[...] Scaeva rannte nicht, doch seine Schritte waren unglaublich schnell. In seinem Kopf drehte sich alles um den vermeintlichen Sklavenaufstand. Es wäre ein Albtrum, sollte es so sein. Doch er versuchte auch, sich selbst zu beruhigen. Endlich stand er vor dem Officium des Optios und klopfte ein paar Mal an die Türe. Doch letzten Endes wartete er nicht auf ein ‚Herein‘, sondern trat einfach ein. “Optio!“, begann er ohne Grüße. “Entschuldige mein Eindringen, aber ein prätorianischer Miles kam soeben ans Tor und meldete einen Tumult bei den Spielen. Es gab drei Tote, alle ermordet. Vielleicht ist mit einem Sklavenaufstand zu rechnen.“ Sein Atem ging noch immer hastiger, auch wenn er nicht gelaufen war. Es war einfach die plötzliche Aufregung.
Beiträge von Quintus Helvetius Scaeva
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Eigentlich war es ein langweiliger Tag gewesen, der bisher ohne besondere Ereignisse vonstatten gegangen war. Aber bestimmt nicht in der Stadt. Dort fanden gerade Spiele statt, die Scaeva nur zu gerne gesehen hätte. Nur leider hatte er heute Wache und war nicht abkömmlich. Dann allerdings schien sich doch etwas zu ereignen. Ein Prätorianer auf einem Pferd kam auf sie zu gallopiert und brachte sich dann schwungvoll aus dem Sattel. Alarmiert sahen Scaeva und Naso sich an. Eine Panik bei den Spielen? Ein Sklavenaufstan? Scaeva Herz begann schneller zu schlagen, doch es galt die Ruhe zu bewahren. Was würde es schon nützen, sich nun zu verhalten wie ein aufgewühlter Ameisenhaufen? “Ich werde sofort Bescheid sagen!“, erklärte er ohne Umschweife und versuchte seine aufgekommene Sorge herunter zu schlucken. Auf dem schnellsten Wege machte er sich auf zum Officium des Optio.
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“Nein, kein waschechter Römer!“, lachte Scaeva heiter. “Ich bin ein Landei und ich denke, nach einigen Dingen, die man hier sieht, ist das auch ganz gut so. Ich bin recht behütet aufgewachsen und wer weiß ob das im Rom gewährleistet gewesen wäre.“ Dann überlegte er. Was wollte er essen? “Ich glaube ich entscheide mich für Wurst und Schinken. So oft bekommen wir das in das Castra nicht.“ Wildbret mochte er sowieso nicht allzu gerne, denn der Geschmack war ihm meistens ein wenig zu herb und Geflügel hatte er in Ostia genug gegessen. Dann lauschte er den Worten von Faustus. Also war diese auch noch nicht lange in Rom. Das hätte ihn auch gewundert, denn schließlich hatte Severus ihn nie erwähnt. “Ich habe Severus gleich kennen gelernt, nachdem ich in Rom angekommen war. Bei ihm habe ich auch nach meiner Ankunft übernachtet. Dass du eine Stelle gefunden hast ist sehr gut. Das ist das Wichtigste.“ Scaeva nickte. “Mein Vater ist vor einiger Zeit gestorben, aber meine Mutter lebt noch. Ich habe drei Brüder. Zwei sind tot, sie sind an einer elenden Krankheit gestorben und mein dritter Bruder ist irgendwo an der Küste, was das beste für seine Lunge ist, wie der Medicus meinte.“
Dann kam die Bedienung und Scaeva lächelte ihr entgegen. “Für mich ein wenig Wurst und Schinken,“ sagte er dann. “Wenn du bestellt hast, musst du mir mehr von dir erzählen. Woher kommst du und welche Stelle hast du ergattern können?“
