Beiträge von Marcus Helvetius Severus

    Mit ernstem Gesichtsausdruck, aber höchst interessiert verfolgte Severus das Stück und insbesondere den Schlusschor, durch den nochmal die Bedachtsamkeit im Alltagsleben hervorgehoben wurde. Der Helvetier war aber nicht so nah am Wasser gebaut, wie seine plinische Begleiterin, doch hatte sich bei den letzten Szenen eine leichte Gänsehaut auf seinen Armen gebildet. Bei ihm hatte das Stück also ebenfalls nicht die vielzitierte Katharsis verfehlt, auch wenn er jetzt den Göttern nicht so nah stand. Allerdings bestätigte sich doch im großen und ganzen seine Meinung: Antigones Aufbegehren wurde ebenso gegeißelt wie das maßlose Verhalten Kreons grade in den letzten Bildern.


    Ja, schauspielerisch sehr gut und auch die Moral am Ende gefällt mir, muss ich sagen. Besonnenheit und rechtes Maß, ja sehr gut. kommentierte Severus mit einem zufriedenen Nicken das soeben beendete Spektakel. Hier hatte sich der flavische Konsul mit der Auswahl von Stück und Schauspieltruppe selbst übertroffen und hat sicherlich auch seine Werte hervorragend dagestellt.

