Beiträge von Kaeso

    Erschrocken schoss ich aus meinem Bett hoch. Lauschend stand ich da und starrte in die Dunkelheit meines Zimmers. Nichts war zu hören, man könnte sagen, es herrschte Totenstille in der Casa Helvetia.
    Unruhig blickte ich hin und her obwohl ich nichts sehen konnte. Das konnte nicht sein. Ich hatte es doch deutlich gehört. Ein durchdringender Schrei hatte mich aufgeweckt.
    Langsam ging ich in Richtung Türe, tastete nach dem Griff und versuchte sie möglichst leise zu öffnen. Lauschend stand ich da und versuchte die nächtliche Dunkelheit des Hauses zu durchdringen. Nichts, nun da sich jetzt meine Augen an die Dunkelheit meiner Umgebung gewöhnt hatten sah wie sich fahles Licht breit machte.
    Lauschend ging ich vorsichtig, ein paar Schritte, in Richtung Taberna Medica.
    Nichts. Jetzt wandte ich mich zurück zur anderen Seite und schlich zum kleinen kleinem Atrium. Von dort wollte ich durch das Atrium zum Triclinium, dann wäre der Weg frei zu den beiden Gärten.
    Da, war da nicht etwas, wie erstarrt blieb ich stehen und lauschte.

    Unser Kräuter sammeln schien sich gelohnt zu haben, denn Esquilina war wohl auf dem Weg der Besserung, darum war ich erschrocken
    als Alpina mich zur Legio schickte. Aus meiner kurzen Erfahrung wusste ich wenn sie mich losschickte, dass Eile geboten war.
    Zur Legio war von der Kasa nicht so weit wie wenn ich durch die ganze Stadt hätte rennen müssen und so stand ich auch schon bald am Tor des Castellum Legio. Keuchend haspelte ich, „ich muss zum Praefectus Castrorum Marcus Iulius Licinus. Susina Alpina schickt mich es eilt. Denn es geht um die kleine Esquilina. Er muss sofort zur zur Casa Helvetia kommen.“

    Total übernächtig kam ich bei der wartenden Runa an. Es war genau wie ich vermutete hatte, für die Schreibübungen hatten ich eine ganze Weile gebraucht, ehe ich mit dem Ergebnis zufrieden war, aber dann. Zuerst hatte ich in der Taberna daran gearbeitet und dann später in meinem kleinen Reich. Die Wachstafel hatte ich auf meine Truhe gelegt und mich davor gekniet um die letzten Wörter zu schreiben. Meine Probleme fingen dann aber erst richtig an. Nur zwei Wörter glaubte ich sicher zuordnen zu können.
    ALPINA und URSI .
    Alpina weil ich bei diesem Namen das A aus meinem Namen wiedererkannte und Ursi weil ich mir den Anfangsbuchstaben dieses Namen gemerkt hatte. Bei allen anderen Wörtern war es das reinste Ratespiel, womit ich dann auch fast die ganze Nacht zubrachte. Es nervte einfach, dass ich das nicht hin bekam.


    So kam auch nur ein lahmes „Salve“ zur Begrüßung heraus.

    Dankbar schaute ich den Helvetier an, nicht nur dafür dass er mich nun alleine ließ, sondern auch, weil er mir vieles gesagt hatte worüber es sich nach zu denken lohnte. „Danke, ich dir auch“, wiederholte ich nochmals während ich mich auf meinem Bett zurecht legte. Sollte das jetzt nicht mit dem Schlaf klappen würde ich das Haus verlassen.

    Ich hockte mich neben Alpina und betrachtete die von ihr gezeigte Pflanze. Sie musste sich nicht nur alles über die Pflanze sondern auch über ihren Standort merken. „Es ist eine schöne Pflanze, schade dass sie etwas versteckt wächst und nicht so im Freien wie die anderen.“ Gespielt nachdenklich kratzte ich mir den Kopf. „Lass mich überlegen, die Pflanze heilt ebenfalls Husten“, grinste ich dann. „Wenn man an einen fremdem Ort ist, weiß man dann wo man die einzelnen Pflanzen suchen muss, wo sie wachsen?“ Fragte ich dann noch nachdenklich.

    Erstaunt schaute ich Alpina an. „Kräuter sind nicht nur gegen Krankheiten?“ Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich hatte zwar davon gehört, das man mit gewissen Pflanzen dem Leben ein Ende bereiten konnte, doch dass es auch welche gab, die in gewissen Sinne, das Gegenteil bewirkten, erstaunte mich nun. Es war also für alles ein Kräutlein gewachsen.

