Die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit und Severus konnte - bis jetzt - noch nicht erkennen, worauf die Warnung des Iuliers beruhte, dass dessen Frau eigen sein sollte. Letztlich war doch jeder Mensch irgendwie eigen. Was er hier sah war lediglich eine Frau, die wusste, wie man sich durchsetzte, die offensichtlich ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, wie der Helvetier und die nun einen Posten hatte, dessen Möglichkeiten sie kannte. Und diese Frau hatte sich soeben bereit erklärt, Severus bei seinen Ambitionen zu unterstützen. Daher nickte er erstmal dankbar, als sie ihm ebenjene Unterstützung zusagte, hörte sich danach aber auch ihre beiden Karrierehinweise an. Der drehte sich um Loyalität, der zweite um seine zukünftige Lebensplanung. In Anbetracht der Tatsache, dass er sich darüber bereits Gedanken gemacht hatte, hatte er auch kein Problem, diese vorzustellen - auch wenn er sie noch nicht seinem Patron mitgeteilt hatte, der aber die aktuelle Angelegenheit ohnehin an seine Frau delegiert zu haben schien. Sei dir versichert, dass ich weiß, wem meine Loyalität zu gelten hat: Nach dem Kaiser was ja irgendwie eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit war und man in der Kanzlei ja die Interessen des Kaisers auch in bestimmten Grenzen lenken konnte natürlich meinem Patron, deinem Mann, und der Person, die mir dazu verholfen hat, die Anstellung zu bekommen, die ich haben will. Damit stand die Sergia auch sehr weit oben auf seiner zukünftigen Loyalitätsliste und da er nicht davon ausging, dass ihre Interessen und die Interessen ihres Mannes auseinandergingen, sah er da auch überhaupt keine Probleme.
Der zweite Punkt war bereits Teil einiger Überlegungen gewesen, die er hier skizzieren konnte. Was deinen zweiten Punkt angeht, kann ich sagen, dass ich nicht nur meine kurzfristige, sondern auch meine langfristige Zukunft in der kaiserlichen Kanzlei sehe. Nun weiß ich, dass die ritterliche Laufbahn keinen direkten Einstieg hier zulässt. Das sollte aber kein Problem darstellen, da ja bereits die zweite Stufe einen Procuratorenposten ermöglicht. Je nachdem, wo die Sergia ihre Zukunft sah, würde Severus ihr natürlich keine Konkurrenz machen, sie aber entweder beerben, wenn sie weiter aufsteigen sollte, oder den anderen Procuratorenposten als Leiter der Abteilung a cognitionibus anstreben. Daher möchte ich dir folgenden Gedankengang vorstellen, mit dem ich mir die Möglichkeit auf einen höheren Posten offenhalten möchte: Als Stadtschreiber habe ich bereits Erfahrungen in der Zivilverwaltung sammeln können, als Primicerius, egal in welcher Abteilung - da kommt es natürlich auch darauf an, welcher der beiden Posten am ehesten vakant fallen kann - werde ich Erfahrungen in der Kanzlei selber machen, fehlt also nur noch die Leitung einer militärischen Einheit. Ehrlich gesagt habe ich nur wenig Lust, die Hauptstadt zu verlassen. Aus den Augen, aus dem Sinn, heißt es ja bekanntlich, und das möchte ich mit allen Mitteln vermeiden. Daher halte ich den Posten als Tribunus Vigilium für eine wunderbare Möglichkeit, diese Erfahrung zu sammeln. Vorteil: Er blieb in Rom, konnte auch Erfahrung in der militärischen Verwaltung sammeln, ohne gleich irgendwo ins Feld (oder, Neptun bewahre, aufs Wasser) zu müssen und sich gleichzeitig im Gespräch halten, wenn er dem Prafectus oder dem Subpraefectus zur Hand ginge. Gut, er müsste sich im schlimmsten Fall mit unkultivierten, rüpelhaften Peregrini herumärgern, aber das war es ihm wert. Danach böte sich dann wieder ein Wechsel in die Kanzlei an. stellte er schließlich den weiteren Gang seiner Karriere klar. Saß er nämlich erstmal in der Kanzlei, würde man ihn so schnell nicht mehr aus seinem Officium herauskriegen, oder eben nur im Rahmen eines Wechsels in die nächst höhere ritterliche Karrierestufe in der Kanzlei.
In der Tat: Er hatte sich Gedanken gemacht. Er hatte ja auch genug Zeit dafür gehabt. Als die Sergia dann, offenbar unter einem Schmerz zusammenzuckte, runzelte der Helvetier die Stirn. Alles in Ordnung? Doch da machte sie schon eine beruhigende Geste.