Als Torquata an diesem Morgen erwachte, blinzelte sie erst einige Momente lang orientierungslos in die Sonne. Es war so, als würde sie in einer Wolke aus Behaglichkeit schweben und erst nach einiger Zeit begannen die Ereignisse der letzten Nacht ihren Verstand einzunehmen.
Torquata setzte sich abrupt auf.
Die Betrunkenen! Der Park! Hadrianus!
Ihr Herz pochte schnell und hektisch und ihre Wangen glühten, als sie sich an die Stunden erinnerte, die sie mit ihm verbracht hatte.
Doch schon im nächsten Moment fiel ihr ein, dass er inzwischen vermutlich schon auf dem Weg nach Mantua war...
Dieses Mal wurden die Wolken, auf denen sie gerade noch geschwebt hatte, schwer, und begannen, sie zu erdrücken.
Langsam stieg Torquata aus dem Bett und trat traurig an den Bronzespiegel heran, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Es überraschte sie, dass sie aussah wie immer...sie hatte eine Veränderung erwartet, so, als hätten seine Küsse sichtbare Male auf ihrer makellosen Haut hinterlassen.
Torquata ließ sich Zeit und machte sich fertig für den Tag. Anstatt einer farbenfrohen Tunika wählte sie eine blendend weiße - so, als wollte sie ihre unsittliche Tat vor sich selbst und vor der Welt hinter der Farbe der Unschuld verbergen.
Sie bereute es nicht. Nein! Vielmehr hatte sie bewusst diese Schuld auf sich genommen, um nur EINMAL das zu erfahren, was ihre Eltern einst miteinander geteilt hatten.
Aber sie lastete schwer, diese Schuld.
Nicht nur vor den Augen ihrer toten Eltern, ihres Adoptivvaters, ihrer Gens und der Menschen in ganz Rom...sondern auch vor den Augen der Götter. Insbesondere vor denen der Vesta.
Besonders der letzte Gedanke versetzte sie in Panik. Was hatte sie getan?!
Torquata musste sich an der Kante des Tisches festhalten, bis das Zittern ihrer Knie nachließ. Erst, als sie sich ausreichend beruhig hatte und sich sicher war, dass man ihr nichts mehr ansehen konnte, rief sie nach Pollex, der auch prompt erschien.
Sie wollte ihm gerade befehlen, eine Sänfte vorzubereiten, welche sie zum Tempelbezirk tragen sollte, als ihr Vestand einsetzte.
Falls mich gestern jemand gesehen hat...und Gerüchte verstreut hat, dann würde man jetzt jede meiner Bewegungen verfolgen...und wenn ich jetzt zum Tempel gehe, käme das in ihren Augen nicht einem Schuldzugeständnis gleich?
Pollex räusperte sich. "Herrin, ihr habt gerufen?"
"Ja in der Tat", meinte Torquata geistesabwesend und starrte durch ihn hindurch. "Bitte schau doch nach, ob die Culina gerade frei ist, ich würde gern die Plätzchen für den Hausherrn backen."
Pollex runzelte unwillkürlich die Stirn, sagte aber nichts, verbeugte sich leicht und machte sich auf den Weg in die Küche.
Torquata lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür. Die kühle harte Fläche tat gut.
Wenn ihr Vater von gestern Nacht erfuhr, würde er sie hassen oder noch schlimmer: Verstoßen. Er hatte sie mit Freundlichkeit empfangen...und sie hatte es ihm mit Unsittlichkeit gedankt!
Wie sollte sie ihm jemals wieder in die Augen sehen?
Andererseits wäre es vermutlich das Beste für ihn, wenn sie lügen würde. Schließlich wollte sie ja nicht, dass er einen Herzinfarkt bekam!
Entschlossen stieß sie sich von der Tür ab und öffnete sie, nur um halb in Pollex hineinzustolpern.
"Nun?", erkundigte sie sich.
"Man hat keine Einwände."
Zufriede nickte Torquata und machte sich auf den Weg in die Küche.