Nach und nach nahmen die Formationen Aufstellung. Der Kaiser nickte den Präfekten, die direkt gegenüber von ihm auf ihren Pferden saßen, kurz zu, als sich ihre Blicke trafen. Sein Blick streifte auch über die Tribune, die ihm auch alle namentlich bekannt waren. Für die Männer, die für die Sicherheit Roms zuständig waren, interessierte man sich als Herrscher ja doch.
Als er dann die Tafeln mit den Namen der Gefallenen und ihre "Repräsentanten" mit den Schilden sah, war er durchaus beeindruckt. Manche Kohorten, vor allem bei den Prätorianern, hatten nur einen überschaubaren Blutzoll gezahlt. Bei den Cohortes Urbanae, die während der Chaostage mehr in der Stadt unterwegs gewesen waren, waren dagegen teilweise beachtliche Verluste zu verbuchen. Wenn man bedachte, dass sie gegen ein Sklavenheer gekämpft hatten.
Ihr Opfer war anzuerkennen. Mit Taten und mit Worten.
Deshalb war zuerst eine kleine Rede des Kaisers vorgesehen. Der Klang der Hörner schwoll also noch einmal an und verstummte dann. Der Princeps Praetorii trat vor und befahl:"Milites state! Oculos ad imperatorem!"
Severus stieg eine Stufe von der Treppe des Pantheon hinab und erhob den Arm in Rednerpose.
"Soldaten Roms!" begann er und ließ seinen Blick noch einmal über die glänzenden Helme und Federbüsche streifen. "Wir stehen heute auf dem Campus Martius, von dem aus unsere Väter jeden Frühling in den Krieg zogen, um jenes Imperium zu errichten, dessen Herz diese Stadt noch immer ist. Über Jahrhunderte schlugen sie fern der Heimat ihre Feinde und kehrten im Herbst zurück, reinigten sich und ihre Waffen am Armilustrium und lebten dann in Frieden bei ihren Familien.
Diese Friede wurde in diesem Jahr jedoch gestört! Statt aus der Fremde kamen die Feinde Roms diesmal aus unserer Mitte, aus unseren Häusern und Haushalten! Die, die bereits unterworfen schienen bäumten sich auf. Die, denen wir Obdach und Nahrung boten; die von den Segnungen des Imperiums profitieren, obwohl nicht ihre Väter es waren, die es errichtet haben, wurden zu Mordbrennern und Banditen. Aus Hass gegen uns und den Frieden Roms schlachteten sie wehrlose Greise, Frauen und Kinder nieder. Sie trugen diesen Krieg mitten in unser Herz!" Mit der Hand wies der Kaiser nach Süden, wo das Stadtzentrum lag.
Dann deutete er langsam vor sich. "Doch wir leisteten ihnen Widerstand! Wie unsere Väter Hannibal aus Italia verjagten, wie Pompeius die Sklavenheere des Spartacus unterwarf, so habt ihr, Milites, auch diese Bedrohung Roms niedergerungen! Ihr habt bewiesen, dass es keineswegs eine rein zeremonielle Angelegenheit ist, hier in der Urbs seinen Dienst zu tun! Binnen drei Tagen gelang es euch, diesen Aufstand restlos zu vernichten und Frieden und Sicherheit Roms wiederherzustellen! Dafür bin ich, ist Rom euch zu Dank verpflichtet!" Er senkte seinen Kopf und Applaus brandete auf. Die Menschen waren wirklich dankbar, dass wieder Frieden herrschte!
"Unser besonderer Dank gilt jedoch jenen, die in diesem Kampf ihr Leben gaben." Er blickte zum Himmel. "Ihre Körper wurden der Sitte gemäß im Kreise ihrer Kameraden verbrannt. Ihre Asche ist alles, was in dieser Welt an Materie übrig ist. Doch ich bin sicher, dass Mars seinen Söhnen, die so tapfer gekämpft haben, das Elysium bescheren wird!
Uns bleibt damit nur, ihnen Dankopfer darzubringen und ihr Andenken zu ehren. Aus diesem Grund soll jeder von ihnen post mortem mit den Torques ausgezeichnet werden, denn ihr Mut übertraf selbst den der wildesten Gallier, von denen dieser Schmuck stammt."
Sein Blick ging nun zur Rechten, wo man den Angehörigen der Gefallenen Ehrenplätze neben der Tribüne der Senatoren zugewiesen hatte. "Wir wollen aber auch ihre Familien und Nachkommen in dieser Welt nicht vergessen. Im alten Sparta war es Sitte, dass eine Mutter ihrem Sohn den Schild übergab, wenn dieser in den Krieg zog. Dabei pflegte sie zu sagen: Lieber Sohn! Komm mit ihm wieder zurück oder auf ihm.
Einige der Soldaten, die die Schilde ihrer gefallenen Kameraden getragen hatten, bekamen nun das Zeichen, an die Stufen des Tempels zu treten. [B]"Auch wenn es nur ihre Asche ist, sollen auch die Mütter Roms, die in Tüchtigkeit des spartanischen Müttern in nichts nachstehen, ihre Söhne auf ihren Schilden zurückerhalten." Nun ging der Kaiser die Stufen des Tempels vollends hinunter und nahm sich einen der Scuta (die, die Furius Cerretanus hielt) und ging wieder ein Stück nach oben, um den Schild der Menge zu präsentieren.
"Jede Kerbe und jede Delle, die diese Schilde zeigen, steht für einen Schlag, der ohne euch ein wehrloses Kind, eine schwangere Frau oder einen armen Greisen getroffen hätte! Denn auch wenn diese Aufständischen von Gerechtigkeit und Freiheit sprachen, sehen wir heute doch, dass sie nichts waren als gemeine Verbrecher! Sie überfielen Insulae, in denen arme, brave Familien lebten, denen es nicht viel besser ging als ihnen selbst! Sie brannten die Anwesen nieder, deren Bewohner wehrlos waren! Sie ermordeten wahllos jeden, der das Pech hatte ihnen entgegenzutreten.
Diese Sklaven waren um keinen Deut besser als die wilden Barbaren, gegen die die Legionen an den Grenzen unseres Imperiums kämpfen. " Der Kaiser mochte lieber nicht wissen, wie viele Menschen genau ihnen zum Opfer gefallen waren. Aber offizielle Statistiken waren ja noch nicht erfunden und vielleicht war es auch besser so.
"Umso deutlicher zeigt sich damit, wofür diese Schilde symbolisch stehen: Jeder Soldat Roms, ob er fern der Heimat am Limes dient oder inmitten der Urbs, ist am Ende dasselbe: ein Schutzschild!" Dieses Symbol ließ der Kaiser wieder einen Augenblick wirken.
"Deshalb sollen die Familien der Gefallenen die Schilde ihrer Söhne, Freunde und Söhne zur Erinnerung erhalten. Darüber hinaus soll jeder der Toten post mortem mit einer Torques ausgezeichnet werden und jede ihrer Familien soll eine finanzielle Unterstützung erhalten. Denn Rom vergisst seine Soldaten nicht!" Mit diesen Worten wandte sich der Kaiser ab und stieg die Stufen zu den Soldaten hinab.
Da er noch immer Cerretanus' Scutum hielt, ging er zielstrebig auf den jungen Mann zu und bedeutete ihm zu folgen. Dann ging die ganze Gruppe hinüber zu den Angehörigen der Gefallenen. Noch einmal drehte er sich um und fragte den Furier: "Wie heißt dein Gefallener?" Irgendjemand musste Schild, Schwert und Urne ja bekommen. Und sicherlich wusste der, der diese Dinge trug, an wen er sie überreichen sollte.