Beiträge von Nero Germanicus Ferox

    "Mit Antias werde ich nie wieder unterwegs sein. Die Götter rufen nur die Besten zu sich."


    Ein kläglicher Versuch, das Thema weniger emotional zu gestalten, aber er wollte Frugi nicht die Hucke volljammern. Wenn er an seinen Bruder dachte, kamen ihm immer noch die Tränen, aber das musste in der Öffentlichkeit nicht sein. Ferox´ Blick wanderte über die Teller und Schüsseln der wenigen Gäste.


    "Ich brauche was Süßes ... Puls mit Früchten und Honig!"


    In seiner Zeit der Gefangenschaft hatte er abartigen Hunger leiden müssen und am unerträglichsten war der Heißhunger auf etwas Süßes gewesen. Damit wollte er sich nun den Wanst vollschlagen. Er war auf dem Weg der Besserung und würde das Valetudinarium hoffentlich bald verlassen können. Nachdem sie ihr Essen erhalten hatten, suchten sie sich ein lauschiges Plätzchen in der Nähe einer Feuerschale.


    "Du bist ziemlich dürr", tadelte Ferox, der üppige Hausmannskost gewohnt war. Seine Mutter war eine kräftige Frau gewesen, die stets dafür sorgte, dass Mann und Sohn ordentlich speisten, wenn sie daheim waren. Momentan war er selber noch recht knochig, doch er hatte nicht vor, es zu bleiben. Er hatte Glück, dass die Puls heiß war, sonst hätte er sie viel zu gierig heruntergeschlungen. Erst nach einigen Löffeln sprach er weiter.


    "Tirones dürfen die Castra ja eigentlich nicht verlassen ... ich hatte es trotzdem getan. Mir war nicht so gut und ich wollte nicht die Capsarii belästigen wegen ein bisschen Husten. Drum bin ich in die Stadt, um einen Medicus zu suchen. Außerdem hatte Antias einen Kameraden, der hatte Probleme, ich wollte in Erfahrung bringen, ob man dem nicht helfen kann."


    Andere stahlen sich davon, um die Tabernae oder Lupanare unsicher zu machen, Ferox verließ das Lager, um Kräuter zu kaufen. Er überlegte, wie der standhafte Kamerad gehießen hatte ... Fimbria war es nicht gewesen. Fimbria war der Große.


    "Unterwegs wurde ich niedergeknüppelt und dann verbrachte ich die nächste Zeit in einem Kellerloch."

    Ferox, seit jeher etwas näher am Wasser gebaut als der Durchschnitts-Urbaner, lächelte, um seine Bestürzung zu überspielen. Cappadocia! Das war doch der letzte Winkel des Imperiums! Dort redeten die Leute Griechisch, bauten komische Türme und niemand verstand sie. Zumindest Ferox war beim Griechischunterricht immer der Schlechteste gewesen. An diesen merkwürdigen Ort sollte einer von ihnen nun versetzt werden. Ein Urbaner, nach Cappadocia.


    "Na, dann wünsche ich dir viel Erfolg und viel Glück!"


    Gerade hatte Ferox das Gefühl, dass sein Leben von Abschieden gezeichnet war. Auch wenn dieser ein guter Abschied war, denn der Optio hatte freiwillig um die Versetzung ersucht, weil irgendetwas ihn in die Ferne rief. Jeder wusste, dass man Wanderer nicht aufhalten durfte.


    "Und eine gute Reise. Von Herzen. Wenn du eines Tages wiederkehrst, dann bitte gesund."


    Nachdem sie sich verabschiedet hatten, legte Ferox sich wieder ins Bett.


    Sim-Off:

    Da du schon in Cappa bist, beende ich das hier mal. Ferox hat sich gefreut, dass Cerretanus sich persönlich verabschiedet hat. :)

    Stimmt, er war nicht im Dienst, er war ja momentan nicht einmal tauglich. Etwas beschämt gab Ferox seine Haltung auf.


    "Du wirst mich nicht ausbilden?", fragte er bekümmert.


