Beiträge von Titus Germanicus Antias

    Aha, der Senator war offensichtlich weit schlauer als die meisten Römer, die sich den ganzen Sommer hindurch in ihren Stadthäusern garen ließen.
    „Aaach .. macht nichts.“ winkte Antias fast erleichtert ab. Hatte er gerade tatsächlich macht nichts gesagt? Erneutes Räuspern. „Ich verstehe. Das ist zwar bedauerlich aber wie es scheint, nicht zu ändern.“ Etwas unentschlossen glotzte er den groß gewachsenen Sklaven an. „Ich nehme an, vor Ende des Sommers wird Senator Avarus nicht nach Rom zurückkehren, oder?“

    Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet. Die Porta öffnete sich tatsächlich. Vor ihm stand offensichtlich das Faktotum des Hauses, den Göttern sei Dank von der Hitze augenscheinlich nicht weniger mitgenommen als Antias selbst.


    „Salve.“ räusperte sich Antias unsicher. „Ich bin Titus Germanicus Antias und möchte in Erfahrung bringen, ob .. ähm .. die Möglichkeit zu einem Gespräch mit Senator Germanicus Avarus besteht .. äh .. also ich ihn vielleicht sprechen kann. Oder ..“ Antias hatte das Gefühl, Flußkiesel im Mund zu haben, drückte man sich so dem Anlass entsprechend aus? „.. oder ob dies nur im Rahmen des üblichen Klientenempfanges möglich ist?“

    Finger weg vom Lavendel! ermahnte sich Antias, als er erneut das Peristyl der Casa Germanica betrat. Im wohltuenden Gegensatz zu den stickigen Gassen der Subura wehte hier ein leichter Wind vom Capitolium herab und brach sich sanft wispernd an den Sträuchern des Gartens. Um Sammlung bemüht hielt Antias für ein paar Momente seine schweißnasse Stirn in die Brise. Keine Stunde war vergangen seit er die Therme verlassen hatte und er fühlte sich schon wieder schleimig wie ein vergammelter Flussbarsch. Und wenn schon? sagte er sich. Sehr wahrscheinlich würde er auch dieses mal keinen Hausbewohner zu Gesicht bekommen. An ihm sollte es jedenfalls nicht liegen, er war gewappnet mit Geduld – und mit Brot und Posca. Nachdem er sich vergewissert hatte, nicht beobachtet zu werden, schob Antias schnell sein Bündel in die Büsche und zupfte sich die Tunika zurecht. Dimidium facti qui coepit habet! Kein schnupperndes Verweilen im Peristyl also, sondern hurtigen Schrittes zur Porta und dreimal energisch den Metallring geschwungen.

    „Jetzt reicht's!“ stöhnte Antias in das staubflimmernde Zwielicht des Deversoriums. Eben noch hatten ihn wohlige Träume davongetragen, weit fort von diesem muffigen Verhau, in dem er die Nächte seit seiner Ankunft in Roma verbrachte, hinauf über die schaurigen Berggipfel an die grünen Ufer des Rhenus. Eben noch hatten die Bürger von Mogontiacum Antias und seinem Gefolge einen jubelnden Empfang beschert und ihn zu seiner prächtigen Domus geleitet, wo seine betörend schöne Frau ihn bereits mit hungerndem Schoß erwartet hatte. Auf duftendes Moos gebettet war er friedvoll und sanft durch die Nacht getrieben. Eben noch. Jetzt nicht mehr. Jetzt war er wieder auf seiner grob zusammen genagelten Pritsche gelandet, in die lärmende Wirklichkeit zurückgezerrt von diesen zwei gallischen Arschlöchern! Seit nunmehr fünf Nächten teilte Antias das Stabulum mit seinen keltischen Mitbewohnern, und kein Tag war seitdem angebrochen, ohne die obligatorische Keilerei im Morgengrauen. Ein immer gleiches Ritual nach immer gleichen Regeln: Einer der beiden erwachte verkatert und begann im Gepäck des anderen nach einem Weinrest im Trinkschlauch zu kramen. Von den lautstarken Aktivitäten geweckt, schlug der zweite Kelte die Augen auf, sah den Kumpan in seinen Sachen wühlen und stürzte sich grunzend auf denselben.