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Scaeva nahm Wachtafeln und Griffel in Empfang und atmete einmal tief durch. Natürlich hatte er den Befehl verstanden und antwortete mit einem deutlichen: “Jawohl, Optio!“ Dann wendete er sich an die Umstehenden, welche noch nicht von seinem Optio befragt wurden. Allerdings musste er noch einen Moment überlegen. Er hatte noch nie eine Befragung durchgeführt, schon gar nicht in einem Mordfall. Aber er würde einfach einmal anfangen und nicht noch länger zögern. Er wendete sich an einen der Männer, von dem er meinte, dass es jener war, der von einer Lupa gesprochen hatte, die ein Schrei vernommen haben sollte. So oder so ähnlich hatte er es zumindest verstanden. Also trat er auf einen der Männer zu, nahm den Griffel richtig in die Hand und begann: “Kannst du mir etwas über den Schrei erzählen, der angeblich gehört worden war? Und was weißt du sonst noch?“
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“Ich glaube nicht, dass mich mein Weg heute noch in ein Lupanar führt,“ sagte Scaeva und lächelte dabei. “Ich hatte während meiner gesamten Grundausbildung keinen Ausgang, aber dennoch zieht es mich nicht zu einem leichten Mädchen.“ Immerhin waren seine Gedanken noch voll von Vera, die er hatte zurücklassen müssen. “Aber du hast recht, woher sollten die guten Informationen kommen, wenn nicht von einer Lupa. Nur leider muss man dafür bezahlen. Morrigan sagt mir nichts, auch nicht im Zusammenhang mit einem Helvetius. Bevor ich zu den Urbanern ging war ich nicht in Rom, sondern bei Ostia, weshalb ich mich auch noch nicht so gut auskennen. Alles Wissenslücken, die ich dringend ausfüllen sollte, wenn ich hier ein Bein an die Erde bekommen möchte.“ Scaeva lachte. “Ich esse gerne etwas. So langsam hängt mir der Puls zum Halse raus. Ich hoffe, hier gibt es auch etwas anderes. Danke für die Einladung, die nehme ich gerne an.“ Zwar hatte er seinen Sold schon erhalten, doch kostenloses Essen war immer gut. Eines Tages würde er sich dabei bei Faustus revangieren. “Bist du schon lange in Rom?“ wollte er dann wissen.
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Offenbar war der Optio auch über die offen stehenden Münder verwundert. Während der Octavier sich also nun die Leiche mit dem durchstochenen Herzen beschaute und in dessen Rachen schließlich nach einem Gegenstand durchsuchte, blickte Scaeva dezent zur Seite. Er war froh, dass er nicht selbst nachforschen musste. Stattdessen betrachtete er sich flüchtig die Umstehenden, welche sich nun unterhielten. Zunächst schnappte er nur einige Worte auf, doch dann hörte er genauer hin. Ein Auftragsmord wurde vermutet und angeblich wurde ein Schrei von einer Frau gehört. Es waren gewiss nur irgendwelche Gerüchte, die hier die Runde machten, doch man konnte ja nie wissen. Vielleicht fanden sich ja auch einige Zeugen unter den Anwesenden. Dann hörte er von einer Bedienung in einer Taverne. Dann fielen Namen.
Scaeva merkte sich die Gesichter der Sprechenden und wendete sich nun wieder dem Optio zu, der einen Siegelring zutage gefördert hatte, was wirklich sonderbar war. Auf den ersten Blick sah es aus wie eine Racheaktion, doch er konnte sich auch irren. Derartiges hatte er noch nie gesehen. Tatsächlich hatten die anderen Leichen auch keinen Ring mehr am Finger und es war wirklich zu vermuten, dass diese ebenfalls ihren Weg in die Hälse der Toten gefunden hatten. “Vielleicht hat die Männer jemand gehasst oder hatte Streit mit ihren Familien.“ Warum sollte sonst jemand derartig mit einem Siegelring verfahren. Er konnte es sich nicht wirklich erklären. Andererseits war dies die Subura und es gehörte nicht viel dazu, hier ermordet zu werden.
