Beiträge von Iullus Helvetius Curio

    Im Gegensatz zu Kaeso kam Curio der Einladung, Bitte - oder Aufforderung - des Jungen nach, sich auf die Steinbank zu setzen. Das Wetter war noch immer gut, auch wenn heute ein etwas kühlerer Wind ging, der die Temperaturen etwas drückte. Trotzdem kam man auch ohne Mantel gut draußen zurecht, zumindest traf das auf Curio zu, der auch nicht fror, sondern lediglich dann fröstelte, wenn die Berichte Kaesos ihre erschreckenden Höhepunkte erreichten. Weiterhin hörte der Helvetier nur schweigend zu, verfolgte stattdessen die einzelnen Stationen des weiteren Berichts. Die Fürsorge Alpinas nach dem ersten Übergriff, die Liebe zu Phryne - er nannte sie tatsächlich seine Göttin, wahrscheinlich unwissend darüber, was das eigentlich bedeutete, nämlich seine offenkundige Abhängigkeit von der Libertina einerseits und andererseits der aufkommende Verdacht, dass sie ganz nach dem kultischen Do, ut des natürlich auch Gegenleistungen dafür verlangte, dass sie ihm die körperliche Vereinigung gestattete. Seine Rückkehr zu Casa Acilia, ein Gebet an die Große Mutter im Isistempel, ein Aufeinandertreffen mit Alpina und einem Legionär, wobei Curio noch in Erfahrung bringen würde, um welchen Legionär es sich handelte, der da mit Alpina durch die Stadt streifte, das Beinahe-Aufeinandertreffen mit Gurox in der Casa Acilia und schließlich die Vorkommnisse in der Taberna Medica. Hier wurde Curios Aufmerksamkeit nochmal besonders gefordert und erneut lief es ihm eiskalt den Rücken hinab, als Kaeso andeutete, dass Gurox Alpina beinahe noch mehr gedemütigt hätte, als er es ohnehin schon getan hatte.


    Nach den letzten Worten Kaesos entstand eine kurze Pause, bevor Curio mit bitterer Stimme murmelnd erwiderte:


    Er hätte es verdient gehabt.


    Er widersprach damit Alpina, nicht nur in Bezug darauf, dass Kaeso sich in diesem Fall nach Curios Ansicht nichts hätte zu Schulden kommen lassen, als die Auslöschung des Lebens eines dreckigen Verbrechers und Vergewaltigers. Danach schloss er kurz die Augen, atmete tief und hörbar aus und ein, erhob sich dann und trat auf Kaeso zu. Auch er hatte eine Entscheidung getroffen, die ihn zwar selbst ein bisschen überraschte, aber wahrscheinlich ganz im Sinne der übrigen Hausbewohner wäre.


    Ich werde die ganze Geschichte um Phryne für heute erstmal... ruhen lassen. Dennoch werden wir darüber reden müssen, am besten gleich morgen. Bis dahin muss ich dich inständig bitten, auch im Sinne Alpinas, Phryne weder heute noch morgen vor unserem Gespräch... aufzusuchen. Versprich es mir bitte. Was du morgen nach dem Gespräch machen wirst, liegt bei dir. Es lag immer in deiner Entscheidung, und wird es auch in Zukunft tun... ob und wie lange dur hier im Haus verbleibst. Bis dahin bleibst du bitte hier im Haus und wenn du was zu tun brauchst, kannst du damit anfangen, die Taberna Medica... aufzuräumen. Alpina hat dir ja sicherlich die Sortierung ihrer Kräuter beigebracht. Falls du dabei Hilfe brauchst, frag mich, oder Gwyn oder Neman, auch, und ganz besonders dann, wenn du nicht... alleine in die Taberna gehen möchtest.


    Erneut entstand eine Pause, in der der Helvetier seine Gedanken ordnen musste. Dann jedoch trat er noch einen Schritt auf Kaeso zu, und legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter, in dem Wissen darum, dass er er bislang mit genug älteren Männern zu tun gehabt hatte, die ihm Prügel zugefügt hatten, versuchte diese Geste nicht so aussehen zu lassen, als wolle er zum Schlag ausholen. Erstaunlicherweise war er zudem nicht wütend, auch wenn er wegen der ganzen Vorgeschichte um Phryne allen Grund dazu hatte. Vielmehr sah er nun, noch mehr als vorher, sich selbst in dem Jungen, nur dass Kaeso noch mehr durchgemacht hatte, als er, sodass der Vergleich eigentlich schon wieder arg hinkte.


    Es ist viel geschehen in den vergangenen Wochen und... nachdem, was passiert ist, ist uns wohl klar, dass wir alle Fehler gemacht haben. Doch macht man in seiner Jugend Fehler, da kann ich selbst ein Lied von singen. Ich habe in Bezug auf Gurox nicht vor, dich... zu verurteilen. Auch wenn du wahrscheinlich der Grund bist, warum er... hergekommen ist, ist es nicht deine Schuld WAS er getan hat. Es ist dir vielleicht selbst noch nicht in den Sinn gekommen, aber ich glaube... nach dem, was du mir erzählt hast, dass du sogar Schlimmeres verhindern... konntest. Wärest du nicht dazwischengegangen, hätte dieses Schwein Alpina sicherlich... noch schlimmer gedemütigt. Wenn ich daran denke, was er dir schon vorher angetan hat, war es sogar noch mutiger von dir, dass du dich schützend vor Alpina... zu stellen versuchtest.


    Curio merkte, dass seine Gedanken wieder nachhingen und er beim Sprechen wieder die Aussetzer hatte. Eigentlich hatte er vorgehabt, eine Systematik dahinter zu finden und sie soweit zu verstehen, damit er gezielt daran arbeiten konnte. Allerdings war das ein Luxus, den er sich grade nicht leisten konnte, da nicht er, sondern Kaeso im Mittelpunkt stehen sollte.


