Wen Curios Herz grade noch im Galopp geschlagen hatte, war es nun in einen Gewaltritt übergegangen. Natürlich hatte er die Überlegungen seines Patrons unterstützt, freilich nicht ganz uneigennützig, denn Zeit war im Moment ihre wichtigste Währung. Wäre er erstmal Mitglied im Ordo decurionum, würde er letztlich die Voraussetzungen erfüllen, die Verus grade aufgezählt hatte. Als der june Helvetier dann noch einige kleine Zeichen, die sanfte Brise, die sie umwehte, die beiden Tauben, die zweimal über den Köpfen der beiden Männer ihre Kreise drehten, wahrnahm, war er sich fast sicher, dass die liebliche Venus ihn tatsächlich erhört hatte und ihre Anwesenheit kundtat. Schließlich war er für die Deutung eben jener Zeichen ausgebildet worden. Und dann passierte noch etwas, rein irdisches, dass in Curio die Hoffnung nährte, es könnte doch das unerwartete passieren: Verus legte ihm die Hand auf die Schulter, betonte, dass seine Frau die Entscheidung mittrüge - hatte Curio nicht grade eben noch förmlich bei ihr geglänzt? -, Curios Herz setzte einen Schlag aus und sein Patron nannte einen Namen - der nicht Iullus Helvetius Curio lautete. Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube und er hatte alle Mühe nicht in sich zusammenzusacken. Haltung, Curio, Haltung und Disziplin! Er durfte jetzt nichts zeigen, ein neutraler, geschäftsmäßiger Gesichtsausdruck. Hatte er nicht genau das in seinem kurzen Politikerleben bereits gelernt? Jedenfalls blieb Curio aufrecht stehen, wankte nicht und schaffte es einen halbwegs verständigen Gesichtsausdruck zustande zu bringen. Und das obwohl der letzte Satz seines Patrons noch einem zweiten Schlag in die Magengrube glich. Seine ganze Anspannung aber suchte sich einen Platz und war derweil in die Hände gewandert, die sich, sicherheitshalber hinter Curios Rücken, zu Fästen ballten und leicht zitterten.
Nun...
war das erste was er antworten konnte. Es gab eine kleine Hoffnung, nämlich dass der Procurator irgendwelche Einwände hatte. Doch wo sollten sich diese aufhängen? Dieser... wie war sein Name... Fundanius... war 1. fertiger Pontifex, damit 2. hochangesehenes Mitglied der Ordo decurionum in Clarenna, war 3. reich, hatte 4. Verbindungen nach Rom, war 5. Mitglied des Ordo Equester, was für die Verheiratung Silvanas 6. eine Standeserhebung bedeuten würde. Ganze sechs Punkte, die rein rational für diesen Fundanier sprachen und an die Curio mit seiner Karriere im Anfangsstadium nicht mal ansatzweise heran kam. Wäre Curio in der Position des Ducciers, er würde vermutlich genauso entscheiden...
- es ist natürlich bedauerlich, dass der Cultus von Mogontiacum unter diesen Umständen eine vielversprechende, hochbegabte und von den Göttern beschenkte Aeditua an den Cultus von Clarenna verlieren würde, Pontifex
brachte er zumindest einen kleinen Kritikpunkt an dieser Entscheidung zur Sprache, die sich aber gänzlich in das Gewand des Stadtinteresses kleidete. Zudem setzte er erneut auf der lokalen Ebene an. Dass er damit vielleicht nochmal eine kleine Spitze setzen konnte, nämlich Verus auch auf seine Verpflichtung dem Cultus von Mogontiacum gegenüber festnageln zu können, war nur ein kleiner Lichtschimmer. Denn es lag ihm fern, seinen Patron offen zu kritisieren oder seine Entscheidung in Frage zu stellen. Vielmehr musste er sich etwas anderes überlegen, wenn es denn überhaupt noch eine Möglichkeit gäbe... Er blickte kurz hoch, und da fielen ihm die Tauben ins Auge. Vielleicht gab es noch eine zweite Hoffnung, doch dafür benötigte er die Hilfe jener Göttin, der sich kein Mensch und sogar nur drei Götter zu widersetzen vermochten. Er atmete tief durch.
In jedem Fall würde es mich aber freuen, wenn du mich über die Entwicklungen auf dem laufenden halten würdest, Patron.
Nun wechselte er wieder in die persönliche Beziehungsebene. Vielleicht würde er als Klient UND lokaler Aedituus dabei auf dem neusten Stand gehalten und könnte bei Bedarf weitere Lösungen suchen. Letztlich kam es aber nun auf zwei Faktoren an: Wie würde sich Procurator Duccius Marsus entscheiden? (Seine Entscheidung stand zumindest für Curio bereits fest, da diese vermutlich vor allem auf familienpolitische Aspekte gründen würde.) Und auf welche Seite würde sich die Göttin der Liebe stehen? (Zumindest da gab es noch definitiv Spielraum, denn grade Priester wussten ja nur zu gut, dass Götter für ein gepflegtes Opfer schon einiges machten. Und genau ein solches gedachte er der Göttin gleich in einem ruhigen Augenblick zu versprechen.)
Mit fragendem Blick schaute er danach zu seinem Patron, ob es noch etwas anderes zu besprechen gäbe. Ansonsten würde er den Duccier zurück zur Festgemeinschaft begleiten, bevor er sich dann, so diskret wie möglich, mit einem Becher Wein zu jenem Baum absetzen würde, wo noch die beiden Tauben saßen und auf die Feier hinunterblickten.