Nachdem der theoretische Teil geklärt war, zog sich die Kolonne etwa eine Pertica zurück, richtete sich aus und marschierte entschlossen auf die Linkskurve zu. Antias machte sich auf zwei mögliche Szenarien gefasst: Setzten die Tirones das Gehörte zu zaghaft um, fiel der rechte Flügel unweigerlich zurück, übertrieben sie es mit der Schrittanpassung, kippten die Reihen nach vorn und stauchten sich am linken Flügel zusammen. Sie übertrieben es. Während Hispo an der Innenseite nahezu auf der Stelle stampfte, beeilte sich der Tiro am rechten Rand weit gespreizten Schrittes um die Kurve zu hasten. Antias musste sich entscheiden, an wessen Schulter er sich nun ausrichten sollte und entschied sich für die Hispos’ zu seiner Linken. Dumm nur, dass sich der Abruzzenbulle zu seiner Rechten nach der Außenbahn hin auszurichten begann. In die Viererreihe grub sich ein bedenklicher Knick, der nur durch Antias’ beherzten Griff nach Fimbrias’ Cingulum wieder einigermaßen geglättet werden konnte. Hispo schiebend und Fimbria gleichzeitig bremsend brachte Antias die Kurve schließlich hinter sich. Für sein Gefühl war das ganze gar nicht so übel gelaufen. Natürlich konnte er nicht sehen, was die Reihen hinter ihm trieben, aber zumindest war ihm keiner in die Hacken getreten. Für den ersten Versuch schien ihm das Ergebnis durchaus akzeptabel. Darüber, welchen Eindruck die Darbietung auf Optio Mento gemacht hatte, konnte er freilich nur spekulieren.
Beiträge von Titus Germanicus Antias
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„Ach nein, ein Spaßvogel.“ knurrte Sulca gereizt, machte ein paar schwere Schritte auf den augenscheinlich recht nervösen Jüngling zu, steckte dann aber unvermittelt den Kopf in die Sänfte des Römers. Antias konnte sich ein leises Grinsen nicht verkneifen. Die Germanen standen offensichtlich das erste Mal vor den Toren der Urbs Aeterna, so was konnte einem schon ein wenig die Fassung rauben. Er kannte das Gefühl nur zu gut, war es doch noch nicht allzugange her, dass er selbst hier in der Schlange gestanden hatte, mit seinem abgesägten Pilum über der Schulter und dem Kopf in den Wolken. Gutmütig nickend wandte sich Antias an den jungen Burschen. „In die Stadt also? Tatsächlich? Tja, die Leute kommen manchmal auf die ulkigsten Ideen.“ Ohne die beiden Germanen aus den Augen zu lassen ging er zu den Packpferden. „Ich würde gerne noch einen Blick in eure Bündel werfen. Solltet ihr Waffen mitführen, wäre jetzt der passende Moment, sie mir auszuhändigen.“
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Antias blickte abschätzend die Flaminia hinauf. Kein Ende in Sicht. Bis zur nächsten Wegbiegung und sicher noch dahinter schoben sich die Menschenmassen träge über das Pflaster. Noch den spärlich tröpfelnden Lieferantenverkehr am Tor der Castra gewöhnt, tat er sich mitunter noch etwas schwer damit, die schiere Menge der Reisenden flüssig abzufertigen. Die Tatsache, dass man ihn ausgerechnet zusammen mit dem Cluvier an’s Stadttor abkommandiert hatte, machte die Aufgabe nicht gerade einfacher, zumal sich sein neuer Kamerad weniger für die endlosen Schlangen derer zuständig fühlte, die in die Urbs drängten, sondern seine ganze Aufmerksamkeit den dünnen Grüppchen angedeihen ließ, die hinaus strebten. So konnte das auf Dauer nicht weitergehn’. Wenn es der Passantenstrom irgendwann zuließ, würde er ein paar ernste Worte mit dem Cluvius zu wechseln haben, so viel stand fest. Allerdings sah es ganz und gar nicht so aus als könnte die bunte Menschenwelle irgendwann wieder abebben. Kaum hatte Antias ein paar staubige Pilger passieren lassen, standen schon die nächsten Reisenden vor ihm. Eine Sänfte römischen Inhalts und zwei Kerle mit Packtieren, Germanen wie es den Anschein hatte. „He, Sulca! Kundschaft!“ zischte Antias zu seinem schlecht gelaunten Kameraden hinüber, wartete bis der herangetreten war und wandte sich schließlich an die kleine Gruppe. „Salvete, Cives. Ihr gehört zusammen? Wenn ja, hätte ich gern erfahren, wer ihr seid, wo ihr herkommt und wo genau es hingehen soll.“
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Antias gestattete sich ein leises Stöhnen. Was hatte der Optio nur immer mit ihm? War er hier etwa der einzige Legionärsspross mit ein paar militärischen Grundkenntnissen? Durchaus möglich. Aus den Augenwinkeln taxierte er die Kameraden. Bauernsöhne, Handwerkersöhne, Händlersöhne, Patriziersöhne, letztere vielleicht gesegnet mit theoretischer Vorbildung, aber entweder zu schlau, diese Mento gegenüber durchblicken zu lassen oder schlicht zu arrogant, was im Ergebnis auf’s gleiche rauskam. Aber gut, solange die Fragen des Optios seinen begrenzten Wissenshorizont nicht überstiegen, vergab er sich schließlich nichts damit, sie zu beantworten, wenngleich es ihn kitzelte, dem Ovidius mit irgendeiner substanzlosen Replik die Lust auf weitere Fragen in seine Richtung zu nehmen. Wie man um eine Kurve marschierte? Tja nun, am besten zügig. Zugegeben, keine übertrieben witzige Antwort, aber immerhin eine Antwort. Allein der Blick auf Mentos’ pulsierende Aorta hielt Antias davon ab, sein komödiantisches Talent auszuloten. Den Humor hatte der Optio vermutlich fein säuberlich zusammengefaltet am Boden seiner Truhe verstaut. „Zu Befehl, Optio Ovidius Mento! Indem man die Schrittlänge der zurückzulegenden Strecke anpasst! Die Milites auf der Innenbahn setzen die kürzesten Schritte, die auf der Außenbahn die längsten!“