    Daher musst du das Haus heute nicht verlassen und wie gesagt möchte ich dich einladen, noch mindestens bis morgen... hierzubleiben. Wenn du dich danach dafür entscheidest, das Haus doch... zu verlassen, werde ich dabei helfen, dir irgendwo in der Stadt, in der Nähe des... Theaters und des Arbeitsplatzes des Chirurgicus, eine Kammer zu finden, damit du dort deine Ausbildung beginnen... kannst - sofern du das immer noch möchtest.

    Die innere Unruhe war dem Jungen anzumerken. Regelmäßig schritt er vor dem Helvetier auf und, ab, setzte sich, stand dann wieder auf. Und währenddessen erzählte er seine Geschichte. Eine Geschichte, die den Helvetier weiter verwirrte, auch wenn nun einige Zusammenhänge klarer wurden. Letztlich stand aber wohl über allem ein Name, der seine Familie nun schon seit Jahren beschäftigte und mit Sicherheit darauf aus war, ihm zu schaden und dafür offenbar nicht mal davor zurückschreckte, einen unerfahrenen Jungen zu verführen. Natürlich konnte sie Männe umgarnen und auch er war anfällig, für ihren giftigen Charme und konnte sich von diesem nur dadurch distanzieren, dass er wusste, mit welchen Worten sie seine Frau und Alpina bedachte. Seine arme Schwägerin war das Lieblingsziel der Libertina, seit jeher. Noch bevor Curio überhaupt darüber nachgedacht hatte, ein politisches Amt anzustreben, hatte sie Alpina wohl schon auf ihrer inneren Abschussliste gehabt und da er sich so für Alpina eingesetzt hatte, war es absehbar gewesen, dass auch er darauf gelandet war. Dass Kaeso allerdings von Liebe sprach, war für den Helvetier wiederum unverständlich, da er sich zwar gut vorstellen konnte, dass der Junge den Reizen der Libertina erlegen war und sich vielleicht auch in sie verliebt hatte, konnte und wollte Curio andererseits nicht daran glauben, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. Vielmehr glaubte er, dass sie sich den Jungen geangelt hatte, um über ihn an Informationen aus der Casa Helvetia zu gelangen. Doch bevor er danach fragen konnte, fuhr Kaeso auch schon mit seiner Erzähung fort.


    Was nun folgte, war ein Schreckenserzählung. Der Dreckskerl musste ein verdammter Sadist sein, aber auch ein rationaler Planer und dieses Mischung machte ihn wahrscheinlich so gefährlich, wie er aus den Erzählungen Kaesos hervorging. Und es wurde noch schlimmer. Offenbar hielt der Kerl auch die Libertina in seiner Gewalt und wollte einen unangenehmen Nebenbuhler ausschalten, nicht ohne sich auch an ihm zu vergehen. Curio lief ein kalter Schauer über den Rücken, wenn er sich vorstellte, was Gurox mit dem Jungen angestellt haben musste. Die Vergewaltigung Alpinas war danach fast schon zwangsläufig bei einem solchen Irren, der sich einfach nahm, was er wollte. Warum aber war ihm das alles entgangen? Warum erfuhr er von alldem erst jetzt? Und warum war er nicht hiergeblieben, um das alles zu verhindern? Wortlos blickte er Kaeso nach, nachdem dieser sich nach draußen abgemeldet hatte, und schaute danach zu der Tür zu Alpinas Wohnbereich. Es war wohl besser, wenn sie vorerst nicht mit Männern konfrontiert wurde. Silvana war eine Frau, sie konnte vielleicht besser zu einer anderen Frau durchdringen, als es ein Mann tun konnte.


    Stattdessen stand er langsam auf, blickte sich im leeren Atrium um und atmete nun selbst tief durch. Das schale Gefühl der Zurückweisung breitete sich in ihm aus, auch wenn er die Gründe dafür nachvollziehen konnte. Nichtsdestotrotz ging er nicht in Alpinas Wohnbereich, sondern setzte sich langsam in Richtung des Gartens in Bewegung. Vielleicht konnte er wenigstens Kaeso helfen, doch hatte er seine Zweifel daran, da er selbst die schrecklichen Erfahrungen des Jungen nicht mal in seiner Vorstellung verstehen konnte. Und gleichzeitig stieg in ihm das schlechte Gewissen hoch, dass er trotz seiner privilegierten Lebensweise immer noch nicht in der Lage war, seine aktuelle Position hinzunehmen. Er beschwerte sich über Luxusprobleme, während Kaeso mit tatsächlichen verstörenden Ereignissen in seinem Leben zu kämpfen hatte. Mit ungewollt schleppenden Schritt trat er hinaus in den Garten und suchte mit seinen Blick nach dem Jungen. Er brauchte nun Verständnis, zumindest glaubte Curio das, und niemanden, der ihn aus dem Haus warf. Auch wenn das Thema Phryne auf kurz oder lang nochmal besprochen werden musste.

    Er musste die Kontrolle behalten, das Zittern seiner Hand unterdrücken, den Atem in regelmäßige Bahnen lenken. Tiefe Atemzüge, Konzentration auf seine Hand, die er nun auf seinen Oberschenkel legte und sie mit seiner anderen bedeckte. Er musste Haltung bewahren, so wie er es von seiner Mutter gelernt hatte. Denn hier im Haus war er nicht mehr der kleine Junge, der anfangen durfte zu weinen, wenn ihm etwas geschah. Hier war er derjenige, der Entscheidungen treffen musste, der die übrigen Bewohner des Hauses beschützen musste, der die Kontrolle behalten musste. Er konnte sie nicht aus der Hand geben, so wie er es mit seiner Abreise zum Landgut getan hatte, denn erneut war ihm hier bewusst gemacht worden, was passierte, wenn er seine Pflichten nicht konsequent erfüllte. Es ging schief, Menschen kamen zu Schaden, Menschen die ihm wichtig waren, die hier in Mogontiacum seine Familie waren und die er nun im Stich gelassen hatte.