    So war das also. Ich nickte verstehend, mehr für mich selber. Nach Alpinas Erklärung, war jeder der Personal hatte, selber für den Umgang mit ihm, sei es mit Sklaven oder anderen in seinem Dienst stehenden, selber verantwortlich. Merkwürdig, oft genug hatte ich bei meinen Touren durch Rom aber auch hier in Mogontiacum mitbekommen, dass die Wirklichkeit oft ganz anders aussah. Ob es nur in diesem Hause üblich war so mit Menschen in ihrem Haushalt um zu gehen? Mehr zu mir selber, als zu Alpina, meinte ich, „es wäre gut wenn sich viel mehr Menschen so verhalten würden.“
    Mir fiel ein ich war nicht alleine, ich sollte nicht abschweifen. „Was genau soll ich in der Villa Ducia ausrichten?“ Aber irgend etwas war noch da was mich ablenkte, ich konnte es nicht genau bestimmen.

    „Ja natürlich dumm von mir, das nicht zu bedenken“, antwortete ich dem Helvetier. Nahm mir aber vor mit Alpina über den schlechten Schlaf von Curio zu reden, sie wusste bestimmt Rat und konnte mir etwas zur Vorbeugung für ihn geben oder was noch besser wäre wenn sie es ihm selber geben würde.
    Ansonsten wusste ich was ich ihm raten sollte, außer den zahllosen Erlebnissen von meiner Seite, dass man mit einer genügenden Menge Bier der Schlaf für viele dann kein Problem mehr war. Ich bezweifelte aber das dem Helvetier solch ein Vorschlag gefallen würde. Mir selber würde es ebenfalls nicht zusagen, wenn der Helvetier sich dem Bier hingab, denn wer konnte schon wissen welche Auswirkung es bei haben würde.


    Schnell wechselte ich das Thema. „Ich danke dir für deine Mühe und Aufmerksamkeit die du mir schenkst. Vielleicht schlafe ich jetzt ruhig durch, was ich dir sehr wünsche.“

    Abwechselnd schaute ich von Runa zu der Wachstafel und wieder zurück. Meinte sie das wirklich was sie da sagte? Gut, das mit dem Schreiben würde ich ja noch hinbekommen, auch wenn es bestimmt Stunden dauern würde.
    Doch da war die zweite Aufgabe. Mir das alles ein zu prägen schien mir unmöglich. Wie sollte ich dann noch wissen, welche Buchstaben zu welchen Wörtern gehörten?
    Plötzlich hatte ich dann einen Kloß im Hals, den ich Mühsam runter schluckte, mit belegter Stimme antwortete ich und erhob mich dabei langsam. „Ja sicher, … dann bis morgen. Vale.“ Langsam nahm ich die Wachstafel in die Hand und drehte mich zum Ausgang.

    Schnell überschlug ich mein Wissen von den genannten Pflanzen, ich sah kein Problem darin die von mir erwarteten Aufgaben zu lösen. „Ja, das schaffe ich schon, die Botschaft zu überbringen und auch die drei Pflanzen zu sammeln. Blattformen wie auch ihre Merkmale merkte ich mir. Genauso prägte ich mir die Formen und Farben der Blüten ein.“ Es war so als ob sich alles, was Alpina mir von den Pflanzen erzählt hatte und das was ich von ihnen gesehen hatte, sich fest in mein Gehirn eingebrannt hätte.
    Was ich aber nicht verstand, warum sie mich darum bat. Sie hatte alles Recht der Welt von mir das und noch vieles mehr ein zu fordern. Sie hatte sich für mich eingesetzt, mir Unterkunft, Nahrung und was noch außergewöhnlicher war, sie sorgte dafür, dass ich Wissen erhielt. Das lies mir keine Ruhe und ich wollte es jetzt wissen. Vorsichtig fing ich an. „Ich habe aber noch eine Frage. Warum bittest du mich, wenn einer ein Recht darauf hat etwas von mir zu fordern, dann bist du das. Du kannst doch auch, wie es meist üblich ist, mir einfach sagen, tue das oder mache jenes.“ Selbst ich hatte es mitbekommen wie der landläufige Umgang von den Arbeitgebern mit ihren Arbeitern war.

    Ob mein Vater, so wie Runa meinte, mit meinem Namen den Grundstein für mein späteres Leben legen wollte, bezweifelte ich sehr. Diese Überlegung wollte ich ihr aber nicht mitteilen.
    Beim betrachten der Buchstaben bekam ich einen Schrecken, ich hatte nicht erwartet, dass es so viele gab. Bisher kannte ich nur wenige. Fast hätte ich schon bevor ich anfing die Luft laut ausgepustet.
    Ich konnte mich nicht erinnern wie lange ich mit dieser Aufgabe beschäftigt war. Jeder Buchstabe gelang mir nicht auf Anhieb. Als ich mein Werk schließlich, bevor ich es Runa zeigte, betrachtete sürte ich das meine Wangen gerötet und meine Ohren Heiß waren.
    Zögernd schob ich die Wachstafel rüber und genauso zögernd kam von mir. „Geht das so?“