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Zugegeben, kooperativ waren die Priester ja, zumindest gaben sie sich den Anschein. Trotzdem traute Antias ihnen nicht über den Weg. Die Waffen ablegen! Weil diese weißhaarigen Vögel es für angebracht hielten! Er konnte es noch immer nicht fassen. Seit wann entschieden präsenile Tempeldiener darüber, was bei Nachforschungen der Urbaniciani angebracht war? Nur äußerst widerwillig hatte er dem Beispiel des Optios folgend seine Waffen – mit Ausnahme des Pugio – in die Obhut der Milites gegeben und war Avianus misstrauisch hinterher gestapft. Die verzweigte Weitläufigkeit der Tempelanlage hatte seinen Argwohn nicht minder verstärkt als die Erkenntnis, dass die Priester ihren Laden ganz offenbar nicht im Griff hatten. Zu gerne hätte er die alten Wichtigtuer gefragt, ob sie es denn für angebracht hielten, ihre Initianden kommen und gehen zu lassen, wie es denen gerade passte. Die Befragung allerdings oblag dem Optio, und das war wohl auch ganz gut so. Ohnehin belegte bereits die Abwesenheit dieses speziellen Initianden, dass die Urbaner der richtigen Fährte gefolgt waren. Nur nütze ihnen das momentan herzlich wenig. Gesetzt den Fall, jener Serapio blieb verschollen, was hätten sie dann noch in den Händen? Keine Tabula, keinen Dieb, keinen mutmaßlichen Komplizen, nichts als eine Beschreibung und einen mehr oder minder begründeten Verdacht. Verdammt! „Vielleicht sollten wir lieber selbst nach ihm suchen.“ knurrte er Hispo leise zu, erntete jedoch nur ein unmotiviertes Achselzucken. Stattdessen nahm Sulca unerwartet den Vorschlag auf. „Wenn er nicht sogar einer von denen ist, die angeblich nach ihm suchen. Die Priester sollte man sich mal richtig vornehmen.“ Natürlich, Logik nach Art der Cluvier, dachte sich Antias missmutig, wenn das Wild nicht zu fassen war, erlegte man eben den Hofhund. Wie auch immer, letztlich hatte Avianus zu entscheiden, wie und ob sie weiter vorgehen würden, und der schien sich vorerst noch auf die Kunst der höflichen Nachfrage zu verlassen. Allerdings, sollten die Priester Avianus’ Frage nach der Person des verschwundenen Serapio nicht erschöpfend beantworten, wäre auch Antias durchaus bereit gewesen, ihnen etwas unsanfter auf die Füße zu treten. Die Waffen ablegen! Es ging ihm einfach nicht runter.
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Optio Mentos’ gewohnt liebenswürdig vorgetragene Demonstrationen hinsichtlich Schrittlänge und Marschtempo erwiesen sich beim zweiten Versuch als verblüffend hilfreich. Zwar behielten die Tirones auf den ersten Perticae den Blick stur am Boden, um sich das von Mento vorgezeigte Schrittmaß plastisch vorzustellen, aber die monotone Taktvorgabe des Optios brachte allmählich so etwas wie einen einheitlichen Rhythmus in das vielbeinige Gestampfe. Immer mehr Köpfe erhoben sich, der Tritt wurde einheitlicher und nach einem guten Actus begann das typische Stakkato marschierender Kolonnen über den Platz zu hallen. Stolz schwang Antias die Beine und kam sich gleichzeitig etwas albern dabei vor, von einem stiernackigen alten Griesgram das richtige Gehen lernen zu müssen. Gleichwohl funktionierte es, zumindest geradeaus. Nur hatte auch der ausgedehnteste Exerzierplatz einmal ein Ende, und nach ein paar weiteren zackigen Marschtritten waren sie genau dort angelangt.
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Zurück in der Baracke wurde er nicht wie befürchtet von sieben fragenden Augenpaaren empfangen, sondern platzte fast unbeachtet in eine ausgelassene Würfelrunde. Hispo, Fimbria und Marullus hockten mit roten Köpfen um Hispos Truhe herum, schwangen den Fritillus und blickten nur kurz auf als er die Tür etwas zu lautstark wieder schloss. Im Halbdunkel der hinteren Baracke lag Tutor dösend auf seiner Pritsche, der Rest des Contuberniums hatte sich vermutlich in die Lagerthermen verzogen. Antias konnte das nur recht sein, wenn es etwas gab, wozu er heute nicht mehr die geringste Lust verspürrte, dann waren das irgendwelche umständlichen Erklärungen. „Steigst du ein?“ fragte Fimbria ohne aufzusehen. Antias überlegte es sich kurz, verzichte dann aber. Das Scharnier reparierte sich schließlich nicht von alleine. „Später vielleicht, ich hab noch zu tun.“ Fimbrias kehliges Kichern wurde vernehmbar. „Hast du nicht.“ Doch, hatte er, und er war alles andere als unglücklich darüber. Mit einem tiefen Seufzer nahm Antias sich den Helm vor, fand aber nichts schadhaftes mehr daran. Das Scharnier der Buccula war wieder gerade wie ein Bolzen, dazu noch frisch geölt. Irritiert blickte er zu den Würfelspielern hinüber. Fimbria feixte vergnügt. „Eine Craticula, ein Holzklotz, vier Hammerschläge, keine Ursache. Und was war bei dir?“ Tja, was war bei ihm? So sicher war er sich da gar nicht. Antias ließ sich Zeit, den Helm wegzuräumen, trat dann schief lächelnd zu den Kameraden und beobachtete schweigend das Spiel. Den angesammelten Münzhaufen nach zu urteilen lief es für Hispo ausgesprochen gut, was seiner beschwingten Laune unschwer anzumerken war. Eine bessere Gelegenheit, ihm die neuen Tatsachen unterzujubeln, würde sich so schnell wohl nicht bieten. Antias atmete tief durch und ließ sich auf Hispos Pritsche nieder.