    Er hatte Frugi und Pupillus zum Stand der Dinge gelöchert. Cerretanus galt als umgänglicher Optio mit einem Hang zu Überraschungen. So war Ferox von einer Übung berichtet worden, bei der die Milites mit Möbeln bombardiert worden waren - wie gern wäre er dabei gewesen, genau wie bei der Parcousübung im Stockfinsteren. Das Nützliche mit ein wenig Spaß zu verbinden war eine Kunst, die Cerretanus beherrschte.


    "Und wer wird jetzt neuer Optio? Wohin gehst du überhaupt?"


    Es gab viele Gründe, die CU zu verlassen, von Verletzungen bis hin zu Heiratswünschen war alles dabei. Ferox ging all das nichts an, aber Fragen tat er trotzdem.

    In der Tat war Ferox auf dem Weg der Besserung, wozu nicht nur die Pflege und das gute Essen, sondern auch die Bemühungen von Frugi beitrugen, der ihm mit seinen Besuchen die schwere Zeit der Trauer um seinen Bruder leichter machte. Ferox war niemand, der gern in Schwermut brütete und gab sein Bestes, um zur eigenen Genesung beizutragen, indem er artig alle Anweisungen der Capsarii befolgte, gut aß und kleine Spaziergänge in der Castra unternahm. Er hoffte, bald wieder für diensttauglich erklärt zu werden. Auch wenn die erste Zeit in seinem Zustand hart werden würde, so würde ihm ein geregelter Alltag helfen, wieder seinen Platz im Leben zu finden.


    So traf Cerretanus ihn in seinem Zimmer, wie er gerade ein paar einfache Leibesübungen absolvierte. Als der Optio eintrat, erhob Ferox sich vom Boden und salutierte. Nur das Strammstehen wirkte etwas mau.


    "Salve, Optio! Mir geht es gut!"

    Der mitleidige Blick sorgte dafür, dass Ferox sich ein wenig unwohl fühlte, weil das hieß, dass er so erbärmlich anzusehen war, wie er sich fühlte. Sonst hatte er mit seinem Gewicht eher in die andere Richtung zu kämpfen. Vermutlich bedeutete das aber auch, dass er bald wieder die alte Wuchtbrumme war. Eine Einladung zum Essen kam ihm mehr als Recht, besonders mit seinem alten Kameraden zur Gesellschaft.


    "Dazu sag ich nicht Nein! Was haben sie heute im Angebot?"


    Guter Dinge begleitete er Frugi nach draußen. Zwar im Schneckentempo, aber auf seinen eigenen Beinen und ohne Krücke.

    Ferox war in der Tat ins Träumen geraten, was an seinem gesundheitlichen Zustand lag. "Da lang", rief er dem Mann noch nach und zeigte in die entsprechende Richtung, doch vermutlich hatte der ihn nicht mehr gehört. Auch Fango stand sich schon eine Weile die Beine in den Bauch. Vielleicht war der Zeitpunkt verschoben worden oder er hatte schief gelesen? Da ihm seine Wartezeit angemessen erschien und sich partout nichts gerührt hatte - es waren außer dem Fragesteller keine Kameraden eingetroffen - verließ er den Exerzierplatz wieder, um sich zu erkundigen, wann und wo er sich denn nun tatsächlich einzufinden hatte.

    Ferox lächelte gequält.


    "Ich bin der wandelnde Grund dafür, warum Tirones keinen Ausgang bekommen sollten. Ich wurde bei einem Ausflug entführt und habe die letzte Zeit in einem Keller verbracht. Meine Entführer wollten irgendwen mit mir freipressen, haben es sich dann aber anders überlegt und mich aufgespart. Irgendwas ist jedoch geschehen, vielleicht einer der Bandenkämpfe, der alles durcheinander gebracht hat, sodass ich abhauen konnte. Warte, ich gebe kurz Bescheid."


    Er stakste zu einem Capsarius, meldete sich für einen Spaziergang ab und kehrte zu Frugi zurück.


    "Wir können. Inzwischen bin ich ja wieder halbwegs vorzeigbar." Zwar kränkelnd, aber gepflegt, sodass er sich nicht mehr zu schämen brauchte.

    Ferox hörte, wie jemand seinen rief. Die Stimme kam ihm vertraut vor. Ein wenig Vertrautheit hatte er nie so sehr gebraucht wie jetzt.


    "Hier", antwortete er heiser.