    Antias hätte gar nicht hinüber zu sehen brauchen, er wusste auch so, dass sich die zwei Trottel mittlerweile über brechende Pritschen und splitternde Hocker auf den Fußboden vorgearbeitet hatten. Er sah trotzdem hin. Richtig, die Gallier hatten sich zu einem keuchenden Knäuel verkrallt, das pulsierend auf ihn zu rollte. Antias schwang sich von seiner Pritsche und blickte kopfschüttelnd auf die Radaubrüder hinunter. „Wer hat euch Witz der Götter überhaupt in die Stadt gelassen?“ Die Gallier ließen sofort von einander ab und winkten ihrem Zimmergenossen gutmütig zu.
    Aus der Schankstube nebenan wurde gutturales Gefluche vernehmbar. Die wurmstichige Zwischentür flog auf und der Wirt – ebenfalls Gallier – stampfte schnaubend herein. Von der donnernden Tirade, die sich nun über den Streithähnen entlud, verstand Antias kein einziges Wort, und war Minerva dafür dankbar. Stattdessen wechselte er schweigend die Tunika, zog sich die Sandalen über und packte seine spärliche Habe zusammen. Keine Nacht länger in diesem Loch! Er war nicht nach Rom gekommen, um seine Zeit ziellos im Gestank der Suburia zu vergeuden. Sollte ihm die Weisheit des Senators verwehrt bleiben, würde er sich eben ohne Ratschlag eine Aufgabe suchen.
    „Das Bett wird frei.“ knurrte Antias dem Wirt im Vorbeigehen zu, warf noch einen letzten Blick auf die beiden erschöpften Gallier, die ihm mit reumütigem Grinsen nachwinkten und verließ durch den Schankraum die Taberna.

    Ein gewaltiger Schnarcher ließ ihn zusammenfahren. Was? Wer? Antias riss verwirrt die Augen auf, blickte nach oben und knallte dumpf mit dem Hinterkopf gegen die Pforte. Wo? Von irgendwo her waberte der schwere Duft von Lavendel auf ihn zu. Das konnte doch nicht … So langsam begann es ihm zu dämmern. Mit brummendem Schädel stemmte er sich hoch. Verdammt! Die Domus des Senators! Bei Tranquillitas, der Kräutergarten hatte es aber in sich! Oder forderte jetzt einfach nur der Schlafmangel der letzten Tage seinen Tribut? Noch leicht benommen glotzte er zur Porta – Stille – dann hinaus auf die Gasse – Stille – und wieder zurück zur Porta. War ihm geöffnet worden? Hatte ihn jemand schnarchend auf den Mosaiken vorgefunden? War der gesamte Haushalt am Ende zu irgendeinem luftigen Sommersitz in die Berge aufgebrochen? Oder war das hier Usus, Besucher so lange warten zu lassen bis sie gerne wieder kehrt machten? Wäre ihm dergleichen in Mogontiacum widerfahren, er hätte diesen albernen Metallring abgerissen und als Andenken mitgenommen. Aber was soll's schon? Quieta non movere.
    Zügigen Schrittes kehrte er durch das Peristyl auf die Gasse zurück, besann sich einen Moment, kehrte dann wieder um, riss einen großen Bund Lavendel aus dem Strauch und verschwand schließlich nordwärts zwischen den Häusern.

    Sieh an! dachte Antias beeindruckt, so also lebt, wer es in Rom zu etwas gebracht hat. Genießerisch schnupperte er an den verschiedenen Pflanzen des kleinen Vorgartens. Was war das alles? Schafgarbe, Salbei, Wildrosen? Ah, das zumindest kannte er: Lavendel. Nach einem verstohlenen Blick zur Porta hinüber streifte er sich eine Rispe vom Zweig, zerrieb sie in den Handflächen und sog den betörenden Duft tief in sich ein. Welch strahlender Ort konnte die Welt sein, wenn man sich frisch der Therme entstiegen und in eine webneue weiche Tunika gewandet dem Duft von Lavendel hingeben durfte. Nach einigen zeitlosen Augenblicken des Verzückens wurde Antias wieder bewusst, dass er nicht hergekommen war um an den Büschen zu riechen.


