Beiträge von Quintus Helvetius Scaeva

    Scaeva war überrascht, als plötzlich der Centurio auftauchte, doch im Grunde genommen war es kein Wunder. Hier war jemand eingedrungen und das war nicht gerade ein Pappenstil. Besonders nicht in dieser Zeit. Hoffentlich hatte Cinna wirklich seine Pflicht gut erfüllt am Tor, als Wächter. Immerhin gehörte er zu seinem Contubernium und sollte er seinen Dienst vernachlässigt haben, so konnte Scaeva selbst sich bereits jetzt warm anziehen. Doch nun musste er sich erst einmal auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Die Octavia versuchte sich zu erklären und zu allem Überfluss kam nun auch noch ein Tiro dazwischen, der meinte, die Frau persönlich zu kennen. Doch wie sollte das gehen? Er konnte sie ja nur von dem Einsatz her kennen, bei dem Scaeva selbst dabei gewesen war. Und dort war es schwierig gewesen, jemanden näher kennen zu lernen. Ansonsten konnte ein Tiro die Castra nicht verlassen, es sei denn, er hätte eine Ausnahmeerlaubnis. Doch das alles war nun nicht mehr wichtig, denn Centurio Mindius hatte ein Machtwort gesprochen. “Jawohl, Centurio!“, ließ Scaeva im Chor mit seinen Kameraden verlauten. Globulus zog der Octavia am Arm, ohne besondere Rücksicht auf blaue Flecke zu nehmen, während Scaeva und ein weiterer Miles sich um den Tiro kümmerten. Globulus machte sich auf den Weg in Richtung Carcer, wo die Octavia vorerst verschwand. Der Tiro wurde hinaus geschleppt.

    Scaevas Miene verdüsterte sich noch einmal um eine Spur. Welcher Wachhabende würde ohne vorher Meldung zu machen jemanden einfach so in die Castra lassen? Sie lebten dieser Tage in unsicheren Zeiten. Die Stadt war nicht gesichert und aufgewühlt und keine vernüftige Frau, die nichts mit dem Aufstand zu tun hatte, würde sich allein durch die Straßen und Gassen wagen. Die anderen Milites schlossen nun zu Scaeva auf und rückten dicht an die Octavia heran. Auch in ihren Gesichtern stand geschrieben, dass sie die Situation nicht auf die leichte Schulter nahmen. “Ist am Tor jemand gewesen? Wer hat gerade Dienst?“, wollte Scaeva dann wissen. “Dein Freund Cinna auf jeden Fall,“ grunzte ein breitschultriger Legionär namens Volteius Globulus und packte die Frau ein wenig rüde am Arm, um sie mit sich zu ziehen, doch Scaeva hielt ihn noch einen Moment auf. “Sag, war dein Knöchel nicht verletzt?“, wollte er dann von der Octavia wissen. Dann fiel ihm noch etwas ein: “Bist du allein oder in Begleitung?“ Es war klar, dass die Octavia sich nach ihrem Eindringen und dieser Aussage, dass sie eigentlich noch verletzt hätte sein müssen, verdächtig gemacht hatte. “Wir behalten sie hier,“ erklärte Globulus nun gewissenhaft. “So lange, bis wir mit den Wachhabenden gesprochen haben.“ Scaeva nickte entschlossen, auch wenn er wusste, dass es sich um eine Verwandte des Optios handelte. So waren nun einmal die Regeln und an diese würden sie sich halten.

    Scaeva hatte sich umgehend auf den Weg gemacht, eine junge Frau zu verfolgen, die ohne die Porta der Castra zu passieren auf dem Gelände aufgetaucht war. Kameraden hatten ihm zugerufen, sie zu verfolgen, da er zu diesem Zeitpunkt dem Eindringling am Nächsten gestanden hatte. Immerhin hatten sie hier viele Gefangene von dem AUfstand vor Ort, die hätten entflohen sein können. Nun war er durch die Gänge geeilt und musste feststellen, dass sie an der Tür des Officiums von Octavius Maro klopfte. Was wollte sie denn bloß hier? “HE!“, rief er schon lautstark von Weitem. “Wie bist du in die Castra gekommen und was….“ Dann hielt er inne, denn er erkannte sie sogleich. Es war die am Knöchel verletzte junge Frau, welche der Trupp in die Villa des Flavius Scato begleitet hatten. Scaeva stutze. War sie nicht eine Octavia? Aber nichts desto trotz: “Du musst dich anmelden, wenn du hier hereinkommen möchtest,“ erklärte er dann aber noch immer entrüstet. Es ging doch nicht, dass hier jeder ein und ausging wie er wollte. “Bist du über die Mauer geklettert?“ Normalerweise war das in der trutzigen Festung in der sie lebten gar nicht möglich. Er blieb vor der jungen Frau stehen und schaute ihr streng entgegen. Hinter ihm hörte er den Trupp seiner Kameraden poltern, die auch schon gleich darauf im Gang erschienen.

