Beiträge von Phryne

    Der letzte Tag des großen Frühlingsfestes der Magna Mater war angebrochen. An diesem besonderen Tag, der eine große Kultprozession und die Waschung der Kybelestatue zum Inhalt hatte, waren alle Mysten vollzählig angetreten. Heute wollte man die gesamte Bevölkerng der Provinzhauptstadt an dem freudigen Ereignis teilhaben lassen.


    Den Anfang nahmen die Feierlichkeiten wie immer im Heiligtum der Magna Mater. Räucheropfer und Gebete begleiteten die Göttin als sie in Gestalt der Kultstatue den Tempel verließ und von den Mysten auf einen blumengeschmückten Wagen gehoben wurde. Die Kultgenossen waren in aufwändige, bunte Gewänder gekleidet, Amulette und bunte Bänder schmückten sie. Auch Phryne hatte sich entsprechend herausgeputzt. Ihr Haar war offen, mit bunten Bändern durchwirkt und mit Glöckchen behängt. Ein fließenden Seidengewand umspielte ihren Körper. Als sich der Wagen in Bewegung setzte und den Kultbezirk verließ, gab Korone ihrer Herrin das Tympanon.

    Phryne biss sich auf die Zunge. Wie konnte sie nur so dumm sein. Natürlich hatte diese Susina Alpina auch den Nachwuchs des Ducciers auf die Welt gebracht. Kein Wunder, dass er zu ihr hielt. Phryne ärgerte sich, dass sie noch immer so eifersüchtig auf die Kräuterfrau war. Dabei hatte sie doch inzwischen keinen Grund mehr dazu. Marcellus war inzwischen eindeutig ihr zugetan. Und vor allem... Alpina war weit weg. Phryne konnte also getrost ihre Spitzen gegen die Hebamme einstellen.


    Sie drehte sich möglichst gleichgültig dem Aedituus zu.


    Nein, weitere Fragen habe ich nicht. Ich wünsche den Herren noch einen angenehmen Nachmittag. Valtete, Procurator Duccius Marsus und Helvetius Curio!


    Dann rauschte sie davon.

    Der Tag nach dem fröhlichen Hilaria-Fest war der Ruhe und Erholung gewidmet. Man nannte ihn sinnigerweise "Requietio" - Ruhe. Außerdem diente der Tag der Vorbereitung der großen Prozession, die am kommenden Tag das Standbild der Göttin auf einem Wagen durch die Stadt zum Fluss hinunterführen würde. Dort sollte das Götterbild dann gereinigt und mit Blumen geschmückt werden. Es war der einzige Teil des Festes, bei dem man die Öffentlichkeit mit einbezog. Wie alle anderen Mysten freute sich Phryne gerade auf diesen Teil des Festes besonders.

    Natürlich hatte Phryne maßlos übertrieben als sie die medizinische Versorgung des Vicus infrage gestellt hatte, doch sie war ja vielmehr daran interessiert herauszufinden, warum die Kräuterfrau nicht da war. Die Erklärung, die der Aedituus lieferte, war mehr als dürftig. Im Barbaricum? Was für eine verrückte Idee. Das stank doch zum Himmel! Kein vernünftiger Mensch würde zur Erweiterung seines Wissens ins Barbaricum reisen! Eine Wahnsinnige! Ja, das hatte sie ja schon lange geahnt. Schon als sie gesehen hatte, wie Alpina den Dolch gekauft hatte...


    Das glaubst du doch selbst nicht, oder, Helvetius?! Wer würde so verrückt sein und ins Barbaricum reisen, um etwas über Heilkräuter zu lernen? Nach Alexandria, ja, oder nach Kos oder Epidauros, aber doch nicht ins Barbaricum!


    Phryne schnaubte abfällig.


    Wenn sie das gemacht hat, ist sie ja noch viel verrückter, als ich sie eingeschätz habe. Dann sei froh, dass du sie los bist, Aedituus Helvetius! Sie war eine Wahnsinnige, die die Geister der Menschen mit giftigen Zaubertränken verwirrt hat. Deinen Geist ganz offensichtlich auch. Sonst hättest du längst erkannt, dass sie gefährlich und wahnsinnig ist. Aber vielleicht war ja auch das der Grund für ihren hastigen Aufbruch? Hast du sie vor die Tür gesetzt, weil dir ein Licht aufgegangen ist? Hat sie versucht dich zu vergiften? Oder mit dem Dolch zu ermorden?
    Der investigative Blick Phrynes wollte die Wahrheit wissen.