    Bedauernd ließ er von der Bepflanzung ab und trat an die Pforte. Fast hätte er nach gewohnt provinzieller Manier mit der Faust dagegen gehämmert. Reiß dich zusammen, du Schweinebauer! zischte er erschrocken vor sich hin, entdeckte dann den kleinen Metallring an der Porta und setzte drei sonore Schläge.

    Schade, dachte Antias. Irgendwie hätte es ihn gefreut, die selben Wachen anzutreffen wie bei seiner ersten Einreise vor drei Tagen. Schließlich wollte er sich für deren Hilfe erkenntlich zeigen. Aber gut, von den Wachwechseln der Miles verstand er so wenig wie von allen militärischen Belangen.


    "Salvete Soldaten." grüßte er die Wachen freundlich. "Titus Germanicus Antius, seit kurzem Bürger Roms." Er hob ruhig die Arme.


    "Keine Waffen. Keine Waren."

    Wie befürchtet war der Tag heiß geworden, heiß und schwül. Selbst über den Abschnitten der Flaminia, die nicht parallel zum Tiberis verliefen, hing der Fluss als stickige Dunstwolke und trieb den Reisenden das Salz aus den Poren. Immer wieder suchte Antias den Himmel nach Gewitterwolken ab, vergeblich.
    Bis zum Nachmittag hatte er seinen Lederschlauch zwei mal nachfüllen müssen. Das erste mal in einem heruntergekommenen Rasthaus etwa eine Stunde südlich der Tiberisbrücke, das zweite mal bei einem fahrenden griechischen Händler, der mit seinem Karren ebenfalls in südliche Richtung unterwegs war. Die Kupferreife und Bronzespangen war er im Rasthaus an einen finsteren Thraker losgeworden, den Silberschmuck und das Messer hatte ihm der Grieche abgekauft, beides mal natürlich weit unter Wert. Antias war dennoch zufrieden. Das Messer wurmte ihn zwar, aber mittlerweile wusste er ja, dass die Miles am Tor bei mitgeführten Waffen keinen Spaß verstanden. Wie der Grieche das lange Messer rechtfertigen würde, war dessen Sache.


    Als er sich schließlich müde der Porta Flaminia entgegen schleppte, überkam Antias für ein paar Augenblicke das völlig irrsinnige Gefühl, wieder zuhause angekommen zu sein. Zuhause! Hier! Wo er niemanden kannte und erst recht niemandem vertraute? Zuhause? Das ist diese scheiß Hitze – entschied er – das kann nur diese scheiß Hitze sein. Ursprünglich hatte er geplant, noch am Abend zum Circus Flaminius hinunter zu gehen, aber das würde am nächsten Tag immer noch reichen. Diese Hitze! Morgen würde er sich herrichten und um einen Termin beim Senator ersuchen. Heute wollte er sich nur noch erholen, vielleicht bei einem süffigen Tropfen und einer dampfenden Stute. Mal sehn'.


    Erfrischt von seinen Phantasien folgte er dem Strom der Passanten hinüber zur Porta.

    Nach nur wenigen Minuten Fußmarsch hatte er sein Ziel erreicht. Am nördlichen Rand des schattigen Hohlweges erhob sich ein kleiner schon sichtlich verwitterter Tempel aus den Ginstersträuchen. Mercurius geweiht, hatten seine Erbauer den Tempel etwas windschief an die buschbestandenen Hänge gemauert, vermutlich in Zeiten, als die Via Salaria für den Handel noch bedeutender und die Verbindungsstraße noch verkehrsreicher gewesen war.
    Wenngleich es nie schaden konnte, Mercurius ein kleines Opfer zum Dank für eine gute Reise darzubringen, war nicht der Tempel selbst Antias' Ziel, sondern der Schatten einer kleinen Gruppe wilder Kastanienbäume, die am rückwärtigen Hang das wirre Gesträuch aus Ginster, Wacholder und Oleanderbüschen durchbrach.