„Die haben mich befördert.“ Schallendes Gelächter, sogar der eigentümlich besorgt wirkende Marullus stieß ein paar keuchende Lacher aus. „Wohin?“ prustete Hispo. „Zum Miles.“ Marullus wurde schlagartig ernst, Fimbrias’ gutmütiges Lachen wich einem erstaunten Brummen, allein Hispo sah nicht auf. „Zu welchem? Hier gibt’s so viele davon.“ Mit nervösen Fingern fummelte er die Würfel in den Tonbecher, schüttelte, stürzte den Fritillus auf die Truhe, sammelte die Würfel wieder ein, schüttelte erneut und verhielt sich damit eindeutig nicht regelkonform. „Da muss irgendwo `n Nest sein.“ Die Würfel kullerten ein weiteres Mal über den Truhendeckel, wurden zusammengesammelt, eingebechert, durcheinander gewirbelt. Antias gönnte sich einen Moment der Erleichterung. Na schön, wenn Hispo es auf diese Weise verarbeiten wollte, um so besser. Hispo allerdings schien überhaupt nicht daran zu denken, irgendetwas zu verarbeiten.
„Praktisch. Dann brauchst du den Helm ja nicht mehr.“ knurrte er halblaut, ohne sein einsames Spiel zu unterbrechen. Antias kapierte zwar nicht, was das alles mit seinem Helm zu tun haben sollte, machte sich aber vorsichtshalber auf Ärger gefasst. „Was soll das heißen?“ „Naja, wer den Kopf so tief im Arsch des Optios hat, kriegt nie kalte Ohren.“ Aha, auf diese Ebene bewegte sie sich also zu. Fimbria starrte bedröppelt vor sich hin, Marullus verzog sich an die Pritsche seines reglosen Gefährten. „Du solltest doch wissen, wie sowas läuft.“ versuchte Antias sachlich der Situation Herr zu werden. „Der Optio hat mich nicht befördert.“ Hispo stopfte die Würfel in den Becher, dass er einen dabei vergaß, focht ihn offenbar nicht an. „Ah ja, der Praefectus also. Kennt ihr euch näher?“ Nein, er würde sich nicht provozieren lassen, schließlich hatte er von Hispo nichts anderes erwartet als diese für ihn typische bockige Gekränktheit. „Dives hat die Beförderung vorgeschlagen.“ Zum fünften Mal in Folge hämmerte Hispo den Fritillus auf den Deckel. „Ach, schau an. Der Optio, der Tribunus, der Praefectus ... mit einem einzigen Kopf in drei Ärschen gleichzeitig ... Respekt!“ Antias sprang auf. Wenn Hispo um’s Verrecken eine in die Fresse brauchte, dann konnte er das haben. „Was willst du, Hispo .. würfeln oder stänkern?“ brummte Fimbria um Deeskalation bemüht. Leider zu spät. „Wenn du mich so fragst!“ fauchte Hispo, knallte den Becher ein letztes Mal krachend auf die Truhe und erhob sich ebenfalls. „Und jetzt soll ich dich mit Miles anreden, oder?“ „Idiot. Hast du mich schon mal mit Tiro angeredet?“ „Hätt’ ich machen sollen, vielleicht wär’ dir das `ne positive Erwähnung bei deinem Optio wert gewesen!“ Nun kam auch Fimbria auf die Beine. Das Feuer in der Kochstelle knisterte friedlich vor sich hin, über ihnen knackten die Dachsparren leise im Abendwind, die drei Tirones glotzten sich an, als hätten sie sich noch nie zuvor gesehen. „Ach .. leckt mich doch.“ seufzte Antias schließlich, drehte sich um, riss die Tür auf und stapfte müde in die Dunkelheit hinaus.
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Den Tirones hingen ausnahmslos die Zungen raus. Gefühlte hundert Male hatten sie sich formiert, angebrüllt, bestürmt, verteidigt und die schweißnassen Köpfe an den zunehmend starren Schildmauern eingerannt, sehr viel mehr war nicht mehr aus ihnen herauszuholen. Immerhin, die Wälle hielten stand. Natürlich lag das zum Teil an den allmählich nachlassenden Kräften der jeweiligen Angreifer, aber auch einer Horde Aufständischer oder einem Rudel Barbaren wäre nach der zwanzigsten Attacke unweigerlich die Energie abhanden gekommen, insofern durften die Rekruten mit ihrer Leistung eigentlich recht zufrieden sein. Waren sie aber nicht. Aufgestachelter Ehrgeiz und ständiger Rollentausch hatten den Triumph des erfolgreich gehaltenen Schildwalls beim nächsten Wechsel wieder in Frustration darüber verwandelt, die Linien nicht durchbrochen zu haben. Zwischen Stolz und Selbstzweifeln hin und hergerissen folgten sie schließlich schnaufend der Anweisung des Optio und traten wieder in einer Reihe an. Avianus’ anschließende Frage nach dem probatesten Mittel, einen Schildwall zu knacken erschien ihnen völlig folgerichtig, darüber hatten sie sich bei ihren unzähligen Angriffen bereits selbst den Kopf zerbrochen. „Ich persönlich, Optio ..“ keuchte Hispo. „.. würde einen derartigen Schildwall so lange nicht angreifen, bis er von Balliste oder Fernkämpfern zermürbt worden ist.“ Antias dachte kurz über Hispos Taktik nach, und verwarf sie. Auf offenem Feld mochte sowas klappen, aber in den Gassen der Urbs standen ihnen für gewöhnlich weder Artillerie noch Bogenschützen oder Steinschleuderer zur Verfügung. „Die Flanken!“ schlug Fimbria in ungewohnt gemäßigter Lautstärke vor. „Wenn man den Schildwall des Feindes nicht komplett umgehen kann, sollte man versuchen, ihm in die Flanken zu fallen.“ Das hatte was. Ein Scheinangriff mit dem Zentrum und dann die Flügel in die Flanken jagen. „Richtig, Optio. Ein Angriff auf die Flanken wäre sicher ein Mittel. Wenn allerdings nur ein Frontalangriff möglich sein sollte, würde ich mich für die Keilformation entscheiden, um die feindlichen Linien aufzubrechen.“ Am besten mit Fimbria an der Spitze.