    Phryne musste grinsen. Es war doch wieder interessant zu sehen, wie verkrampt der junge Aedituus wurde, wenn es ums Thema Sexualtität ging. Seinen ernsten Blick erwidete sie mit einem spöttischen Lächeln. Nun, wenn ihm so dringend an einem Themawechsel gelegen war, das konnte er haben.


    Gut, dass du mich an die Cena in meinem Haus erinnerst Aedituus Helvetius Curio. Das bringt mich auf meine Frage. Du willst doch als Magister Vici gewählt werden, nicht wahr? Dabei kümmest du dich sicher auch um die vielen Läden im Vicus Apollinensis. Nun, da muss ich gleich eine Anmerkung machen. Ich hatte versucht, wie schon einmal zuvor in der Taberna Medica Alpina einige Duftbalsame zu kaufen. Doch habe ich die Ladeninhaberin nicht angetroffen, sondern nur ihren alten Sklaven, der von Duftbalsamen nicht die geringste Ahnung hatte. Auf die Frage, wann seine Herrin wieder im Laden sei, hat mir der Sklave geantwortet, dass er das nicht sagen könne, da die junge Frau zu einer weiten Reise aufgebrochen sei. Nun frage ich dich, der du ja mit der Ladenbesitzerin unter einem Dach wohnst, wohin die Inhaberin so plötzlich aufgebrochen ist. Das ist doch schon eigenartig. Ich hoffe doch, dass sie bald wieder da ist, schließlich ist das ein untragbarer Zustand. Vor allem weil dieser Sklave von medizinischen Dingen mit Sicherheit noch weniger Ahnung hat. Wir sind medizinisch unterversorgt!


    Sie durchbohrte den Aedituus mit einem durchdringenden Blick, der klar machte, dass sie eine adäquate Antwort erwartete.

    Hilaria, Fest der Freude und der Heiterkeit, hieß der folgende Festtag im Ablauf des großen Frühlingsfestes der Magna Mater. Die Kultgemeinde feierte die Wiederkehr des Lichts, als das der Kultheros Attis auch bezeichnet wurde. Die Rückkehr des Geliebten der Großen Mutter aus der Unterwelt würde der Erde neue Fruchtbarkeit geben. Aus diesem Grund feierte man ausgelassen mit einem ausgiebigen Kultmahl. Die Stimmung war ausgelassen, die Heiterkeit ansteckend.

    Phryne lächelte fein. Er hatte recht. Im Prinzip hatte sie alles und sogar sein Angebot, sie mit Koischer Seide zu erfreuen war zwar verlockend, doch war sie nicht darauf angewiesen. Freunde in Rom zu haben, war jedoch ein durchaus interessantes Angebot. Phryne hatte vieles in Rom zurückgelassen als sie aufgebrochen war: Mitsklavinnen, Verehrer und Geliebte, die übellaunige Verwandschaft des Acilius und die eifersüchtige Witwe ihres Gönners, die nicht ertragen konnte, zu sehen, wie die Meretrix ihres Gatten ein Vermögen erbte. Aber im Augenblick hatte sie keine Verbindung in die Urbs aeterna. Ein direkter Draht wäre tatsächlich gut, denn wer wusste schon, wie lange sie es in diesem düsteren Provinznest aushalten würde - zumal der einzige Lichtblick sie in wenigen Tagen wieder verlassen würde...


    Sie lächelte also vielsagend.
    "Freunde in Rom" zu haben ist ein Angebot, das ich nicht ausschlagen würde... wer weiss schließlich, ob ich hier im germanischen Regen nicht irgenwann versauere... Eine Rückversicherung, dass es eine Möglichkeit gäbe, sich irgendwann wieder nach Süden zu begeben... das könnte mich tatsächlich reizen. Die koischen Gewänder... sind zwar sehr schön... aber doch meist hinderlich, wenn es drauf ankommt...


    Ihr Zwinkern sollte ihm zu verstehen geben, dass der geschäftliche Teil für´s erste abgeschlossen war. Sie hielt ihm ein Fischernetz hin.


    Nun, mein göttlicher Freund, es wird Zeit, dass du deine Netze auswirfst... Denn heute wirst du den Fang nur genießen dürfen, wenn du ihn eigenhändig an Land ziehst.