    Kaum konnte er sich darauf konzentrieren, die Haltung zu bewahren und die seinen Körper durchflutende Angst zu bekämpfen, da er gleichzeitig zuhören musste, was Kaeso ihm da erzählte. Für ihn ergaben die Worte keinen Sinn, sie waren vielmehr eine Anhäufung von Informationsbruchstücken und Selbstbezichtigungen, vorgebracht in einer Art und Weise, die tiefgehende Aufregung verriet. Immer wieder stockte er und Curio konnte regelrecht sehen, wie Bilder seinen Kopf durchzuckten, da er es von sich selbst nur zu gut kannte. Und je mehr er sich auf den Jungen konzentrierte, desto ruhiger wurde er selbst. Sein Atem, das Zittern, das lähmende Gefühl der Angst. Sie waren nicht mehr wichtig. Stattdessen fokussierte er den Jungen und schüttelte schließlich leicht den Kopf.


    Kaeso, tu mir bitte einen Gefallen und atme einmal tief durch. Und dann erzählst du mir bitte alles, was du mir sagen möchtest. Nacheinander. Und wenn du möchtest, darfst du dich dabei auch zu mir setzen, wenn du aber lieber stehenbleiben möchtest, kannst du das auch tun.

    Er war Schuld. Natürlich. Wer denn auch sonst? Er hatte es doch schon bei der Abreise im Gefühl gehabt, dass irgendwas passieren würde, doch hatte er nicht darauf gehört. Er hätte nie abreisen dürfen, denn auch wenn ihm die zwei Wochen wirklich gut getan und sie ihn wieder näher an seine Familie herangebracht hatten, hätte er doch wissen müssen, dass irgendwas passieren würde, wenn er sich mal nicht um seine Pflichten kümmerte. Sowas konnte nur schief gehen, so wie es in der Vergangenheit jedes Mal schiefgegangen war und auch auch jetzt wieder schieflief. Immer tiefer verlief sich Curio in diese Wust an Gedanken, der seinen Körper erfüllte, seine Hand zum Zittern brachte und seinen Atem unregelmäßiger werden ließ. Wie lange er so saß, konnt er nicht sagen, da er irgendwann von einer Stimme aus seinen Gedanken gerissen wurde. Orientierungslos blickte er hoch, musste sich zurechtfinden, wo er war, im Atrium, wer ihn angesprochen hatte, Kaeso, warum er hier war, Alpinas Vergewaltigung. Langsam drangen die Worte des Jungen zu ihm durch. Die ersten Floskel quittierte er mit einem unsicheren Nicken, dann fuhr er fort und der Helvetier runzelte die Stirn.


    Wovon sprichst du da, Kaeso.


    sagte er leise und mit deutlich hörbarer Verwirrung in der Stimme. Der Helvetier wusste nicht, wovon der Junge sprach und seine letzten Worte ergaben auch keinen Sinn für ihn.


    Setz dich.


    sagte er schließlich und deutete auf die zweite Bank. Der Junge musste nicht stehen. Auch er war gestern ein Opfer geworden und Opfer hatten ein Recht darauf, dass man sich um sie kümmerte. Wenn Alpina seinen Anblick schon nicht ertrug, vielleicht kam Kaeso besser damit klar.

    Es war eine Kleinigkeit, die er sich von seiner Frau abgeschaut hatte. Beide zogen sich regelmäßig damit auf, einander bei einigen Dingen im Ungewissen zu lassen, um die positive Überraschung danach um so größer werden zu lassen. Es gehörte zu ihrer Ehe mittlerweile dazu und beide machten sich einen Spaß daraus. Umso mehr teilte er nun Silvanas Freude, dass es geklappt hatte und war zudem froh, dass sie auch einem kleinen Opfer gleich offen gegenüberstand, wobei das eigentlich schon selbstverständlich für ihn gewesen war. Die Frage nach dem Preis des Siegers ließ ihn lächeln, doch noch bevor er antworten konnte, überfiel ihn seine Frau mit einem Kuss, den er natürlich nur gerne erwiderte. Dabei zog er sie an sich heran und genoss es, hier an diesem magischen Ort mit ihr alleine zu sein. Ein bisschen erinnerte es ihn an den Tag ihres erfolgreichen Prüfungsopfers, als sie beide alleine in den duccischen Hain in der Nähe der Villa Duccia gegangen waren, um sich nochmal gegenseitig Mut zu machen. Dass der Tag dann durch seinen heutigen Schwiegervater etwas verdüstert worden war, blendete er dabei aus. Ihren Dank in einer Kusspause, quittierte er derweil mit einem leisen


    Ich liebe dich.


    bevor er sich wieder in den Kuss ergab. Natürlich unterstützte er sie. Er tat es, weil er sie liebte und weil ihm die beiden Goden, die ihre Hochzeit vollzogen hatten, ihm damals deutlich gemacht hatten, dass Silvana immer und immer wieder diesen Zuspruch brauchte, um ihre Gabe anzunehmen und sich nicht von dieser zu entfremden. In seinen Amtszeiten war das leider nicht so einfach, hier aber war es problemlos möglich und daher tat er es auch, ihr zuliebe und mit Hinblick auf sein Versprechen, sie mit ihrer Gabe zu unterstützen.


    Nun, der Preis des Sieger... Den ersten Teil haben wir... grade abgehakt. Den zweiten Teil... nun ja... ich weiß nicht, ob dieser Ort dafür geeignet wäre und wir... es nicht besser in unser Schlafzimmer verlegen.


    antwortete er nun mit einen ebenso spitzbübischen Lächeln, wie jenes, das das Gesicht seiner Frau zierte.

