Beiträge von Selnya

    Ich hielt sie fest und mich damit auch. Umklammerte sie und weinte. Erst mit der Zeit beruhigte ich mich und sah schluchzend zu ihr auf.
    "Ich danke Dir," kam es halberstickt. "Von nun an, bist Du noch mehr meine Familie, als Du es sowieso schon warst."
    Und dann fiel mir siedendheiss ihr Rücken ein, zumal sie mich halbnackt in ihren Armen hielt.
    "Der Verband..."

    "Verlass mich nicht, nie, bitte," flüsterte ich noch einmal und dann endlich, endlich begannen meine Schultern zu beben und die Tränen zu fliessen. Leise Schluchzer drangen über meine Lippen und ich begann um meine geliebte Familie zu trauern. Mein Mann, meine Söhne, meine Geschwister, alle.
    Ich weinte und klammerte mich an ihr fest, so als würde ich sie niemals mehr loslassen wollen. Und ihre Gegenwart war das einzige, was mich trösten konnte.

    Ich verkrampfte in ihren Armen und mein Gesicht war so bleich, dass man denken konnte, ich sei ohne Blut. Eine Weile saß ich starr so, rührte mich nicht und atmetete kaum. Plötzlich taten mir alle Wunden, die ich seit meiner Gefangennahme erhalten hatte, weh, unendlich weh.
    Dann, nach einer Weile sagte ich leise.
    "Ich hab es geahnt. Als ich die Scherbe fand, als ich es getan hab, irgendwie wusste ich es da."
    Meine Schultern zitterten leicht, aber ich konnte keine Träne vergiessen, nicht im Moment.
    "Nun hab ich nur noch Dich," sagte ich tonlos. "Bitte verlass Du mich nicht auch noch!"

    "Von wessen Tod? Rede doch!"
    Alle Müdigkeit und Erschöpfung war verschwunden, mit einem Schlag, als ich ihren Blick sah und mit jeder Minute breitete sich eine Gewissheit in mir aus. Mein Gesicht wurde blasser als es so schon war. Ich sah starr geradeaus und ging wie mechanisch zu ihr.
    "Meine Familie...," kam es heiser über meine Lippen.

    Ich sah sie, mit leicht müden Augen an und lächelte ebenso. Dann nahm ich den Beutel und kramte drin, konnte aber den Verband nicht finden.
    "Kannst Du mal nachsehen?" Fragte ich sanft. "Ich finde ihn nicht."

    Ich hielt inne beim Reinigen der Wunden. Sah auf den Rücken und sah mich wieder auf der Veranda. Leise seufzte ich.
    "Ich bin etwas müde."
    Vorsichtig säuberte ich den Rest und sah dabei die Scherbe vor meinem Auge. Ich schüttelte den Kopf und sah mich nach dem Beutel um.
    "Hast Du den Beutel mit den Ersatzkleidern? Da müsste noch eine Binde sein. Ich werde diese hier auswaschen und zum Trocknen aufhängen, dann sind sie am Abend trocken."

    "Da gibt es nichts mehr zu verarzten. Es sind nur noch Narben."
    Und Erschöpfungszustände und hin und wieder starke Schmerzen. Und in diesem Moment das Bedürfniss zu schlafen. Aber erst Antiope verarzten.

    "Soll ich sie mir angucken? Nicht dass sie sich entzünden. Ich verbinde sie Dir neu."
    Ich nahm den Wasserbeutel um ihr den Rücken zu waschen.
    "Zieh Dein Oberteil aus, ich verbinde Dich."
    Geflissentlich sagte ich nicht, wie es mir ging

    "Seit mich eins gebissen hat, kann ich die Dinger nicht ausstehen."
    Ich grummelte leise vor mich hin, erhob mcih mit ihrer Hilfe und schwankte kurz. Dann stand ich und sah sie besorgt an.
    "Wie geht es Dir?"