    Ein sehr unangenehmes Gefühl kroch Scaeva über den Rücken, als die Frau, Helena, meinte, dass es der Widder der Helvetier gewesen sei, den die Amazone im Nacken trug. Ersteinmal musste er kräftig durchatmen, wobei er seine Hand wieder zu sich zog und auf das Siegel schaute. Es war der Ring seines Vaters, den er seit dessen Tod bei sich trug. Eine Mörderin, die aus dem Hause eines Helvetiers entlaufen oder enflohen war? Vorsichtig schaute der Urbaner zu seinem Optio hinüber. Sollte er gleich hier etwas dazu sagen? Nein, besser nicht. Entschlossen steckte er sich den Ring wieder an den Finger. Optio Maro würde sich seinen Teil denken können. “Geh!“, zischte er dann der Frau entgegen und machte sich nun bereit, gemeinsam mit dem Optio in die Castra zurück zu kehren. Sie würden auf dem Weg reden können, oder wenn sie angekommen waren. Oder am besten gar nicht. So wäre es ihm am liebsten.

    Für Scaeva, der dicht an dicht mit seinen Kameraden stand, war es schwer in irgendeiner Weise einen Überblick darüber zu behalten, was über ihnen auf den Dächern vor sich ging. Doch er brauchte es gar nicht sehen, denn es wurde ihn an den Erschütterungen auf dem Schild und an den Scherben, die dazwischen hindurch auf den Boden krachten, erkennen. Die verfluchten Aufständischen bewarfen sie noch immer und sie würden gewiss nicht damit aufhören. Das Fluchen des Optios war nicht zu überhören, während die Männer noch immer mit vorgeschobenem Gladius versuchten, sich den Weg frei zu kämpfen und sich ihrer Haut zu erwehren. Immer wieder stürzten diese Bastarde nach vorn und atackierten sie mit allen möglichen Gegenständen, doch eine geordnete Disziplin hatten sie nicht vorzuweisen. Sie kämpften wie Bauern mit Forken und Knüpplen. Einer hatte sogar nur eine Peitsche dabei, doch Scaeva hatte keine Zeit sich darüber zu wundern, denn er war mitten im Getümmel und alsbald schon ziemlich weit vorn. Das Ende der Gasse war schon in Sicht, als Optio Maro befahl, dass die Männer sich lösen und eine geschlossene Linie bilden sollten. Doch wie sollte das nur gehen in dieser engen Gasse. Mit sehr viel Mühe passten vielleicht drei Personen nebeneinander, von den ausladenden Schilden gar nicht zu sprechen. Da er selbst vorn war, nahm er sein Schild herunter und duckte sich dahinter, voll und ganz darauf vertrauend, dass seine Kameraden ihre Scuta noch immer über ihren Köpfen hatten, damit er sich nun nicht für den Feind entblößte und ihn womöglich doch noch ein Pfeil oder etwas anderes traf. Drei Soldaten standen nun nebeneinander, als sich Optio Maro noch zwischen sie drängte, dann schritten die Männer vor. Die Schwerter nach vorn gestreckt und durch die Schilde gesichertet, mühten sie sich, die aufständischen Sklaven abzudrängen.


    Wieder stach Scaevas Schwert in einen Leib und wurde mit Blut besudelt. Gurgelnd ging der Mann zu Boden. Überall in der Gasse lagen die Toten und die Urbaner mussten über sie hinüber steigen, was sich als nicht ganz so einfach darstellte. Der mit Unrat übersähte Boden, der nun auch noch mit Blut aufgeschwemmt war, tat sein übriges. Scaeva schnaufte vor Aufregung und vor Anspannung. Am liebsten hätte er seinen Gladius nach einem der Aufrührer geschleudert, doch das war schwer möglich. Hätte er doch nur drei oder mehr Arme. Ganz allein würde diese Hunde bewzingen! Sie wichen zurück, stürzten schließlich gänzlich aus der Gasse heraus, doch sie hatten noch nicht aufgegeben, wie er feststellen musste. Tongefäße zerbrachen und Scaeva hielt den Atem an, als nun auch noch das reichlich ausgelaufene Öl entzündet wurde. Es gab nun kein nach vorn mehr und seine kleine Reihe kam zum Stillstand. Alle blickten sich gegenseitig entgegen. Das Rufen aus der hinteren Reihe seiner Kameraden machte deutlich, dass es ihnen nicht besser erging. Es gab also auch kein Zurück mehr. “Bona Dea!“, stieß Scava aus. Unruhe machte sich unter den Soldaten breit. Hastig schaute Scaeva sich um, doch es gab keine Fluchtmöglichkeit. Keine bis auf…. “Die Häuser, Optio! Sollen wir hinein?“ Zwar leckten die ersten Flammen auch schon an ihnen und es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis sie völlig in Flammen standen, doch vielleicht gab es einen Hinterausgang oder irgendeine Möglichkeit, dem Feuer zu entkommen. Mit einem Ausdruck fragender Verzweiflung schaute er Optio Maro entgegen. Die Frau, welche sich hinter dem Trupp herumtrieb, hatte Scaeva nicht gesehen, da ihm seine Kameraden und Schilde die Sicht zurück versperrten. Nur ihren Ruf hatte er gehört. Eine Frauenstimme also. War das die Aufständlerin, welche für diese vielen Toten, schon vor dem Aufstand verantwortlich war? Eine Entlaufene aus ihrem Hause? Hass quoll in Scaeva hervor und er hoffte, dass diese Frau schon bald die Ratten fressen würden, obwohl diese noch viel zu gut für sie waren!