    <<< Es dauerte nicht lange, bis die Tür der Taberna Medica aufsprang. Acanthos trat als erstes ein, gefolgt von Soldaten der Ala unter Führung des Praefectus Castrorum persönlich. In dem Raum bot sich den Eintretenden ein erschreckendes Bild. Überall lagen Tonscherben, die als Folge der Kämpfe zu Boden gefallen und zerprungen waren. In einer Ecke saß die vollkommen apatische Alpina, in einer anderen der junge Kaeso, der ebenfalls vom Schock gezeichnet war. Im vorderen Teil kniete Roderiq, das freie Knie auf dem Rücken einer dunklen Gestalt mit Bart und uauffälliger Kleidung, daneben stand der großgewachsene britische Ianitor des Hauses, der die Situation absicherte und in der Lage war, einen weiteren Angriff auf Alpina und Kaeso zu verhindern, sollte der Kerl sich aus der festen Fixierung des Grenzkohortenveterans Roderiq doch noch lösen. Die Eingangstür war nicht gesichert, eine Flucht wäre also theoretisch möglich gewesen, doch war es den beiden Männern vor allem darum gegangen, die beiden Opfer zu schützen.


    Das ist der Kerl.


    sagte Acanthos kalt und deutete auf den Mann, der durch den blonden Custos mit dem Knie auf dem Boden fixiert wurde.

    | Acanthos


    Immer noch nach Luft japsend beobachtete der Makedone, wie nach wenigen Augenblicken Befehle gebrüllt wurden und sich eine Gruppe von Männern formierte. Nach einem kurzen Moment setzte er sich aber auch schon in Bewegung, da er die anderen Sklaven mit diesem Monster nicht warten lassen wollte.


    Ich danke dir, Praefectus.


    sagte er erleichtert und fuhr dann bereits im Gehen fort.


    Es war ein Angreifer. Er hat Alpina und ihren Assistenten Kaeso attackiert - beide leben, aber wir fürchten, dass dieses Schwein fliehen könnte, wenn wir nicht auf Nummer Sicher gehen.


    Nach einer kurzen Pause fiel ihm noch etwas ein.


    Mein Herr ist nicht zu Hause, sondern noch auf seinem Landgut - er hat noch keine Ahnung.


    fügte er an und hatte schon wieder ein schlechtes Gewissen, da er es wahrscheinlich nicht mehr schaffen würde, ihn noch heute zu informieren. Danach ging es dann auf direktem Wege in die Taberna Medica.

    Schon die Worte Nemans hatten Curio einen Stich versetzt. Das Verhältnis zu Alpina war immer eng gewesen, doch hatte es natürlich auch unter seiner Amtszeit gelitten, ebenso wie es seine Ehe und das Verhältnis zu seinem Sohn der Fall gewesen war. Bei Alpina wirkte es nun aber umso dramatischer, wollte sie ihn ja wohl gar nicht erst sehen. Es erschreckte ihn, dass er nicht zu ihr durfte und er verstand nicht, warum sie ihn nicht sehen wollte, nachdem sie in der Vergangenheit doch immer füreinander dagewesen waren. Die Worte Silvanas schlugen in dieselbe Kerbe und sorgten dafür, dass er schlielich unwillkürlich leicht zusammenzuckte, noch bevor er ein zustimmendes Nicken andeutete, da der Tonfall seiner Frau ja ohnehin keine Diskussion darüber zugelassen hätte. Dennoch riss ihn genau dieser Tonfall nur noch weiter hinunter in eine Schlucht des Zweifelns. Matt ließ er sich auf der Steinbank nieder, die in der Nähe der Tür zu Alpinas Wohnbereich stand, begann seine Hände zu kneten und auf einen Punkt auf dem Boden zu starren.


    Ich hätte nicht fahren dürfen.


    murmelte er in dem Moment, als Kaeso ins Atrium trat. Dann schluckte er trocken. Nein, er hätte nicht fahren dürfen, denn war es nicht immer so, dass schlimme Sachen geschahen, wenn er sich gegen seine eigentlichen Pläne auflehnte? Damals als er sich gegen seinen Vater aufgelehnt hatte, war er zu Hause rausgeworfen worden, als er sich später mit Silvana einließ, wäre es fast in einem Fiasko für ihn und die Duccier ausgewachsen, das nur durch göttliche Hilfe hatte ausgeglichen werden können. Es passte also perfekt in das Gesamtbild seines Fehltritte, deren Konsequenzen sich nun auch noch auf Alpina ausgeweitet hatten.


    Die Sklaven hatte sich wieder an die Arbeit gemacht, sodass Curio und Kaeso nun alleine im Atrium waren. Doch bemerkte der Helvetier den jungen Mann zuerst nicht. Stattdessen stierte er weiter auf den Boden, während er in seinem Kopf seine Verfehlungen aufhäufte zu dem Berg seines Versagens und seine rechte Hand nun leicht zu zittern begann und sein Atem unregelmäßiger wurde.

    | Acanthos


    Der Weg von der Casa Helvetia zur Porta Principalis Dextra war nicht weit, aber dennoch war der makedonische Haussklave außer Atem, als er dort ankam. Er war regelrecht dorthin geflogen, weil er keine Zeit hatte verlieren wollen.


    Wir brauchen dringend Hilfe!


    rief er bereits einige Meter vorher, entsann sich dann aber, dass ihm auf diese Weise wohl kaum geholfen werden würde.


    Milites, mein Name ist Acanthos, ich bin Maiordomus der Casa Helvetia. In der Taberna Medica hat es einen Überfall auf Susina Alpina gegeben. Wir konnten den Angreifer festsetzen, aber wir brauchen dringend Hilfe, um ihn einzusperren!


    erklärte er und ging zudem davon aus, dass Alpinas Name in der Castra ein Begriff war. Schließlich half sie vielen Frauen bei der Geburt und war zudem praktisch die Frau eines Soldaten.

