Erstaunt blickte Torquata Hadrianus an. "Was? Aber...es wird vermutlich mehr kosten als all deine Tuniken zusammen!"
Beiträge von Iulia Torquata
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Ohne es zu wissen hatte Hadrianus einen wunden Punkt getroffen und es schmerzte sie sehr. "Nein, meine Eltern starben vor einigen Jahren bei einem Raubüberfall auf unser Landgut bei Misenum. Aber ich lebe auch erst seit wenigen Wochen hier in Rom." Torquata sah zu der alten Frau hinüber. "Für wie viel verkaufst du ein halbes Päckchen?"
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"Ja..." Noch einmal sog Torquata das volle Aroma des Crocus ein - es erinnerte sie an Zuhause...und es machte sie traurig...
"Meine Mutter hatte es oft für ihre Rezepte verwendet." -
Torquata lächelte leicht. "Nichts zu danken. Feilschen ist einfach eine überlebenswichtige Fähigkeit in der urbs aeterna. Da hast du es in Mantua viel besser."
Sie schlenderten durch die Reihen der Händler und wühlten sich durch das Gedränge, bis sie schließlich zu einem alten Kräuterweib kamen.
"Guten Tag", grüßte Torquata höflich. Ihr Vater hatte ihr von Anfang an beigebracht, der älteren Generation den nötigen Respekt entgegenzubringen. "Ich benötige den hispanischen Crocus."
Die alte Frau holte sogleich einige in Seide gewicktelte Päckchen hervor und faltete das Material auseinander, sodass das kostbare gelbe Gewürz sichtbar wurde.
Vorsichtig hielt Torquata es an ihren Nase und sog mit geschlossenen Augen den köstlichen Duft ein. -
Schon längst hatte Torquata den Händler durchschaut. Diese dachte nämlich, dass er es hier mit zwei Unwissenden zu tun hatte.
"Nun, ich würde so viel zahlen, wie es die Ware wert ist", antwortete sie laut und hielt dem Syrer seine Ware unter die Nase.
Wohlweislich verwendete sie dieses Mal absichtlich Latein, damit es auch alle Umstehenden laut und deutlich mitbekamen.
"Nun schau dir doch diesen schlecht genähten Saum an!", keifte sie plötzlich so lautstark los, dass alle Leute im Umkreis von zwanzig Schritten aufhorchten und sich nach ihr umdrehten.
"Überall Bagatellen! Und die schlechte Qualität der Farbe erst! So unregelmäßig wie sie ist, wird die Tunika nach dem zweiten Waschgang so fleckig aussehen, als hätte ich sie gar nicht gewaschen! Und für so etwas willst du 400 Sesterzen?! Und woher soll ich wissen, dass du mich nicht betrügst mit der festigkeit des Stoffs? Schau es dir doch an! Grobmaschig wie Sackleinen! Das kann man ja nicht mal einem Bettler zumuten! Und dafür willst du einen Preis, für den ich beim Händler Iokos eine ganze Festgarderobe aus feinster Seide bekommen könnte?! Was für eine Unverschämtheit! Du kannst froh sein, dass du diese Lumpen überhaupt loswirst, du Betrüger!"
Der Händler sank mit jedem lauten Wort mehr in sich zusammen, als auch Umstehende begannen, unflätige Bemerkungen zu machen.
"Für wie dumm hältst du uns Römer eigentlich?! Glaubst du, wir bezahlen für schlechte Billigware teures Geld?!"
Schließlich brach der widerstand des Händlers auf Druck der schimpfenden Menge zusammen und er hob die Hände in Kapitulation. "Schon gut, schon gut! Wie viel du bezahlen wollen?"
Torquata beäugte noch einmal energisch die Tuniken und sagte dann fest: "Dreißig Sesterzen!"
"Dreißig?!" Der Syrer riss die Augen auf und fing an zu jammern, dass er doch auch leben müsse. "Nicht gehen, das nicht gehen!", rief er aufgeregt. "Für hundert Sesterzen ich verkaufen können!"
Torquata blieb hart. "Hundert?! Dass ich nicht lache! Nein, dreißig!"
"Sechzig!"
"Fünfunddreißig!"
Der Händler schüttelte resigniert den Kopf.
Torquata atmete tief durch und seufzte theatralisch. "Na schön, im Angesicht deiner harten Arbeit, will ich dir vierzig Sesterzen zahlen, aber das ist mein letztes Wort!"
Als der Syrer daraufhin das Gesicht verzog, zuckte Torquata scheinbar teilnahmslos die Schultern und wandte sich, noch immer sehr gut hörbar für die Menge, an Hadrianus. "Dann eben nicht. Komm, Hadrianus, schauen wir uns woanders um. Ich bin mir sicher, dass Händler Iokos bessere Ware zu besseren Preisen anbietet."