    Noch ein paar Lockerungsübungen des Gesichts machte Severus, als er dann bereits als erster Redner aufgerufen wurde. Er atmete tief durch, wie es sein Rhetor ihm beigebracht hatte, trat mit selbstbewusstem Schritt auf die Rostra hinauf, blieb oben stehen und ließ seinen Blick über die versammelte Menge streifen. Natürlich erblickte er bekannte Gesicht, darunter dasjenige der Plinie, doch erwiderte er keine der freundlichen Begrüßungen. Sein Herzschlag verschnellerte sich, als er den Kaiser sah und die Kaiserei, und den Praefectus Praetorio und den Pontifex pro magistro... Sein Kopf schwirrte, doch gab es nun kein Zurück mehr. Erneut atmete tief durch und erhob die Stimme.
    Hört, ihr Quiriten! Ihr Männer und Frauen von Rechtschaffenheit, Pflichtbewusstsein und Anstand! Ihr habt die Umstände gehört, unter denen Orestes getan hat, was er getan hat, und Nein!
    Hier folgte bereits die erste stilistische Pause seines Vortrags.
    ich leugne nicht, dass Orestes seine Hand erhoben hat. Doch stelle ich die Frage: Ist diese Anklage gegen ihn überhaupt gerechtfertigt? Oder ist sie nicht vielmehr der klägliche Versuch, die schändlichen und frevlerischen Taten der Königsmörder Aigisthos und Klytaimnästra zu vertuschen?
    Mit drohender Handbewegung deutete er in die Richtung der Rostra wo der den Ankläger imaginierte, bevor er fortfuhr.
    Ja, anständige Römer, betrachten wir doch erstmal diese schändliche Tat genauer. Agamemnon, ein Mann wie ein Stier, stolz, stark, wagemutig, kam siegreich aus der ruhmreichen Belagerung aus Troja zurück. Ein starker Heerführer war er für seine Armee, die die Ehre des gesamten achäischen Volkes wiederherstellen sollte. Viele berühmte Männer seiner Zeit kämpften dort an seiner Seite und fielen im Kampf, doch die Götter -
    Mit einer Handbewegung nach oben unterstrich er diesen Punkt. Er selbst glaubte ja nicht so wirklich daran, aber hier ging es ja nicht darum, was er glaubte, sondern was rhetorisch erforderlich war und die Unterstützung der Götter war nunmal immer wichtig und daher besonders zu unterstreichen.
    - schienen ihre Hände über ihn zu halten, der im Sinne des höheren Gutes, nicht nur der Räson seines Staates, sondern der Räson eines ganzen Volkes wegen sogar seine eigene Tochter, seine geliebte Tochter Iphigenie opferte, damit die Ehre der Achäer wiedergewonnen werden konnte. Und es fiel ihm nicht leicht, ihr guten Quiriten, die ihr alle die familiären Bande kennt und pflegt, und da kann der Ankläger noch so viel zetern, rufen und kreischen, Agamemnon selbst hat nicht nur technokratisch seiner rituellen Pflicht genüge getan, sondern ein echtes, ein persönliches Opfer geleistet zum Wohl des achäischen Volkes, das er in einen Krieg zu führen hatte.
    Erneut fixierte Severus den imaginierten Ankläger, setzte dabei aber auch einen amüsierten Gesichtsausdruck auf und ließ einen ebenso spöttischen Unterton vernehmen.
    Dieser Mann kehrte nun heim. Über Jahre war er von seiner Familie getrennt und was erwartete ihn dort: Eine untreue Frau! Anstatt ihrem Mann auch während der Jahre des tapferen und mannhaften Kampfes in Treue verbunden zu sein, wie es die liebliche Penelope, die Ehefrau des großen Odysseus tat und noch einige Jahr hatte tun müssen, hat sie sich bereits in ihrer moralischen Verschlagenheit und lediglich getrieben durch ihre niedrigen, rein fleischlichen Gelüste einen neuen Liebhaber, den verräterischen Aigisthos, genommen und mit diesem plante sie nun die Ermordung des Agamemnon, dem siegreichen Feldherrn und mannhaften Kämpfers. Aber natürlich stellten sie sich diesem nicht direkt, denn sie wussten, dass sie einem so siegreichen, starken und ehrenhaften Mann nicht nur in Kampfeskraft, sondern auch in der Bewunderung des Volkes unterlegen wären. Nein, das taten sie nicht, sondern sie töteten ihn hinterrücks während eines Bades, wie der Stier am Futtertroge, der nichts Böses von seiner Umgebung erwartet wird er hinterhältig gemeuchelt.
    Eine weitere Pause folgte. Ja, Severus wollte, dass das Wort "gemeuchelt" sackte, dass es sich in die Köpfe der Zuhörer einschlich und dort die Grundlage für den ersten Ansatzpunkt seiner folgenden Argumentation zu bereiten.
    Und nun tritt mein Klient, der bedauernswerte Orestes, auf in dieser Tragödie, aber nicht als Täter, sondern als Opfer der blutrünstigen und herrschsüchtigen Hände der verdorbenen Klytaimnästras und ihres anmaßenden Bettgenossen Aigisthos. Mit dem versuchten Mord an ihrem Sohn demaskiert sich die Tat des Mörderpaares als das, was sie wirklich war: Nicht bloß die Rache wegen der Opferung Iphigenies, sondern der Wille die Macht im Staat an sich zu reißen, indem sie nicht nur den König, sondern auch seinen rechtmäßigen Erben, meinen Klienten Orestes, zu ermorden trachten, um alle rechtmäßigen Thronerben aus dem Weg zu räumen.
    Punkt Zwei seiner Argumentation war damit angesprochen und daher folgte eine weitere kurze Pause.
    Orestes hatte Glück, denn ebenso wie die Götter ihre Hände während des trojanischen Feldzuges über seinen Vater gehalten haben, so schienen sie nun ihn, den neuen, den rechtmäßigen König von Mykene zu schützen, indem sie ihm die Flucht vor dem Blutdurst seiner Mutter und ihres Bettgefährten ermöglichten.
    Erneut brachte Severus hier die Götter ins Spiel, denn damit stellte er Orestes nicht nur aus rechtlicher Sicht in die Nachfolger seines Vaters, sondern auch im Hinblick auf den Schutz der Götter. Nachdem des Tod des Vaters war dessen Schutz und
    die göttliche Unterstützung auf Orestes übergegangen.
    Einige Jahre später, nachdem er eine Erziehung genossen und selbst zu einem tapferen Mann herangewachsen ist, trifft Orestes nun seine Schwester Elektra. Sie hat nun ebenfalls erkannt, von welch verdorbenem Geist Klytaimnästra und deren Liebhaber sind und im Verständnis um das größere Wohl, das ihren Vater antrieb ruft sie ihren Bruder an, seine Pflicht zu erfüllen, seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron von Mykene einzunehmen und die Besatzer dieser großen Stadt ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Orestes zögert nicht. Mit einer List, die denen des großen Odysseus alle Ehre machen würde, schafft er es, Zugang zum Palast zu bekommen. Als er, als Herold verkleidet, von seinem eigenen Tod berichtet, ist die letzte Freveltat Klytaimnästra vollbracht: Nachdem sie bereits ihre Tochter, eine Knönigstochter aus dem glorreichen Haus der Atreiden, schon als Sklavin behandelt hatte, beweint sie nun nicht etwa den Tod ihres eigenen Sohns, sondern feiert ihn! Ja, ihr anständigen Quiriten, sie feiert den Tod ihres eigenen Sohnes! Orestes, bei dem nun alle Zweifel über die Motive Klytaimnästras beseitigt sind, spricht nun als einzig wahrer König Mykenes sein Urteil über die beiden Frevler! Zum Wohle des Staates und zur Rache für die Ermordung seines Vaters, dem rechtmäßigen König von Mykene, sind sie des Todes. Also tötet er beide mit seinen eigenen Händen und sorgt so dafür, dass die Gerechtigkeit in Mykene wiederhergestellt wird.
    Hier war nun der Kern seiner Verteidigungsrede und gleichzeitig dessen Höhepunkt erreicht. Die Stimme des Helvetiers blieb noch stark, auch wenn er langsam merkte, dass er das ständige laute Sprechen vor solch einer Menschenmenge nicht gewohnt war, sondern vor allem in seiner kleinen Schreibstube arbeitete. Er war daher auch einigermaßen erleichtert, dass sich die Rede langsam ihrem Ende näherte.
    An dieser Stelle, werte Iudices, und ehrenhafte Quiriten, lasst uns gemeinsam auf meine Ausgangsfragen schauen. Ist diese Klage gerechtfertigt? Ich bin überzeugt, dass sie es nicht ist. Orestes handelte pflichtbewusst, indem er den hinterhältigen Mord an seinem Vater, dem siegreichen Feldherrn Agamemnon, an denen rächte, die ihn begangen haben. Er handelte rechtschaffen, da er als rechtmäßiger Nachfolger seines Vaters, als König von Mykene, das Urteil über die beiden verdorbenen Verbrecher, Klytaimnestra, die durch den Mord an ihrem Ehemann, dem versuchten Mord an ihrem einzigen Sohn und der schändlichen Behandlung ihrer Tochter Elektra ihr Mutterrecht unwiederbringlich verloren hat, und ihr Bettgenossen, der schändliche, der verräterische, der anmaßende Aigisthos, sprach und nicht einmal zögerte, es auch mit seinen eigenen Händen zu vollziehen. Und schließlich handelte er anständig, denn im Gegensatz zu Klytaimnästra und ihrem Liebhaber tötete er nur diejenigen, die sich selbst eines Verbrechens schuldig gemacht haben. Andernfalls könnte der Kläger nämlich wohl kaum hier stehen und seine in allen Punkten unberechtigte Klage führen, gegen meinen Klienten Orestes. In der Tat scheint es ihm nämlich nur darum zu gehen, die schändlichen Verbrechen seines Vaters Aigisthos reinzuwaschen.
    Pflichtbewusstsein, Rechtschaffenheit, Anstand. Drei wichtige römische Tugenden, und Orestes ehrte sie alle.
    Ich rufe euch auf, werte Iudices, und ich rufe euch auf, ihr ehrenwerten Quiriten, unterstützt ihn nicht dabei, sondern stellt klar, wer die eigentlichen Täter, die eigentlichen Verbrecher in diesem Falle sind. Dies ist nicht der pflichtbewusste, rechtschaffene und anständige Orestes, sondern diejenigen, die er ihrer gerechten Strafe zugeführt hat!
    Punkt. Erneut musste Severus tief Luftholen, ließ seine Arme sinken und trat nun einen Schritte zurück. Er hatte es geschafft und er war ganz zufrieden damit. Ob er damit auch gewinnen konnte? Das wusste er nicht, aber er wusste, dass er den Namen der Helvetii mal wieder mit einem lauten Paukenschlag in den Mittelpunkt des städtischen Interesses gestellt hatte, wenn auch nur für die Zeit, in der er die Rede gehalten hatte.