    Ein zaghaftes Lächeln überzog mein Gesicht nach Alpina Frage. „Heute habe ich den Huflattich, Löwenzahn, Breitwegerich und zuletzt den Spitzwegerich kennengelernt. Ich denke eine fünfte Pflanze findet noch Platz in meinem Kopf.“
    Ja ich war davon überzeugt und als ich weiter darüber nachdachte kam mir der Gedanke, dass wenn ich einen Mond lang jeden Tag fünf Pflanzen kennen lernen würde, wie viele ich dann kannte? Ich hob innerlich die Schultern, denn soweit gingen meine Zählkünste dann doch nicht. Dann blieb noch die Frage ob es überhaupt so viele Pflanzen hier gab, wir waren ja schließlich in Germanien.
    „Ist diese Pflanze dann auch um den Husten zu bekämpfen?" Diese Frage stellte während ich den Inhalt des Korbes betrachtete.

    Jedesmal wenn ich mein Cubiculum, mein eigenes Reich betrat konnte ich es nicht fassen. Es war nicht groß aber dennoch, ein Raum für mich ganz alleine. Kein Raum den man mit seiner Sippe teilen musste. In dem man nicht einmal atmen konnte ohne, dass ein anderer es sehen konnte, geschweige sonst was tun ohne unbeobachtet zu sein.
    Was dazu kam ich hatte meine eigenes Bett. Ein richtiges bett, kein Bett auf Säcken oder im Heu. Nein ein richtiges Bett, mit einem Kissen und einer Decke. Auch das musste ich nicht teilen. Zu Anfang hatte ich mich gewundert, dass da keiner war, der mir die Decke wegzog und ich mich darin einrollen konnte.
    Damit aber nicht genug, es befand sich noch ein Schemel in dem Raum und eine Truhe. Dies alles stand mir, einem Straßenjungen zur Verfügung. Natürlich war die Truhe noch leer, doch ich hatte die geheime Hoffnung, sie mit einer zweiten Tunika und vielleicht, wenn ich ein mal lesen konnte, mit einem Buch zu füllen.


    Dann und wann hatte ich die Wände betrachte und mir überlegt ein Bild würde mein kleines Reich verschönern. Irgendwann hatte ich auch einen Plan gefasst um mir diesen Traum zu erfüllen.
    Wann immer es mich überkam und ich ein paar Minuten für mich hatte, schlüpfte ich in mein Cubiculum. Einfach nur so, bestimmt um mich zu vergewissern, dass es noch da war.

    Ich wusste das was der Helvetier, da sagte das war ehrlich gemeint. Eigentlich hätte ich beruhigt sein müssen, doch in seinem innersten, in der hinteren Ecke, da saß es und lauerte, wie die Katze auf ihre Maus. Es war Misstrauen, zu oft hatte er in seinem kurzen Leben Versprechungen gehört, und jedesmal war ich enttäuscht worden.
    Beschämt senkte ich den Blick. „Entschuldige bitte, es gibt noch vieles was ich besiegen muss, nicht nur die Angst.“ Mit meinem Fuß malte ich ein unbestimmtes Muster auf den Boden. Irgendwie wollte ich ihm was gutes tun.
    Fragend schaute ich ihn an, „doch du sagtest du wärst schon wach gewesen, kannst du auch nicht schlafen?. Doch sag kann Susina Alpina dir nichts aus ihrem großen Sortiment geben damit du schlafen kannst? Warum ich nicht schlafen kann wissen wir ja, doch du hast bestimmt nicht solche Sorgen. Ein Mann wie du braucht doch seinen Schlaf.“
    Ich bekam ja nun nicht viel mit, aber dass was ich sah war, der Mann arbeitete von früh bis spät und hatte kaum Zeit für sich selber. Bisher war ich in der irrigen Annahme Leute in solchen Männer in solchen Positionen würden sich morgens vielleicht zwei Stündchen im Amt sehen lassen, sich ansonsten aber um die gesellschaftlichen Annehmlichkeiten kümmern. Der Helvetier war entweder die große Ausnahme oder ich musste mein Urteil grünlich revidieren.

    „Ach darum“, murmelte spontan vor mir her, erschrocken und um abzulenken fragte ich, „und warum hast du zwei Namen? Darf man den germanischen Namen nicht benutzen?“ Vielleicht hielt sie mich jetzt für dumm aber woher solte ein Junge wie ich das wissen, schließlich hatten wir in Rom ganz andere Sorgen. Wann traf so einer wie ich schon einen Germanen in Rom. Sklaven kannte ich nicht persönlich und Händler suchte ich auch nicht auf.