    Scaeva notierte das Aussehen der Frau. 1,70m war für eine Frau nicht sonderlich klein und außerdem sollte sie trainiert sein. Er machte sich eine Randnotiz und schaute seinem Optio entgegen, der wohl gerade seine Befragung abgeschlossen hatte. Dieser stellte dann auch sogleich die Frage nach der Bekleidung, nachdem er zu ihnen gekommen war. Vielleicht brauchten sie die Zeugin wirklich nicht mit in die Castra nehmen, denn immerhin schien sie sehr gesprächig zu sein und nun ihr sämtliche Wissen preisgegeben zu haben. Aber man konnte ja nie wissen. Oder versuchte sie nur sie in die Irre zu führen und machte mit der nunmehr Gesuchten gemeinsame Sache? Wie auch immer es war. Die merkwürdige Frau, welche die Zeugin beschrieb sollte eine Sklavin sein. Welche Sklavin aber war schon trainiert, sodass es einem jedem auf den ersten Blick auffiel? Viele Möglichkeiten gab es da nicht und bestimmt würden sie mit dieser Information bei der Suche auch voran kommen. Als dann allerdings ein Brandzeichen erwähnt wurde, horchte Scaeva auf. Ein komisches Tier mit geschwungenen Hörnern? Fieberhaft überlegte er, welche Gens wohl so ein Wappentier sein eigen nannte, bis es ihm wie Schuppen von den Augen fiel und er seinen Mund in angespannter Überraschung öffnete. Konnte es sein? Er betrachtete sich seinen eigenen metallenen Siegelring, der dabei flüchtig in der Sonner schimmerte und einen eingravierten Widderkopf mit geschwungenen Hörnern zur Schau trug. Wieder schaute Scaeva dem Optio entgegen und nickte schließlich. “Ich habe noch eine Frage, Optio,“ erklärte er dann und zog sich den Ring ab, um ihn mit spitzen Fingern der Zeugin entgegen zu halten. “Hat das Zeichen im Nacken dieser Tochter des Mars ungefähr so ausgesehen?“, wollte er wissen. Inständig hoffte er, dass dem nicht so war. Das durfte einfach nicht sein!

    Nachdem sie den Aedil abgeliefert hatten, ging es auch schon weiter. Quer durch die Straßen und Gassen, in denen ihnen immer wieder aufgewühlte Menschen begegnet waren. Die wildesten Gerüchte kursierten, von denen sich einige zu handfesten Tatsachen verdichteten. Villen standen in Flammen oder wurden ausgeraubt, Bürger, Peregrine und Sklaven wurden ermordet und auch die Soldaten rund um den Optio waren gewiss nicht sicher. Nun ging es in eine Häuserschlucht hinein.


    Vorsichtig spähte Scaeva zu den Dächern, denn immerhin hatten von solchen die ersten Angriffe bei dem Amphitheater stattgefunden. Fast nervös lenkte er seine Schritte. Soetwas wie hier hatte er noch nie in seinem Leben erlebt. Zwar hatten seine Eltern immer wieder von Aufständen erzählt, insbesondere dem von Spartacus, doch bisher hatte er es zu seinem Leidwesen nicht für bare Münze genommen. Nun musste er feststellen, dass er mittdrin und ein potentielle Ziel war, was seine Wut auf die Aufständischen anheizte. Was dachten sie sich nur dabei? Wie konnten sie so vermessen sein, brandschatzen und morden? Und nun? Nun waren sie hier in einer Gasse und sollten sie tatsächlich angegriffen werden, so waren sie hier am verwundbarsten. Schnell würde man sie einkesselt haben. Dann waren da noch die Dächer. Immer wieder spähte Scaeva hinauf und flüchtig stricht er mit einer Hand über das Amulett, welches er um den Hals trug. Mit Sicherheit würde es ihm Glück bringen.