    Einige Augenblicke passierte nichts. Aber Curio hatte auch nicht erwartet, dass Silvana gleich losstapfte. Wenn er etwas aus seiner Tätigkeit als Aedituus gelernt hatte, dann dass sich die Götter meist Zeit ließen mit ihren Zeichen und nur selten mit dem Zaunpfahl winkten. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sich die Götter in ihren germanischen Personifizierungen nochmal ein bisschen mehr Zeit ausnahmen, als wenn da noch irgendeine Übersetzung notwendig war oder sowas, aber letztlich machte er sich keine Gedanken darüber, ob seine Frau den Hain finden würde, sondern eher, wie lange es dauern würde, bis sie die Zeichen der Götter zu interpretieren konnte. Und dann setzte sie sich tatsächlich in Bewegung. Ihre Schritte waren zuerst zögerlich, zurückhaltend, zweifelnd, aber Curio hielt die Hand seiner Frau fest und vermittelte ihr dadurch nicht nur, dass er auf sie aufpasste, sondern auch sein Vertrauen in sie und ihre Fähigkeiten. Danach bewegten sie sich mit gleichmäßigem Tempo in eine Richtung. Sie überschritten die Wiese hinter ihrem Haus, traten dann in den Wald ein, wo der würzige Geruch von Erde, Bäumen und Blättern in ihre Nasen kroch. Einmal musste Curio seine Frau vorsichtig und wortlos zurückhalten, als sie drohte, vor einen Baum zu laufen, aber gleich danach setzte sie sich wieder zielgerichtet in Bewegung. Für einige Augenblicke beschäftigte ihn der Gedanke, ob ein anderer Ehemann ihr diese Möglichkeit auch geboten hätte, bevor ihm klar wurde, dass der beste Kandidat ja wohl ein stockkonservativer Pontifex gewesen wäre, der nichts von den Gaben Silvanas akzeptiert hätte. Und ein Senator in Rom hätte wohl genauso wenig Verständnis dafür aufgebracht, dass seine Ehefrau irgendwelche germanischen Rituale pflegte. Curio musste schlucken und blickte seine Frau in das hübsche Gesicht mit dem Tuch über den Augen. Er hatte ihr versprochen, sie in ihren Gaben stets zu unterstützen und bildete damit wahrscheinlich eine einmalige Ausnahme.


    Sie liefen weiter. Über den feuchten, moosigen Waldboden, überquerten eine Lichtung, auf der es durch die starke Sonne leicht wärmer war als im Wald, doch überquerten sie sie schnell, da es dort auch keine besonderen Hindernisse gab. Ihre Schritte wurden nun schnell und kraftvoll, so als wären ihre Augen nicht verbunden und sie alles sehen könnte, was vor ihren Füßen geschah. Erstaunlicherweise musste Curio nicht mal mehr eingreifen, da sie den Hindernissen bewusst auszuweichen schien. Auch von ihnen musste wohl irgendeine Kraft ausgehen, die er weder spürte, noch verstand, die er aber akzeptierte so wie sie war. Plötzlich blieb sie stehen, direkt neben einer massiven alten Eiche und sprach mit kaum vernehmbarer Stimme, dass sie angekommen waren. Curio folgte mit seinem Blick ihrer Gäste und erblickte einen großen Findling, so wie er in den meisten Hainen stand und, wie er von Silvana gelernt hatte, als eine Art Opferaltar genutzt wurde. An dessen Fuß stand der Korb, den Curio dem Bediensteten mitgegeben hatte, und wieder konnte sich der Helvetier ein Grinsen nicht verkneifen.


    Na ja...


    sagte er dann aber doch zuerst eher zurückhaltend und ließ seine Hand aus der Silvanas gleiten. Eine kurze Pause folgte, bevor er hinter seine Frau trat und ihr eine Hand auf die Schulter legte.


    Ich würde sagen, ich habe gewonnen.


    folgte schließlich die Worte, die sie erleichtern würden, und er ließ seine Hände über ihre Schulter gleiten und öffnete an ihrem Hinterkopf den Knoten, der das Tuch vor ihren Augen fixiert hatte.


    Ich hab einen der Weber gebeten, einen Korb mit Opfergaben hierzulassen. Wenn du möchtest, können wir gleich auch ein kleine Opfer für die Einweihung unseres Landgut vollziehen.


    Lächelnd trat er danach wieder neben seine Frau und legte ihr einen Arm um die Hüfte. Diese Orte hatten immer ihre eigene Magie und jetzt, wo er sich darauf konzentrieren konnte, merkte auch wieder, wie sie ihn umfing.

    Mit einem dankbaren Nicken quittierte Curio die Wort des Präfekten zu seinem Gesundheitszustand. So ganz der Alte war er zwar noch nicht, aber das würde sich hoffentlich noch ergeben. Pflichten hatte er derweil nicht wirklich. Seine städtischen Aufgaben beschränkten sich derzeit auf die Teilnahme an den Sitzungen des Stadtrates und da hatte er die erste, an der er hätte teilnehmen können, auch schon verpasst. Hoffentlich sah man ihm das nach.


    Frumentarii? Tatsächlich? Nun, dann hoffe ich, dass die Männer bald jemanden dingfest machen können.


    antwortete er matt. Eigentlich hatte er nicht das Bedürfnis, sich damit noch groß auseinanderzusetzen und auch wenn es ihm gegen den Gerechtigkeitssinn ging, würde ein Teil von ihm es wohl sehr begrüßen, wenn sich die Männer einfach der Festnahme zu entziehen versuchen würden und die Frumentarii dabei einen rund hatten, sie einfach direkt vor Ort zu erledigen. Das würde ihm einen Prozess ersparen und ein erneutes Durchleben des Tages, der bis heute noch irgendwo in seinem Unterbewusstsein vergraben war.