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Miles. Damit war Antias gemeint, oder? Zweifellos. Energisch schnellte er in Habachtstellung zurück. „Alles soweit verstanden, Optio! Keine weiteren Fragen!“ Das war glatt gelogen. Natürlich hatte er noch Fragen, einen Sack voll. Vor allem hätte ihn brennend interessiert, wann und wo er Ausgang beantragen konnte. Eingedenk der Tatsache, dass Fragen stets das Risiko von Gegenfragen in sich bargen zog er es allerdings vor, sich für’s erste als restlos informiert zu betrachten. Fortuna hatte sich für ihn wieder einmal schwer in’s Zeug gelegt, ihre Gunst noch weiter zu strapazieren wäre schierer Hybris gleichgekommen. Außerdem harrte ein verbogenes Scharnier und eine Barracke voll neugieriger Tirones seiner Zuwendung. „Tir ... Miles Germanicus wünscht einen angenehmen Abend, Optio!“ Nach einer schneidigen Ehrenbezeigung machte er auf dem Absatz kehrt und eilte von dannen.
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„Zu Befehl, Optio Ovidius Mento!“ Von Verschnaufpausen hielt Mento offensichtlich wenig. Nicht, dass es unbedingt schon nötig gewesen wäre, aber der Tag war noch jung, und Antias wurde allmählich klar, dass bis zum Abend noch so einiges auf sie zukommen würde. Zaghaft gliederten sich die Rekruten in Viererreihe, richteten sich mehr schlecht als recht an Vorder- und Nebenmann aus und stiefelten los. Glücklicherweise hatten die Götter bei allen Tirones den linken Fuß am linken Bein befestigt; dummerweise hatten sie sich dabei nicht auf eine einheitliche Beinlänge einigen können. Während die Schritte Hispos, der dürren Espe aus Ostia, so raumgreifend ausfielen wie ein Feldbrand im Südwind, gewannen kleiner gewachsene Rekruten dagegen nur schwer an Boden. Dass die Tirones diese Diskrepanz schließlich auszugleichen suchten, indem sie je nach Beinlänge die Schrittfrequenz erhöhten oder herabsetzten, machte das ganze natürlich nicht ansehnlicher. Entweder funktionierte der Gleichschritt oder das Tempo, beides unter einen Helm zu bekommen, stellte weitaus größere Anforderungen an Instinkt und Grobmotorik als die Tirones in diesem Ausbildungsstadium abzurufen fähig waren. Wenn sich überhaupt etwas positives über die Marschformation sagen ließ, dann dass sie sich immerhin fortbewegte. Mehr aber auch nicht.
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So langsam bekam Antias wieder Boden unter die Füße. Der Optio hatte die verquere Geschichte wenn schon nicht bereitwillig geschluckt, so doch zumindest einstweilen hinuntergewürgt. Dann stand er eben eine Weile als verzärtelter Jammerlappen da, das würde sich durch entsprechenden Einsatz rasch widerlegen lassen, außerdem kannte Avianus ihn mittlerweile zu gut, um es nicht besser zu wissen. Weit wichtiger als sein angekratzter Ruf war Antias die Einwilligung des Optios, bei seinem Haufen bleiben zu dürfen, auch wenn die Freude darüber etwas von der Erkenntnis getrübt wurde, dass er den anderen von nun an ein Vorbild zu sein hatte, zumindest bis zum Ende ihrer Ausbildung. Aber das würde er hinbekommen, ebenso wie die Doppelbelastung von normalem Dienst und Ausbildungseinheiten. So lange er die Möglichkeit hatte, hier rauszukommen und sich um Apolonia zu kümmern, würde er so ziemlich alles hinbekommen.
„Verstehe! Danke Optio Iunius Avianus!“ kommentierte er mit aufrichtiger Sympathie Avianus’ Ausführungen. Nun hieß es erstmal, den Kameraden die Neuigkeit taktvoll beizubringen. So ganz wohl war ihm bei der Vorstellung nicht, vor allem Hispos’ mögliche Reaktion bereitete ihm Bauchgrimmen. Am besten, er behielt die Beförderung zunächst mal für sich, aber wie lange würde das funktionieren? Doch höchstens bis zum Morgenappell. So ging’s nicht. Sie hatten ein Recht darauf, es zu erfahren. Er war immerhin Miles und allmählich auch stolz darauf, also gab es keinen Grund, nicht dazu zu stehen. Sich im Geiste bereits die passenden Worte zurecht legend, wurde er von der unerwarteten Frage des Optios hinterrücks angefallen. Schwimmen? Ein eiskalter Windstoß peitschte die warmen Wogen des Stolzes davon. Was sollte das jetzt? Wozu? Er hatte sich zu den CU gemeldet, nicht zur Classis! Der Optio schien die Frage ernst zu meinen. Nun, dann stand hier wohl eine Degradierung an, denn er würde nicht schwimmen. Obwohl er es konnte. Tatsächlich war Antias sogar ein verdammt guter Schwimmer, zu gut. „Schwimmen?“ fragte er sicherheitshalber noch mal nach, aber der Optio hatte der Frage offensichtlich nichts mehr hinzuzufügen. „Ja, Optio. Kann ich.“ antwortete er schließlich knapp und hoffte inständig, die Angelegenheit damit vom Tisch zu haben.
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Die Ansage des Optios war kaum zu missdeuten. Leise murrend lösten sich die Soldaten voneinander, ordneten sich wieder in zwei Flügel und formierten sich neu. „Was will der Optio eigentlich?“ knurrte Hispo halblaut, während er sich hinter sein Scutum kniete. „Wir sollten uns doch dagegen werfen, oder? Nix anderes haben wir gemacht!“ Antias brachte sich mit schräg angelegtem Schild hinter Hispo in Stellung. „Naja, in erster Linie sollte der Schildwall halten, und das hat er nicht.“ Die Scuta schlossen sich allmählich, der zweite Flügel hatte die Ausgangsposition erreicht. Hispo grollte noch immer. „Wenn das so ist, hätte sich unser bulliger Rammsporn ja auch `n bisschen zurückhalten können!“ „Geht’s noch?“ maulte Fimbria in sein Scutum. „Jetzt bin ich noch schuld, oder was?“ „Schluss jetzt!“ zischte Antias, hob den Schild und riskierte noch einen letzten Blick auf die Angreifer, die waren offensichtlich so weit. „Konzentriert euch lieber! Die scharren schon mit den Hufen!“ Der ganze Schildwall schien noch einmal tief durchzuatmen, dann pressten sich die Tirones mit den Schultern gegen die Scuta und warteten ab.