    Wie es aussah hatte er ein solches auch bitter nötig, denn kaum war der gesamte Trupp in der Gasse verschwunden, ertönte ein Pfiff. Zunächst hatte Scaeva gedacht, er hätte sich getäsucht, doch keinen Moment später prasselte es von den Dächern auf sie nieder. Pfeile, Ziegel und Steine waren es und die Soldaten rissen ihre Schilde in die Höhe und rückten instinktiv näher zusammen, um den Angreff noch besser abschirmen zu können. “Verdammt!“, schnauzte Scaeva seinem Nebenmann entgegen. “Halt den Schild höher!“ Doch das was leichter gesagt als getan. Schwere Ziegel schlugen auf dem Holz und machten es den Männern schwerer, ihr Schilddach auch weiterhin auszubalancieren. Einigen Männern gelang es nicht und schon wurde der erste von einem Pfeil durchbohrt.


    Dann kamen die Angreifer auch noch von den Seiten. Scaeva schaute ihnen mit Grausen entgegen, doch es war nur eine wilde Horde mit allerlei Utensil, mit dem man jemanden niederringen und töten konnte. Obwohl der Angriff nicht so koordiniert war, wie es bei der Legion der Fall gewesen wäre, befanden sich die Soldaten nun in der Zwickmühle. Scaeva erkannte die Taktik dahinter. Er konnte sein Schild nicht zur Abwehr senken, denn sonst würde er von Steinen und Pfeilen vom Dach getroffen. Hastig zog er sein Schwert und streckte den Arm so weit aus, dass die Klinge gerade so unter dem Schild hervor lugte. Dazu stellte er fest, dass er wohl zum ersten Mal in seinem Leben berechtigte Angst um sein Leben hatte, während Knüppel und Schwertstreiche sie erreichten. Einer der Kameraden starb unter einer Klinge, nachdem er aus dem Gruppe herausgezerrt worden war. Doch die Soldaten wehrten sich. Ein schlaksiger junger Bursche kam in Scaevas Blickfeld. Er war mit einer Stange und einem schartigen Messer bewaffnet. Mit einigem Schwung versuchte er, die Stange gegen Scaeva zu stoßen, doch dieser wehrte den Hieb mit seinem Gladius ab, wagte zusätzlich einen großen Ausfallschritt und rammte seine Klinge schließlich in die Magendgegend des windigen Burschen. Er spürte, wie das Schwert in das Fleisch trieb und es war nicht einmal sonderlich schwer gewesen. Sein erster selbstverschuldetet Toter. Scaeva hielt einen winzgen Moment inne und schaute dem jungen Mann in die Augen, die sich nun nach oben rollten, ehe er in die Knie brach. Dann zog er sich wieder in den zweifelhaften Schutz der Mannschaft zurück und kämpfte weiter so gut es mit dem erhobenen Schild eben ging.

    Offenbar hatte er die richtige Frau erwischt. Das bestätigte nicht nur einer der Anwesenden, sondern auch die Verzagheit der Dame, die sich nun als Helena vorstellte und die in der Subura wohnte. Scaeva hörte aufmerksam zu und machte sich weitere Notizen. Angeblich sei sie von diesen Männern angegriffen worden und sie wurde gerettet. “Tochter des Mars?“ Der Soldat schaute von seiner Wachstafel auf und zog eine Augenbraue empor. Also war es eine Frau gewesen, die dieses Blutbad angerichtet hatte. Aber noch war das nicht sicher. “Hat sie die Männer getötet?“, wollte er dann wissen. Wenn ja, dann müsste es ja eine arge Amazone gewesen sein, von der man in Märchenbüchern immer mal wieder las. “Wie sieht sie aus, wo kommt sie her? Wie heißt sie?“, frage Scaeva ungeduldig. Wahrscheinlich wäre es wirklich besser, Helena einfach mitzunehmen, immerhin war sie eine wichtige Zeugin. Er schaute zu seinem Optio hinüber, denn allein würde er das nicht entscheiden können.

    Sie waren also angekommen und es hatte auch keine Zwischenfälle gegeben. Scaeva war für den Aedil sehr froh. Nun hätten sie noch einiges in Rom zu tun und er hoffte nicht, dass er zu denjenigen gehören würde, die die Villa bewachen sollten. In der Stadt herrschte das Chaos und er würde sehr gerne mit dabei sein, wenn es bekämpft wurde. Zum Glück fiel dieses Los aber nicht an ihn und er würde mit der Truppe zurück zu den Orten des Geschehens gelangen.