    Natürlich war Severus anwesend, denn die Teilnahme an diesem Wettstreit sollte sein erster großer öffentlicher Auftritt werden. Wenn es gut liefe, würde er dadurch vielleicht auch einen großen Schritt nach vorne machen in seinem Vorhaben, eine Anstellung auf dem Palatin zu ergattern. So hatte er sich am Morgen in seine Toga gekleidet und war bereits recht früh auf dem Forum erschienen, hatte sein Einladungsschreiben vorgezeigt und befand sich nun hinter der Rostra, wo er auf seinen Auftritt wartete. Bislang hatte er noch keinen Ablaufplan bekommen, also wusste er auch nicht, wann er mit seiner Rede ander Reihe war. Daher war er auch so früh erschienen, um sich in jedem Fall ausreichend gut auf den Auftritt vorbereiten zu können.

    Zitat

    Original von Plinia Chrysogona
    Chrysogona lächelte wieder fein und enthielt sich eines weiteren Kommentars zu den Saturnalien. Heute war der Tag der Muse Melpomene. Sie wollte diesen Kulturgenuss würdigen. Und, siehe da, sie hatte sich nicht in dem jungen Helvetier getäuscht. Er kannte sich aus. Die Griechin nickte beifällig. Natürlich war die Antigone nur die logische Fortsetzung der Ödipussage und stand auch mit den "Sieben gegen Theben" in Zusammenhang.
    "Sehr richtig, Severus!", pflichtete sie ihm bei. "Oh, sieh da! Es geht los!"


    Die Schauspieler betraten die Bühne und Ismene und Antigone spielten die erste Szene. Chrysogona sah gebannt zu. Sie verehrte Antigone für ihre Entschlossenheit, dafür dass sie sich ohne Rücksicht auf die in Aussicht gestellte Frage für die Einhaltung der Begräbnisriten entschied. Ja, so musste es sein!
    Als beide Schauspielerinnen abtraten sah sie den Helvetier von der Seite an. Hatte er Verständnis für die charakterstarke Heldin oder war er Opportunist wie Ismene.


    Für Severus war die Konstellation etwas anders. Für ihn war Antigone eine junge Frau, die, durch ihre Unerfahrenheit angestachelt, eine geradezu pubertären Trotz vor sich hertrug, anstatt sich, wie es sich für eine Frau gehörte, darum bemühen, die staatliche Ordnung zu loben, zu verteidigen und mit all ihrer Kraft zu schützen. Entsprechend kritisch war sein Gesichtsausdruck während des Dialogs zwischen Antigone und ihrer Schwester.


    Es war wohl seinem Pragmatismus geschuldet, dass er eher auf Kreons Seite stand, wobei er auch dessen Handlungen nicht durchweg befürwortete, denn eigentlich hielt er es für die Schuld der beiden - recht eindimensional denkenden - Brüder, beide egoistisch und machthungrig und ganz anders als ihr rechtschaffener Vater und ihr demütiger Onkel, der die Herrschaft über Theben, wie doch im Oedipus zu lesen war, stets abgelehnt hatte, und erst jetzt, in der Antigone übernahm, weil sein Sohn sich für das Wohl des Staates selbst von den Mauern der Stadt niedergestürzt hatte. Daher waren sie wohl auch nun am Knackpunkt, der ganzen Geschichte angekommen, sodass der Helvetier jetzt, wo der Satz von Kreon fiel, leise schnaubte. Denn natürlich hätte er den im Volk verhassten Polyneikes begraben müssen, aber eben ohne jegliche Ehrerbietung, ohne Klageruf, ja ganz abseits des Familiengrabs irgendwo weit weg von der Stadt. Dann beginnt also nun die Tragödie. raunte er der Plinia daher zu, als die entscheidenden, ja, schicksalsträchtigen Worte Kreons verklungen waren.