Alsbald erhob sich wildes Geschrei. Der bedrohliche Radau stampfender Stiefel und scheppernder Spangenpanzer bewegte sich beunruhigend schnell auf die schweigende Formation zu. Wenn sie clever sind, dachte Antias beklommen, bilden sie einen Keil und suchen sich irgendeine Schwachstelle aus. Aber sie waren nicht clever. In breiter Front donnerten die Angreifer auf den Schildwall, drückten ihn einen knappen Gradus weit ein, blieben dann aber stecken. Der Angriff verlor an Wucht, kräftezehrendes Geschiebe setzte ein, ohne ersichtlichen Erfolg. Jetzt hätte der Gegenangriff erfolgen müssen, um den abgekämpften Säcken vollends den Garaus zu machen. Antias hätte es nie für möglich gehalten, aber jetzt sehnte er sich fast nach dem festen breiten Schaft seiner Hasta.
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Wieder war Antias hinter die Dinge vorgedrungen, und wieder hatte er Apolonia dort gefunden. Behutsam zog er sich aus ihr zurück und legte seine heiße Stirn an die ihre. Ein paar atemlose Augenblicke waren sie völlig allein miteinander gewesen, nicht nur vor der Welt verborgen, sondern aus ihr verschwunden. Nur sie und er. Noch immer spürte er die herbfrische Würze von losgelöster Freiheit auf der Zunge, das wilde Aroma eines Lebens ohne Gestern und Morgen. Schwer atmend ließ er Apolonia kosten, träufelte ihr etwas davon ein, schmeckte ihre kleinen Zähne, ihren Gaumen, ihre Zunge. Eine klaffende Wunde hatten sie der tobenden Zeit geschlagen, eine stille Kluft, die sich nun wieder wuchernd um sie zu schließen begann. Wenn sie dieses rasende Ungetüm endgültig besiegen wollten, durften sie sich nicht mit ein paar dampfenden Blutstropfen zufrieden geben. Er musste Apolonia von hier fort bringen, die Castra waren der denkbar schlechteste Ort, um sich gegen Zwang und Konventionen aufzubäumen. Auch Apolonia hatte wieder die Wirklichkeit betreten und sich sanft aber bestimmt von ihm gelöst. Ja, sie musste gehen. Aber nicht, weil es besser für ihn war, sondern weil es noch viele Scherben aufzusammeln gab. „Warte.“ hauchte er voll Trauer, hob die Palla auf, legte sie um ihre Schultern und strich sie über ihrem schmalen Rücken glatt. „Ach, Dorcas." Ihr Haar fiel dunkel und duftend über den weichen Stoff, behutsam strich er es beiseite, küsste ihren Nacken, spürte sein Herz immer schwerer werden. „Die Götter wissen, dass du mehr verdienst, als ein paar verzweifelte Umklammerungen in einer staubigen Ecke.“ Fast tat es ihm leid, all dies zugelassen zu haben, aber nur fast. Noch ein Kuss, dann nahm er seine Waffen auf und schnallte sich das Cingulum fest. Mit einem bemühten Lächeln drehte er sich zu ihr um. „Wenigstens unsere Medici wissen, was sie tun. Du wirst wieder alleine gehen können, wenn auch gestützt von einem ausgesprochen liebenswürdigen Urbaner.“
Lautlos stahlen sie sich am Karren vorbei auf die Lagergasse hinaus. Die Zugochsen schnaubten, die Handwerker lärmten, der Tag rang noch immer mit den Morgennebeln. Alles war, wie es sein musste, und doch war nichts, wie es sein sollte. Jedes Anzeichen von Intimität vermeidend hielt Antias Apolonia stützend am Arm. Immer wieder kreuzten glotzende Milites ihren Weg. Antias glotzte nur stumm zurück. Solange sie keinem Offizier in die Arme liefen, konnte ihn niemand davon abhalten, Apolonia sicher hier rauszubringen. „Ich werde versuchen, so schnell wie möglich wieder zu dir zu kommen.“ sagte er leise, ohne sie dabei anzusehen. „Und vielleicht findet sich ja tatsächlich ein Schlupfloch.“ Noch ein paar Milites, noch ein paar ungläubige Blicke. “Aber ich bitte dich, begib dich nicht wieder in solche Gefahr. Ich kann mir vorstellen, wie bedrückend es ist, sich verstecken zu müssen, trotzdem, bitte auf dem Rückweg keine Abstecher zu den Märkten, ja?“
Endlich hatten sie das Westtor erreicht. Fimbria bohrte gedankenverloren in der Nase und schrak erst hoch, als sie bereits neben ihm standen. „Ach ..“ begann er zu strahlen. „Wie erfreulich. Die Bürgerin ist wieder auf den Beinen.“ Antias gelang nur ein freudloses Grinsen. Kaum drei Perticae vom Tor entfernt warteten Babila und die Träger neben der abgestellten Sänfte. Antias erstarrte. Nein! Er durfte sie nicht einfach wieder gehen lassen, das konnte weder Mensch noch Gott von ihm verlangen. Aber er musste. Ihre Sicherheit verlangte es. „Antias..“ drang die ernste Stimme Fimbrias in seinen bewölkten Geist. „Ich gönn’ euch alle Zeit der Welt, aber die Ablösung dürfte schon unterwegs sein.“ Fimbria hatte recht. Mit weichen Knien geleitete Antias Apolonia zur Sänfte, öffnete die Tür und ließ sie einsteigen. Lange war es her, sehr lange, dass er eine solche Leere empfunden hatte. Mühsam rang er sich die Worte ab. „Wir sehen uns wieder, Apolonia ... bald schon.“ Die Träger griffen ungeduldig nach den Holmen und hoben die Sänfte an. Verstohlen küsste er sie noch einmal, blickte sie lange an. „Te amo!“ Dann brachte er kein weiteres Wort mehr heraus, sah seine eigene Hand die Tür schließen, wandte sich seufzend ab und ging davon. Erst als er Fimbria erreicht hatte, gestattete er sich einen letzten Blick auf die sich langsam entfernende Sänfte. Die breite Pranke des Kameraden auf seiner Schulter starrte Antias mit brennenden Augen über den Platz, bis der letzte Träger in der engen Vorstadtgasse verschwunden war. „Danke, Mann.“ keuchte er Fimbria brüchig zu. Der machte nur eine wegwerfende Handbewegung. „Keine Ursache. Schön, endlich mal zu sehn’, wofür ich mich in dieses Fischfass gezwängt hab’. Das war sie doch, oder?“ Antias nickte bekümmert. „Ja, das war sie. Ist sie noch.“ Und würde sie auch immer bleiben.