    Wie befohlen fand Scaeva sich beim Aedil Flavius Scato ein, damit wir ihn nun heim geleiten konnten. Noch immer versuchte er seine Augen überall zu haben, denn wie es aussah würde es noch eine ganze Weile dauern, bis die Gassen wieder sicher waren. Der Tiro unterdessen ging weiterhin der Dame mit dem verstauchten Knöchel zur Hand, damit sie ihren Weg nach Hause finden konnte.

    Taverne oder Lupanar. Scaeva holte tief Luft und seufzte einmal geräuschlos. Dann schaute er zu Maro hinüber, der auch noch mit seiner Befragung beschäftigt war. Aber seine Aufmerksamkeit war schnell wieder bei dem Mann und seiner Kumpane. Man konnte sich hier also auch Kämpfe ansehen? Seine Augenbrauen hoben sich in Erstaunen. Das hatte er bisher noch nicht gewusst. Wahrscheinlich waren diese allesamt illegal und es wurde dabei gewettet. Aber das galt es später nachzuforschen. Deshalb notierte er sich auch diese Information und hob dann den Kopf, als der Mann mitten in seinen Ausführungen stoppte. Scaevas Blicke zuckten zu der nun erschienen Frau hinüber, auf welche sein Zeuge deutete. Die Bedienung aus der Taverne? Offenbar wollte sie nicht unbedingt gesehen werden, doch nun war es zu spät. “HEDA! DU!“, brüllte er drauf los und setzte sich zeitgleich in Bewegung, um den Frau den Weg zu versperren. “Bleib stehen! Ich habe einige Fragen an dich!“ Er zeigte auf die drei Toten. “Wie ist dein Name? In welcher Taverne arbeitest du? Wo wohnst du und was kannst du mir von der Nacht, in der die drei Männer starben erzählen? Hast du jemanden gesehen? Warum hast du geschrien?“ Seine Fragen prasselten geradezu auf die Frau ein und wieder blickte er flüchtig zu seinem Optio. Scaeva würde dringend lernen müssen, wie man bei Mordfällen richtig vor ging, doch bisher war ihm ja auch keiner untergekommen. Doch nun hoffte er, dass die Zeugin mit der Sprache heraus rückte. Zur Not würde er Optio Maro fragen, ob sie sie nicht einfach mitnehmen konnten.

    Natürlich reagierte der Optio auf seinen Einwand ungehalten, doch er hatte auch gar nichts anderes erwartet. Flüchtig schweifte sein Blick wieder über die Dächer. Die Schützen schienen verschwunden zu sein. Zumindest schossen sie keine Pfeile mehr ab. Doch die Rauchsäulen warne noch da. Häuser brannten und es war nur zu hoffen, dass das Feuer nicht um sich greifen würde. Sonst würde Rom brennen wie ein Haufen Zunder. Nun beeilte Scaeva sich, den Schild noch immer erhoben und mit dem Schwert in der Hand. Es würde wohl nicht zu ändern sein, dass sie nun versuchen würde, die Straßen zu blockieren. Dieselben Straßen, welche die Menschen zur Flücht nutzen wollten? Immer mehr strömten nun aus der Arena heraus und versuchten so schnell wie möglich in eine vermeindliche Sicherheit zu gelangen. Er konnte sich auch gut vorstellen, dass es einige nun schier nach Hause treiben würde, das sie sehen wollten, ob es vielleicht ihr Heim war, was brannte. Die Rauchsäulen ließen sich ja immerhin nicht verbergen. Wie sollten sie nur diese Massen aufhalten?


    Gemeinsam mit den anderen erreichte Scaeva den befohlenen Ort und bezog Aufstellung. Nun sollten sie also die Flüchtenden aufhalten und sich gleichzeitig gegen eine Attacke wappnen. Scaeva atmete tief durch und ließ das mulmige Gefühl, welches ihn beschleichen wollte nicht die Oberhand gewinnen. Das alles hier sah sehr organisiert aus und bestimmt waren es die gleichen Täter, welche die bereits hundertfach wahllos in der Stadt gemordet hatten und obendrein ihre Aufrufe auf die Wände gebracht hatten. Natürlich! Das Heer der Sklaven sollte erwachen und nun war es geschehen. Eine Katastrophe, die alle nicht hatten anrollen sehen. “Verdammt!“, zischte Scaeva durch seine zusammengebissenen Zähne und machte sich bereit, die ersten, die sie erreichten abzuweisen, was gar nicht so einfach war. Wieder linste er zu den Dächern empor und er konnte nur hoffen, dass der Beschuss nicht wieder log ging. Sie würden fallen wie hingeworfene Strohsäcke.


