Unangenehm berührt beobachtete Curio, wie sich Silvana seiner Mutter gegenüber selbst anpries. Wahrscheinlich wirkte sie deswegen auf ihn irgendwie unauthentisch und gekünstelt, auch wenn es auf einen Außenstehenden vielleicht nicht allzu auffällig war. Ihre Mutter hätte bestimmt ein Freudenfest gefeiert, wenn sie ihre Tochter hier hätte beobachten können. Und seine Mutter? Sein Blick huschte kurz zu ihr hinüber und bemerkte den neutralen Gesichtsausdruck, der keinerlei Gefühlsregungen zeigt. Über vierzig Jahre Training, ging es ihm respektvoll durch den Kopf und er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Doch auch er spürte dieses unangenehmes Gefühl, als wäre er auf dem Sklavenmarkt, wo ein Händler seine Ware feilbot. Eigentlich fehlte nur noch, dass seine Mutter die Zähne Silvanas auf Gesundheit kontrollierte...
| Decria Timarcha
Timarcha hingegen beobachtete die junge Frau genau, wobei sich während sie sprach, ein winziges, kaum wahrnehmbares Lächeln um ihre Lippen bildete. Das hörte sich doch alles schon sehr gut an. Sie würde eine gute, ja sogar eine hervorragende Ehefrau für ihren Sohn abgeben, wenn sie nicht schon praktisch anderweitig verlobt gewesen und standesmäßig nicht über ihrem Sohn stünde.
Wie sieht es mit deinen germanischen Wurzeln aus? Soweit ich weiß sind die Duccier doch noch sehr stark mit der germanischen Kultur verbunden.
Unwissend, dass sie Silvana damit in eine Zwickmühle brachte, war dies die erste Frage, die Timarcha stellte und schob auch gleich eine weitere Frage hinterher, mit der sie bereits ihren Sohn zur Weißglut getrieben hatte - was aufgrund ihrer hervorragenden Erziehung natürlich schon eine Kunst gewesen war - und mit der sie hoffte, nun auch eine Gemütsregung bei der bislang so gefassten Duccia hervorzulocken.
Zudem hat mir... mein Sohn... erzählt, dass es für dich bereits anderweitige Heiratspläne gibt, die... sagen wir einträglicher für dich und deine Familie wären, als eine Heirat mit einem Helvetier, der grade erst die Anfangsstufe seiner gesellschaftlichen Karriere genommen hat. Immerhin bekämst du die Möglichkeit über einen großen Haushalt und ein großes Vermögen mitzuverfügen und sogar deinen gesellschaftlichen Rang zu erhöhen. Hinzu kommt natürlich noch die Verpflichtung deiner Familie gegenüber, der sich... mein Sohn... uns gegenüber ja ebenfalls zu stellen hat.
Ihre Stimme war ruhig und ihr Sprachrhytmus gleichmäßig. Es klang so, als würde sie sich über ihren letzten Besuch auf dem Markt oder das letzte größere Stadtfest unterhalten. Dabei war sie sich der Brisanz der Lage vollkommen klar. Was sie hier tat widersprach eigentlich allem traditionellen Verhalten und der jungen Frau sollte es eigentlich gar nicht möglich sein, hier ohne Begleitung welcher Art auch immer bei einem jungen Mann zu Gast zu sein. Und jetzt, wo die Verlobung mit einem ritterlichen Pontifex unmittelbar bevorstand, war es umso verwerflicher. Dennoch machte sie das hier ihrem Sohn zuliebe, bei ihm waren es nämlich, da war sie sich sicher, echte Gefühle. Ob es bei der jungen Duccia ebenso war, würde sich dann wohl gleich zeigen.