    Ich nickte nur und versuchte das Pferd anzuhalten, was sich als leichter als gedacht erwies.
    "Wir sollten Schatten und ein Versteck finden und ich schau mir Deine Wunden dann an. Vielleicht auch frisches Wasser."
    Ich sprach ein klein wenig schleppend, aber das bemerkte ich selber nicht. Als ich mich umsah, deutete ich auf eine Baumreihe, etwa einen Kilometer südwestlich von uns.
    "Lass es uns dort versuchen."
    Ich war mir nicht sicher, ob Antiope genickt hatte oder nicht, aber ich bildete mir ein Ja ein und trieb das Pferd wieder vorsichtig an. Nach kurzem Zögern tat es mir sogar den Gefallen loszulaufen.
    Nach einer Weile kamen wir an und hatten Glück, ein kleiner Bach plätscherte dort ein kleiner, kaum erwähnenswerter Bach, aber es bot frisches und kühles Wasser.
    Das Pferd tat mir diesmal jedoch nicht den Gefallen darauf zu hören, dass ich wollte, dass es hielt. Es ging direkt auf das Wasser zu und beugte sich darüber, ohne auf mich zu achten.
    "Waaarrrggggs," kam noch über meine Lippen, ehe ich es so gerade schaffte irgendwie an der Seite runterzurutschen und mich halbwegs zu fangen und so nicht mit dem Kopf zuerst auf dem Boden aufzufangen.
    "Blödes Vieh," murmelte ich einmal kurz und setzte mich erst einmal auf den Boden, da mir etwas schwindelig war, ehe ich zu Antiope hochsah. Ich erwartete eigentlich ein schallendes Lachen zu hören.

    Ich nickte nur, aber ich würde nichts sagen. Das letzte Mal hatten die vielen Pausen uns alles genommen. Diesmal würde ich durchhalten. Komme was wolle.
    Und so ritten wir weiter. Zum Glück nicht zu schnell, denn es war anstrengend auf dem Rücken des Tieres zu bleiben. Die Sonne ging im Osten auf und langsam wurde es wärmer. Gegen Mittag erschien mir die Wärme unerträglich und ich hatte Durst. Allerdings war der Wasserbeutel an Antiopes Pferd gebunden. An meinem etwas zu Essen und der Kleiderbeutel.
    Meine Narben schmerzten und ich fragte mich wiederholt, wie es wohl Antiope gehen würde. Schliesslich waren ihre Wunden frisch.
    Ich sah wieder mal verstohlen zu ihr.

    "Ich kenne das nur theoretisch. Meine Mutter hat es uns gelehrt, wie all die anderen Dinge."
    Der Gedanke an meine Mutter und daraus schlussfolgernd an meine Vergangenheit versetzte mir einen fürchterlichen Stich, sah ich doch plötzlich meine Zwillinge vor mir. Ich spürte die verheilte, manchmal noch schmerzende Wunde in meiner Brust plötzlich wieder stark und rang mühsam nach Luft. bemüht Antiope nichts merken zu lassen. Eine heimliche Träne wollte sich aus meinem Auge zwängen, aber ich verbat es ihr.

    Nach einer Weile sagte ich, immer noch in dem Ton: "Sicilia."
    Ja, Sicilia könnte gehen. Es lag im Süden, war eine Insel, damit würden sie nicht rechnen. Und von da vielleicht mit dem Schiff irgendwohin, entweder um Hispania rum nach Germanien oder nach Achaia direkt oder über Africa und Syria...
    Es würde viele Möglichkeiten geben.

    Ich konnte nichts tun. Ich wurde bleich, als sie vom Trennen sprach. Ich schwankte für einen Moment getroffen auf dem Pferd, fing mich aber gerade noch und starrte schweigend geradeaus. Nach einer Weile sagte ich in einem unbestimmten Ton und immer noch blass.
    "Richtung Westen ist das Meer. Mit einem Schiff kommt man nach Achaia. Wenn zu Pferd, dann müssen wir erst nach Norden und durch Illyrien durch. Nach Germanien müssen wir auch nach Norden."
    ICh ritt mit gesenktem Kopf, nun wieder schweigend weiter.

    "Ok," ich sah immer noch skeptisch drein, aber dann tat das Pferd eh was es wollte und setzte sich in Bewegung. oO dachte ich nur und versuchte mich krampfhaft festzuhalten. Ich war noch nciht oft geritten, obwohl es zu Hause eigentlich an der Tagesordnung gewesen war, aber ich hatte als Kind mal ein ganz blödes Zusammentreffen mit dem Gebiss eines Pferdes gehabt, und seit dem hatte ich höllischen Respekt vor den Viechern. Und nun musste ich reiten.
    Aber es musste sein, für die Freiheit!
    "Wohin gehen wir?"

    Ich sah skeptisch drein. Nicht ängstlich, aber schon etwas besorgt. Schliesslich ging es um einiges. Ich schaute auf meine Hand mit der langen Narbe in der Handfläche und griff dann nach den Zügeln.
    "Ich hoffe, Du hälst an, wenn ich runterknalle," lächelte ich schief.