Curio fehlte sicherlich Übung, doch konnte er an der dunklen Färbung des Organs schnell erkennen, dass Apollo das Opfer nicht annahm. Daher runzelte der junge Helvetier die Stirn, hatte es einen Fehler gegeben? Schrittweise ging er den Opferablauf durch, konnte aber nicht erkennen, dass irgendwo etwas wider der üblichen Rituale stattgefunden hatte. Das bisschen Unruhe des Tieres konnte ja wohl kaum der Auslöser gewesen sein. Vorsichtig und bedächtig nahm er sich nun zuerst die rechte Seite der Leber vor, konnte dort aber keinen der negativen Marker nennen, die ihm der Haruspex erklärt hatte, nun wechselte er die Seite, drehte die Leber, wie es ihm der duccische Pontifex gesagt hatte, und betastete nun die linke Seite. Immer wieder drückte er seine Finger leicht zusammen, bis er einen Widerstand spürte. Der junge Helvetier konzentrierte sich nun auf den Widerstand, der sich mehr und mehr als Verhärtung bestätigte.
Eine insgesamt dunkle Färbung und ein negativer Marker auf der negativen Seite, ganz links außen. Diese Widersprüche verwirrten den ungeübten Eingeweideschauer. Hätte er doch mal einen Haruspex hinzugezogen, jetzt jedoch war er auf sich selber gestellt. Negativer Ausgang, positive Nachricht... Warum gibt jemand ein positives Zeichen, wenn er eine Gabe ablehnt. Desinteresse? Eher nicht. Böser Scherz? Vielleicht, bei Apollo wusste man ja nie.
Vielleicht...
war das erste Wort, das Curio von sich gab, als ihm noch etwas anderes in den Sinn kam. Zeichen auf der linken Seite, so hatte ihm der Haruspex erläutert, werden auch auf fremde Verhältnisse bezogen. Wollte Apollo etwa sagen, dass er zwar bereit war zu helfen - das würde das negative Zeichen auf der negativen Seite erklären -, es allerdings nicht konnte, da das Anliegen nicht in seinen Aufgabenbereich fiel? Curio ließ die Leber zurück in die Patera gleiten und ließ sich diesen Gedanken durch den Kopf. Der Gedanke verfestigte sich immer stärker, und kurz wollte sich Curio mit der Hand vor die Stirn schlagen, weil er offensichtlich einen Denkfehler begangen hatte. Doch unterließ er es, weil er sich sonst das klebrige Blut auf seiner Stirn verteilt hätte. Stattdessen ließ er nun einen resignierten Seufzer von sich, mehr über seine eigene Unbedachtheit, als über den Ausgang des Opfers, der vollkommen nachvollziehbar war.
Dann ließ er sich eine Reinigungsschüssel reichen, mit der er seine Hände wusch und blickte dann zum Opferschlächter.
Bring die essbaren Teile schon in den Tempel und verpack sie ordentlich.
Ebenso gab er dem Opferhelfer zu verstehen, dass er dem Opferschlächter helfen sollte, sodass nun beide mit den Resten des Opfertiers im Tempelinnern verschwanden. Dann wandte er sich mit einem bedauernden Blick Alpina zu und bugsierte sie vorsichtig an eine Säule.
Alpina, ich muss dir leider mitteilen, dass Apollo dein Opfer abgelehnt hat. Allerdings kann ich dir versichern, dass er geholfen hätte, wenn es in seiner Macht gestanden hätte.
erklärte er zuerst, wobei er immer zerknierschter wurde.
Dabei lag der Fehler nicht bei dir, sondern bei mir. Ich muss mich bei dir entschuldigen, denn ich hätte wissen müssen, dass Apollo hier nicht tätig werden kann. Wahrscheinlich sollten wir uns besser an einem anderen Gott wenden, wobei ich nochmal nachlesen muss, wer jetzt der beste Ansprechpartner ist.
Dann ging er selbst zur Patera mit den Eingeweiden, nahm sie auf und gab Alpina zu verstehen, dass er selber die Innereien in den Tempel bringen und sie einpacken würde. Dann bat er Alpina noch, einige Augenblicke zu warten, damit sie zusammen mit den Fleischpäckchen zurück in die Casa Atia gehen konnten.