    Kichernd sprang sie auf und lief vor ihm davon.


    Fang mich doch, wenn du kannst!
    Noch ehe er sich von der Kline erhoben hatte, war sie schon den ersten Gang hinuntergelaufen.


    Sim-Off:

    ich werde einen Teufel tun und deine poetische Fabulierkunst unterdrücken! :D

    Zitat

    Nun wie Du weist gibt es kein unnützes Wissen. Die einen nennen es Vorsicht die anderen fragen. `Warum kratz Du dich wenn es noch gar nicht juckt?`“ Er trank nochmal und machte dann weiter. „Ich bin mir sicher die ehemalige Sklavin im Haus eines Senators weiß wovon ich spreche.“
    „Die Frage ist wie Vertrauens würdig ist Amphitrite?“


    Phryne verstand sehr gut, was Antoninus mit seiner Anspielung meinte. Sie ging darauf ein.


    Ich war nicht umsonst der Liebling meines Dominus. Er vertraute mir weit mehr als seiner Gattin. Aus gutem Grund. Und wenn du mit deiner Anspielung anfragen willst, wie viele relevante Informationen ich für ihn durch meine besondere Aufmerksamkeit seinen Gästen gegenüber herauskitzeln konnte, dann sei versichert, er wusste sehr gut wie man mich gewinnbringend einsetzen konnte. Dabei ist es mir meist nicht schwer gefallen, an die erwünschten Informationen zu gelangen. Ich müsste lügen, wenn ich sagen sollte, dass mir diese Art von intimer Verhörpraxis keinen Spaß machen würde. Du selbst hast schon erfahren können, dass ich nicht unbegabt bin... allerdings war die Beute nicht in jedem Fall so verlockend...


    Sie schenkte ihm einen lasziven Blick, bevor sie fortfuhr.


    Du fragst also, ob Poseidon Amphitrite vertrauen kann? Und wie. Nicht anders als im Mythos, ist sie ganz die seine... die Frage ist eher umgekehrt. Womit will Poseidon ihre Dienste vergelten? Als ich noch Sklavin war, hatte es mein Dominus leicht, mich für solche Aufgaben zu ködern. Die Aussicht auf Freilassung war mir Lohn genug... aber was hat Poseidon zu bieten außer ein paar hübschen Abenden mit anregender Konversation und erregendem Lustspiel?

    Die Nachtfeier, die sich an den "Dies sanguis" anschloss wurde zunächst von den Klageliedern der Mysten begleitet. Gemeinsam spielten sie traurige Weisen auf den Kultinstrumenten. Auch Phryne stimmte in die Totenklage um den göttlichen Attis ein.


    Klagt um Attis, zerreißt das Gewand,
    schlagt an die Brust euch, jammert mit mir.
    Mysten, ich vermag nicht so ergreifend zu singen,
    dass Attis zu neuem Leben erwacht.
    Noch ist die Zeit nicht gekommen.
    Klagt um Attis.
    Stumm bleibt der Frühling,
    tot sind die Blumen.
    Weint um Attis, zerreißt das Gewand.


    Doch gegen Morgen, als die rosenfingrige Eos ihre Pferde anschirrte, wandelte sich der Charakter des Gesangs. Aus den Klageliedern wurden Freudentänze. Jubel brandete auf.


    Sobald der Morgen graut,
    freut euch und tanzt in der Runde.
    Singet für das göttliche Kind,
    das aus der Unterwelt aufsteigt,
    umhüllt von glorreichem Schimmer!

    Antoninus war ein Schlitzohr! Er wand sich wie ein Aal. Doch so einfach würde er Phrynes Wissensdurst nicht ausbremsen. Sie zog sich zurück und erneuerte den Trinkspruch.


    Nun denn, Poseidon, Erderschütterer, du wirst doch nicht so auf dem Trockenen bleiben wollen. Wohlan, dann trink mit mir. Vielleicht löst der edle Tropfen deine Zunge und du verrätst mir doch noch, weshalb du so viele Fragen stellst. Wie du ahnen kannst, macht dich diese geheimnisvolle Aura umso attraktiver für mich...