    Zum Glück kam aber schon die Verstärkung, welche sich wohl unter den Befehlen des neuen Tribuns verteilte. Bei der Reihe, in welcher Scaeva stand, scherte nun der Tiro Cerretanus aus, während alle anderen ihre Mühe hatten, den Ansturm aus dem Amphitheater unter Kontrolle zu bringen. Was tat er da? Näheres konnte Scaeva nicht erkennen, denn seine Aufmerksamkeit war schnell wieder bei seiner Aufgabe. Doch so viel wie er gesehen hatte, war die Frau, der Cerretanus half nicht lebensgefährlich verletzt und war bisher mehr oder weniger mit dem Schrecken davon gekommen. Andere hatte es schlimmer erwischt. Sie lagen tot auf dem Pflaster, waren erstochen oder von Pfeilen getroffen wurden, wenn man sie nicht gerade niedergetrampelt hatte. Die Täter allerdings waren bestimmt schon über alle Berge, wenn man nicht Glück hatte und auf den Dächern doch noch einen dieser Verbrecher erwischte. Scaeva schätzte diese Chance nicht hoch ein, doch wer konnte es schon wissen? Inzwischen strömten immer mehr Flüchtende, die wohl mitbkommen hatten, dass der Beschuss aufgehört hatte, gegen sie an und es brauchte schon die ganze Kraft, um standhaft zu bleiben.

    Scaeva nickte und notierte: Hure Mona, Frau lif aufgelösst an ihr vorbei, Götin hätte sie beschützt, fant die drei Mäner, Frau sei Bedinung in einer Tawerne drei Strasen weiter, trefe Mona nachmittags in irem Zimmer 5 Querstrasen von dem Funtort…..“ Der Soldat hatte gar nicht bemerkt, dass er beim Schreiben seine Zunge in einen Mundwinkel geschioben hatte. Dabei konnte er nur hoffen, dass er seine Schrift hinterher auch noch entziffern konnte. Von den Fehlern ganz zu schweigen. Noch nie war er der Held der Schrift gewesen. Dabei lag es gar nicht an mangelnder Intelligenz. Er konnte es nur einfach nicht. Zum Glück hatte er aber auch ein gutes Gedächtnis, welches ih wohl noch zu Gute kommen könnte. “Gut,“ sagte er dann. Er würde dem Optio mitteilen, dass sie diese ;Mona aufsuchen mussten, denn offenbar war sie soetwass wie eine Augenzeugin. Schließlich allerdings kratzte er sich mit dem Stylus hinter dem Ohr und schaute noch einmal zu den Leichen. Dann notierte er noch etwas: “Becker, Mamercus Tuscenius Tutor, der Fleischer Volusus Cincius Vespillo, Numerius Foslius Voranus.“ Das waren zumindest die Namen und Berufe, die er aufgeschnappt hatte. Sie würden deren Familien informieren müssen und nachfragen, ob diese drei Männer vielleicht nicht doch einige Feinde hatten. Obwohl solche in der Subura nicht unbedingt vonnöten waren, wenn man sich des Nachts herum trieb. Scaeva brauchte sich im Grunde nicht fragen, was Menschen zu später Stunde überhaupt hierher trieb. Es waren meistens Tavernen und Huren. Also wären sie bei deiser Mona gar nicht so falsch.
    “Optio, wir sollten die Hure Mona befragen,“ wendete er sich dann den Octavier und zu dem Befragten gewendet sagre er: “Gibt es noch irgendetwas, was du gesehen oder auch nur gehörst hast?“ Scaeva schaute auch auf die Kumpane. “Oder ihr vielleicht? Irgendetwas Auffälliges, irgendwelche Gerüchte?“ Innerlich seufzte er. Die Befragung sollte er dringend noch einmal üben, doch es war sein erster Fall und er wusste nicht recht, wie er es angehehen sollte. “Gibt es noch irgendjemanden, der sich hier gerne nachts herum treibt? Zu welchen Orten könnte man zu diesen Stunden gehen, wenn man etwas Abwechslung sucht?“