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Avianus’ Tritten und Stößen hielt der Schildwall zumindest stand, dennoch teilte Antias die Zweifel des Optios an der Schlachttauglichkeit der Formation. Die Tirones waren noch viel zu sehr darauf fixiert, ein einheitliches Bild abzugeben. Wenn auch nur einer der Rekruten seine Haltung geringfügig veränderte, rückten die Nebenmänner sofort verunsichert nach, um die Reihen geschlossen zu halten, was vor der Schildfront passierte, verloren sie dabei aus den Augen. Er selbst ertappte sich mehrere Male dabei, sich weniger nach vorn als vielmehr an Tutos’ linkem Schildrand zu orientieren. Für derlei kosmetische Manöver würde ihnen im Kampfgetümmel keine Zeit bleiben. Völlig folgerichtig erging denn auch der Befehl, den Ernstfall zumindest zu simulieren.
Die Hastae wurden hektisch zusammen gestellt, der linke Flügel bildete erneut einen Schildwall, der rechte formierte sich in einiger Entfernung vor den geschlossenen Reihen. Antias postierte sich mit erhobenem Scutum zwischen Hispo und Fimbria. „Na, was präsentieren wir ihnen, Infanterie oder Reiterei?“ „Egal.“ knirschte Hispo grimmig. „Die Knilche fegen wir bis zum Ostwall.“ Fimbria gluckste dumpf hinter seinem Schild hervor. „Nimmt mich einer Huckepack?“ Der würde seinen Spaß haben, dachte Antias grinsend, auch ohne Gaul ersetzte Fimbria alleine zwei Kataphrakte. „Also, Hispo zählt hoch, und vergesst das Geschrei nicht, sonst merken die Schnarchnasen vielleicht gar nicht, dass wir kommen.“ Stille legte sich über den Exerzierplatz. Hier wie dort drückte sich Schildkante an Schildkante. Angespannt starrte Antias auf den Wall hinüber und wartete darauf, dass Hispo endlich zu zählen begann. Auf drei also. Hispo schwieg, Antias kam in’s Grübeln. Eins, zwei und los? Oder eins, zwei, drei und dann? Vielleicht hätten sie sich vorher darauf verständigen sollen. Allen weiteren Spekulationen ein Ende bereitend stieß Hispo pötzlich ein nervenzerfetzendes Geheul aus und stürmte davon. Natürlich, Hispos geliebtes Überraschungsmoment, wie hatte er das vergessen können. Aus Leibeskräften brüllend stürzte der Rest der Gruppe ihrem jaulenden Leittier hinterher.
Wie Steinschlag in einen Bergwald krachten die heranstürmenden Tirones in den Wall. Die schiere Wucht des Zusammenpralls verschaffte den Angreifern einen guten Gradus an Boden, einen weiteren ertrotzten sie sich durch verbissenen Druck ihrer Scuta. Dann war Schluss, die Schildmauer wurde starr und undurchdringlich, nur an der Stelle wo Fimbria eingeschlagen war, klaffte ein mannsbreiter Spalt in der Holzmauer. Antias führte noch einen paar wilde Stöße gegen das Scutum seines Gegenübers, warf sich dann unvermittelt in die Bresche und ging den Verteidiger von der Seite an. Hispo querte die Front, bedrängte Antias Gegner von vorn, der wich nun zurück und die Lücke wurde zur Gasse. Als der durchgebrochene Fimbria die Reihen schließlich von hinten attackierte, brach die Schildmauer vollends zusammen. Angreifer und Verteidiger verschmolzen zu einem keuchenden Gewimmel, im dem jeder jeden bekämpfte. Welch weiser Entschluss des Optios, das ganze ohne Hastae durchzuziehen.
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Obgleich er sich die ganze Tragweite der Beförderung noch immer nicht in allen Konsequenzen auszumalen vermochte, war ihm eines sofort klar geworden: Als Miles konnte er Ausgang beantragen! Hochoffiziell! Apolonia! Keine Fischfässer mehr, keine konspirativen Ohnmachtsanfälle. Verdammt, die Sache mit dem Ohnmachtsanfall! Der Optio wartete auf eine Erklärung. Irgendein Konstrukt musste her, sofort. Er war nicht gut in sowas, aber irgendwie musste er versuchen, sein unzusammenhängendes Schuldeingeständnis wieder einzufangen. „Ein kurzer Augenblick der Pflichtvergessenheit, Optio.“ hörte er sich sagen. „.. als ich mir die Hand habe verbinden lassen .. neulich, nach dem verhunzten Einsatz .. da ist mir doch wirklich kurz schlecht geworden, Optio.“ Nein, er war wirklich nicht gut in sowas, nie gewesen. „Nun ja .. einen Ohnmachtsanfall kann man das vielleicht nicht nennen, aber ich habe trotzdem einen der Sanitäter gefragt, ob das reicht, um krank geschrieben zu werden. Eine Schande für einen Urbaner! Schließlich bin ich für Leib und Leben der Cives verantwortlich und habe mich zusammenzureißen. Ein einmaliger Moment körperlicher und geistiger Schwäche, Optio. Ich übernehme dafür die volle Verantwortung!“ So. Ovationen hatte er für diesen Mist wohl keine zu erwarten. Wenn er schon zum Handwerker nicht taugte, als Geschichtenerzähler war er eine Katastrophe. Jetzt bloß nicht diesen Schwachsinn im Raum stehen lassen! „Äh Optio, wenn die Frage erlaubt ist ..“ setzte er nach. „..was hat das alles denn nun zu bedeuten? Muss ich mein Contubernium verlassen?“
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Was? Gute Berichte? Sowas gab’s auch? So deutlich Antias seinen blöden Gesichtsausdruck auch wahrnahm, beeinflussen konnte er ihn nicht. Da stand er also zum Tode verurteilt in der Arena, bereits gefasst auf ein Rudel blutrünstiger Löwen, und sah sich plötzlich mit ein paar schnurrenden Kätzchen konfrontiert. Eine Beförderung? Wofür? war er versucht, zu fragen, verkniff es sich aber tunlichst, um den Optio nicht zu animieren, sich diese Frage selbst zu stellen. Nun ja, wenn er von seinem seinen nächtlichen Ausflug und Apolonias’ Besuch in den Castra einmal absah, gab es tatsächlich nichts, was er sich in Bezug auf Pflichterfüllung und Dienstauffassung vorzuwerfen hatte, aber das war eigentlich das mindeste, was man von einem Rekruten erwarten durfte. Was er davon hielt? Gute Frage. Weit mehr jedenfalls als er von einer unehrenhaften Entlassung oder Schlimmerem gehalten hätte. Es ist wie es ist, nimm es hin wie Mann, flüsterte er sich ein, und mach endlich das Maul zu oder sag was sinnvolles! „Nun .. Optio .. das ist natürlich eine Ehre für mich ..“ Ist das alles? Kein Ansporn? „.. und ein Ansporn ..“ Geht das auch in ganzen Sätzen? „Ehre, Ansporn und Verpflichtung, das mir entgegen gebrachte Vertrauen künftig jeden Tag auf’s neue zu rechtfertigen!“ Schon gut, jetzt übertreib’s mal nicht!