    Sie ließ die ersten Tropfen des edlen Weines über ihre Zunge und den Gaumen laufen. Genussvoll spielte ihre Zunge mit den Geschmacksnuancen des Rebensafts. Dann stellte sie den Becher ab und bediente sich bei den Köstlichkeiten, die auf dem Tischchen vor ihr standen.

    Zitat

    "Nun, einen Stammhalter hat mir bereits meine erste Gattin Prudentia Callista geschenkt - möge sie in Frieden ruhen. "Aber von den Freuden einer Mutter weiß eine Frau wie du doch gewiss selbst zu berichten?"


    Der Duccier war Phryne sofort sympathisch. Er war in keinster Weise hochnäsig oder rechthaberisch, sondern ein angenehmer Gesprächsparnter. Die erste Information, die er zum Besten gab, nahm Phryne interessiert auf. Sie lebte noch nicht lang genug in der Stadt, um mitbekommen zu haben, dass der Sohn des Familienoberhauptes abgereist war. Die Sprache war im Gespräch mit den anderen Honoratioren der Stadt noch nicht auf ihn gekommen.
    Zum zweiten Teil der Familieninterna grinste Phryne. Natürlich würde es nicht das einzige Kind bleiben. Die brave Petronia Octavena würde sicherlich bereitwillig ihre Figur ruinieren um dem Duccier einen ganzen Stall voller Kinder zu schenken. Entsprechend konnte sie auf die daran anschließende Frage nur kichern.


    Nein, Procurator. Mutterfreuden sind mein Thema nicht. Ich bin nicht verheiratet und kann mir im Augenblick auch gar nicht vorstellen, was attraktiv daran sein soll, einen kugelrunden Schwangerenbauch vor mir herzutragen. Nein, wirklich nicht. Darüber, wie Kinder in die Welt gesetzt werden, weiß ich aber durchaus Bescheid... ich würde sogar sagen, dass ich Expertin auf diesem Gebiet bin... ebenso auf dem Gebiet, es zu verhindern... du verstehst?


    Ein süffisantes Lächeln umspielte ihre Lippen und sie suchte den direkten Blickkontakt.

    Zitat

    „Göttlich Amphitrite, dein Atlas wird dich heute nicht vor mir schirmen können.“ Er grinste vielsagend und fuhr mit den Fingern ihren Hals entlang und leicht hinter ihr Ohr und dann über ihre Nacken. Mit der zweiten Hand griff er nach dem Becher und positionierte ihn leicht unter ihrer beiden Gesichter. So das er zwischen ihnen Stand. Seine Augen aber hatte er nicht von ihr Abgewendet sondern ihr beständig in die Augen gesehen


    Kein Atlas würde sich heute zwischen sie und den begehrenswerten Prätorianer drängen! Gewiss nicht!
    Phryne hielt den innigen Blick, den Antoninus ihr über den Becherrand hin schenkte.


    Welches Geheimnis verbirgst du hinter dem kastanienbraunen Glanz deiner Iris, Antoninus? Fama, die geflügelte Göttin der Gerüchte hat mir sanft eingeflüstert, dass du dich auffällig für alles interessierst, was in unserer kleinen Stadt so vor sich geht... muss ich befürchten, dass du die Informationen, die du einholst, gegen mich verwenden wirst?


    Mit dem letzen Satz bekam ihr Blick ein Stechen. Phryne zog das Unterlid hoch, sodass sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen schlossen.

    Nach einem Tag, der der Trauer und der Klage um den Kultheros Attis gewidmet war, stand an diesem Tag der "Dies sanguis" - Bluttag genannte letzte Trauertag an. An diesem Tag vergoss man das Opferblut nicht nur von Opfertieren, sondern in der Regel vergossen auch die Kultanhänger ihr eigenes Blut.


    Phryne hatte diesem Tag entgegengefiebert. Er würde nach ihrem Einstandsopfer, das sie mit eigenen Händen vollziehen musste, ihre Aufnahme in die Kultgemeinde zur Folge haben. Nervös machte sie sich mit ihren Sklaven auf den Weg zum Heiligtum der Magna Mater. Glaucus trug den Käfig mit dem besonders schönen Hahn, den sie erstanden hatte, Korone das Tympanon und einen Korb mit Speisen.



    Der Gallus erwartete sie, er trug das mit vielen Bändern und Amuletten geschmückte Gewand der Fanatici, wie es für den Charakter des heutigen Festes angemessen war.


    "Salve, Phryne. Ich sehe, du bist gerüstet."


