Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Er ignorierte sie! Genüsslich warf sich dieser Pascha auf die Kline und fragte, wo sein Essen bliebe. Phryne wollte am liebsten aus der Haut fahren, ihm an die Gurgel gehen, ihm für seine maßlose Frechheit das Gesicht zerkratzen. Er trieb es auf die Spitze. Phryne kochte. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben als er die Dreistigkeit hatte, sie mit einer Belanglosigkeit zu veräppeln. Du wirst mich nicht dazu bringen auf deine Frechheiten einzugehen und mich erneut in deine Falle tappen zu lassen. Du nicht!
Wutentbrannt stapfte sie aus dem Raum. Vor der Tür lehnte die Freigelassene sich zunächst an die Wand und atmete durch. Ruhig bleiben, Phryne! Denk nach!
Dieser hintertriebene Dämon in Menschengesalt hatte behauptet, dass er die Wachmänner abgezogen habe. Sie überzeugte sich selbst, dass es so war. Ungläubig sah sich die Schauspielerin in der Casa Acilia um. Weder im Haus noch vor der Tür stand eine Wache. Phryne war frei! Sollte sie einfach loslaufen? Entweder war er unvorsichtig und dumm oder er war sich sehr sicher, dass sie nicht weglaufen würde. War es so? Würde sie wirklich bei ihm bleiben, obwohl er sie demütigte und für dumm verkaufen wollte?
Ihr kam ein anderer Verdacht. Vermutlich hatte er seine Wachmänner losgeschickt, um den armen Glaucus umzubringen. Es würde nicht lange dauern bis man ihr den Leichnam ihres treuen Sklaven vor die Füße legen würde. Bestimmt hatte Appius das geplant. Er würde kein Risiko eingehen.
Phryne lenkte ihre Füße in die Culina. Korone stand schluchzend am Tisch und bereitete eine Cena. Schüsseln mit Eiern, geschnittenem Weißkraut, Zwiebeln und Oliven standen bereit. Auf dem Herd köchelten Hühnerkeulen in einem Honig-Wein-Sud. Phryne kam eine Idee. Sie schlich in ihr Cubiculum und öffnete eine kleine Truhe. In verschiedenen Döschen und Tüten verpackt hielt sie hier die Kräuter für ihre "Zaubertränke" bereit. Das "Pulver zur Verhütung von Impotenz", den "Trank zur Erhöhung der Sinnlichkeit", den "Zaubertrank, der die Leidenschaft eines Liebhabers niemals erlahmen läßt", das "Mittel, das geschwächten Männern ihre Kräfte zurückgibt", den "Balsam zur Steigerung der Leidenschaft" und den "Wundertrank, mit dessen Hilfe ein Mann die Vereinigung jede Nacht mindestens zehn Mal vollziehen kann". Phyrne grinste vergnügt. Oder lieber diesen hier? Sie hielt ein braunes Tütchen hoch. "Zaubertrank, um die Abwehr des begehrten Wesens zu überwinden". Das war nicht schlecht! Damit würde er ganz der ihre sein. Sie las die Inhaltsliste: 10 Schamhaare, zwei Scrupula Bockssperma, Melissenöl, sechs getrocknete Tausendfüßler und die Asche einer gerösteten Eidechse. Pfui! Angewidert stellte sie die Tüte zurück.
Dann aber fand sie das, was sie suchte: "gefährlicher Liebestrank" stand in roten Lettern auf der kleinen Spanschachtel. Phrynes schöner roter Mund zeigte ein diabolisches Grinsen. Sehr klein standen die Inhaltsstoffe auf der Unterseite: Quecksilbersublimat, Arsen, Tollkirsche, Bilsenkraut, Wasserschierling, Pulver der Spanischen Fliege sowie einer getrockneten Kröte, Graberde, eine Liebstöckelpflanze mit Wurzeln, geronnenes Blut, menschliches Sperma und getrocknete Exkremente. Sie öffnete den Deckel. Uhh! Bäh! Der Gestank war bestialisch! Schnell verschloss sie die Dose wieder. Sie las die Gebrauchsanweisung. Rühre die Mischung in einen Pokal mit Wein der Kleopatra. Filtere die Flüssigkeit und bewahr sie in einem dunklen Gefäß auf. Gib der von dir begehrten Person von diesem Zaubertrank zu trinken und innerhalb kürzester Zeit wird sie deinen Schmeichelein erliegen. Klitzeklein stand noch darunter: [SIZE=7]die halluzinogenen Drogen und Gifte in diesem Trank können dir eine unvergessliche Nacht bescheren, doch wenn du deinem begehrten Wesen zu viel davon gibst, ist es seine letzte! Dosiere vorsichtig![/SIZE]
Die Schauspielerin verschloss die Kiste wieder und machte sich mit dem Döschen auf den Weg in die Culina. Dort nahm sie sich eine Karaffe mit dem teuersten und stärksten Rotwein, den sie vorrätig hatte, rührte den gesamten Inhalt der Dose hinein und ließ die Mischung ziehen. Anschließend filterte sie die Feststoffe heraus. Sie verbot Korone davon zu trinken. Die Sklavin sah Phryne aus verheulten Augen an. Ein winziger Hoffnungsschimmer glimmte in den dunklen Pupillen der Partherin.
Nun richte mich schön her! Nimm verschwenderisch von dem teuersten Duftöl! Dann darfst du dich zurückziehen. Ich serviere unserem Gast die Cena.