Wie erwartet gab es einige laute Gegenstimmen, darunter insbesondere eine, die ihn - wie ein wenig erwartet - mit den Handlungen seiner Frau konfrontierten. Er war nicht hier gewesen, als Silvana sich so offen zu ihren germanischen Wurzeln bekannt hatte, doch hatten ihm seine Verbündeten vor der Sitzung bereits zu verstehen gegeben, womit er wohl zu rechnen hatte. Die Wortmeldung selber war jedoch dermaßen destruktiv, dass er auf seinem Platz nur den Kopf schütteln konnte und sogar aus einigen Ecken lautstarken Protest von germanisch- und keltischstämmigen Decurionen wahrnahm. Erneut ließ er sich daher das Wort erteilen.
Meine Frau, ebenso wie einige führende Decurionen, die mit uns hier im Sitzungssaal anwesend sind - was du ja grade mehr als deutlich hören konntes - pflegen die alten germanischen Zeremonien und Kulthandlungen, ebenso wie ich dir, werter Decurio, aus dem Stehgreif eine ganze Liste anwesender Decurionen nennen könnte, die noch die keltischen Zeremonien und Kulthandlungen pflegen. Es ist genau der falsche Weg, hier ein Entweder-oder zu p…postulieren. Bei meiner Tätigkeit im Tempel des Ap…pollo Grannus Mogon hatte ich täglich mit Opfernden mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen zu tun und genau deswegen gehört es wie selbstverständlich zur Ausbildung der hier in der Stadt tätigen Beamten des Cultus Deorum dazu, dass sie sich in allen Kulten zumindest so sicher bewegen können, dass sie auch den Kult zum Beispiel des Grannus oder des Leucetius in einem würdigen und angemessenen Rahmen durchführen können. Die Religio Romana war stehts offen für andere Kulte, weil die wichtigen P…persönlichkeiten des Reiches schon immer wussten, dass Kulte eine integrative und keine exklusive Funktion haben sollen.
So viel zum Miteinander der Kulte. Es ging hier schon lange nicht mehr um ein Gegeneinander der Kulte und wer dieses forderte, tat nichts weniger, als den Frieden der Provinz zu stören. Es war für Curio immer wieder erschreckend, dass es dennoch führende Kopfe zu geben schien, die genau das intendierten.
Daher ist die Frage, ob ein einzelner Mensch nun die römischen, die germanischen, die keltischen oder Götter aus anderen Kulturkreisen verehrt, absolut irrelevant, sind sie doch alle nur P..personifikationen derselben Gottheiten, die im ganzen Reich verehrt werden. Freilich bewegen wir uns hier bereits tief in theoretischen religiösen und philosophischen Rahmen, aber dennoch sollte auch dir bewusst sein, werter Decurio, dass sich eine Verehrung von Iuppiter und Wodan, von Mars und Tyr, von Victoria und Nemetona oder von Ap…pollo und Grannus eben nicht gegenseitig ausschließen, sondern ist vielmehr guter kultische Praxis in allen Tempeln unserer Stadt.
Curio betonte jeden einzenen Götternamen und legte besondere Intensität in die letzten Worte dieses Teil, um auch noch dem letzten ignoranten Decurio einzuhämmern, dass sie schlicht und einfach die falschen Fragen stellten.
Meine Frau, das kann ich euch versichern, stellt die Verbindung von Religio Romana und der germanischen Kultpraxis, die Interpretatio Romana und die geistige Führerschaft des Cultus Deorum nicht in Frage. Womöglich pflegt sie die germanische Kultpraxis besonders intensiv. Aber wenn du ihr daraus einen Vorwurf machen möchtest, kannst du dich genauso gut vor das Heiligtum der Großen Mutter oder vor das Legionslager stellen und die Kultanhänger der Kybele oder des Mithras anklagen – oder dich gleich auf das Forum stellen und die keltischen und germanischen Kulthandlungen anp...prangern, doch weißt du genauso gut wie ich und jeder andere hier im Saal, dass du dafür nicht beklatschst, sondern höchstens als realitätsfremd belächelt wirst.
Er konnte es ja mal versuchen. Weit kommen würde er damit nicht. Stattdessen sollte der Decurio mal einen Tag im Tempel des Mars Leucetius oder des Apollo Grannus Mogon verbringen, um zu sehen, dass seine Vorwürfe spätestens an der Realität scheitern.
Nichtdestotrotz gilt die höchste Autorität dem Cultus Deorum und seinen Beamten und wer die anderen Kulte dafür missbraucht, die staatliche Autorität in Frage zu stellen und seinerseits Hass und Zwietracht sät, der muss damit rechnen, dass ihm die staatlichen Autoritäten mit aller Macht entgegentreten. Der Versuch, meine Frau in eine Reihe mit solchen Kreaturen zu stellen, ist allerdings schlicht haltlos und absurd.