "Salve, junger Mann! Ich nehme an, du bist mein neuer Kollege. Das Collegium hat dich angekündigt." Er stellte sich als Cnaeus Abronius Durus vor und führte den Matinier sogleich durch den Tempel. Agrippa wurden die cellae der drei Götter gezeigt. Beim Anblick der großen Statue des Iuppiters erinnerte er sich sofort an das Opfer, das er vor wenigen Wochen durchgeführt, und an das Gebet, das er eben hier gesprochen hatte. Es war ein erfolgreiches Opfer gewesen, das dem obersten aller Götter gefallen hatte, und der junge Matinier dachte stolz an den Moment zurück. Ob der Göttervater bei Agrippas Ernennung zum Aedituus für eben diesen Tempel seine Hände im Spiel gehabt hatte? Die Bewerbung war schließlich problemlos verlaufen und es hatte alles mit so einer Einfachheit geklappt ...
"Als Aedituus bist du - zusammen mit mir - für den reibungslosen Ablauf im Tempel verantwortlich. Der Tempel muss sauber gehalten und gepflegt werden", fuhr Abronius Durus mit seiner Einweisung fort. "Natürlich stehen uns Untergeordnete zur Verfügung, die entsprechende Anweisungen erwarten." Agrippas Kollege zeigte zufrieden auf ein paar Tempeldiener, die gerade ihrer Arbeit nachgingen. "Außerdem empfangen und beraten wir die Besucher des Tempels in religiösen Angelegenheiten. Und wir helfen bei der Organisation und Durchführung ihrer Opferungen - natürlich nur gegen das entsprechende Entgelt!", sagte Durus mit einem Augenzwinkern. Der erfahrene Aedituus machte mit der Einweisung weiter und sprach über die Aufgaben und Pflichten eines Tempelverwalters, über die Geschichte des Jupitertempels, ...
Es ist gut, dachte sich Agrippa, mit jemand so überzeugendes zusammenzuarbeiten. Falls irgendetwas schieflaufen sollte, weiß er bestimmt, was zu tun ist! Er blickte zu seinem Kollegen, der trotz seines hohen Alters eine immense Energie aufbrachte.