    Severus war einigermaßen erleichtert, dass die Plinia ihm verzieh. Wäre ja auch noch schöner gewesen, wenn er sich noch vor dem Antritt seines neuen Amtes auf dem Palatin schon die erste Feindin gemacht hätte, weil er geglaubt hatte, dass sie eben eine Frau war, die an den Tagen des Saturn ebenfalls ein bisschen freizügiger sei, wie er selbst. Nun ja, so hatte man sich irren können. Allerdings ging sie hier ja sogar noch einen Schritt weiter, und stellte sich quasi in eine Reihe mit der jungfräulichen Athena bzw. Minerva. Nun, an den Tagen des Saturn sind die Sinne oft eher an der einfachen, denn der gelehrigen Freude interessiert, nicht wahr? fragte er, wobei ihm auffiel, dass sie wieder einmal den Kopf leicht schief gelegt hatte, so wie sie es offenbar häufig tat. Allerdings ging er darauf nicht ein, sondern beantwortete stattdessen lieber ihre Frage. Ja, das Stück ist mir bekannt. Wobei ich ja der Meinung bin, dass man es nur im Zusammenhang der gesamten Labdakidensage sehen muss. So lohnt sich zum Beispiel auch die Lektüre oder der Besuch des Oedipus des Sophokles oder der Sieben gegen Theben des Aischylos. Zusammen bieten sie sozusagen ein Gesamtbild, das zum Beispiel für das Verständnis der Antigone von Nutzen sein kann. Natürlich kam ihm hier die große Bibliothek seines Großvaters in Fregellanum zugute, der seinen Kindern und Enkelkindern stets den Zugang dazu ermöglich hatte. Severus hatte sich besonders für historische Texte interessiert, aber auch dramatische Texte übten eine gewisse Anziehung auf den jungen Severus aus. Heute allerdings hatte er keine Möglichkeit mehr, die Bibliothek des verstorbenen Großvaters aufzusuchen. Dessen Erben hatten große Teile der Bücher verkauft oder verschenkt... Was für eine Schande...

    Severus konnte sich nicht mehr an jedes Wort erinnern, das er der Plinia auf der Saturnalienfeier vor die Füße geworfen hatte und er wusste auch nicht mehr, dass es tatsächlich Zeichen gegeben hatte, die für die offenbar eher sittenstrenge Medica nur auf eine Art hatte verstanden werden können, nämlich in einem mehr als offensichtlichen Annäherungsversuch, den diese unter diesen Umständen - und vor allem deutlich nüchterner, als es der Helvetier gewesen war - nur hatte ablehnen können. Allzu sehr hatte sich Severus danach nicht mehr mit dieser uangenehmen Angelegenheit beschäftigt, doch nachdem sich seine Versetzung auf den Palatin nun endgültig in die Länge zog, hatte sich Severus entschieden, seinen gesellschaftlichen Fauxpas wieder gutmachen zu wollen und die Plinia zur heutigen Aufführung von Sophokles' Antigone ins Marcellustheater einzuladen. Zu seiner Überraschung hatte sie tatsächlich zugesagt und gemeinsam mit den übrigen Zuschauern nahmen die beiden nun ihre Plätze in den Zuschauerreihen ein.


    Ich möchte mich noch für mein Verhalten bei den Saturnalienfeierlichkeiten des decimischen Praefecten entschuldigen, Plinia. An dem Abend hat der Alkohol in jedem Fall mehr aus mir gesprochen, als mein Verstand, was allerdings sicherlich keine Begründung dafür sein kann. sagte Severus, als sie schließlich zwei gute freie Plätze gefunden hatten, die sie beide nebeneinander einnahmen.

    Man stelle sich einmal vor, Familien würden ihren Verwandten nicht mehr helfen, einen guten Start in die römische Gesellschaft hinzulegen: Rom wäre am Ende, aufgeknüpft von hemmungslosen Individualisten, die glaubten, sie könnten die Welt allein mit der ihr eigenen Körperkraft erobern. Dabei beruhte das ganze Staatssystem doch auf Kooperation bis zu einem gewissen Grade. Gut, irgendwann wankte jede Kooperation, zerbrach jedes Bündnis, aber die familiären Banden hielten nun schon seit hunderten von Jahren. Severus wollte da sicherlich keine Ausnahme sein. Das versteht sich von selbst, Cousin. Mach es dir hier für die eine Nacht so bequem wie du es brauchst und scheue dich nicht, auch von meinem Sklaven Gebrauch zu machen, wenn du etwas brauchst. Das ist das Mindeste, das ich für dich tun kann, bevor du deine Karriere im ehrenwerten Exercitus antrittst. sagte Severus gradezu feierlich, während sein Sklave nun damit begonnen hatte, den Tisch abzuräumen. Der Helvetier indes lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück. Familiäre Bande, ja, die musste er aufbauen, wenn es seine beiden Vettern schon nicht auf die Reihe bekamen. Gabs da nicht auch noch irgendwelche Helvetier bei den Barbaren im Norden? Da könnte man doch auch mal Kontakt zu aufnehmen...


    Sehr gut. Dann halten wir das so fest. So, ich muss jetzt noch ein paar Unterlagen durcharbeiten und werden dann auch zu Bett gehen. stellte Severus dann schließlich fest. Er hatte schon gesehen, dass mal wieder Post aus Fregellanum angekommen war, was hieß, dass er schon wieder irgendwelche Fragen beantworten und Bitten abschmettern musste, doch nochmal für ein paar Tage zurückzureisen. Diese Stümper...

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    Original von Plinia Chrysogona
    "Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich mich nicht mit Oberflächlichkeiten zufrieden geben kann. Ich muss tiefer schürfen, um zur Wurzel dessen vorzustoßen was die Ursache einer Störung oder einer Krankheit ist. Wie ich sehe überfordere ich dich damit aber heute. Falls du zu einem späteren Zeitpunkt, wenn weder Wein noch die aufreizenden Bewegungen einer Frau dein Hirn vernebelt haben, den Antrieb verspürst Gespräche zu führen, die zum wesentlichen Kern dessen führen was uns als Mensch ausmacht, sei es Mann oder Frau, dann würde ich mich freuen den einfachen Stadtschreiber wiederzusehen. Vale bene, Helvetius Severus."


    Mit diesen Worten ließ sie den Stadtschreiber stehen und strebte dem Ausgang zu. Diese Art von Feierlichkeit war eindeutig nicht die Zerstreuung, die sie suchte. Sie würde lieber wieder zu ihren Büchern und Studien zurückkehren.