    Er war gut gepäppelt worden, aber sein Hals fühlte sich noch kratzig an. In seiner Schlaftunika und mit klappernden Holzschlappen an den Füßen schlurfte er auf den Gang. Ferox starrte den Mann an, den er dort sah und sofort erkannte. Das war Frugi! Der kleine Frugi! Dabei wirkte er gar nicht mehr so klein, wie er ihn im Gedächtnis hatte. Überglücklich ging Ferox zu ihm und drückte ihn herzlich an sich. Dass Frugi inzwischen Optio war, war noch nicht zu ihm durchgesickert. Er war einfach froh, seinen Stubenkameraden nach so langer Zeit gesund und munter wiederzutreffen.


    "Frugi, du alte Socke, wie geht´s? Jetzt wird alles gut."

    Der Tribun und Ferox führten einen unfreiwilligen Wettstreit aus, wer von beiden abgemagerter aussah. Beide hatten zweifelsohne eine harte Zeit durchlebt, wobei im Falle des Petronius Crispus niemand je erfahren hatte, was geschehen war. Ob Krankheit oder Sorge an ihm gezehrt hatten - wer vermochte das zu sagen? Doch der Tribun war wieder hier, um seinen Dienst aufzunehmen, so wie Ferox. Beide hatten eine zweite Chance erhalten und standen hier, um sie zu nutzen.


    Frugi hatte er noch nirgends entdeckt, doch er musste irgendwo sein. Auch Pupillus befand sich unter den Anwesenden. Der untersetzte Kamerad mit dem roten Gesicht und den fiesen Augen stand neben ihm, ein merkwürdiges Gefühl der Nostalgie verströmend. Pupillus zeigte sich unfähig, Freude über die Rückkehr von Ferox zu zeigen, doch dass er sich neben ihn gestellt hatte, war wohl seine Art, ihn willkommen zu heißen und auch, ihm Halt zu geben, denn der gewaltsame Tod von Antias saß Ferox noch immer in den Knochen. Der sonst gutmütige Ferox verspürte das erste Mal in seinem Leben Hass und den Wunsch, einen Menschen - den Mörder - dem gerechten Urteil zuzuführen, ganz gleich, wie hart es ausfallen würde. Und falls das nicht möglich sein sollte, weil niemand den Namen oder das Gesicht des Täters kannte, so stand Ferox dennoch hier, um andere davor zu bewahren, dass ihnen das Gleiche widerfuhr: sein letztes Geschenk an Antias. Ferox würde das gerechte Werk fortsetzen und jede Handlung dem Namen seines Bruders widmen. Dieses Ziel gab ihm mehr Kraft als alles andere, der Schwäche seines malträtierten Körpers trotzdend.


    In diesem feierlichen Augenblick war nur eine Blickrichtung denkbar - nach vorn.

    Wie mittels Aushang befohlen, traf Ferox am Exerzierplatz ein. Inzwischen war er gebadet, rasiert und hatte sich neue Kleidung organisiert. Die neuen Caligae rieben und drückten, aber das war normal und das kleinste Übel. Schwieriger war, dass Ferox in seinem abgemagerten Zustand kaum in der Lage war, seine Rüstung zu tragen oder den Schild anzuheben, so dass er ein jämmerliches Bild abgab. Tiefe Furchen unter seinen Augen verrieten, dass er kaum geschlafen hatte. Wie auch, wenn er die Botschaft vom Tod seines Bruders zu verwinden hatte? Aber er war Soldat und funktionierte, so gut er das in seinem Zustand vermochte, darauf bedacht, nicht unter seiner doppelten Last - die des Körpers und seiner Seele - zusammenzubrechen.

    Nachdem Ferox sich ausgeheult hatte, ließ er sich dazu überreden, etwas Wasser zu sich zu nehmen. Die Trauer wurde darob nicht geringer, doch sie wich einem düsteren Schweigen. Nach einer Weile wurden seine Lider schwer. Im Bechermusste irgendein Mittelchen sein, er spürte, wie sein Herzschlag sich beruhigte und ein starkes Hungergefühl sich einstellte. Den dargereichten, dünnflüssigen Brei schlang er gierig herunter und fragte nach mehr. Jedoch kam er nicht mehr dazu, herauszufinden, ob die Bitte ihm gewährt wurde - der Trunk vollzog seine Wirkung bis zum Ende, der Kopf sank Ferox in das Kissen und er schlief für lange Zeit, ohne von Alpträumen oder plötzlichem Erwachen geplagt zu werden. Den Schlaf hatte er bitter nötig.