Dann nickte er im Kopf auf die Umstehenden. “Offenbar kennen sie die Namen der Toten. Vielleicht können sie uns auch noch mehr dazu sagen. Ob es Zeugen gab oder nicht. Bestimmt hat einer von ihnen auch irgendetwas gesehen.“ Bestimmt hatte der Optio auch gehört, was sie gesagt hatten. “Wir sollten sie verhören.“
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Er war mittlerweile bei seinem zweiten Becher angelangt, doch noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben. Eine kleine Schönheit in einer sehr kurzen Tunika hatte auch begonnen mit ihm zu flirten, doch Scaeva wollte nicht, dass sie zu ihm kam. Für derlei Vergüngen wollte er kein Geld ausgeben und noch verspürte er nicht den Drang, sich auf diesem Gebiet Erleichterung verschaffen zu müssen. Stattdessen schaute er immer wieder zum Eingang und nahm sich vor, nach dem dritten Becher zu gehen und sich seinen feiernden Kameraden anzuschließen. Das wäre immerhin besser, als allein in einer Taverne vergebens zu warten. Doch dann erschien Faustus doch. Scaeva hob die Hand und winkte ihm zu, dann deutete er auf den leeren Platz ihm gegenüber.
“Salve! Ich wollte ihn schon der entzückenden Schönheit dort drüben überlassen,“ sagte er dann heiter und deutete auf die Sklavin in der knappen Tunika. “Doch noch ist er frei, wenn du schnell genug bist!“ Scaeva lachte, während sich nun auch die Sklavin näherte, um zu fragen, was sich der Angekommene zum Trinken wünschte.
“Das ist schon mein zweiter Becher,“ sagte er. “Aber für die Familie wartet man doch gern.“ Erwartungsvoll blickte er Faustus entgegen, wobei er ihn auch ein wenig bemusterte. Es war doch immer spannend, einen Helvetier kennen zu lernen. -
In voller Montur war er dem Optio in die Subura gefolgt, welche sich letzten Endes als die Niederung sämtlichen menschlichen Lebens heraus stellte. Hier war Scaeva noch nie gewesen und auf eine morbide Weise war er zu tiefst beeindruckt von den Menschen, die sich hier aufhielten, arbeiteten und letzten Endes wohl auch lebten. Mit gerümpfter Nase war er durch die Gassen gestritten und er konnte den Wunsch des Optios diesen Ausbund an Gerüchen nieder zu brennen nur verstehen. Aber manche Wünsche würden eben niemals in Erfüllung gehen. Während er noch ging versuchte er die Huren zu ignorieren, was gar nicht so einfach war. In einer besonders engen Gasse presste sich eine nur sehr notdürftig Bekleidete an ihr heran, wollte ihn umarmen, nur um ihm dabei etwas sehr Anzügliches ins Ohr zu hauchen, weil er angeblich in seiner Rüstung so verführerisch aussah. Scaeva stieß die Frau einfach grob von sich und ging noch einen Schritt schneller. Hoffentlich hätten sie bald den Tatort erreicht. Um was genau es sich handelte wusste er nicht, nur dass es grob gesagt um einige Morde ging, welche sich hier an diesem Ort ereignet hatten. So meinte er zumindest.
Immerhin hatte ihn der Optio am Hauttor aufgelesen, wo er wieder einmal auf der Suche nach einem Boten für seinen Brief gewesen war. Scaeva war diesem Zufall sehr dankbar und vielleicht war er ja auch während seiner Ausbildung irgendwie im positiven Sinne aufgefallen, sodass er nun auf seinen ersten echten Einsatz im Dienste der Urbaner schauen konnte. Schließlich erreichten sie die Stelle an der drei tote Leiber auf dem Pflaster lagen. Wie achtlos hingeworfen. Noch hatte er keinen wirklichen Blick auf sie geworfen und wieder musste er dem Optio zustimmen. Welch wunderbare Gelegenheit sein Wissen zum Wohle Roms zu erweitern. Schließlich blickte er doch auf die Leichen. Bisher hatte er außer seinem Vater am Tag von seinem Begräbnis noch keine Leiche gesehen. Keine, die so hingemeuchelt aussah wie diese drei. Im ersten Moment kam ihm die Frage in den Sinn, ob er sich wohl jemals daran gewöhnen würde. Scaeva presste die Lippen aufeinander und atmete einmal tief durch. Was er davon hielt?