    Während Antias sich durch die Sträucher empor arbeitete, nahm er erst die zunehmende Hitze des Frühlingstages wahr. Die Strecke zurück nach Rom würde weniger leichtfüßig zu bewältigen sein als der morgendliche Hinweg. Bei den Kastanien angekommen, nahm Antias einen großen Schluck lauwarmer Posca aus seinem Lederschlauch, raffte dann seine Tunika, beugte sich nach vorn und entleerte sich unter wohligem Grunzen. Als sich seine Augen an den Halbschatten der Kastanien gewöhnt hatten, konnte er in etwa zwei Gradi Entfernung entdecken wonach er suchte: Ein kleines Bündel aus grobem Leinen, dass er vor drei Tagen hier oben abgelegt und mit Strauchwerk bedeckt hatte. „Fortes fortuna adiuvat!“ stöhnte Antias erleichtert. Behutsam knüpfte er das Stoffbündel auf und breitete den Inhalt vor sich aus.
    Zwei Armreife aus Kupfer, zwei aus Silber, drei bronzene Gewandspangen, eine davon mit honigfarbenem nördlichem Harzstein verziert, die kleine silberne Figur einer germanischen Fruchtbarkeitsgöttin und sein Messer. Bis auf das Messer alles Gegenstände, die seine Mutter für ihn aufbewahrt- über deren Herkunft sie sich aber stets ausgeschwiegen hatte. Wahrscheinlich wenig ehrenhaft erbeutete Mitbringsel seines Vaters von einer der vielen Strafexpeditionen über den Rhenus. Wie auch immer, ein größeres Vermögen war das nicht, nicht mal ein kleineres. Aber der Verkauf der Schmuckstücke würde Antias wenigstens zu ein paar Annehmlichkeiten verhelfen. Zum Beispiel Kleidung, die nicht nach Pisse stank, weil er sie stümperhaften Fullones zur Reinigung überlassen hatte.


    Nun gut. Antias knotete das Bündel zusammen, nahm noch ein paar Schlucke Posca und stieg rülpsend wieder zum Hohlweg hinab.

    Am dritten Tag nach seiner Ankunft in Rom hatte Antias die Stadt bereits am frühen Morgen durch die Porta Flaminia verlassen. Völlig unbehelligt diesmal, denn die Miles am Tor waren mit der Kontrolle der unzähligen Karren und Lasttiere, die all morgentlich tonnenweise Waren zu den Märkten der Stadt beförderten mehr als ausgelastet gewesen. Sein Weg hatte ihn durch die vorgelagerten Ansiedlungen wieder hinaus auf das duftende tauschimmernde Land nördlich der Metropole geführt, durch das sich die Flaminia wie ein steinerner Bach von den Montes Appenini her nach Süden schlängelte.


    Schwer zu glauben, dass nur drei Tage vergangen waren, seit er das erste mal die Via heruntergekommen war, eingeschüchtert, unsicher und ohne den Hauch einer Ahnung davon, wie sich das Leben in der Stadt organisierte. Was das betraf, war er in den vergangenen Tagen erheblich schlauer geworden. Von einem Torwächter war ihm damals geraten worden, sich durch zu fragen, und diesen Rat war Antias gefolgt. Er hatte gefragt; und gefragt und gefragt: Zunächst lediglich nach dem Weg zum Bezirk Circus Flaminius und nach einer günstigen Unterkunft für die Nacht; dann nach den nächstliegenden Thermen, Tempeln und Märkten; nach Mitgliedern der Gens Germanica, deren Ansehen und Stellung und schließlich nach den Machtverhältnissen und der inneren Struktur der Mutterstadt des Imperiums.
    Auf Straßen und Foren, in Tavernen, Geschäften, Thermen und Latrinen – überall hatte er die Leute freundlich aber unnachgiebig mit Fragen gelöchert bis ihm die schiere Menge an Antworten den Schädel zu sprengen drohte.