Und kaum hatten sich die beiden Einkäufer abgewandt, hörte Torquata den Syrer schon rufen. "Gut! Gut! Vierzig Sesterzen! Ich verkaufen für vierzig Sesterzen!"
Blitzschnell drehte sich Torquata um und meinte laut: "Gut, also vierzig Sesterzen für alle Tuniken zusammen!"
Mies gelaunt packte der Syrer die geforderten Tuniken zusammen und und reichte sie Torquata. -
Der Syrer ließ sich nicht abschrecken. Dafür war er ein zu alter Hase. Was der Centurio natürlich nicht wusste: Die Castra Praetoria bezog die Tuniken für die Tirones regelmäßig von ihm und bekam dafür beträchtlichen Rabatt. Welcher Centurio oder Tribunus wäre so blöd, für einen einfachen Soldaten, diesen Einkaufsvorteil einzubüßen?
"400 bleiben 400!" -
Der Syrer lächelte süffisant. "In Rom freier Markt, Preise frei. Hauptsache ich Steuern zahlen. Marktaufsicht nichts tun können", meinte er im gebrochenen Latein. "Entweder du zahlen 400 Sesterzen, oder du gehen."
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Der syrische Händler lächelte wie ein Fuchs und nannte den Preis:
"Vierhundert Sesterzen!"
Natürlich war er viel zu hoch, aber ein Soldat von Auswärts hatte ja wohl kaum Erfahrung mit dem Handel in Rom! Und das junge Ding neben ihn war bestimmt nicht alt genug, um Preise wie solche zu begreifen. -
Auch Torquata fiel die zunehmende Lautstärke des syrischen Marktschreiers auf.
"Sei still!", fuhr sie ihn in seiner griechischen Muttersprache an und kehrte damit ganz die vornehme Domina nach außen.
Der syrische Händler verstummte auf der Stelle und blinzelte sie in einer Mischung aus Erstaunen und Verärgerung an. Aber er hielt den Mund.
Ihre Mutter hatte ihr früh beigebracht, wie man sich aufdringliche Händler vom Leib halten konnte und wie man sie zur Räson brachte.
Energisch griff Torquata nach einer Tunika in Hadrianus' Größe und begutachtete sie kritisch. Schafswolle. Sehr kratzig und auch die Vernähung des Saums ließ zu wünschen übrig.
Inzwischen hatte der Syrer angefangen, seine Ware anzupreisen. Wiederum auf Griechisch. Torquata stellte einige Fragen zu Material und Farbfestigkeit und inspizierte noch einige andere Exemplare.
Schließlich reichte sie Hadrianus eine einfache Tunika aus dunkelblauer Baumwolle und eine aus rostrot gefärbtem, feinem Leinen. Sehr diskret, aber nicht so billig wie es Bürger der Unterschicht tragen würden. Vor allem, weil sich am Kragen und an den Ärmeln schwarze Mäandermuster befanden.
"Diese, würde ich sagen, für den privaten Gebrauch", meinte sie. "Ich hoffe, du bist mit einer dezenten Farbwahl einverstanden. Wenn du etwas Auffälligeres und Edleres brauchst, kann ich dir auch diese Smaragdgrüne hier empfehlen." Sie deutete auf eine teuer aussehende, seidene Tunika.
"Und für den Dienst..." Sie wandte sich an den Händler und fragte auf bestem Griechisch, ob er auch Kleidungsstücke aus widerstandfähigeren Materialien anbot. Der Händler begann augenblicklich, in seinen Beständen zu wühlen und förderte einige schmucklose Tuniken zu Tage, die aus einem gröberen Leinen gefertigt waren und deren Nähten eine größere Reißfestigkeit versprachen.
Torquata griff nach der Grauen. "Diese Farbe dürfte nicht ganz so schmutzanfällig sein." -
Als Hadrianus sie ratlos anblickte, zog Torquata die Augenbrauen hoch. "Gefallen dir diese Tuniken nicht?", fragte sie verwirrt. Und als der Soldat noch immer keine Anstalten machte, die Ware zu begutachten, ging ihr auf, dass er wahrscheinlich auf ihre konstruktive Kritik hoffte.
Torquata seufzte innerlich. Kam man her, um Gewürze zu kaufen, landete man schließlich in der Textilabteilung!
"Oder suchst du nach etwas Bestimmtem? Zu welchem Anlass brauchst du diese Tunika?" -
"Nicht weit!", rief Torquata und schon sah man durch die Menschenmengen hindurch die Textilienstapel der Händler. Sie führte ihn schließlich zu einem der Händler. Ein Syrer, seinem Aussehen nach.