Trotz seines ersten Ressentiments nickte er. Es war eindeutig Mord, doch das brauchte er nicht zu sagen, das wusste der Optio auch selbst. Scaeva hockte sich neben einen der Toten und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, während er den Leichnahm studierte. “Diesem hier hat man die Kehle aufgeschnitten,“ stellte er fest und dann schaute zu einem der anderen. “Der dort wurde durch einen Stich ins Herz getötet...“ Er zeigte auf den toten Mann, von dem er das behauptete. “Sieht auf jeden Fall sehr fachmännisch aus. Ich meine, dass der Mörder kein ungeschickter Mann sein konnte, denn immerhin waren es drei Gegner. Oder es waren mehrere Mörder...“ Es war einfach nur dahin gesagt. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wie Schnitt- oder Stichwunden einzuschätzen waren. Nachdenklich blickte er noch einmal auf die Leiche zu seinen Füßen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte noch immer erschrocken. Die Augen waren weit aufgerissen und auch ihr Mund stand weit offen, ungefähr wie bei einem Fisch, der an Land nach Atem schnappt. “Das ist seltsam,“ erklärte er dann und deutete genau auf diesen Umstand. “Als hätte er… etwas verschluckt.“ Nun schaute er dem Optio fragend entgegen. Vielleicht fand er das ja auch sonderbar.
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[...] Er hatte eine Ausgangserlaubis erhalten, was gar nicht so einfach gewesen war. Doch nun war er ein waschechter Miles der Cohortes Urbanae und auch mächtig stolz darauf. All das Training und die harte Ausbildung hatte sich ausgezahlt und er war auch stolz auf sich selbst, dass er alles durchgestanden hatte und gar nicht so schlecht gemeistert hatte. Bald würde es den ersten Einsatz geben und Scaeva freute sich schon sehr darauf. Doch heute war erst einmal feiern angesagt, wobei er allerdings darauf verzichtete, mit seiner Kumpane um die Häuser zu ziehen. In eine äußerst zivile, rostrote Tunika gekleidet hatte er sich auf den Weg in Richtung Forum gemacht und hatte die Taverna Apicia gesucht und letztendlich auch gefunden. An einem der Tische hatte er sich nieder gelassen und sich einen Becher Wein und ein wenig Wasser zum Verdünnen bestellt. Mehrfach hatte er sich umgesehen, doch von Faustus fehlte noch jede Spur. Es war zu hoffen, dass er es rechtzeitig schaffte, denn allzu lange Ausgang hatte Scaeva nicht bekommen. In ein paar Stunden würde er wieder zur Castra zurück müssen und er wollte doch alles über seinen Verwandten erfahren. Aufmerskam betrachtete er sich die Gäste, die ein und ausgingen und hoffte, dass der freme Helvetier bald unter ihnen sein würde.
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“Gut, ich werde da sein!“, sagte er und nickte dazu. Er war schon sehr gespannt, den unbekannten Verwandten kennen zu lernen. Auch konnte er es gut verstehen, dass er nicht in der Casa wohnen wollte, auch wenn diese gewiss einiges an Annehmlichkeiten bot. Für ihn selbst käme das auch nicht infrage und er würde es so oder so nicht können, denn sein Platz war nun in einer der Baracken hier auf dem Gelände. Ein Schicksal, welches er sich selbst erwählt hatte. Ob ihm der Sinn nach Feiern stand konnte er noch nicht sagen, doch es würde noch genug Gelegenheiten geben mit seiner Kumpane um die Häuser zu ziehen. “Familie kommt vor dem Feiern!“, sagte er dann noch und grinste ein wenig. "Gut, dann Vale und bis morgen Abend!“ Offenbar hatte seine Verwandter es eilig und auch er selbst durfte nun nicht mehr länger trödeln. Er musste zurück zu der Truppe und außerdem wollte er ja noch einen Boten finden. Also trollte auch er sich und war sehr gespannt, was ihn an diesem Tag noch erwarten würde. [...]