    Bedauerlich. Sehr bedauerlich. Mehr dachte der Helvetier nicht, als die Plinia sich umdrehte und förmlich aus dem Haus hinausstürzte. Eigentlich sollte doch bekannt sein, was an den Tagen des Staturn bei Feierlichkeiten ablief und dass man dabei natürlich gerne diskutierte, dies aber mit Sicherheit nicht den Kern der jeweiligen Feierlichkeiten ausmachte. Gut, ein bisschen unglücklich hatte er sich vielleicht verhalten, als er der - seiner Meinung nach etwas prüden - Plinia zugezwinkert und damit womöglich etwas zu vertraulich ihr gegenüber aufgetreten war. Bei Zeiten würde er sich dafür vielleicht entschuldigen, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, schließlich arbeitete die Plinia bereits dort, wo er gerne hinwollte und es gäbe wohl nicht unangenehmeres als eine Gegnerin im direkten Dunstkreis des Kaisers, für den Severus ja lieber früher als später arbeiten wollte.


    Dennoch zuckte er nun erstmal mit den Schultern, denn heute wollte er niemandem nachtrauern, sondern viel mehr seinen Spaß haben, denn in ein paar Tagen würde ihn ohnehin wieder der Ernst des Lebens einholen. Genau als er so dachte, trat eine leicht bekleidete, ansehnlich Brünette an ihn heran, leise vor sich hinkichernd, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Severus lächelte ihr zu und flüsterte etwas zurück, worauf die junge Frau erneut kicherte und ihn in eines der vorbereiteten Separeés zog. Ja, das gefiel ihm heute Abend schon eher, dachte sich der Helvetier noch, bevor er durch die Tür verschwand und diese hinter sich verschloss.

    Severus bediente sich an dem letzten Stück Hühnchen und steckte sich auch noch eine Olive in den Mund, bevor er den letzten Rest des verdünnten Weins auf die Becher verteilte. Gut, dann bleibst du heute Nacht hier und kannst dir eine der Liegen hier aussuchen. Falls du noch etwas zu trinken möchtest, kannst du den Sklaven darum bitten oder dich in der Kammer gegenüber beim Wasserkessel bedienen. Eine Decke und ein Kissen bringe ich dir gleich von nebenan. Soviel zu der Nacht. Es würde ja nur eine bleiben und auch wenn die Klinen eigentlich nicht zum Schlafen gefertigt waren, sollten sie doch als Übergangsnachtlager für eine Nacht genügen. Natürlich konnte sich Scaeva in dieser Nacht hier wie zu Hause fühlen, bevor er sich dann morgen für die Urbanerkohorten melden würde. Dort ging es ja bekanntlich ein bisschen rauher zu. Da konnte er heute auch nochmal den Luxus des Alleineschlafens genießen, bevor er sich dann seinen Schlafraum mit einigen Kameraden würde teilen müssen.


    Morgen geht es bereits zur ersten Stunde des Tages los. Der Sklave wird dir eine Waschschüssel herbringen und danach machen wir uns direkt auf den Weg zum Forum. Ich werde dir dort die wichtigsten Läden und ein oder zwei gute Garküchen zeigen, wo du zur Mittagszeit eine Kleinigkeit essen kannst. Als Sadtschreiber begann sein Tag früh und endete spät. Ok, manchmal ein bisschen früher, denn er hatte auch die Möglichkeiten Termine am späten Nachmittag oder Abend wahrzunehmen, aber insgesamt war es auf dieser Ebene der Karriereleiter eben noch so, dass man sich die Tage nicht selbst einteilen konnte.

    Zitat

    Original von Plinia Chrysogona
    "Ich nehme an, an einem Abend der Saturnalien ist das Rätsel Helvetius Severus leicht gelöst, denn wenn ich deine Bemerkungen und den Blick auf die Tänzerinnen richtig deute, muss ich heute Abend nur das Rätsel "Mann" lösen - und da gehört nicht viel dazu. Ich hätte mich darauf gefreut ein tiefer liegendes Rätsel zu lösen. Und das wäre mit Sicherheit nicht so schnell und einfach gelöst. Doch gerade diese Herausforderungen finde ich anregend - nicht die "schnelle Lösung"! Denn die Suche nach der Lösung ist ja oft viel reizvoller als die Lösung selbst - findest du nicht?"


    Ein tieferliegendes Rätsel? fragte der Helvetius mit überraschtem Gesicht. Was sollte an ihm schon ein tieferliegendes Rätsel sein? Und was hatte sie bitte erwartet? Severus lehnte sich mit dem Rücken an eine der Säulen und blickte die Plinia nachdenklich an - na ja, so nachdenklich, wie es ein bereits gut mit Alkohol gefüllter Kopf konnte. Sofern du am heutigen Abend lieber ein solches haben möchtest, muss ich dich leider enttäuschen, denn mehr als mit dem Rätsel Mann kann ich dir im Moment leider nicht dienen. Viel mehr als ein bisschen Zerstreuung sollte der heutige Abend nicht werden und dann kam die Plinia und versuchte hier ein tiefenphilosophisches Problem aufs Tabelau zu bringen. Aber sag, Plinia, welches tieferliegende Rätsel mich betreffend würde dich denn interessieren? Und sei bitte nachsichtig mit einem einfachen Stadtschreiber, der grade nicht erst seinen ersten Schluck Wein getrunken hat. Warum er sich nicht einfach umdrehte, die plinische Philosophin philosophisch sein ließ und sich stattdessen ein Mädchen suchte, dass deutlich anspruchsloser war als die Medica, wusste er nicht. Auch warum er ihr nicht endlich ins Gesicht sagte, dass sie womöglich der Grund war, warum sein Wechsel auf den Palatin nun schon seit Wochen in einer indifferenten Schwebe hing. Nun gut, jetzt hatte er sich darauf eingelassen.