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Der Optio saß nicht wie erwartet mit gefletschten Zähnen und triefenden Mundwinkeln hinter seinem Schreibtisch, im Gegenteil, offenbar so aufgeräumt wie seine Unterkunft begrüßte er den Tiro und erlaubte ihm, bequem zu stehen. Antias traute dem Braten zwar nicht, folgte aber gehorsam Avianus’ Anweisung. Ob er wusste, warum er hier war? Weder wusste er es noch wollte er es wissen. Erfahren würde er es trotzdem. Die unaufgeregte Art des Optios wollte allerdings so gar nicht zu dem Prozedere passen, das Antias auf sich zurollen sah. Vielleicht ging es hier doch nur um eine verspätete Einsatzkritik oder die Neueinteilung des Latrinendienstes. Kaum spürte er das zarte Pflänzlein der Hoffnung in sich keimen, rückte Avianus auch schon mit der Sprache raus. Berichte. Also doch. Aus der Traum, sie hatten ihn am Kanthaken. Von wem der Hinweis wohl gekommen war? Von einem der Handwerker? Von einem Miles? Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte. Fimbria? Ach, Blödsinn.
Wie es schien, erwartete der Optio eine Stellungnahme. „Berichte .. ja nun, Optio .. „ versuchte Antias Zeit zu gewinnen. Warum wurde es hier immer so schnell heiß? Was hatte der Optio bloß in seinem Kohlebecken? „Natürlich übernehme ich dafür die volle Verantwortung.“ Götter, der Spruch hatte wirklich Klasse. Die volle Verantwortung übernehmen, aber sicher würde er das, und wie er das würde! Wozu sonst war er hier? „Naja, ursprünglich wollte ich ja einfach nur in’s Valetudinarium.“ versuchte er zu erklären. „Schließlich trage ich als Urbaner eine gewisse Verantwortung für Leib und Leben der Cives ..“ Hörte Avianus überhaupt zu? „.. und Ohnmachtsanfälle können die verschiedensten Ursachen haben, von einer beginnenden Schwangerschaft bis hin zu Malariaschüben ..“ Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Avianus an weiteren Einzelheiten nur mäßig interessiert war. „Berichte also.“ räusperte sich Antias umständlich. „Ich verstehe.“ Tat er nicht.
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Unter Hispos’ amüsierten Blicken hantierte Antias verbissen an seinem Cassis herum. Ob er zum Urbaner geboren war, würde sich noch weisen, zum Handwerker fühlte er sich jedenfalls nicht berufen, es sei denn, die Götter ließen ihm eine dritte Hand aus dem Arm sprießen. Wie sollte er gleichzeitig den Cassis halten, das Scharnier der Buccula mit dem Kienspan erhitzen und dann auch noch die Zange ansetzen? Kaum griff er danach, hatte das Scharnier wieder abgekühlt. Die Buccula war schon völlig verrust, das Scharnier noch immer verbogen und der Kienspan verbreitete mehr Qualm als Hitze. „Ich hab’s dir gesagt.“ grinste Hispo von seiner Pritsche. „Halt den Deckel in’s Feuer.“ Ja, sicher, dachte Antias zusehends gereizt, damit der Rest vom Helm auch noch schwarz wird. „Das liegt nur an der Zange. Mit dem unhandlichen Ding kann doch kein Mensch arbeiten!“ Wütend warf er das schwere Werkzeug auf den Bretterboden als es an der Tür wummerte und er von der unverkennbaren Fistelstimme des Proculeius zum Optio befohlen wurde. Was war denn nun schon wieder los? Beim Vulcanus! Gerade jetzt, wo die Buccula völlig versaut war! Brauchte er den Helm überhaupt?. „Warte mal!“ schrie er die Barackentür an. Masos’ Schritte entfernten sich bereits. Fluchend stürzte Anias aus der Unterkunft und spähte in die Dämmerung. „Moment! Miles Proculeius! Mit Ausrüstung oder wie? He!“ Die Antwort bestand lediglich aus einem langgezogenen Flatus, der dumpf hinter der nächsten Hausecke hervor hallte. „Du mich auch, Pfeife!“ Also wohl ohne Ausrüstung.