    Auf ihre Frage nach der Bedeutung meines Namens schüttete ich verneinend mit dem Kopf. „Nein, ich wusste gar nicht das Namen eine Bedeutung haben. Ich habe gedacht Namen bekäme man, nur so oder weil irgendwer den schon gehabt hätte und den Eltern dieser dan gefallen würde“.

    Nachdenklich kaute ich an meiner Unterlippe. Es hörte sich alles sehr beruhigend an. Wenigstens zur Zeit schienen diese Sorgen unbegründet zu sein.
    Das alles war aber nur ein Teil meines Kummers und so begann ich noch mal. „Aber meinst du nicht es wäre besser ich würde woanders schlafen? Weiter weg von euch allen. Es muss doch furchtbar für euch sein mitten in der Nacht von einem Schrei oder ähnlichem geweckt zu werden. Glaub mir es ist so bei meinen Träumen, ich selber wurde schon wach davon.“
    Es wäre bestimmt besser, doch da wäre dann noch Alpina, sie hatte mir erklärt warum sie mir diese Kammer zugewiesen hatte. Sollte jemand in der Nacht nach ihr verlangen, musste ich sie wecken. Ja und Alpina wollte ich am allerwenigsten enttäuschen.
    „Vielleicht ist mein Vater aber auch gar nicht tot, bei so einem Betrunkenen weiß man ja nie. Oder was auch gut wäre die schrecklichen Träume hören einfach auf.“ Letztes kam eher zweifelnd von meiner Seite.

    So eine Wachstafel war ja eigentlich eine gute Sache wenn man im Schreiben nicht so geübt war. Dennoch für solche wie mich vielleicht doch nicht die richtige Sache. Bisher hatte ich meinen Namen immer nur mit einem Stock in den Boden geritzt. Zwar sehr oft und so das ich ihn sehr zügig schreiben konnte, aber jetzt sah es ganz anders aus.
    Prompt drückte ich den Stift viel zu sehr ein. Aufgeregt versuchte ich meinen Fehler möglichst schnell und unauffällig zu beseitigen. Im Umgang mit einer Wachstafel nicht so geübt, ging es nicht so schnell. Meine Hände fingen an zu schwitzen und meine Ohren wurden von der Aufregung ganz heiß.
    Ich versuchte es gleich noch einmal und dieses mal gab ich mir alle Mühe recht vorsichtig zu sein. Natürlich zu vorsichtig.
    Beim dritten Anlauf hatte ich dann wie mir schien den Bogen raus. Zufrieden betrachtete ich mein Werk.




    KAESO



    Langsam ging ich zu zu dem Tisch und setzte mich auf dem mir zugewiesenen Tisch. „Ja, ..nein,.. dass heißt nur ganz wenig, .. eigentlich fast gar keine“, stotterte ich herum. „Ich kann meinen Namen beibringen ein Freund hat es mich gelehrt. Ein paar Schilder kann ich deuten, ihre Bedeutung lernte ich aus Erfahrung. Naja ein paar Zahlen kann ich noch lesen.“ Nervös kneteten meine Hände den Saum meiner Tunika.

    Jetzt hatten die beiden mich glatt überrümpelt und nun gab es kein zurück mehr. Als die beiden schon weg waren stand ich noch immer da. Erst als ich sich nähernde Schritte hörte machte ich mich niedergeschlagen auf dem Weg zum Triclinium. Um nicht dumm im Raum rum zustehen lehnte ich mich an die nächste Wand.

    Gallengrieß, Gallensteine, was war das? Woher sollte ich so etwas kennen? Mich näher damit zu beschäftigen blieb keine Zeit, denn Alpina stellte mir die nächste Aufgabe.
    Aufmerksam betrachtete ich die Umgebung und suchte langsam vorwärts gehend weitere Huflattich Pflanzen. Bald entdeckte ich eine umgeknickte Blüte. Kein Wunder, wer achtete schon auf derlei Pflanzen, wenn er nicht gerade Medizin daraus herstellte. Also weiter, abermals wechselte ich die Straßenseite um Ausschau zu halten.
    Dann aber hielt ich plötzlich inne und schaute mich fast erschrocken um. Was mochten die Leute denken, da lief ein Junge mit einem Korb durch die Gegend und pflückte Blümchen. Wie albern musste das aussehen. Hoffentlich sah das kein Junge oder Mann.
    Mein Blick streifte Alpina, beschämt senkte ich den Kopf und suchte weiter. Nun schien ich Glück zu haben, nicht weit von mir war ein breiterer Grünstreifen mit einigen gelben Blüten. Dort angekommen kniete ich nieder, betrachtete aufmerksam die Blüten und Blätter. Sorgsam schnitt ich nicht zu viele Blüten und Blätter ab. Fragend schaute ich Alpina an. „Wie viele brauchen wir noch?“