Curio hörte genau zu. Jedes einzelne Wort nahm seinen Weg durch seinen Geist und wurde hin- und hergedreht, um auch ja keine Bedeutungsebene davon zu verpassen. Doch wollten die Worte nicht so ganz zusammenpassen. Wenn die Libertina ihn nicht ausgefragt hatte, welches Interesse hätte sie sonst an ihm haben können? Kurz überlegte, ob die Frage nach der ersten sexuellen Erfahrung des Jungen von Belang war. Curio glaubte nicht daran, dass Alpina sich den Jungen ins Bett geholt hatte, bei seiner Frau schloss er es ebenso aus und wenn die Sklavinnen des Hauses sich dem Jungen angeboten hatten, war es deren Angelegenheit und auch kein nutzbare Information für Phryne. Dass sie aber sonst kein Interesse an diesem Haus gezeigt hatte, wollte er nicht so ganz glauben aber womöglich war sie in der kurzen Zeit gar nicht so weit gekommen, Kaeso abhängig genug zu machen, um ihn nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen - obwohl dem wiederum diese erschreckende Bezeichnung als seine "Göttin" widersprach. Es ergab keinen Sinn, denn Curio wollte nicht daran glauben, dass sich die Libertina dem Jungen aus purer Menschenfreundlichkeit angenommen hatte. Doch was sollte er nun machen? Er könnte den Jungen weiter in die Mangel nehmen, aber das würde wahrscheinlich nichts bringen. Er hatte es natürlich vergeigt, auf ganzer Linie und selbst wenn Kaeso nun doch was erzählt hatte, musste Curio wohl damit leben, dass er es erst dann erfahren würde, wenn der Angriff kommen würde.
Erneut schluckte er, als Kaeso dann fortfuhr und hier weiteten sich die Augen des Helvetiers nun in vollkommener Überraschung. Die Entscheidung war schon gefallen? Ohne ihn? Ohne nochmal die Möglichkeit einer Klärung zu bieten? Die letzten Wort des Jungen versetzten dem Helvetier schließlich zwei weitere, erschreckend gezielte Schläge in die Magengrube, sodass er schon nach einigen Augenblicke nicht mehr in der Lage war, dem kalten und starren Blick Kaesos standzuhalten. Langsam ließ Curio den Blick auf die Tischplatte sinken. Und erneut entstand eine Pause, unangenehm und zäh, bis er schließlich seine Sprache wiederfand.
Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch von Belang ist und ob dir schon jemand die... Vorgeschichte von Runa und mir erzählt hat. Jedenfalls... mag es dich überraschen, aber ich glaube, ich weiß, wie du dich grade fühlst.
Die Stimme des Helvetiers war nicht laut, und war sie vorher noch stark und selbstbewusst gewesen, war es nun, als müsste er sich jedes Wort abringen.
Ich kenne die Macht der Liebe und ich weiß, was sie anrichten kann. Tatsächlich hätte sie mich ebenfalls fast aus der Stadt vertrieben.
Er schluckte und wusste auch eigentlich nicht, warum er jetzt grade damit anfing. Er wusste nur, dass ihm dieses Verständnis in der Seele brandte, ebenso wie die zahlreichen Parallelen in ihren Geschichten. Er konnte nicht zulassen, dass der Junge abrutschte, nicht, nachdem er selbst solch ein Glück gehabt hatte. Langsam er hob er den Blick wieder verschränkte die Finger seiner beiden Hände verspannt ineinander und atmete erneut durch.
Natürlich respektiere ich deine Entscheidung, das Haus zu verlassen. Falls du Unterstützung dabei brauchst, eine Kammer zu finden, helfe ich dir weiter, wenn du möchtest heute noch. Ich möchte...
Ja, was wollte er? Auch hier bestand wiederum die Frage, ob seine Worte für den Jungen noch irgendeinen Wert hatten. Erneut würde er Alpina enttäuschen, indem er Kaeso eben nicht würde klarmachen können, welche Gefahr von Phryne ausging.
Ich möchte dir nur raten, dich nicht gänzlich von Phryne abhängig zu machen, indem du in die Casa Acilia ziehst. Es mag verlockend sein, immer in ihrer Nähe sein zu können, doch falls sie - was zum jetzigen Zeitpunkt für dich natürlich vollkommen unglaublich klingen mag - das Interesse an dir verliert, würde es für dich umso härter sein. Ich weiß nicht, was da zwischen euch beiden, zwischen dir und Phryne ist, aber ich glaube zu wissen, was du fühlst und ich weiß auch nur zu gut, wie du dich fühlen wirst, falls es nicht so wird, wie du dir es vielleicht im Moment ausmalst.
Ja, er versuchte es dennoch, ließ dann aber mit einem Kopfschütteln ab, da er glaubte, dass der Junge seine Entscheidung bereits getroffen hatte und keines seiner Worte irgendwas daran ändern konnte, dass Kaeso mit ihm und seiner Familie gebrochen hatte.