    Fassungslos starrte Ferox den Soldaten an. Seine vertrockneten Lippen bewegten sich, als er den Namen seines Bruders lautlos wiederholte, von dem er nun erfahren hatte dass er verstorben war. Gerade hatte er gedacht, ihm sei ein neues Leben geschenkt worden, nun fühlte er sich von den Göttern betrogen. Ferox fing hemmungslos an zu weinen. Er stand da, mit zuckenden Schultern, und die Tränen liefen durch seinen Bart.


    "Aber ... wie?", schluchzte er. "Wieso?!"

    "Es muss irgendwelche Unterlagen über mich geben ... damals, bei der Rekrutierung, da wurde eine Tabula im Valetudinarium für mich angelegt. Es wurde darauf auch festgehalten, dass ich nicht lesen und schreiben kann."


    Andere Einheiten hatten ein Signaculum, eine Art Hundemarke, und er wünschte sich, er hätte auch eins erhalten.


    "Mein Bruder Antias dient hier. Titus Germanicus Antias! Er kann meine Identität bestätigen. Falls er mich in dem Zustand noch erkennt."


    Wie lange war er fort gewesen? Vier Jahre? Fünf, sechs? Ferox hatte jegliches Zeitgefühl verloren, nicht aber sein Erinnerungsvermögen. Er konnte sich an jeden verdammten Tag erinnern. Die Gedanken an seinen Bruder waren es gewesen, die ihn am Leben gehalten hatten.

    Eine zerlumpte Gestalt strebte auf die Porta Praetoria zu. Der Mann war noch jung, aber Haar und Bart lang und verfilzt, so dass er älter wirkte. Unter der dreckigen, einstmals roten Tunika ragten knorrige, haarige Beine hervor, die dennoch aufgrund ihrer hervortretenden Muskeln den Eindruck machten, als sei er sehr weit gelaufen in den letzten Monaten. Von seinen Caligae war kaum mehr übrig als Lederfetzen. Das Einzige, was noch intakt war, war sein klimpernder Lendenschurz.


    "Salve, Kamerad", krächzte er. "Ich wohne hier. Lasst ihr mich rein?"

    Pause!


    Das hörte sich gut an. Die Tirones bewegten sich auseinander, rempelten ein wenig, doch schneller als zuvor hatten sie es geschafft, wie befohlen eine Linie mit ausreichend Abstand zwischen den einzelnen Männern zu bilden. Und nun erfuhren sie auch, wofür dieser Abstand gut war. Die Augen glitzerten, als sie das erste Mal ihre Waffe ziehen durften!


    Es war grässlich umständlich, den Gladius mit der rechten Hand zu ziehen, wenn er auf der rechten Körperseite in der Scheide steckte. Man musste den Ellebogen stark anwinkeln und dann, wenn die Klinge befreit war, eine stoßende Bewegung nach vorn machen, um es in Position zu bringen. Das würde noch einige Übung benötigen. Die Klinge glitzerte verführerisch. Ferox neigte sie ganz langsam, so dass ein Sonnenstrahl vom Heft bis zur Spitze entlang glitt.


    Sein Gladius war wohl von seinem Vorgänger nicht lange benutzt worden ... das wiederum war gruselig. Ferox runzelte die Stirn und betrachtete sein Schwert. Neuware war es nicht, ein paar Scharten hatte es, aber viel weniger als die seiner Nebenmänner, wie Ferox mit einem verstohlenen Blick feststellte. Hoffentlich würde es kein Unglück bringen, das Schwert eines Gefallenen zu führen. Ferox zog die Stirn wieder glatt und beschloss, sich den feierlichen Moment dadurch nicht verderben zu lassen. Geister konnten besänftigt und verscheucht werden, wozu gab es haufenweise Rituale?


    Das Licht fuhr wie zur Bestätigung seiner Gedanken ein zweites Mal an der Klinge entlang. Natürlich war das nur eine unbewusste Handbewegung gewesen ... oder?