Stumm drehte sich Silvana sich um und lehnte sich an seine Schulter. Curio ließ es zu und streichelte ihr sanft über den Rücken, während sie sich beruhigte und ihr Herzschlag sich wieder normalisierte. Sie brauchte diese Moment, das spürte er und so sagte er nichts, sondern gab ihr alle Zeit, die sie brauchte. Eltern konnten schon grausam sein. Und dabei hatte sie das Highlight seiner Familie, den alten Primus Pilus, noch gar nicht kennengelernt. Allerdings wäre ihr Vater wohl nicht viel besser, denn wenn er erstmal erfuhr, dass sein Patron ein Verhältnis mit seiner Tochter hatte, würden wohl alle väterlichen Alarmglocken läuten. Irgendwann fasste sie sich und fuhr dann auch mit dem fort, was sie zu berichten hatte.
Nela... Dunkle Haare, leichter iberischer Teint, etwa so groß wie du?
versuchte er sich an einer Beschreibung jener jungen Frau, die er im Kopf hatte und die sie wahrscheinlich meinte. Er hatte mit der jungen Frau einige wenige Worte bei ihrem Fest gewechselt, doch dann war auch schon Silvanas Mutter aufgetaucht und er hatte sich ganz auf diese konzentrieren müssen.
Nun ja, je mehr Verbündete, desto besser, aber je größer der Kreis der Geheimnisträger, desto größer auch die Gefahr, das jemand plaudert...
So wie sein Bruder... Ja, er brauchte wohl noch ein bisschen, um zu verdauen, was bei der Ankunft ihrer Mutter hier passiert war. Dass es ihm leid getan hatte, war zwar offensichtlich gewesen, wie schnell er aber eingebrochen war, war für Curio bis heute noch unverständlich. Wahrscheinlich wollte er aber auch nur, dass es weitere Verbündete gab und wenigstens hatte seine Mutter ja auch kein allzu großes Hindernis dargestellt. Dennoch, an der Situation kaute er noch herum wie auf einem sehnigen Stück Fleisch.
Umso überraschender dann die Eröffnung, dass die Mutter der Decima auch entgegen der familiären Wünsche aus Liebe geheiratet hatte. Ob es da allerdings die gleichen Vorzeichen gab, wusste Curio nicht. Diejenigen von Silvana und ihm waren ja alles andere als gut. Nichtsdestotrotz erhielten sie dadurch vielleicht Unterstützung aus unerwarteter Richtung. Und Unterstützung konnten sie immer gebrauchen, egal aus welcher Richtung.
Dann rückte Silvana ein Stück von ihm weg und er entließ sie zumindest aus der engen Umarmung, in der er sie grade quasi aufrecht gehalten hatte. Eine weitere Überraschung folgte, denn sie hatte tatsächlich die Taubenfeder bei sich, die er ihr bei ihrem Fest gegeben hatte. Ein liebevolles, freudiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. Seine eigene Feder lag in seinem Zimmer direkt neben dem Holzkästchen auf einem Ehrenplatz, wo er sie morgens nachdem er aufgestanden war und abend bevor er zu Bett ging stets kurz zur Hand nahm. Ja, sie hatte sicherlich recht damit, dass viele Römer einzig eine gewisse Kultfrömmigkeit an den Tag legten. Auch er wusste von einigen Kultmitgliedern, die sich dort lediglich engagierten, um ihre gesellschaftlichen Netzwerke aufzubauen. Tatsächliche Frömmigkeit wurde dementgegen nur allzu gern als superstitio abgestempelt und bekämpft. Auch er hatte als Aedituus entsprechende Order bekommen, allzu frömmlerische Opferwillige ein wenig zurechtzustutzen. Und dennoch war er der festen Ansicht, dass die Götter die Geschicke der Welt lenkten und dass nichts einfach nur so geschah, sondern alles einen tieferen Sinn für das große Ganze hatte. Meistens konnte Curio diesen Sinn zwar nicht nachvollziehen, aber er hatte mittlerweile ein gewisses Gespür dafür entwickelt, Zeichen in dieser Richtung zu erkennen. Die beiden Tauben und die beiden geschenkten Federn waren definitiv ein solches Zeichen.
Ich habe Venus bereits bei euch im Garten ein Gelübde abgelegt, dass ich ihr ein Opfer erbringen werde, wenn sie Fundanius... vom Markt nimmt und ein weiteres Opfer sowie einen Weihestein, wenn sie unsere Hochzeit ermöglicht. Die beiden Federn waren sozusagen eine Bestätigung dafür, dass sie uns gehört hat. Daher weiß ich nicht, was ich sonst noch für sie tun soll. Nicht dass ihr ihr noch auf die Nerven gehe und sie wieder von uns abrückt...
Im Rahmen des Do ut des war sie nun eigentlich an der Reihe, ihm etwas zu geben, damit er wieder mit der Einlösung seiner Gelübde an der Reihe sein würde. Denn nerven wollte er die Göttin, die ja auch noch anderswo genug zu tun hatte, auch nicht. Wenn sie ein Interesse daran hatte, was hier geschah, wenn sie auf Silvanas und Curios Seite war und wenn sie letztlich die beiden Opfer und den Weihestein haben wollte, dann sollte sie agieren, in welchem Ausmaße und mit welchen Methoden auch immer. Die Geschichte bewies, dass sie und ihre Mitgötter dabei ja recht einfallsreich sein konnten.