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Scaeva nickte. “Gut, dann in dieser Taverna,“ sagte er. “Ich werde mich einfach durchfragen wo ich sie finden kann. Ist sie am Forum oder in welche Richtung muss ich gehen? Ich kenne mich nicht sonderlich gut in Rom aus.“ Seit er aus Ostia gekommen war, hatte er nicht sonderlich viel von der Stadt gesehen und schon die Suche nach der Wohnung von Severus war damals eine nervenaufreibende Sache gewesen. Aber gefunden hatte er bisher alles was er suchte. “Ich werde einfach irgendwann gegen Abend da sein und sollte ich doch keinen Ausgang bekommen, werde ich dir einen Boten schicken, sofern du mir sagst, wo du zu finden bist. Wohnst du in der Casca Helvetia?“ Dann musste er grinsen. “Es steht nur noch das Schwimmen an und das kann ich recht gut. Wie ein Fisch.“
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Scaeva schaute dem fremden Helvetius noch immer verblüfft entgegen. Keineswegs hatte er gedacht, Besuch zu bekommen und dann noch einen derartig überraschenden. Noch immer stand in seinen Gedanken die Frage nach Severus, der ja eigentlich auch in Rom hätte sein sollen. Doch dann nickte er, obwohl er noch nie von einem Tiberius Helvetius Faustus gehört hatte. Aber letzten Endes war es doch ein Freude, einen Verwandten so unverhofft kennen zu lernen. Zumal dieser ein ähnliches Schicksal zu haben schien. Auch Scaeva war auf dem Land aufgewachsen und hatte Vater und Brüder verloren. “Liktor und Scriba für den Prätor!“, wiederholte er dann und seine Augen weiteten sich einen Moment. Das klang doch wunderbar. “Heute stehen die letzten Aufgaben meiner Grundausbildung an,“ erklärte er schließlich. “Danach werde ich gerne versuchen, Ausgang zu bekommen.“ Essen und Wein klangen hervorragend und auch war er neugierig, was Faustus ihm zu berichten hätte. “Wir könnten also versuchen, uns morgen zu treffen. Am Nachmittag oder gegen Abend?“ Zumindest hoffte er, dass ihm der Ausgang gewährt wurde, doch dürfte es eigentlich kein Problem darstellen. Seine Mitstreiter gelüstete es immerhin auch nach ein wenig Abwechslung von der Castra, was sicherlich keinem Tiro zu verdenken war. “Ich bin hier recht lange nicht heraus gekommen,“ sagte er noch und lachte dann auf. “Man könnte fast meinen, außer diesem Ort gäbe es keinen anderen mehr.“
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Er war wirklich nicht bestrebt zu unterbrechen. Aber er hatte kaum etwas von dem angeregten Gespräch mitbekommen. Da wurde er auch schon selbst angesprochen und musterte den Fremden irritiert, der sich ihm ebenfalls als ein Helvetier vorstellte und nun meinte, dass sie die einzigen Vertreter der Gens in Roma wären. Wie konnte das sein? Scaeva runzelte die Stirn. Was sollte das heißen, dass er ihn kennen lernen wollte? Wer war er überhaupt? Unverrichteter Dinge ließ er den Brief in seiner Hand erst einmal wieder sinken. Ob er Ausgang bekommen könnte?