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Eine Patronin? Dies war der Moment, in dem Torquata einen hauchdünnen Verdacht bekam, dass die Vestalin, so gütig und rein sie auch erschien, sie schon früh an sich binden wollte, um Macht über eine andere Vestalin auszuüben.
Aber vielleicht steckte auch wirklich kein Hintergedanke dahinter?
Wie schrieb Selenus in seinem Brief?
Diese Stadt lebt von Intrigen.
Und so entschied sich Torquata, auf Nummer sicher zu gehen und ihren Vater, der doch sehr viel erfahrener war als sie selbst, zu Rate zu ziehen.
Sie lächelte die Vestalin schüchtern an. "Selbstverständlich hat mein Vater bereits die nötigen Vorkehrungen getroffen, um meinen Ruf zu wahren und da ich ihm sehr dankbar bin für seine Fürsorge fühle ich mich schuldig, ihn in dieser Entscheidung zu übergehen, denn noch ist er mein Vater und übt damit noch immer die Pater Potestas über mich aus. Ich bin mir sicher, dass er sehr enttäuscht sein würde, wenn ich ihn übergehe. Ich möchte ihm nicht das Gefühl geben, dass er für mich nur Mittel zum Zweck war und ich nun eigenmächtig ohne die Beachtung seiner Person agiere." Torquata senkte bescheiden den Kopf. "Wenn es dir nichts ausmacht, wehrte Decima, würde ich ihm gern diese Angelegenheit vortragen und ich versichere dir, dass ich mein Bestes tun werde, um ihn von dieser Sache zu überzeugen, da es eine große Güte deinerseits ist, mich in Schutz zu nehmen."
Falls die Vestalin nun verärgert oder anderweitig widerwillig reagieren sollte, so wusste Torquata zumindest, dass irgendetwas an der Sache faul war... -
"Du hast doch nichts dagegen, Pollex?", erkundigte sich Torquata prompt bei ihrem leibwächter.
"Nein, Herrin", kam es aufmerksam von diesem zurück, obwohl er Hadrianus keinen Moment lang aus den Augen ließ.
"Gut, dann komm mit." Schon war Torquata über die Straße geflitzt, wobei sie von Pollex abgeschirmt wurde. -
"Hm...Tuniken, lass mich kurz überlegen..." Torquata blickte sich um und überlegte. Sie kam vom Esquilin und auf der dem Hügel zugewandten Seite hatten einige Krämer ihre Stände aufgemacht. Und daneben? Es war nur logisch, dass die Textilienhändler nicht weit entfernt sein konnten. Hatte sie nicht eine Frau gesehen, die mit einer neuen Tunika an ihr vorbeigelaufen war?
Ihr hatte das schöne Muster des grünen Stoffs gefallen und so war ihr diese Begegnung in Erinnerung geblieben.
"Ich denke, ich weiß, wo du Tuniken bekommst", informierte sie Hadrianus. "Wenn du willst, führe ich dich dort hin."
Und dann sickerte etwas verspätet in ihr Bewusstsein. "Sagtest du, du seist aus Mantua? Ich habe dort einen Verwandten, der als Praefectus Castrorum in der Legio I Traiana pia fidelis dient." Natürlich war von Marcus Iulius Licinus die Rede. Sie hatte diesen Mann zwar noch nie getroffen, hatte jedoch seinen Namen ab und zu in der Casa Iulia fallen hören. Auch von ihrem Vater.
Also musste er ein wichtiger Mann sein. Denn ihr Vater war immer auf der Suche nach Unterstützern. Wie alle ehrgeizigen Menschen in dieser verrückten Stadt. -
Interessanterweise war dieser Soldat fast so neugierig wie sie selbst. Ganz anders als Aulus eben.
Ähm...sie meinte natürlich den anderen Aulus.
Aber der Iunier konnte es punkto 'Stoisches Verhalten' ja beinahe mit Selenus aufnehmen!
"Nun, eigentlich bin ich auf der Suche nach einigen Gewürzen, die ich brauche, um meinem Vater Plätzchen zu backen. Sollte eine Überraschung werden. Du hast nicht zufällig entsprechende Stände gesehen?", fragte sie Hadrianus. "Und du? Suchst du nach etwas Bestimmtem?" -
Es war Mitternacht und das Haus war ruhig. Selbst Wonga mochte inzwischen die Porta von innen versperrt haben und Locusta hatte sicherlich schon die Kohlebecken in der Culina für die Nacht abgedeckt.
Nur in einem Nachthemd bekleidet huschte Torquata durch die dunklen Korridore und ihre baren Füße erzeugten auf dem kalten Boden keine Geräusche.