    ‚Wacht auf, Verdammte dieser Erde! Heer der Sklaven, wache auf!‘ Diese geschriebenen Worte kreisten noch in seinem Kopf herum, auch wenn er nun seine Blicke eher auf die Menschenmasse gerichtet hatte, die in Panik geraten war und auf die Ausgänge zuhielt. Es wurde gedrängelt und gerschoben und es blieb nicht aus, dass einige zu Boden gingen. Hastige Füße traten diese Unseligen nun obendrein nieder. Es war ein heilloses Durcheinander, doch Scaeva hielt den Schild fest und versuchte seine Augen überall zu haben, ohne fahrig oder zu hastig zu werden. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust, denn das hier sah nach etws sehr Großem aus. Waren nicht immerhin diese und ähnliche Schmiererein überall in Rom aufgetaucht, nachdem die ersten Leichen mit einem Siegelring im Hals entdeckt worden waren? Danach folgten noch zig Leichen mehr. Dann hing also alles miteinander zusammen? “OPTIO!?, rief Scaeva, doch der Gerufene hörte ihn nicht. Immer weiter schoben sie sich selbst zu einem der Ausgänge vor und man konnte durch die eingelassenen Bögen in den Mauern deutlich Rauchschwaden erkennen, die hier und da in der Stadt aufstiegen. Das konnte doch nicht sein! Scaevas Augen weiteten sich in Fassungslosigkeit und er musste schlucken. Die Menschen drängten sich ebenfalls dorthin, bis die ersten niedergestreckt zu Boden gingen. Pfeile! Auch einige der Kameraden hatte es erwischt und sie fielen schreiend nieder. Scaeva hielt sein Schild weiter empor, um vor diesem Angriff leidlich sicher zu sein, doch nun drängten die Menschen an den Ausgängen kreischend zurück, um den Geschossen zu entgehen, während von Innen die anderen nach vorn schoben, da sie hinaus wollen. Die Panik schwoll nun noch mehr an.


    Die Menge kreischte wie aus einer Kehle. Dann erfolgte der Befehl des Optios und Scaeva und seine Kameraden rissen die Schilde empor. Sie zogen ihre Schwerter und spähten in alle Richtungen, aus denen die Pfeile kamen. Die Aufständischen mussten auf den Dächern sitzen und tatsächlich war es auch so. Cerretanus wurde in die Castra entsandt und er eilte so schnell es ging auch schon davon. “Mars! Mars! Mars!“, murmelte er hervor und er dachte flüchtig an das Amulett, welches er unter der Rüstung trug. Er konnte nur hoffen, dass es ihm Glück bringen würde. Plötzlich stoppte der Pfeilregen und die herausdrängenden Besucher schoben jene, die zurück wollten immer weiter vor. Letzten Endes wagten einige die Flucht. Rufend und schreiend suchten sie ihr Heil. In wilder Jagd rannten sie über die Straßen und suchten ihr Glück in den kleineren Gassen. “Sie wollen Rom anzünden!“, sagte Scaeva mit bebender Stimme, doch er fasste sich schnell wieder. Noch immer standen die Rauchsäulen in der Luft. Ohne Verstärnkung würden sie hier nichts ausrichten können. Sie waren einfach zu wenige. Dann stoppte der Pfeilhagel plötzlich, doch vorsichtshalber behielt Scaeva seinen Schild noch einen Moment oben.


    Wie sollten sie nur alle Ausgänge unter ihre Kontrolle bekommen? Vielleicht ging ja der Beschuss an einem anderen Ort weiter? Einige versprengte Soldaten stießen nun zu ihenen, doch es war kein Befehlshaber zu entdecken. Wo waren sie? Nun sollten die Verwundeten von einigen beschützt werden, doch am besten wäre es wohl, wenn man diese an die Seite schaffte, damit sie nicht noch tot getrampelt wurden. Schließlich hörte Scaeva den nächsten Befehl. Sie sollten in die Richtung, aus der der Beschuss kam und die Straßen blockieren? “Aber…,“ entkam es ihm verwirrt. “OPTIO!“, brüllte Scaeva wieder und ging zügig vorwärts. Er wollte bestimmt keine Befehle verweigern, doch handelte er nun schnell, als er vielleicht überlegen konnte. “Der Beschuss kam aus allen Richtungen! Wohin sollen wir denn? Wir sind nicht genug Männer, um all diese Straßen zu blockieren. Vielleicht sollten wir besser auf Verstärkung warten und sehen, dass nicht noch mehr Menschen zu Schaden kommen!“ Nun war er bestimmt zu weit gegangen, doch wenn sie nun in die Straßen gehen würden, würden sie sich nur noch mehr aufreiben.