Von finstere Ahnungen gejagt hastete Antias erst an dunklen Baracken entlang, dann schräg über die Lagergasse zur Unterkunft des Optios. Was mochte Avianus von ihm wollen? Hatte sich heute noch keiner für den Latrinendienst empfohlen? War sein Stelldichein mit Apolonia am Ende doch noch irgendwie aufgeflogen? Wenn ja, würde sich gleich der Orkus unter ihm auftun. Mit dem Schlimmsten rechnend erreichte er die Barracke. Kurz durchatmen, die Tunica in Form zupfen und dann einfach durch. Schicksalsergeben pochte er an die Tür, vermeinte, die Aufforderung zum Eintritt zu vernehmen, und betrat zackig des Optios’ Unterkunft. „Optio Iunius Avianus! Tiro Germanicus wie befohlen angetreten!“
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Allmählich verschmolz Antias mit dem Inventar. Hätte irgendjemand seinen Mantel an ihm aufgehängt, es wäre niemandem aufgefallen. Das Hin und Her zwischen den beiden Offizieren begann ihn langsam einzuschläfern, wenngleich es nicht uninteressant war, zu verfolgen, wie sich der Optio zwischen Fußangeln und Fallgruben hindurch argumentieren und fast schon betteln musste, seine Arbeit machen zu dürfen. Zu beneiden war Avianus nicht. Während es dem Tiro vergönnt war, sich nahezu unsichtbar aus allem raushalten zu dürfen, musste sich der Optio für seine völlig richtige Entscheidung, den Gerüchten nachzugehen, auch noch mehr oder minder rechtfertigen. Unter schweren Lidern hervor beobachtete Antias die Reaktionen des Tribuns. Einerseits konnte er durchaus verstehen, dass sich Dives mit derlei schmierigem Wildwuchs nicht weiter beschmutzen wollte, andererseits wucherte solches Unkraut umso üppiger, je mehr man es ignorierte. Sollte der Tribunus doch froh sein, dass ihm Einheiten zur Verfügung standen, die sich der Sache annehmen konnten, bevor andere auf die Idee kamen, sich damit zu befassen. Die Praetorianer zum Beispiel hatten ihre Ohren überall. Was den Urbanern zu Gehör kam, konnte auch den schwarzen Lauschlappen nicht lange verborgen bleiben, und die würden den CU-Tribun sicher nicht über ihre Ermittlungen in Kenntnis setzen. Ob Dives Feinde hatte, konnte Antias nicht wissen, aber wenn es ihm selbst in kürzester Zeit gelungen war, sich einen zu schaffen, war davon auszugehen, dass der Iulier im Laufe seiner Karriere bereits ein buntes Gebinde an Feinden zusammen gesammelt hatte, und mit Gerüchten war eine Menge anzufangen, wenn man wusste, wie. Nur – war das alles Antias’ Problem? Irgendwie schon. Im Augenblick zumindest war Iulius Dives Urbaner, und Angriffe gegen den Tribun, welcher Art auch immer sie sein mochten, betrafen auch den Optio und damit ebenso ihn selbst. Sowas wurde landläufig wohl Loyalität genannt. Trotzdem war Antias hier nichts weiter als ein temporärer Raumschmuck, und wenn die beiden sich nicht zeitnah auf irgendeine Vorgehensweise einigten, bestand die ernsthafte Gefahr, dass ihnen der loyale Tiro früher oder später schnarchend vor die Füße fiel.
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Zitat
Original von Apolonia
.. Nicht nur um Antias zu verdeutlichen was sie meinte, sondern auch um ihn zu animieren doch noch, bevor sie hier weg mussten, zu dem zu bringen, dass zu machen was ihnen ein so großes Bedürfnis war, griffen ihre Hände nach vorne um sich suchend unter seine Tuniken vor zu arbeiten, während ihre Augen ihn entgegen leuchteten. Schließlich wusste sie um die Wirkung ihrer Augen. Eine schnelle Nummer musste einfach noch möglich sein, so als Trostpflaster, für die lange Wartezeit oder als Anreiz, doch noch eine Lösung für die nächste Zeit zu finden. Die könnte er ja suchen, wenn sie wieder weg war.Auf der anderen Seite des Bauholzstapels wurden rumpelnd irgendwelche Bretter bewegt, Antias schenkte dem Lärm kaum Beachtung. Bis diese Mauer an Material abgetragen war, würde seine Wache längst zu Ende sein. Wenn man mal davon absah, dass er seinen Posten verlassen hatte, um sich mit seiner Geliebten in einer dunklen Ecke der Castra zu verlustieren, und dabei noch großzügig außer acht ließ, dass es sich bei der Geliebten um eine entlaufene Sklavin handelte, war im Grunde alles in bester Ordnung. Wie zur Bestätigung dieser infantilen Auslegung der Lage, kamen leise Worte der Zustimmung über Apolonias’ volle feuchte Lippen. Sie verstand also, das beruhigte ihn zumindest einigermaßen, wirklich zu erleichtern vermochte es ihn nicht. Wahre Erleichterung konnten ihm Worte alleine nicht verschaffen, musste er sich eingestehen. Für welche Art von Leben wollte er sich denn hier zusammenreißen, wenn sich die wärmste und pulsierendste Form direkt in seinen Armen manifestierte? So mühsam er auch versuchte, seine Selbstbeherrschung aufrecht zu erhalten, bei dem Wort `Schlupfloch` kam sie ihm endgültig abhanden. Schaudernd spürte er kühle weiche Hände unter seiner Tunica, zog Apolonia mit der linken Hand an sich, fummelte mit der anderen sein Cingulum von der Hüfte und ließ Gladius und Pugio vorsichtig zu Boden gleiten. Fahrig flatternd verfingen sich seine Finger in den stramm gezurrten Lederriemen des Spangenpanzers. Diese scheiß Lorica! fluchte er im Geiste. Sitzen konnte man kaum damit, liegen schon gar nicht, nicht einmal ohne Hilfe an- oder ausziehen konnte man das Ding! Sei’s drum, wer in ihr zu kämpfen gelernt hatte, brachte darin auch kreativere Übungen zustande.
Lächelnd nahm er Apolonia die Palla von den Schultern, raffte ihre Tunica, hob seine entlaufene Serva hoch und drückte sie sanft gegen die gehobelten Bretter. Bis zur schieren Unerträglichkeit gesammelt drängte er sich ihr keuchend entgegen, der scharfe Angsthauch, der sie umweht hatte verflüchtigte sich und ließ wieder die salzigen Wogen des altbekannten Ozeans aus ihr zu rauschen. Weit nach hinten gebeugt bot sie ihm die schwere Süße ihres halb geöffneten Mundes dar, ihre zuckenden schwellenden Lippen, die ganze sengende Hitze ihres lodernden Lebens. Je kürzer ihrer beider Atemstöße wurden, desto länger dehnten sich die Augenblicke in die uferlosen Weiten der Zeit, kehrten sich um, trugen sie aus den klammen Herbstnebeln hinaus unter einem flirrenden Sommerhimmel hindurch in duftende Frühlingswolken. Ihre Herzschläge wüteten Gewitterstürmen gleich bis sie schließlich schwer und erlösend aufeinander niedergingen wie Mairegen.