    Erst jetzt, in der würzigen Frühlingsluft zwischen Weinbergen und Kastanienhainen begann sich das verschlungene Knäuel neuer Informationen wenigstens teilweise zu entwirren. Rom war harmloser und gleichzeitig gefährlicher als er es sich noch vor Tagen hatte vorstellen können. So hatten sich einige seiner Vorsichtsmaßnahmen als klug, andere aber als übertrieben und sogar dumm und leichtsinnig erwiesen. Zu letzterer Kategorie zählte zweifellos das Zurücklassen eines Teils seiner Habe, um nicht von korrupten Torwächtern oder sonstigen Dieben gefleddert zu werden. Die Miles am Stadttor hatten sich weit korrekter gezeigt, als er das von ihren Kollegen in den nördlichen Garnisonsstädten gewohnt war, und was die Diebe betraf, für die boten die nahezu unerschöpflichen Weidegründe Roms weit fetterer Beute als einen kaum bemittelten Plebejer aus der Provinz. Zumindest hoffte er das.


    Als Antias nach gut drei Wegstunden wieder die Schleife des Tiberis erreicht hatte, verließ er die Via Flaminia und folgte einer schmalen Straße, die vor der Tiberisbrücke ostwärts zur Via Salaria abzweigte.

    „Verstehe.“ nickte Antias, befingerte unauffällig sein Bündel und ertastete wider Erwarten den Ring durch die grobe Wolle. Erleichtert und anerkennend lächelte er die Miles an.
    „Das hilft mir in der Tat. Ich stehe in eurer Schuld, Soldaten - und ich vergesse nie eine erwiesene Gefälligkeit. Nochmals Dank! Möge euch Carna stets einen weichen Stuhlgang bescheren. Wir sehen uns wieder. Vale!“


    Kurz blickte er noch zurück auf die Via Flaminia, deren Band zwischen den mit Pinien bestandenen Hügeln im Abenddunst verschwand, grüßte dann die Miles, wandte sich entschlossen dem Tor zu und ließ sich von der hungrigen Göttin verschlingen.

    Keine so üblen Burschen dachte Antias, und deutlich zuvorkommender als die hirnlosen Holzklötze am Lagertor von Mogontiacum.


    "Wenn ihr in diesem .. " Antias warf einen respektvollen Blick durch das Tor, hinter dem sich wimmelnd die Schwärme der Passanten verloren.
    ".. diesem breit getretenen Termitenhaufen nach einer bestimmten Person suchen müsstet, wie würdet ihr das anstellen?"

    Den grimmigen Gesichtern der Miles konnte Antias ansehen, dass ihr Bedarf an unerwarteten Späßen für den heutigen Tag offenbar bereits gedeckt war. Gehorsam reichte er daher seinen Beutel der Wache und stellte sich wie ihm geheißen an den Straßenrand.
    Während der offensichtliche Wortführer ihm knurrend an der Tunika nestelte, öffnete dessen Kamerad Antias' Gepäck und breitete den Inhalt auf dem Holztisch der Wacheinheit aus: Brot, Trockenobst, einige Schriftrollen mit den Militärpapieren seines Vaters, eine Strigiles, einen Ring, eine zweite Tunika und einen Lederbeutel mit ein paar Assen darin.