“Ich weiß nicht,“ sagte er dann. “Meine Ausbildung wird morgen abschlosssen sein.“ An das Schwimmen im Tiber wollte er gar nicht denken. Aber das war nun auch nicht vorrangig. “Entschuldige, aber ich bin… überrascht...ich dachte… was ist denn mit Severus und...“ Er wollte gar nicht weiter sprechen, doch dachte er gar nicht wirklich nach. “Wer bist du? Ich … habe dich noch nie gesehen.“ -
Scaeva war heilfroh, nicht wieder in den Fluss zu müssen. Das Wasser war nicht gerade von der allerbesten Qualität und er meinte schon zu riechen, wie eine Alge. Vorsichtig wischte er sich ein wenig Schlamm von der Uferböschung vom Oberschenkel und liste zu seiner Tunika. Pennus hatte wahrscheinlich recht und aus ihnen würde niemals jemand werden, der gut zu Wasser leben konnte. Doch was sollte es auch. Immerhin war keiner von ihnen so recht ein Otter.
Auf Befehl zum Abmarsch hin, streifte sich Scaeva die Tunika über und legte auch den Rest der Ausrüstung an. Wasser tropfte ihm noch aus den Haaren, was eigentlich auch eine recht angenehme Erfrischung war. Dennoch musste er den Geruch unbedingt los werden. Während sie noch alle marschierten beobachtete sie ein kleiner Junge mit einem ebenso kleinen Hund. Als der Helvetier ihm zulächelte, streckte er die Zunge heraus und drehte ihm eine lange Nase. Na wunderbar. -
Scaeva merkte, wie allmählich sein Herz schneller schlug. Das Wasser im Tiber wirkte dunkel und im ersten Moment roch ein wenig nach Morast. Doch daswäre sicherlich kein Grund, um das Schwimmen ausfallen zu lassen.
“Da sollen wir rein?“, nörgelte Cinna, doch er kam mit der Meckerei nicht wirklich weit. Der Befehl war klar formuliert. Ausrüstung ablegen und hinein in diese Suppe.
Die Männer machten sich daran, ihre Ausrüstung abzulegen, wobei Scaeva ein Stein vom Herzen fiel, dass Pennus nicht so verrückt war, sie mit Lorica und allem anderen in den Fluss springen zu lassen. Er würde neben Cinna und Naso schwimmen, das hatte er sich vorgenommen, auch wenn er nicht wirklich wusste, ob die beiden dazu fähig war, den Fluss zu durchqueren.
Alles in allem tat es gut, nun auch noch ie Tunika abzulegen. Immerhin war es ein recht warmer Tag und die Sonne brannte auf sie alle herab. In Schweiß würde er heute also nicht so leicht geraten.
Nachdem er auch seine Tunika sauber zusammengelegt hatte, machte er sich mit den anderen daran zum Ufer zu gehen und einen Fuß in das Wasser zu halten. Es war warm, zumindest dem ersten Eindruck nach.“Könnt ihr schwimmen?“, wollte er dann von seinen Mitstreitern wissen.
Naso nickte und dasselbe tat auch Cinna.
Dann ging es in den Fluss. Einige der Männer planschten herum und ruderten was das Zeug hielt. Bei manchen sah es eher aus, als hätte man einen Hund ins Wasser geworfen. Einige hatten also arge Probleme, doch alles in allem half man sich. Scaeva schwamm drauf los und kämpfte gegen die Strömung an. Bei einigen Dingen, die dabei an ihm vorbei schwammen, wollte er gar nicht wissen, worum es sich eigentlich handelte. Cinna prustete und Naso schimpfte. Die anderen taten es ihnen gleich. Alles in allem aber gelangten die Männer beinahe wohlbehalten ans andere Ufer und machten sich daraufhin wieder auf den Rückweg. Tatsächlich gab es auch einige Tirones, die mehr oder weniger von ihren Mitstreitern durch das Wasser gezogen wurden. Ertrinken tat allerdings niemand. Welch ein Glück. Nach einiger Zeit standen alles triefend nass wieder vor Pennus. Es wurde gekeucht und nach Luft geschnappt, doch die Truppe war nach wie vor vollzählig.