Leichtfüßig eilte sie die Treppe hinunter ins Erdgeschoss und durchquerte zügig das Tablinum, bevor sie schließlich im Lararium stehen blieb.
Mit klopfendem Herzen näherte sie sich dem Altar der Hausgötter und zählte im Geiste bis zehn, bevor sie ihre frisch gepflückten Blumen auf den Altar ablegte und ihre dünnen Arme ausstreckte mit den schmalen Hände mit der Handfläche gen Himmel ausstreckte."Ihr Ahnen und und Vorväter iulischen Geblüts, bitte erhört mich, die euch inbrünstig dankt für euren Schutz und euer Wohlwollen. Ich stehe nun an einem Scheideweg und erbitte Rat." An dieser Stelle holte sie tief Luft und schloss dann die Augen, um die gewünschte Gottheit zu erreichen. "Hochehrwürdige Vesta, bitte erhöre die Gebete der kleinen Torquata, die bereit ist, dir mit ihrem Leben und ihrer Seele zu dienen. Ich bin nicht reich und kann dir deshalb weder Weihrauch noch Myrrhe opfern, aber diese Blumen bringe ich dir mit meiner ganzen Überzeugung und meinem tiefen Glauben dar und hoffe, dass du mich dennoch erhören mögest.
Ich begehre nichts außer zu wissen, ob ich deiner Dienerin, der Decima Messalina, bedingungslos vertrauen kann. Du weißt sicherlich in deiner unermesslichen Weitsicht, dass ich zögere, mein Vertrauen in Fremde zu setzen, da mir in meinem früheren Leben so viel Leid durch
Mitmenschen zugefügt wurde. Nur dir, der Hüterin des Staates in seiner Wohlfahrt, vermag ich noch zu vertrauen und erbitte deinen Rat. Im Gegenzug gebe ich dir mein Versprechen, dir mein Leben lang mit Leib und Seele zu dienen."
Zitternd wartete Torquata auf eine Reaktion. Sie war überzeugt davon, dass es die Götter gab und dass sie jedes Ereignis unter den Menschen beobachteten und sie hoffte, dass die Göttin ihr, einem kleinen Mädchen, einen Teil ihrer Zeit widmen möge. -
"Mein Name ist Iulia Torquata", antwortete Torquata und fragte sich im nächsten Moment, ob es so gut gewesen war, einem fremden Soldaten einfach ihren Namen zu verraten. "Und wie heißt du?", fragte sie zurück. "Und wo kommst du her?"
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Obwohl sein Grinsen ein wenig schief war, war der Mann ihr sympathisch. Oh, natürlich nichts weiter als nur sympathisch! Schließlich war sie ja eine fast-Vestalin!
"Examen? Ich wusste nicht, dass Soldaten Examen ablegen müssen", meinte Torquata mit ehrlichen Erstaunen. "Du bist doch Soldat?", erkundigte sie sich in der Sorge, voreilige Schlüsse gezogen zu haben. -
Es war schließlich Torquata, die die Klinke herunterdrückte und die Tür zum Officium ihres Vaters öffnete.
"Guten Abend, Vater", begrüßte sie ihn und ein warmes Lächeln glitt über ihr Gesicht. "Du wünschtst Vestina zu sprechen? Ich habe sie hierhergeracht, weil Tsuniro noch so viel Arbeit hat." Sie versuchte dabei neutral zu klingen, was ihr nicht ganz gelang.
Torquata warf einen Blick zurück auf Vestina. "Hast du noch eine Aufgabe für mich, Vater? Sonst würde ich mich jetzt zurückziehen und euch allein lassen." Dabei lächelte sie ihrer neu gewonnen Freundin aufmunternd zu, bevor sie ihren Blick wieder erwartungsvoll auf ihren Vater richtete.
Hoffentlich lässt Vestina sich nicht durch seine Uniform einschüchtern, dachte sie. -
Torquata musste lächeln, als der Mann sich nach ihrem Befinden erkundigte. Das war irgendwie...liebenswürdig...
"Danke, alles bestens", beruhigte sie ihn. "Ein Glück, dass mein Vater mir Pollex", dabei deutete sie auf den kräftig gebauten Gallier neben sich, "als Custos Corporis überlassen hat. Ich glaube, ich habe ihn wirklich notwendig, auch wenn es dieses Mal du warst, der mich gewissermaßen vor einem Sturz bewahrt hat. Meinen besten Dank dafür." Erneut glitt ein Lächeln über ihr engelhaftes, zartes Gesicht, welches ihre silbrigen Augen zum Strahlen brachte.
Dann registrierte sie jedoch, dass der Mann ein wenig verloren dastand und ihr ging auf, dass er ein Fremder sein musste. "Du kommst nicht von hier, oder?", fragte sie neugierig und legte den Kopf schief.