    Antias nahm behutsam den Stock von der Schulter an dessem Ende er seine Habseligkeiten in einem Militätmantel verschnürrt befestigt hatte.
    "Meint ihr so was hier?" fragte er die zweite Wache und zog mit einem Ruck am Bündel. Darunter kam schimmernd die Spitze eines Pilum zu Vorschein. Noch bevor sich das Erstaunen der Wachen in Bewegung umsetzen konnte, rammte Antias den abgesägten Wurfspeer zwischen die Straßenquader und blickte die erste Wache entschuldigend an.
    "Wenn man sie kürzt, taugen sich nicht mehr zum Wurf, aber für Straßenräuber reicht's noch allemal. Entschuldie Soldat. Das ist alles an Waffen, ihr könnt mich gerne durchsuchen"

    Den Ton kannte Antias bereits aus dem heimischen Tross der Legio II Germanica. Gelangweilte schlecht bezahlte Soldaten wie sein Vater einer gewesen war. Ob Metropole oder Legionslager, den Wachsoldaten lag offenbar immer das Herz auf der Zunge, und der Bauch, und der Sack.


    "Salve Soldat. Ich bin Titus Germanicus Antias, komme aus Germania Superior und möchte in der Stadt Angehörige meiner Familie finden. Darüber hinaus wäre ich dir für eine Auskunft dankbar"

    Janus sei Dank war Rom offensichtlich auch nur eine Stadt. Ohne Zweifel das gewaltigste Mauergebirge, das Antias je gesehen hatte, aber am Ende nur eine Stadt. Auf seiner Reise vom Rhenus an den Tiberis war ihm allmählich die Bedeutung der Begriffe abhanden gekommen. Groß! Groß war Mogontiacum ihm als Kind erschienen, verglichen mit den Vororten und Dörfern des Umlandes. Bereits Augusta Vindelicum hatte Mogontiacum schrumpfen lassen und als er über Tridentum Verona erreicht hatte, war Größe ihm nur noch ein leeres Wort geworden.


    Bonona, Florentia, Arretium - je weiter er sich südwärts durch Italia bewegte, desto höhnischer spotteten die Städte seinen Vorstellungen von Göße. Weit! Hoch! Fern! Alles nur laue Fürze im Ostwind. Die Auen am Rhenus sollten weit sein? Weit war die dunstige grünblaue Ebene gewesen, die sich vor ihm aufgetan hatte, als er die Claudia Augusta herunterkommen war. Hoch? Die Laubkronen der endlosen germanischen Wälder jenseits des Flusses? Pah! Er hatte ein Bergmassiv überquert, das auch in den Wolken noch kein Ende fand und ihn bei jedem Schritt hatte schaudern lassen, als hätte sich der Orcus durch die Erdkrume ans Licht gebohrt.


    Fern waren ihm schließlich seine Pläne und Ziele geworden, sich von Rom aus einen respektierten Platz in einem ehrenvollen Leben zu schaffen. Was bei allen Göttern ließ sich von einem Mann allein bewegen? Die bunten Ströme von Reisenden waren immer noch dichter und die Städte immer noch mächtiger geworden, je näher er der Mutter aller Metropolen kam. Rom - begann er zu glauben - konnte kein Ort sein, sondern eine Art wabernde Sonne, die die Welt und alles darin einsaugte und ausspie. Roma Aeterna selbst musste dort im Süden auf ihn warten, um ihn zu prüfen und schließlich zu verschlingen.


    Aber es war nur eine Stadt, vor deren Toren er nun stand, ein von Menschen geschaffenes Wunder aus Stein, Holz und Eisen. Nicht bewacht durch ganze Legionen von Preatoriani, wie er gedacht hatte, sondern nur durch eine verstärkte Einheit von Torwächtern, nicht anders als in anderen Städten.


    Trotzdem kostete es Antias Überwindung, sein Bündel wieder zu schultern und das letzte Stadium der Flaminia hinter sich zu bringen. Als er schließlich den Torwächtern gegenüberstand kam ihm ein Ausspruch seines Vaters in den Sinn: 'Neu in Rom fühlst du dich wie ein Wurm im Arsch eines Zugochsen.'

    Verstehe.
    In diesem Fall rät mir meine Intuition klar zu Germanicus Varus.
    Obschon der bei seiner Rückkehr auch ein wenig erstaunt sein dürfte. :]


    Ich danke dir sehr für deinen weisen Rat und verspreche hiermit, dich noch vor dem Winter zu besuchen.


    Cura, ut valeas.