    Er ließ sich von einem Opferhelfer den Hahn zeigen. Genau untersuchte er das Tier, ob es für das Opfer geeignet war. Dann nickte er.


    Phryne half den anderen Kultgenossen beim Schmücken des Vorplatzes des Magna Mater-Tempels. Als sie damit fertig waren, begann der Gallus das Fest mit einem gesungenen Gebet an die Große Mutter und ihren Geliebten. Er wurde begleitet von einer leisen Melodie aus Cymbeln und Rasseln.


    "Der Himmelsherrin, der großen Herrin,
    der ersten von Himmel und Erde,
    der Königin aller Götter, der überlegen starken,
    deren Geheiß in den Tempeln der Welt Gewicht hat."


    Der Gallus hielt inne, wog sich in der Melodie, dann setzte er zur Klage um Attis an.


    "Um den Fernen erhebe ich Klage,
    diese Klage ist die Klage um den Geliebten unserer Herrin,
    klagend geht mein Herz nach dem Orte,
    nach der Unterwelt, dem Aufenthaltsort des Hirten,
    nach dem Ort, an dem der Jüngling gefesselt ist,
    klagend geht mein Herz!"


    Alle stimmten ein, man sang gemeinsam die Klage um Attis.


    Das Fest nahm seinen Lauf. Jeder spielte ein Instrument. Zur aufpeitschenden Musik von Flöten, Tamburinen, Rasseln, Cymbala und dem Tympanon drehten sich die Mysten immer schneller im Tanz. Alles schien sich auf den einen großen Höhepunkt hin zu steigern. Die Priester teilten die Petischen aus, an deren Schnüre man scharfe Knochensplitter gebunden hatte. Manche der Teilnehmer hatten sich kleine Messer mitgebracht, mit deren Hilfe sie sich an den Armen Wunden beibrachten und das Blut fließen ließen.


    Auch Phryne hatte sich in Ekstase getanzt, sie drehte sich berauscht im Kreis, griff nach der Peitsche und ließ sie auf ihren sonst doch so gepflegten Körper niedersausen. Rotes Blut verfärbte ihr buntes Gewand. Der Schmerz machte sie nur noch wilder, sie drehte sich noch schneller. Die Zurufe und das Klatschen der Kultgenossen trieben sie zu immer weiteren ekstatischen Darbietungen.


    Plötzlich setzte die Musik aus. Erschöpft blieb Phryne stehen. Die sich um sie drehende Welt kam nur langsam zur Ruhe. Farben verschmolzen mit Klängen. Ein fordernder, treibender Rhythmus des Tympanon gab ihr einen Takt vor. Alles war bereit für ihr Opfer. Der Opferpriester plazierte den Hahn über dem Altar, ein anderer hielt die Kultschale, in der das Blut aufgefangen werden sollte. Mit einem auffordernden Blick rief der Gallus Phryne zum Opfer. Er reichte ihr das Opfermesser. Der Rhythmus der Tympana steigerte sich, Phryne trat vor.


    Magna Mater, du Stütze der Versammlung, erhöre mein Gebet.
    Stolze Königin der Götter, Höchste under dem Himmel.
    Du lässt die Himmel erzittern und die Erde erbeben!
    Für dich, Kybele soteria, opfere ich.
    Nimm mein Opfer gnädig an und gewähre mir die Gnade
    in deine Kultgemeinschaft aufgenommen zu werden,
    gewähre mit die Gunst des ewigen Lebens - der vita aeterna!


    Mit einer Sicherheit, die sie selbst sich am allerwenigsten zugetraut hätte, schnitt sie dem Hahn die Kehle durch und ließ sich auch durch sein Gezappel und Flügelschlagen nicht irritieren. Mit nach rechts gewandtem Blick hielt Phryne ihn über das Kultgefäß und sah zufrieden zu, wie sich sein Blut in der Schale sammelte.
    Der Opferschlächter nahm ihr das tote Tier ab. Phryne hingegen goss einen Teil des Blutes über den Altar und die Statue der Göttin, den anderen Teil hielt sie über ihren Kopf und schloss die Augen während die warme Flüssigkeit sich in ihrem Haar und auf ihrem Körper verteilte. Bei den verbliebenen Resten konnten sich die Kultgenossen bedienen.