    Je länger man in Rom wohnte, desto schneller lernte man, was man hier bedurfte, um weiterzukommen und aufzusteigen: Beziehungen und Informationen. Natürlich wollte Severus seinen Cousin unterstützen, denn ein Helvetier bei den Urbanern würde dafür sorgen, dass beide Bereiche deutlichen Zuwachs bekämen. Urbaner hatten ja schließlich die gesamte innerstädtische Sicherheit unter sich und da gab es ja schon sehr viel an Informationen abzuschöpfen. Doch lag ihm zudem daran, den innerfamiliären Zusammenhalt zu stärken. Hier in Rom war der zuletzt eher weniger gut ausgeprägt und die Kontakte in den Norden, wo, wie Severus zu wissen glaubte, ebenfalls Familienmitglieder lebten, praktisch nicht vorhanden. Umso besser, wenn es in dieser Richtung wenigsten hier in der Stadt weiterging.


    So hörte sich der Helvetier die Pläne seines Cousins an, bevor er letztlich mit dem Kopf schüttelte. Wenn es nur um eine oder zwei Nächte geht, werde ich dir gerne eine der Klienen hier zum übernachten anbieten. Dann kannst du dir das Geld für ein Zimmer sparen. Schließlich war es ja grade in der Stadt so, dass die Wirte eher zu hohen Preisen für wenig Qualität neigten und wirklich qualitativ gute Zimmer für den Normalbürger gar nicht bezahlbar waren. Wenn es dem Verwandten also nichts ausmachte, zwei Nächte auf einer einfachen Kline zu verbringen, bot sich Severus hier auch gerne an. Solltest du dir dann morgen noch die Stadt anschauen wollen, können wir morgens zusammen zum Forum gehen. Da ich in einer der Basilika Iulia arbeite, muss ich sowieso dorthin. Vom Forum aus konnt sich Scaeva dann ein wenig herum orientieren, bevor er dann am Nachmittag entweder wieder hierher oder in die Castra gehen könnte.

    Ohne Frage hatte Severus ein Interesse daran, dass Cousin ihn auf dem Laufenden hielt. Wenn schon die anderen beiden Helvetier abseits der Stadt verharrten, musste doch irgendwer hier die Stellung halten und da Severus nunmal der letzte Verbliebene war, war damit auch seine Rolle definiert. Ganz im Gegenteil würde ich es sogar ausdrücklich begrüßen, wenn du mich über deine Fortschritte bei den Urbanern auf den Laufenden halten würdest. stellte er daher klar und bis erneut in sein Olivenölbrot. Und natürlich wirst du auch über Fortschritte bei mir informiert. fügte er daraufhin hinzu. Je nachdem, was Severus auf den Palatin berufen werden würde, könnte er ja auch für seinen Verwandten etwas rausschlagen, vielleicht ja sogar eine besser oder bequemere Einheit. Na ja, das müsste man dann sehen. Ansonsten bist du an deinen freien Tagen auch stets ein willkommener Gast in meinen vier Wänden. So, damit hatte er dann erstmal wohl mehr als deutlich gemacht, wie sich Severus das Verhältnis der beiden vorstellte: Ein ständiger Austausch und vor allem auch Unterstützung.


    Nun galt es aber erstmal, diesen ersten Abend herumzubringen und so goss er erstmal bei seinem Cousin nach. Aber nun stellt sich mir die Frage, was du heute noch brauchst? Hast du bereits ein Zimmer? Und wann willst du die Castra aufsuchen?

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    Original von Plinia Chrysogona


    Interessiert blickte Severus die Plinia an und auch das kurze Schmunzeln über das Amusement im Garten, an dem die dunkelhaare Freundin Borkans wohl beteiligt war, entging ihm nicht. Falls da aber wirklich etwas möglich sein sollte - wovon Severus aber sicherheitshalber nicht ausging - müsste er bei ihr anders vorgehen, als bei einem der Mädchen aus den Lupanaren. Vielleicht sollte er einfach mal die Fühler austrecken. An den Tagen des Saturnus geht es doch vor allem um Spaß und Vergnügen, nicht wahr, Plinia? Daher bin ich heute sprunghafter als sonst, denn ich möchte mich in diesen freien Tagen sozusagen komplett dem Saturnus verschreiben. Er zwinkerte ihr zu, blickte sich im Atrium um und trank dann einen Schluck. Er hatte gar nicht gesehen, ob sie auch etwas zu trinken hatte, denn wenn nicht, musste da ja schnell Abhilfe geschafft werden.


    Also, was suche ich: Zerstreuung. Damit kann natürlich alles gemeint sein, ein beiläufiges Gespräch, der anregende Tanz eines hübschen Mädchens oder auch einfach nur einige Momente, in denen ich meinen Geist ausschalten kann. fuhr er fort und blickte in die Gesellschaft und zu den Tänzerinnen. Ob ich allerdings ein Rätsel bin, nun ja, das muss wahrscheinlich jemand anderes entscheiden, denn sind Rätsel nicht nur dann Rätsel, wenn einer die Lösung kennt und ein anderer diese herauszufinden sucht? Erneut folgte ein Schluck aus seinem Becher, bevor sein Blick zurück zu Chrysogona wanderte. Wenn das mal nicht tiefsinnig gewesen war.