    Auch die gute Nachricht zu dem Mündel des Präfekten nahm Curio mit einem Nicken auf. Es waren diese guten Nachrichten, die ihn dazu brachten, nicht an dem Gesamtbild zu zweifeln. Solange Apollo über die Stadt und ihre Bewohner wachte, solange war auch alles gut und die Zukunft gesichert. Grade solche göttlichen Zeichen bauten ihn auf, da sie einen angenehmen Gegenpol zu den jüngsten regelmäßigen Gewaltausbrüchen auf den Straßen der Stadt setzten.


    Dann würde ich mit meinem Sekretär den Termin zur zweiten Stunde bevorzugen, Iulius.


    Je früher, desto besser. Wenn er den Termin schon nicht heute machen konnte, weil ja die ganze Legion für die heutige Übung auf den Beinen waren, konnte er wenigstens direkt morgen früh dafür sorgen, dass der gesamte Sumpf um diesen Gurox trocken gelegt wurde. Sollten sie doch die Macht des Imperiums schmecken, wenn sie glaubten, dass sie sich ungestraft an einem Mitglied seiner Familie vergehen durften.

    Tag für Tag waren seine Laune besser und seine Gedanken zuversichtlicher geworden. Die Verzögerungen beim Sprechen wurden seltener und mit einem frhlichen Lächeln hatte Curio beobachtet, wie seine Frau ihre guten Tuniken gegen einfache, zweckmäßige Kleider getauscht und begonnen hatte, an den Arbeiten auf dem Landgut mitzuwirken. Ihre Arbeit sorgte zwar immer wieder für verwunderte Blicke der Bediensteten, aber sie mussten lernen, dass die neuen Besitzer des Landguts alles andere als gewöhnliche Römer waren. Curio war mit dem Verwalter die Bücher durchgegangen und hatte die Siedlung der Bediensteten besucht, während Silvana in der Weberei und der Käserei mit anpackte und auch wenn es viel zu tun gab, blieben doch immer große Teile des Tages der Familie vorbehalten und während Curio es sichtlich gut tat, so viel Zeit mit seiner Frau und seinem Sohn zu verbringen, genoss er es auch die kleinen Fortschritte seines Sohnes wahrzunehmen und seiner Frau die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, auf sie noch in der Amtszeit doch viel zu oft hatte verzichten müssen.


    Die heutige Überraschung sollte aber von Zweisamkeit geprägt sein, wobei diese auch schon wieder relativ war, wenn er bedachte, dass sie bei dem, was er vorhatte ja sicherlich nicht so wirklich alleine sein würden.


    Du sagst mir doch immer, dass die Götter überall sind. Lass dich also von ihnen leiten, dann findest du den Hain sicher.


    sagte er mit einem vorfreudigen Lächeln, denn er selbst wusste auch nicht, wo sich der Hain befand, sondern hatte nur einen der Männer aus dem kleinen Dorf gebeten, dort einen Korb mit Brot und Wein zu hinterlassen, damit sie, sobald sie da waren, ein kleines Opfer würden vollziehen können.


    Es folgte ein kurzer, fast schon verstohlener Kuss, bevor er sich hinter sie stellte und das Tucht vor ihre Augen legte und es an ihrem Hinterkopf zusammenband. Dann griff er nach ihrer Hand und flüsterte ihr leise zu:


    Ich passe auf, dass du nicht stolperst und fällst und halte dich dafür ganz fest. Ansonsten bin ich ruhig, damit du nicht abgelenkt wirst. Vertrau auf deine Fähigkeiten, mein Herz. Ich weiß, du kannst das.


    Erneut folgte ein Kuss, dieses Mal auf ihren Hals bevor er den Kopf mit einem aufmerksamen Blick hob und schweigend darauf wartete, dass Silvana ihren Weg einschlug.

    Curio nickte auf die Worte des Iuliers hin. Solange alles funktionierte, war alles in Ordnung, und selbst wenn es kleinere Fehler oder Probleme geben würde, waren die dann hoffentlich nicht unlösbar.


    Ja, das kenne ich sehr gut. Allerdings kann ich aus der beschränkten Perspektive des zivilen Gastes bislang nur Lob aussprechen. Deine Männer machen schon jetzt einen guten... Eindruck.


    sagte der Helvetier anerkennend und ließ seinen Blick über die noch strammstehenden Soldaten der Legio schweifen. Ein wenig vermisste er seinen Bruder unter den Unteroffizieren, aber letztlich ging es ja heute ohnehin nicht um den Helvetier, sondern um die Tirones, die heute ihre Ausbildung beendeteten.


    Und zudem wohl erneut um den Zustand Curios. Trotz der ganzen Vorkommnisse in der Casa Helvetia hatte er sich nur wenig außerhalb des Hauses sehen lassen. Ab heute würde sich das aber endgültig ändern. Die Stadt brauchte wieder Ordnung und die konnte er nur gemeinsam mit den militärischen Einheiten errichten.


    Nun, ich kann nicht klagen, Iulius. Die letzten beiden Wochen auf dem... Landgut haben mir gut getan und ich denke, dass es jetzt wieder an der Zeit ist, meine öffentlichen Pflichten... aufzunehmen.


    Ja, er wischte seine immer noch vorkommenden sprachlichen Probleme beiseite. Sie waren seltener geworden und daher ging Curio davon aus, dass sie irgendwann komplett verschwinden würden. Er musste nur ein bisschen Geduld haben, dann würden sie schon verschwinden.


    Letztlich wurden wir aber aus weniger guten Gründen nach Mogontiacum zurückgerufen. Wenn du erlaubst, würde ich gerne dazu mit dir nochmal morgen sprechen, entweder hier in deinem Büro oder bei dir in Casa, je nachdem, wie dein Zeitplan morgen aussieht.


    Er musste Nägel mit Köpfen machen und dazu brauchte er die Hilfe der Legion. Dieser Verbrecher würde dafür bezahlen, was er Kaeso und vor Alpina angetan hatte. Er würde lernen, dass man sich hier in der Stadt nicht mit dem helvetischen Haushalt anlegte und dessen Mitglieder schändete.