Sollten sie noch einmal? Scaeva hätte gerne darauf verzichtet, doch das würde sich noch zeigen. -
Optio Pennus schien nicht in der schlechtesten Laune zu sein, doch war dies automatisch auch ein gutes Zeichen? Scaeva vermochte es nicht zu sagen. Gemeinsam mit der versammelten Truppe machte er sich wie befohlen ohne Tritt auf den Weg zum Tiber, wo es dann wirklich ernst werden würde.
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Tatsächlich hatte Scaeva den Abend damit verbracht den Brief an Vera zu schreiben. Dabei hatte er versucht, sie sich so gut es ging vorzustellen. Ihr liebliches Gesicht, ihre hellen, blauen Augen, das dunkelblonde, lockige Haar und ihr Lachen. Götter, ihr Lachen würde er auch weiterhin vermissen. Und auch die heimlichen Küsse, welche sie ab und zu im Lagerhaus ausgetauscht hatten. Immer wenn sie sicher waren, dass sie niemand sah. Eigentlich hatte er ihr nicht schreiben wollen. Nicht mit seiner schelchten Schrift, doch mittlerweile war er so lange von zu Hause fort, dass er doch begann sehnsuchtsvoll an sie zu denken.
Den Brief hielt er in seiner Hand und er näherte sich dem Haupttor, auf der Suche nach einem Boten. Bisher hatte er keinen ausfindig machen können und er wusste auch nicht recht, wie die Briefpost hier iim Lager gehandhabt wurde. Am besten wäre es, er würde nun seinen Stolz zurück nehmen und jemanden fragen. Also steuerte auf das Haupttor zu, dem er sich nun während seiner Suche genähert hatte, um den Wachhabenden anzusprechen. Dieser unterhielt sich gerade mit einem Fremden, der offenbar ein Besucher war. Als er nahe genug heran war sagte er: “Salve. Mein Name ist Quintus Helvetius Scaeva und ich bin auf der Suche nach einem… Boten...“ Etwas wage hob er den Brief empor, in der Hoffnung, das Gespräch nicht grundlegend zu stören. -
Auf Pennus Bemerkung hin, musste Scaeva grinsen. Es war schon ein interessanters Bild, sich vorzusteleln, wie ein schwankender, scharrender Haufen eine Bande Subversiver dazu brachte, sich tatsächlich tot zu lachen. Auch Cinna, neben dem Scaeva gegangen war, kicherte vor sich hin. Dennoch traf die Gruppe wohl geordnet vor ihrem Optio ein und erwartete weitere Anweisungen. Diese kamen in Form eines Überblicks, was sie am nächsten Tag erwarten würde. Schwimmen!
“Scheiße, ich kann nicht schwimmen,“, grunzte Cinna.
“Keine Sorge, Fett schwimmt immer oben… brauchst nur dazu rudern!“, flüsterte Naso ihm entgegen.
Scaeva selbst machte sich keine Gedanken. Er war oft im Meer schwimmen gewesen und sein Vater hatte stets Wert darauf gelegt, dass seine Söhne diese Fähigkeit beherrschten. Dennoch. Der Tiber? Wahrscheinlich strömten ihnen in diesem irgendwelche Abfälle entgegen, während sie trainierten. Doch daran wollte er noch gar nicht denken. Immerhin war das erst morgen. Nun durften sie abtreten und endlich etwas essen. Vor allem aber: trinken.Tatsächlich stellte sich an diesem Abend recht schnell so etwas wie Entspannung ein. Nach einer guten Portion Puls, in dem sogar reichlich Speck enthalten war, und einigen Bechern Posca ging es Scaeva wieder gut. Bis auf die bleischwere Müdigkeit, die sich ob des Ausbildungstages in ihm ausbreiten wollte. Doch diese würde noch warten müssen. Heute hatte er sich von den anderen ein wenig abgekapselt und saß vor Baracke und schnupperte an Veras Tuch, welches er zum Abschied von ihr erhalten hatte. Es war ihr Halstuch und es duftete – mit einiger Fantasie – auch noch ein wenig nach ihr. Seufzend nahm er sich dann etwas zum Schreiben, um einen Brief zu verfassen. Dabei war er kein guter Schreiber. Er machte Fehler über Fehler und hatte auch nicht selten Probleme damit, Buchstabenfolgen einen Sinn zu geben. Dennoch drängte es ihn an diesem Abend. Auch wenn er beileibe kein Poet war, steckte er viel Herz in seine Worte, die er am nächsten Tag gen Ostia entsenden wollte. […]
Am nächsten Morgen hatte sich die Truppe wieder um Optio Pennus versammelt, um mit dem Schimmtraining im Tiber zu beginnen. Wenigstens würden sie nicht mit Ausrüstung schimmen müssen. Oder doch? Scaeva wollte es abwarten und keine dummen Fragen stellen. Am Ende wäre man ja doch nur trotz Ausrüstung nackt und bloß und eine Blöße wollte er sich heute nicht geben.