    Kaum hatte er damit begonnen, sich im Atrium nach einer Mädchen umzusehen, wurde er wieder mit Namen von der Seite angesprochen. Ein Dejavù, so kam es ihm vor, doch war es dieses Mal eine Frauenstimme, die ihn ansprach. Mit dem vollen Becher in der Hand wandte er sich um und sah das ihm nur allzu bekannte Gesicht von Plinia Chrysogona, der Leibärztin des Kaisers, von der er gewusst hatte, dass sie auch hier sein würde. Es war mittlerweile das dritte Mal, dass sie sich trafen - das erste Mal bei der Entbindung der Sergia, das zweite Mal im Kreis der Epikureer und nun hier - und das musste doch eigentlich gefeiert werden, nicht wahr? In der Tat, Plinia, in der Tat. Sie war zwar nicht die Art von Gesellschaft, die Severus grade bevorzugt hätte, zumindest schätzte er die Plinia nicht so ein, dass sie auf ein kurzes Vergnügen aus war, so wie er grade, aber der Abend war ja noch jung... auch wenn er langsam das Gefühl hatte, dass er immer älter wurde, ohne das er zum Zug käme. Kommst du grade aus dem Garten? fragte er daher, um ein Gespräch zu beginnen. Mal schauen, was daraus wurde.

    Severus hörte seine Cousin zu und nickte zustimmend. Allerdings gehörte zu jeder Anstellung auch ein gewisses Maß an Engagement, Arbeit und Anstrengung. Der Soldat befolgte Befehle, machte seine Übungen und lief Patrouille, der Schreiber saß in der Schreibstube oder wurde in Officia geschickt, wo er schrieb und Recherchen durchführen musste und die Senatoren machte ihre große Politik, mussten dafür aber auch viel Zeit und Engagement investieren. Ihr Großonkel Geminus war ja Senator gewesen und der musste auch immer dafür sorgen, dass er sich im Gespräch hielt. So hatte sicher jeder Arbeit seine Aufgaben zu tragen und wenn er es nicht tat, durfte er sich nicht wundern, wenn er dafür die Quittung erhielte. Ich bin ja der Ansicht, dass jemand der seine Aufgaben erfüllt auch aufteigen kann und aufsteigen sollte, wenn du daher deinen Dienst als Tiro, Soldat und Optio meisterst, ist doch die Beförderung zum Centurio absolut möglich. Natürlich würde sich die Familie auch darüber freuen, wenn wir mal wieder einen Centurio bei den Urbanern stellen könnten. sagte er daher und ja, wahrscheinlich machte er damit auch ein bisschen Druck, aber neben der inneren Einstellung und Bereitschaft zu arbeiten, war doch die zweite Säule auch eine gewisse Erwartungshaltung in der Umgebung, die einen zu Höchstleistung anspornen konnte.


    Dann folgte die Frage nach seinem Fortkommen, was den Helvetier dazu brachte, erstmal wieder einen Schluck zu trinken. Bei mir hakt es im Moment ein wenig, doch ich glaube, dass sich das recht schnell wieder aufheben wird. Mir wurde bereits eine Stellung als Primicerius in der kaiserlichen Kanzlei in Aussicht gestellt, doch dauert es wohl ein bisschen, bis die Kanzlei alle Voraussetzungen dafür geschaffen haben. freundlich ausgedrückt. Unter Umständen hatte sich das Thema ja auch schon damit erledigt, dass er ungewollt, in die Entbindung dieser Sergia einbezogen worden war...

    Kaum dass die Dunkelhaarige im Garten verschwunden war, hörte er auch schon die Stimme Borkans. Das soll sie also gewesen sein, diese Expertin auf ihrem Gebiet, die noch allen Männern den Kopf hatte verdrehen können? Bei ihrem guten Aussehen und dem ansehnlichen Körperbau - zumindest nach dem, was Severus da gesehen hatte - hatte er keinen Zweifel daran. Tatsächlich? Sehr, sehr schön. antwortete er grinsend auf die Feststellung Borkans prostete nun auch nochmal ihm zu und leerte dann seinen Becher erneut. Und deine Lösung ist natürlich auch richtig. folgte dann noch von ihm, zugegeben etwas unkonzentriert. Er hatte jetzt genug gerätselt, entschied er für sich, nickte den Umliegenden zu und erhob sich dann von seinem Platz. Wenn schon so viele leichte Mädchen da waren, würde sich sicherlich auch eine finden, mit der er sich ein bisschen vergnügen könnte. Diese Morrigan schien ja leider erstmal "belegt" zu sein. Aber hatte er nicht vorhin im Atrium noch eine andere dunkelhaarige Schönheit tanzen sehen? Und so verließ er den langsam wieder etwas zu stickig werdenden Raum und kehrte seinerseits zurück ins Atrium. Dabei war sein Becher, wie von Zauberhand, schon wieder von irgendem der goldbemalten Angestellten gefüllt worden. Umso besser.

    Severus runzelte die Stirn ein wenig. Ja sicher, letztlich interessierten in die Interessen der Oppia nicht wirklich, denn sie hatte. soweit er das wusste, keine nennenswerten Beziehungen in Rom, die ihm - und seinem Cousin - irgendwie in die Quere kommen konnten. Dennoch hatte Scaeva noch eine Mutter, die sich Sorgen um ihn machte. Severus hatte seine ja schon im Kindesalter verloren und vermisste es manchmal schon jemanden zu haben, der sich um ihn sorgt. Schnell schob er diese Gedanken aber beiseite. Er konnte sie nicht gebrauchen, denn Selbstmitleid hatte noch niemandem dabei geholfen, doe Karriereleite hinaufzusteigen. Ja richtig, sie ist eine Anhänger der großen Mutter... antwortete er vielsagend, quittierte es dann aber nur mit einem Schulterzucken. Er hatte noch nie etwas mit den Göttern anfangen können, schließlich hatten sie auch nicht dafür gesorgt, dass sein Vater, der sich immer um die ach so wichtige Pax Deorum bemüht hatte, und seine Mutter einem hinterhältigen Raubmörder zu Opfer gefallen waren. Soviel zu den Göttern.