    Ja, Curio erinnerte sich noch sehr gut an diese kindlichen Flausen, die sie gesponnen hatten in der Zeit, als sie ihre Beziehung noch hatten geheimhalten müssen. Damals hatten sie keine Ahnung gehabt, dass ihre Beziehung tatsächlich erfolgreich sein könnte, auch wenn sie doch fest daran geglaubt hatten. Doch die heutige Realität war damals noch so weit weg und so unsicher, ja eigentlich undenkbar gewesen, dass sie sich regelmäßig Alternativszenarien ausgemalt hatten. Eine davon war die gemeinsame Flucht vor ihren Familien, um irgendwo in einer anderen Provinz weit weg von den germanischen Provinzen und außerhalb der Handlungsphären der Duccier und Helvetier hatten sie das einfache Leben von Bauern führen wollen. Curio hätte einfach das klägliche Wissen von der Bestellung des Landguts seines Vaters ausgegraben und Silvana hätte dafür gesorgt, dass das, was er angebaut hätte, essbar auf den Tellern gelandet wäre. Nun waren sie natürlich verheiratet, Alternativszenarien waren unnötig geworden und dennoch hatten sie nun ein Landgut. Wären sie geflüchtet, wäre das Haus natürlich noch kleiner ausgefallen, aber es hätte ihnen sicher gereicht und natürlich musste die Villa hier dementgegen schon wieder der pure Luxus wahrgenommen werden, auch wenn sie nun wirklich nicht die luxuriöseste Villa rustica der Umgebung war. Doch reichte sie, bot sogar genug Platz für Gäste, konnte sich weitgehend selbst tragen, ohne dass Curio noch ein Vermögen nachschießen und sich damit wahrscheinlich hoffnungslos würde verschulden müssen, und warf sogar noch etwas ab, dass er in die Haushaltskasse übernehmen konnte.


    Versonnen spürte der Helvetier den Kopf seiner Frau und atmete tief die frische Waldluft ein, die sie umgab, und umschlang ihre Hüfte mit dem linken Arm. Ohne Frage, hier konnte er sich ausruhen und wieder zu alter Stärke zurückfinden, gemeinsam mit seiner Familie und Schritt für Schritt konnte er sich hier auch in die Verwaltung des Landgutes einarbeiten, die angestellen Bediensteten kennenlernen und schauen, wie die Wirtschaftsbetriebe arbeiteten. Das Hauptaugenmerk lag aber auf seiner Familie. So viel Zeit wie möglich wollte er mit ihnen verbringen, wollte sehen, wie sein Sohn so wie jetzt im Gras spielte und die kleinen Fortschritte machte, die bei den kleinen Kindern so schnell vonstatten gingen. Und er wollte bei seiner Frau sein, ihre Nähe spüren, nachdem er sich während seiner vergangenen Amtszeit mal wieder hatte rar machen müssen. Die Tage hier auf dem Landgut würden gut werden. Da war er sich sicher.


    ~~~


    Gut eine Woche waren sie nun schon auf dem Landgut und irgendwie schwand der Willen zur Rückkehr in die Stadt mehr und mehr. Silvana ging hier regelrecht auf, machte täglich lange Spaziergänge und Curio machte sich mit den Bediensteten bekannt und fand sogar regelmäßig Zeit, eines der Bücher zu lesen, die er sich hatte herschicken lassen. Keine Korrespondenz, sondern Geschichtsbücher und Lyrikbände, er las aus Lust, nicht aus Pflicht, saß dabei im Garten an dem großen Teich und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Die kleine Familie verbrachte viel Zeit gemeinsam, doch fanden sie auch immer Zeit für sich selbst.


    So auch heute. Curio hatte seinen Sohn für die kommenden Stunden wieder in die Obhut der Verwalterin, die sich rührend um den Kleinen kümmerte, auch wenn sie am Ende meist doch ganz froh zu sein schien, den kleinen Wirbelwind wieder an die Eltern abgeben zu können. Gemeinsam mit seiner Frau ging er durch das nach hinten gerichtete Tor auf die große Freifläche, schlug dann aber gleich den Weg nach links Richtung Wald ein und hielt kurz vor dem Eintritt inne und lächelte seiner Frau zu.


    Die germanischen Bediensteten erzählten mir, dass sich hier irgendwo im Wald ein Hain befinden soll, an dem sie regelmäßig den Göttern opfern. Ich möchte ihn gerne mit dir suchen - habe mir aber eine Kleinigkeit überlegt.


    Langsam ging sein Lächeln in ein neckisches Grinsen über, während er ein breites Tuch aus einer Innentasche seiner Tunika zog und es einmal faltete.


    Ich wette mit dir, dass du es schaffst, den Hain auch mit verbundenen Augen zu finden. Hältst du dagegen?

    Es gab Tage, da ließ sich Curio von nichts und niemandem aufhalten. Weder von den Umständen die ihn dazu zwangen, nicht das Pferd zu nehmen, sondern gemeinsam mit seiner Familie den Reisewagen, der für seine Gefühl viel zu langsam vor sich hingeruckelt war, noch von der massiven Tür der Casa Helvetia und dem britischen Ianitor, der gleich Platz gemacht hatt. Ein Pferd hätte er schon angetrieben, um in kürzester Zeit zu Hause zu sein, doch hatte er den unwiligen Blick seiner Frau gesehen, deren Stimmung schon deswegen angekratzt war, weil sie das Landgut bereits jetzt verlassen mussten. Die Nachrichten aus Mogontiacum jedoch, die einen Tag nach den Geschehnissen in der Taberna Medica mit einem Eilboten zum Landgut gebracht worden waren, ließen jedoch keinen Aufschub zu. Dass er erst einen Tag später darüber informiert worden war, würde Curio seinem Sekretär noch ankreiden, aber das spielte jetzt grade alles keine Rolle.