    Das Lächeln des Gallus verriet Zufriedenheit. Die Musik setzte wieder ein. Phryne begann sich erneut in wilder Ekstase im Kreis zu drehen, sie wirbelte und tanzte...

    Zitat

    „Erst Fürstin der Nacht und nun eine Nereide. Wo bin ich? Ich wähnte mich im trüben Germanien und nun bin ich in den Fluten und ein Meerwesen hat mich errettet.“ Begrüßte er sie überschwänglich küsste sie aber nicht.
    „Oh nein. Wer bin ich das die Gaben deines Vaters verschmähe.“
    „Doch verrate mir schönste aller Retterinen. Wie ist dein Name?“ Griff er den Faden auf und spielte mit. Denn Nereus hatte 50 Töchter.


    Phryne bemerkte wohl, dass Antoninus sie nicht zur Begrüßung küsste. Nun, er schien erobert werden zu wollen. Sie ließ sich auf dieses Spiel ein und reichte ihm einen der Becher mit dem syrischen Weinchen. Ein altes Lied auf den Lippen tanzte sie in geschmeidigen Bewegungen zwischen den Klinen hindurch.


    die stattlichen Töchter des segenreichen Nereus ...
    Von ihren glänzenden Leibern
    erstrahlte es wie Feuersglut,
    um ihre fliegenden Haare wanden
    sich goldendurchflochtene Bänder,
    und heiter ergötzten sie sich am Reigentanz
    auf ihren regsamen Füßen.
    Auch seines Vaters teure Gemahlin
    erblickte er, die achtunggebietende,
    großäugige Amphitrite,in ihrem lockenden Palast.
    Sie warf ihm einen purpurnen Mantel über
    und legte um sein dichtes Haar
    ihm eine tadellos geflochtene Kette,
    eng durchwunden von Rosen;
    einst hatte ihr, bei der Hochzeit,
    die listige Aphrodite das Stück geschenkt.


    Phryne vollendete den Reigen und griff sich den zweiten Becher. Lachend prostete sie Antoninus zu.


    Höchster der Götter, Herr des Meeres,
    bewaffnet mit goldenem Dreizack, Poseidon,
    Träger der Erde auf schwangerer Salzflut!


    Trinkst du mit mir?


    Dabei näherte sie sich seinem Gesicht bis auf wenige Handbreit.

    Mit sichtlichem Bedauern akzeptierte Phryne Marcellus Entscheidung die Nacht lieber im Hause seines Onkels zu verbringen. Natürlich konnte sie den Wunsch verstehen, doch hoffte sie sehr, den verletzten Petronier bald wiederzusehen.


    Sie strich ihm also ein letztes Mal über das dunkle Haar. Mit der Hilfe der Begleiter des Pontifex Petronius Crispus schafften sie es schließlich Marcellus mehr oder weniger auf seine eigenen Beine zu stellen. Er war immer noch in einem bemitleidenswerten Zustand.


    Lass mich wissen, wenn es dir wieder besser geht, bat Phryne mit ehrlicher Anteilnahme. Sie begleitete ihn und seinen Onkel mit ihren Begleitern bis zur Tür.

    Glaucus ließ den erwarteten Gast ein. Er reichte das Gastgeschenk an Korone weiter, die an diesem Abend die Bewirtung und musikalische Untermalung übernehmen würde. Die Sklavin goss das edle Tröpfchen in eine schöne Karaffe um. Sie lud diese auf ein Tablett, auf dem schon ein Wasserkrug und zwei silberne mit mythologischen Szenen versehene Becher standen.
    Folge mir, bitte, sagte sie und ging dem Iulier voran zum Triclinium des Hauses.


    In ein nahezu durchsichtiges, blaugrünes und fließendes Gewand gekleidet erwartete Phryne ihren Gast. Sie trug das Haar offen, grüne Bänder, wie Seetang, waren in die Strähnen geflochten. An Phrynes Ohren baumelten große Perlenohrringe und auch den Hals schmückte eine einzelne, tropfenförmige Perle.


    Korone stellte das Tablett ab.
    Der Wein, Domina, ist das Geschenk deine Gastes.


    Phryne lächelte.
    Herzlich willkommen, Antoninus, und besten Dank!


    Nachdem Korone dem Gast ein Wasserbecken mit darin schwimmenden Rosenblüten zum Händewaschen gereicht hatte, bot Phryne ihrem Gast einen Platz auf der zentralen Kline an.
    Auf dem Tischchen vor den drei Klinen standen bereits die Platten mit den lukullischen Genüssen.