    Aber in der Tat. Wir haben ja alle unsere Aufgaben in der Welt und wenn du deine im Exercitus siehst, solltest du das auch unbedingt verfolgen. führte der Helvetier danach recht allgemein bleibend aus. Er hatte keinen Grund ihm das hier auszureden, ganz im Gegenteil hatte er nur Vorteile davon, einen Verwandten bei den Urbanern sitzen zu haben, und das konnte ja nunmal nicht oft genug gesagt werden.


    Severus trangk einen Schluck, strich etwas Olivenöl auf eine Brotscheibe, biss dann herzhaft hinein und kaute nachdenlich darauf herum. Wie missglückte eine Amtszeit? Eine gute Frage und zugleich eine schwierige Frage, denn es war ja, auch wenn er unzufrieden mit der Amtszeit von Commodus gewesen war, doch auch nicht daran interessiert, eine Lästertirade über seinen Cousin loszulassen. Sagen wir mal so: Wenn man schon ins Einstiegsamt gewählt wird, wozu ja immerhin eine aktive Entscheidung zur Kandidatur vorausgesetzt ist, und den eigenen Anspruch hat, noch mindestens eine weitere Stufe aufzusteigen, um einen Sitz im Senat zu erhalten, sollte man während einer Amtszeit auch auf sich aufmerksam machen. Und genau das hatte Commodus verpasst. Severus wusste nicht genau, warum oder wo er die ganze Amtszeit gewesen war. Entscheidend war nur, dass er praktisch nicht in Erscheinung getreten war und das war entscheidend gewesen.

    Severus nickte zufrieden und prostete dem Decimer daraufhin erneut zu, während aus einer anderen ecke bereits eine ziegengleiche Stimme bereits das nächste Rätsel verkündete. Und auch eher zögerte nun nicht länger und verkündete seinerseits ein weiteres Rätsel: Ich bin der Anfang der Ewigkeit und das Ende der Stunde. Ich bin der der Anfang allen Endes und das Ende aller Tage. Was bin ich? und blickte sich dann wieder um. In den garten verschwand grade eine rassige dunkelhaarige Schönheit und folgte dabei wohl zwei Bewohnern des Hauses, die grade noch mit dem blonden Mädchen zusammengestanden hatten. Schade, dass gleich zwei so schöne Anblicke auf einmal verschwunden, während er noch einige Zeit hier feststeckte. Vielleicht würde er ja noch später die Zeit haben, das dunkelhaarige Mädchen noch zu finden und dann... na ja, eine nette Zeit mit ihr verbringen würde.

    Severus war gegenüber der ewigen Stand nicht nur mit ein paar Vorurteilen gesegnet. seine Eltern waren beide durch einen Überfall getötet worden, kaum dass sie in die ewige Stadt umgezogen waren. Das Misstrauen des Helvetiers mochte daher weiter ausgebildet sein, als bei den Menschen in seiner Umgebung, und wenn er sich nicht entschieden hätte, sich von seinen Verwandten in Fregellanum zu lösen und seinen eigenen Weg in Rom zu gehen, würde er wahrscheinlich irgendwo auf dem Land oder ein Stadt ein ruhigeres Leben verbringen. Doch ging es hier ja nicht nur um ihn, sondern auch um den Namen seiner Familie, ja, seiner ganzen Gens, sodass er nun tat, was er tun musste.


    Mit einem weiteren Nicken quittierte er die Annahme der Essenseinladung und bediente sich selber am Fleisch und bestrich eine Scheibe Brot mit etwas Olivenöl. Danach hörte er zu, was sein Cousin zu berichten hatte. Ein weiterer Soldat in den Fußstapfen von Onkel Geta, also. Sehr löblich, wenn natürlich auch gefährlich. kommentierte er dann den Plan Scaevas und schüttete sich und ihm verdünnten Wein in den Becher. Ich nehme an, deine Mutter ist nicht wirklich begeistert davon, zumal sie ja bereits ihren Mann und deine Brüder an den Exercitus verloren hat. fügte er dann noch stirnrunzelnd hinzu. Eigentlich musste ihn ja die Meinung der Oppia nicht wirklich interessieren, denn die Aussicht darauf, einen Verwandten in den Reihen der Stadtkohorten zu wissen, ließ seine Planungen wieder vorantreiben. Würde er es in die Kanzlei schaffen und als leitender Schreiber in der Abteilung für Verwaltungs- und Militärkontakt arbeiten, könnte er womöglich sogar den Aufstieg seines Vetters vorantreiben und hätte im Gegenzug einen Kontakt in der lokalen Sicherheitstruppe.


    Ein weiteres Thema war die Casa Helvetia und da musste Severus unwillkürlich mit den Augen Rollen. Ja, Tiberius Varus aus dem Ostia-Stamm, der in seiner eigenen Casa an der Via Tusculana wohnt, und Cousin Marcus Commodus, dem noch immer die eigentliche Casa Helvetia auf dem Esquilin gehört, haben sich beide auf ihre Landgute zurückgezogen. Der eine wegen einer Frau so glaubte Severus der andere wegen einer weniger erfolgreichen Amtszeit. Seitdem stehen beide Häuser leer, leider. Und soweit er wusste standen damit auch die in Familienhand liegenden Betriebe und Verkaufsstellen still. Er wollte gar nicht wissen, wie viel Geld den Helvetiern dadurch durch die Lappen ging.