    Die zerfurchte Stirn des Helvetier sprach Bände. Erst er, dann Alpina und wie er soeben von Liam erfahren hatte, lag noch ein weiteres Opfer in den Behandlungsräumen der Taberna Medica. An diesem Punkt jedoch war eine Grenze überschritten worden. Was seine eigene Konstitution, seine Gesundheit, sein Wohlergehen und seine Fitness anging, konnte er durchaus nachlässig sein, wenn ihm auch klar war, dass er dies alles brauchte, um langfristig in der Politik tätig sein zu können. Seine Familienmitglieder, und darunter fielen nunmal nicht bloß seine Frau und sein Sohn, sondern alle, die unter dem Dach der Casa Helvetia lebten und damit unter seinem Schutz standen, waren ihm sakrosankt. Es machte da für ihn keinen Unterschied, ob es nun seine Frau oder sein Sohn waren, die angetastet wurden, sei es durch gesellschaftliche Infamierungsversuche und gar körperliche Gewalt, oder Alpina, Ursicina, aber auch Kaeso und die Sklaven und Bediensteten des Haushalts. Vielleicht unterschied sich bei den einzelnen Mitgliedern lediglich die Tiefe des Hasses, die er dem Angreifer entgegenbrachte, aber am Ende standen sie alle unter seinem Schutz, grade weil sein Vater, der eigentliche pater familias weit weg in Noviomagus war und Curio eigentlich insgeheim auch nur noch die Tage zählt, bis er emanzipiert wurde, und Corvinus noch weiter weg, irgendwo im Osten war.


    Mit einem großen Satz war er aus dem Wagen gesprungen und klopfte gleich selbst an die Tür, ohne auf den Fahrer zu warten. Der bekam lediglich die Anweisungen, Silvana und Cornutus beim Aussteigen zu helfen und danach dafür zu sorgen, dass die Wäschetruhen hineingeschafft wurden. Nachdem sich die Tür geöffnet hatte, ließ er sich von Liam und dem herbeieilenden Acanthos nochmal vollständig ins Bild setzen, nicht ohne dem Makedonen mit einem Seitenblick klarzumachen, dass er es deutlichst missbilligte, erst am Folgetag informiert worden zu sein. Im Atrium angekommen stockte er jedoch.


    Wo sind sie?


    lautete die ebenso kurze, wie klare Frage nach Kaeso und Alpina, die er sogleich sehen wollte, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Acanthos schob ihm derweil eine Tabula mit einer Einladung zu den Abschlussübungen der beiden Militäreinheiten der Stadt zu.


    Jetzt nicht.


    Wieder kurz und prägnant und mit deutlich schlechter Laune. Das konnte ja schließlich warten, ebenso wie er auf die Nachricht über die Vergewaltigung hatte waren müssen.

    Zitat

    Original von Myrddin Ariamir
    57 Spieler? Ich kann mir nicht helfen aber irgenwie kommt es mir ach deutlich weniger vor, naja ok danke für die Info.


    Nun ja, das ist ja auch eine Zahl, die auf einer großzügigen Auslegung des Wortes "aktiv" beruht. Aktiv ist ein Spieler, der sich zumindest alle zwei Monate einmal mit einer ID eingeloggt hat. Auch wenn ich damit bei einigen Mitspielern in eine unangenehme Kerbe schlage, würde ich behaupten, dass von diesen 57 Spielern maximal die Hälfte, wenn nicht sogar noch deutlich weniger regelmäßige Postings setzen, also auch tatsächlich Aktivität ins Forum tragen, indem sie Plays starten voranbringen und beenden.

    Curio zögerte einen Augenblick, war es doch normalerweise üblich, dass die Opfernden bereits in eine Toga kamen oder etwas anderes dabei hatten, um ihren Kopf zu bedecken. Wenn er allerdings bedachte, dass der Iulier in einer äußersten Notlage wohl spontan und ja auch noch im normalen Militäraufzug hergekommen war, war es andererseits auch verständlich, dass er nicht an alles gedacht hatte. Auf ein Nicken des Helvetiers brachte einer der Opferdiener eine breite Stoffbahn herbei, die nicht mit den Kopf, sondern auch einen Teil der Schultern bedeckte. Im Anschluss daran gab Curio dem gleichen Tempelbediensteten den Korb mit den Opfergaben, die dieser auf dem Gabentisch anrichtete und danach die Weihrauchschüssel neben das Kohlebecken an der Kultstatue stellte.


    Also gut.


    kam an dieser Stelle nur noch knapp von dem Helvetier, der nun zu der Weihrauchschüssel, zum Kohlebecken und schließlich zum Gabentisch blickte, womit er freilich bereits die Struktur des kommenden Opfer vorwegnahm.

    Tribun und Lagerpräfekt, nun, da hatte die Hierarchie offenbar noch anders ausgesehen, jetzt waren die Karten aber neugemischt. Der Duccier war nun der mächtigste Mann der Provinz und der Iulier seine rechte Hand in der Legion. Das setzte einiges an Vertrauen voraus, dass wohl sogar noch aus dem Bürgerkrieg resultierte. Die Festellung, dass sich der Statthalter sauber angestellt habe, quittierte Curio danach nur noch mit einem Nicken, war das Kriegerische doch irgendwie nie seines gewesen, obwohl sein Vater mit allen Mitteln versucht hatte, ihn in diese Schiene zu drängen, womit er wiederum bei seinem älteren Bruder Corvinus erfolgreich gewesen war - auch wenn mittlerweile unklar war, wie der Auftrag im Osten nun eigentlich verlief oder ob er sogar ein ungutes Ende genommen hatte. Damit wollte er den Iulier aber nicht belästigen.


    Nun, dann hoffe ich, dass deine Versetzung hierher für dich auch etwas Gutes hat und du hier auch mehr Abwechslung findest.


    antwortete er mit einem leichten Lächeln.