    Nimm Platz, mein Lieber. Ich hoffe sehr, dass du die Köstlichkeiten aus Neptuns Garten leiden magst. Falls nicht, kann unsere Küche jeden deiner Wünsche erfüllen. Lass es mich nur wissen. Wie ich dir bereits angedeutet habe, wird unser Abend unter einem Motto stehen. Ich hoffe, du erlaubst mir ein kleines Spiel...nachdem wir uns gestärkt haben...


    Nun wartete sie, dass er Platz nahm und Korone sie beide mit dem ersten Becher gemischten Weines versorgte.

    Nach einer Woche des "Brotfastens", das Phryne mehr oder weniger strickt eingehalten hatte, wurde das große Frühlingsfest endlich fortgeführt. Für das Fest des "Arbor intrat" war eine Kiefer gefällt worden, da es hier im kühlen Germanien natürlich keine Pinien gab, wie es das ursprüngliche Ritual vorsah. Die männlichen Kultgenossen hatten den Baum bis auf die Krone von Ästen befreit. Der gefällte Baum sollte an die Entmannung und den Tod des Attis erinnern.


    Phryne und die anderen Frauen der Kultgemeinde machten sich nun daran den Stamm mit bunten Wollbinden zu schmücken. Ein Kranz aus Veilchen sollte sie Spitze schmücken. Unter Gebeten und Gesängen, begleitet von Cymbala und Tympanon, richteten die Festteilnehmer schließlich den Baum auf. Begeistert betrachtete Phryne dieses starke Symbol. Gegen Abend würden sie den Baum wieder umlegen und ihn schließlich sogar begraben - wie den Kultheros Attis. Für den kommenden Tag war ein Trauertag angesetzt mit Klageliedern und Fasten.

    Phryne lächelte, als Korone ihr die Muschel brachte. Sie versprach einen weiteren aufregenden Abend mit Antoninus.


    Korone, bitte besorge diverse Genüsse aus Poseidons Garten für das Gastmahl. Austern, Flusskrebse, Räucherfisch... was du bekommen kannst. Später dann brauche ich deine künstlerischen Hände, um mich in eine Nereide zu verwandeln. Außerdem brauche ich ein Fischernetz und einen Dreizack. Auf, auf, meine Liebe, an die Arbeit!


    Für ihren besonderen Gast hatte sich Phryne etwas Außergewöhnliches ausgedacht. Er würde staunen!

    Phryne ignorierte die leicht angsäuerte Miene des Aedituus. Er hatte offenbar die letzte Begegnung in ihrem Haus noch nicht ganz verdaut. Immerhin hatte er Manieren genug, um sich nichts anmerken zu lassen. Er stellte Phryne dem Oberhaupt der Duccier vor.


    Das freut mich aber, Procurator, dass wir uns auch endlich mal über den Weg laufen. Bislang hatte ich leider nur das Vergnügen deinen Vetter, den Pontifex Duccius Verus und seine erfrischend geradlinige Tochter Duccia Silvana kennenzulernen. Ich freue mich zu hören, dass es dem Nachwuchs gut geht. Es geht doch nichts über eine gesunde Familie. Deine Gattin wird vermutlich noch sehr angestrengt sein. Die ersten Monate mit einem Säugling sollen sehr kräfteraubend sein. Es wird aber doch sicher nicht bei dem einen Kind bleiben, oder? Sicher willst du noch einen Stammhalter, nicht wahr?


    Mit ehrlicher Neugier wartete Phryne auf die Antwort des Ducciers.

    Zitat

    Original von Duccius Marsus: Und dann reihte sich schon die nächste Person ein, die es offenbar nicht erwarten konnte mit Curio zu sprechen. Witjon sah sie kurz an, lächelte schmal und wartete einfach die Reaktion des Helvetiers ab.


    Phryne erwiderte das Lächeln offen und herzlich. Sie trat einen Schritt näher.


    Auf keinen Fall möchte ich eure Konversation stören, werte Herren. Ich hätte später nur eine klitzekleine Frage an den Wahlkämpfer. Aedituus Helvetius Curio, würdest du mir den Gefallen tun, mich deinem Gesprächspartner vorzustellen?


    Sie wartete darauf, dass er ebendies tun würde.