Phryne musste feststellen, dass die Bräuche in der Provinz sich doch von denen in Rom unterschieden. Hähne wurde sicher auch im Tempel in Rom geopfert, aber nicht zu den großen Feierlichkeiten. Doch sie nickte verständinisvoll, als sie von der Germanin korrigiert wurde. Nun fühlten sich alle anderen Mitglieder des Kultvereins anscheinend angespornt, Phryne mit ihren Fragen zu überschütten. Sie musste achtgeben, dass sie nichts überhörte und auf alle Fragen antwortete.
Zitat
"Was ist der Dies Sanguis?"
"Was verbirgt sich im Kernos?"
"Wer ist Attis?"
Phryne begann die Fragen der Reihe nach zu beantworten.
Nun, der Dies Sanguis ist einer der wichtigsten Termine im Ablauf der Hilaria. Es ist der Tag des Blutes, der göttlichen Ekstase, in der die Mysten versuchen, sich in den Zustand der göttlichen Entrückung zu bringen, der den göttlichen Attis dazu brachte, seiner geliebten Göttin Kybele das größte Opfer zu bringen, zu dem er fähig war. Er wird mit ekstatischen Tänzen und Geisselungen gefeiert. Die Mysten bringen sich selbst blutige Wunden bei und opfern dieses Blut am Altar der Göttin. Natürlich ist auch das Opferblut von TIeren dabei. Römischen Bürgern ist selbstverständlich der letzte Schritt, die Entmannung, verboten. Sie steht nur Nichtrömern zu.
Sie wandte sich einer Frau zu, die die zweite Frage gestellt hatte.
Im Kernos werden die "vitres", die Geschlechtsorgane des Opferstiers aufbewahrt. Dieses Gefäß wird in der feierlichen Prozession während der Hilaria vorangetragen. Und jeder, der Aufnahme in den Kult der Großen Mutter beantragt, muss ihn einmal getragen haben.
Damit war sich Phryne sehr sicher, denn sie hatte den Kernos bei der Prozession in Rom auch getragen, bevor sie die rituelle Aufnahme erleben durfte. Noch immer war sie bewegt, wenn sie an die Gefühle dachte, die sie überflutet hatten, als sie in die Geheimnisse der Mysterien eingeweiht worden war. Sie musste sich zwingen, auch die letzte Frage korrekt zu beantworten.
Attis ist der Geliebte der phrygischen Göttin. Es gibt verschiedene Mythen über seine Herkunft. Sicher aber ist, dass die Göttin ihn vermutlich aus Eifersucht mit Wahnsinn schlug, infolge dessen er sich selbst entmannte. Heute verehren wir ihn als Gott und streben danach wie er das Mysterium aus Tod und Verwandlung zu erleben.
Aus Ehrfurcht vor jenen, die das Mysterium des Attis am eigenen Leib erfahren haben, nennen wir den obersten Priester des Kultes Attis.
Ihre Augen strahlten, als sie die zentrale Botschaft des Kultes aussprach.