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Gut, dann also die Hastae zwischen die Schilde. Noch einmal wurde es ungemütlich in der Formation, als die Speere gehoben wurden.
“Au! Pass doch auf du Idiot!“, zischte Cinna Naso entgegen. “Du spießt mich ja auf!“
“Glaub mir, deine Speckschicht kann das ab!“, grunzte Naso zurück und streckte nun die Hasta durch das Schilddach.
“Nun hört doch auf!“, sagte Scaeva ungeduldig. “Passt lieber auf eure Füße auf!“
Scharrend und ein wenig wankend erreichte die Formation das Ende des Platzes und die Tirones ächzten. Es war ganz schön anstrengend, das Scutum die ganze Zeit über dem Kopf zu halten und dabei noch darauf zu achten, dass die Formation nicht auseinander riss. Gut, sie sollte ja so oder so behäbig sein, doch das was sie hier geliefert hatten war so langsam voran gekrochen, dass ein Wurm im Erdreich sie glatt hätte überholen können.
Scaeva floss inzwischen der Schweiß von der Stirn und seine Tunika klebte ihm am Leib. Alles in ihm schrie nach Wasser und Hunger hatte er auch. Hoffentlich waren sie nun für heute fertig, doch das würde sich zeigen. Die Männer ließen nun die Schilde sinken und schnaubten den Rest der Anspannung heraus. Dann machte man sich auf den Weg zurück zu Optio Pennus, um herauszufinden, ob sie das Ganze noch einmal wiederholen sollten. -
Es freute Scaeva sichtlich, dass er die Aufgabe der Testudo richtig geschildert hatte. Also war es gar nicht so schlecht, einen Vater gehabt zu haben, der für das Militär gelebt hatte. Um diesen zu ehren war er selbst ja immerhin auch hier. Die Gruppe nickte zu den weiteren Worten des Optios und lauschte dann auch weiterhin gebannt. Inzwischen war der Tag auch schon recht weit fortgeschritten, sodass Scaeva froh war nach diesen nächsten Übung aus seiner Ausrüstung heraus zu kommen. Auch sein Magen knurrte mittlerweile gewaltig und die Wärme der unbarmherzigen Sonne hatte dank des eigenen Schweißes auch für ausreichend Durst gesorgt. Dennoch würde er sich mannhaft auch der nächsten Aufgabe stellen.
Vier Mann traten zusammen. In Scaevas Fall war das er selbst, Cinna, Naso und Rufus. Auch hinter ihnen wurden Vierereihen gebildet, die auch sogleich die Schilde hoben. “Was machen die Männer im Inneren der Schildkröte mit ihren Hastae, Optio Pennus?“, wollte Scaeva dann wissen, denn hinter ihm gab es einiges Gewirr diesbezüglich. Dennoch setzte sich der Trupp nun langsam und mit den Füßen scharrend in Bewegung, um das Ende des Exerzierplatzes zu erreichen. Ein Feind hätte sich bei dem Anblick wohl ins Fäustchen gelacht, doch für das erste Mal fand Scaeva selbst es gar nicht so schlimm.