    [...] So kam er also doch noch zu den Spielen. Nur eben anders als er erwartet hatte. Den Weg von der Castra hierher hatten sie im Laufschritt absolviert und er war froh über das viele Training während der Grundausbildung. Vielleicht wäre es ein Vorgeschmack auf die vielen Schlachten, die noch geschlagen werden wollten. Wie befohlen ging es, nachdem sie angekommen waren, im Gleichschritt voran und man konnte schon die Panik erkennen, die die Massen erreicht hatte. Viele versuchten die Ränge zu verlassen und aus dem Gebäude zu gelangen. Scaeva schaute sich um und bei genauerem Hinsehen, erkannte er auch die Wand, an welche eine Botschaft geschmiert war: ‚Wacht auf, Verdammte dieser Erde! Heer der Sklaven, wache auf!‘. Sollte das wirklich bedeuten, dass ein Aufstand im vollen Gange war? Und wie sollte man die Sklaven von ihren Besitzern unterscheiden? Gekämpft wurde hier jedenfalls nicht, zumindest sah es nicht so aus. Mit den Schilden feste im Griff, bahnte sich die Truppe ihren Weg. Hoffentlich würden bald weitere Einheiten eintreffen. Scaeva und der Rest der Truppe wartete nun auf den nächten Befehl, einsatzbereit und wachsam. Dabei war der Helvetier immer wieder versucht, nach seinem Gladius zu greifen, doch der Optio hatte natürlich recht. Wahrscheinlich würde ein solches Vorgehen nur noch für mehr Unruhe sorgen.

    “Volle Ausrüstung, jawohl!“, bestätigte Scaeva auch sogleich, der seinem Vorgesetzten im Laufschritt folgte. Die Männer, die alle Bereitschaft hatten waren schnell aufgelesen und hatten sich in voller Montur mit ihnen auf den Weg begeben. Scaeva war gespannt, was sie nun erwarten würde. Dies war nun nach den Nachforschungen in der Subura sein zweiter Einsatz und er musste gestehen, dass dieser noch brisanter war als der Erste. Was, wenn es wirklich einen Sklavenaufstand gab? Das wäre eine Katastrophe, der man nur schwer Einhalt gebieten konnte. So schnell es ging folgte er deshalb weiterhin seinem Optio in Richtung der Spiele.

    “Ja, ich kann mich glücklich schätzen noch immer meine Mutter zu haben. Leider ist der Kontakt zu meinem verbliebenen Bruder vollkommen abgebrochen. Ich könnte nicht einmal sagen, wo er sich jetzt genau befindet.“ Scaeva konnte nur hoffen, dass es ihm gut ging, doch viel Zeit um über ihn nachzudenken hatte er nicht. Dann hob er seinen Becher. “Auf Rom! Den Kaiser! Und uns!“, prostete er dann seinem Verwandten zu und trank einen guten Schluck. Es schmeckte gut und vor allem nach mehr, aber dennoch setzte er erst einmal seinen Becher wieder ab. Er hatte nicht vor sich zu betrinken, obwohl es eigentlich ja an diesem Abend gleich zwei Gründe zum Feiern gab. Aber der Abend war ja auch noch jung genug und wer konnte schon wissen, was er noch bringen würde. Es war interessant, dass Faustus auch auf dem Land aufgewachsen war. “Es tut mir leid, dass du auch so viele Verluste erlitten hast. Es ist niemals einfach Mitglieder der Familie zu verlieren.“ Auch er selbst dachte noch oft mit Wehmut an Vater und Brüder, doch er hatte es sich abgewöhnt übermäßgi zu trauern. Das brachte niemanden zurück und hielt einen nur vom Leben ab. “Ich habe auch viel über den Betrieb gelernt. Wir bauen Oliven an und ein wenig Getreide für den Hausgebrauch. Vielleicht können wir das eines Tages noch ausbauen. Nur an mir ist kein Landwirt verloren gegangen. Ich wollte schon immer in die Legion, so lange ich denken kann. Mein Vater war immer mein Vorbild.“ Nun lächelte er und schaute zu dem Tresen hinüber, hinter dem einiges an Arbeit vonstatten ging. Auf die Wurst freute er sich schon. “Vielleicht werde ich auch eines Tages eine eigene Sklavin haben, doch im Moment wird es noch für eine ganze Weile heißen: ‚Selbst ist der Mann‘. Aber dafür brauche ich mich auch nicht um eine Wohnung zu sorgen und so lange mein Sold noch ausgezahlt wird, geht es mir recht gut. Die Grundausbildung war zwar anstrengend und das Soldatenleben wird es sicherlich auch, aber ich freue mich schon sehr darauf.“ Dann trank er doch noch einen Schluck und blickte Faustus fragend entgegen. “Was sind deine Aufgaben als Liktor?“, wollte er dann wissen. “Als Scriba würde ich mich nicht eignen. Meine Schrift ist eine Katastrophe.“ Scaeva lächelte verlegen. “Aber ich denke mal, das ist einfach nur eine Übungssache. In Ostia hatten wir auch einen fähigen Verwalter, der das alles für mich übernommen hat. Ich könnte mir ein Leben zwischen Schrftstücken einfach nicht denken.“